In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass von reformierter Seite her in den Auseinandersetzungen mit der röm.-kath. Kirche sehr oft die Kirchenväter ins Spiel gebracht wurden. Es war kein anderer als Calvin selbst, der durch etliche Zitate aus den Werken von Kirchenvätern in Diskussionen mit Vertretern des römischen Klerus konterte und deutlich machte, dass die von den evangelischen Christen dargelegten Glaubenslehren keine neuen Lehren waren, sondern dass sich die grundlegenden Wahrheiten, die von den Reformatoren betont wurden, sehr wohl in den Werken der Christen der ersten drei Jahrhunderte wiederfinden ließen.
Schon die Kirchenväter – auf die sich die röm.-kath. Kirche zu berufen versuchte – setzten sola scriptura voraus, indem sie alles für unannehmbar erachteten, was nicht geradewegs auf die Apostel oder ihre unmittelbaren Mitarbeiter zurückgeht:
Von keinem anderen als von denen, durch die das Evangelium zu uns gelangt ist, haben wir Gottes Heilsplan kennengelernt. Was sie zuerst gepredigt und uns dann nach dem Willen Gottes schriftlich überliefert haben, das sollte das Fundament und die Grundsäule unseres Glaubens werden. Frevelhaft ist die Behauptung, sie hätten gepredigt, bevor sie die vollkommene Kenntnis besessen hätten, wie jene [Gnostiker] zu sagen sich erdreisten, die sich rühmen, die Apostel verbessern zu können. Nicht eher nämlich zogen sie aus bis an die Grenzen der Erde, allen die frohe Botschaft zu bringen und den himmlischen Frieden den Menschen zu verkünden, als unser Herr von den Toten auferstanden war und sie alle die Kraft des Heiligen Geistes empfangen hatten, der über sie kam. Dadurch empfingen sie die Fülle von allem und die vollkommene Erkenntnis, und so besitzt auch jeder Einzelne von ihnen das Evangelium Gottes” (Irenäus, Gegen die Häresien, 3. Buch, Kapitel 1, “Die Apostel im Vollbesitz der Wahrheit”).
Die Christen der ersten drei Jahrhunderte waren damit nicht besonders gut geeignet, um gegen sola scriptura zu argumentieren.Ohne Zweifel versteht ihr sehr gut, dass diejenigen, die danach trachten, neue Lehren einzuführen, in der Regel jeden Beweis, den sie aus der Schrift anführen wollen, so zurechtbiegen, dass er ihre Behauptungen stützt. … Folglich soll ein Jünger Christi keine neue Lehre zusätzlich zu dem annehmen, was uns einmal durch die Apostel geboten wurde” (Archelaus, Manes, Kapitel 40).