Nevis hat geschrieben: ↑Di 1. Okt 2019, 10:08
ich gehe sehr gerne auf Friedhöfe.
Und nicht nur, wenn ich dort bestimmte Gräber besuchen will.
Einfach der friedlichen Atmosphäre wegen.
Schön als Kind fand ich das Blumen-und-Lichter-Meer in der Zeit um Allerheiligen sehr schön.
Ja, diese Zeit hat ihren Reiz. Besonders, wenn es dunkel wird und die Grablichter oder Laternen leuchten.
Früher, als wir noch Gräber pflegten, war ich mehr auf dem Friedhof.
Später ging ich manchmal aus Interesse, im Rahmen eines unserer Spaziergänge mit Hund und Kindern. Damals wohnten wir bei Rottweil, und auf dem Friedhof des Ortes hatten wir kein Grab. Die Urnengräber dieser letzten Ruhestätte waren scheußlich. Hingeklatscht wie Palettenware. Kaum Platz zum Laufen... unwillkürlich befürchtete man, bei einem falschen Schritt auf eines der kleinen Gräber zu treten.
Ich hielt es nicht für unnütz, den Kindern anlässlich dieser Gänge einige Wahrheiten nahe zu bringen und sie mit der Endlichkeit unseres Dasein zu konfrontieren.
Aber diese Besuche waren dann doch zu bedrückend. Da waren Kindergräber. Sie waren sehr liebevoll geschmückt, auch solche, die schon einige Jahre lagen. Und bei einigen war ein Foto mit dabei.
Das tat mir so leid.
Wer das Grab seines Kindes so engagiert dekoriert und pflegt, der leidet noch immer unter dem Verlust, dachte ich. In mir war ein tiefes Mitleid für diese Mütter und Väter. Irgendwie kam es mir makaber vor, mit meinen lebendigen Kindern über den Friedhof zu gehen und das Leid anderer zu studieren, wenn doch die anderen Eltern ihr Kind- und da waren welche im Alter meiner Kinder mit dabei- hatten begraben müssen. Zu einer Zeit, in der ich mich vielleicht über die ersten Schritte eines Sprößlings freute oder dankbar war für die OP in der letzten Minute, die das Leben meines Jüngsten rettete.
Wer bin ich? Womit habe ich diese Gnade verdient? Und warum mussten andere Eltern durch die Hölle gehen? Meine auch... das erste Kind verstarb etwa ein halbes Jahr vor meiner Geburt. Die Schwester meiner Mutter musste zwei Kinder beerdigen, eines mit etwa einem Jahr, da war ich im Grundschulalter und sah das süße Baby im Sarg...bis heute nicht vergessen... und das andere Kind einige Tage, nachdem es geboren worden war.
Zu schwer, diese Fragen. Viel zu schwer.
Familien lernen es, mit dem Verlust zu leben. Aber der Schmerz bleibt lange. Vielleicht für immer?
Sie wollten nie groß darüber sprechen.
Man kann für die Trauernden beten. Man kann Gott bitten, in ihr Leben zu kommen und sie zu trösten. Mehr kann man nicht tun. Man wird innerlich traurig und empört, weil man es besch.... findet, dass Kinder sterben und Eltern leiden müssen.
Also gehe ich nicht mehr gerne auf einen Friedhof. Hinter jedem Stein oder Kreuz verbirgt sich ein Schicksal.
LG