Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Philosophisches zum Nachdenken
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Travis
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Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Travis »

Rembremerding hat geschrieben: So 24. Feb 2019, 10:51 Das semitische und hellenistische Denken zeigt tatsächlich große Unterschiede. In den Sprachen drückt sich dies besonders aus. Das Hebräische kennt z.B. kein "bin" im griechischen Sinn. Alles verbleibt im Prozess, im "werden", wohl auch, weil es die Sprache eines Nomadenvolkes ist.
Hebräisches Denken ist schon deshalb wichtig, weil Gott sich auf diese Art offenbart und es geprägt hat.

Es gibt diverse Beispiele an denen man erkennen kann, dass man im Verständnis der Bibel nicht weiterkommt, wenn man in einem andersgearteten Denken verharrt. Daher ist es zu empfehlen, sich die hebräische Denkweise wie man sie in der Bibel findet anzueignen und sich ggf. entsprechende Literatur zu beschaffen. Messianische Juden sind da ein großer Quell von Wissen, da sie sowohl Jesus als Messias anerkennen, als auch die hebräische Tradition oft besser kennen als andere. Am Beispiel des Korintherbriefes aber auch des Kolosserbriefes kann man gut erkennen, wie sich hebräische Denkweise und griechische Philosophie gegenüberstehen. Paulus setzte sich ausführlich mit philosophischen Irrlehren auseinander die entstehen, wenn man das Wort selber verlässt um nach höheren Dingen zu suchen. Auch bei den Briefen des Johannes erkennt man deutlich apologetische Züge in dessen Kampf gegen die gnostischen Ströumungen.

DIe ganze Geschichte Israels ist eingebunden in einem Verbund von Wahrheit und Wirklichkeit. Gottes Handeln in der Geschichte, ist Heilsgeschichte. Auf das, was Gott in der Geschichte Israels getan hat, verweisen weite Teile des Pentateuch mit dem Zweck, daran die Bündnistreue und die Liebe Gottes festmachen zu können. Die Historizität dessen, was im AT überliefert ist, stelle also gleichzeitig die Heilsgeschichte dar. Als Beispiel: JHWH leitet seinen Bund also nicht mit einer fiktiven Befreiung aus Ägypten ein, sondern mit einer Tat, an der sich Teile des Volkes noch erinnern konnten. Wahrheit und Wirklichkeit gehen Hand in Hand. Die Wahrheit von der Wirklichkeit abstrahieren zu wollen, geht an dem was im AT überliefert wird vorbei.
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Helmuth
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Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Helmuth »

Rembremerding hat geschrieben: So 24. Feb 2019, 10:51 Das semitische und hellenistische Denken zeigt tatsächlich große Unterschiede.
Die Unterschiede sind geistlicher Natur, nicht sprachlicher. Das Denken ist nicht von der Sprache abhängig, sondern es formt sie bloß. Ich liebe Gott oder Gott liebt uns kann man so ziemlich in jeder Sprache auf dieselbe Weise sagen. Travis kurze Analyse stimme ich hier sehr zu. Sie unterstützt, was auch ich darüber grundsätzlich denke.

Man benötigt dazu nicht Gedanken wie "Die Transzendenz allen Seins auf die Metaebene des Sein"s oder "Das Interagieren, des Bewussten Ich mit dem Überbewussten Du" und solch geschwollenes Zeugs, das Philosophen selbst nicht verstehen. Es sind schlicht keine geoffenbarten Gedanken Gottes. Da heißt es im Wort viel trivialer: "Gott ist Geist" oder "Gott ist Liebe". Das kann jeder verstehen, weil Gott dazu auch den HG gibt.
Rembremerding hat geschrieben: So 24. Feb 2019, 10:51 In den Sprachen drückt sich dies besonders aus. Das Hebräische kennt z.B. kein "bin" im griechischen Sinn.
Was ist der griechische Sinn von "bin"? Anders als Hebräisch? Und welchen Unterschied gäbe es zu Deutsch, Latein oder aramäisch? Zur Info: Auch im Hebr. gibt es den Infinitv "sein". Man benötigt ihn nur nicht im Präsens.

In anderen Zeiten wird das Hilfszeitwort verwendet. Wie ist zwar anders als z.B. auf Deutsch aber klar vorhanden. Das ist eine sprachliche Eigenschaft die mit geisltichen Aspekten nichts zu tun hat. sondern die spezielle Grammatikeigenheit dieser Sprache.
Rembremerding hat geschrieben: So 24. Feb 2019, 10:51 Alles verbleibt im Prozess, im "werden", wohl auch, weil es die Sprache eines Nomadenvolkes ist.
Das sei deine Denkweise. Nur, wo hat man dir dies explizit gelehrt? Genau so sind typisch griechisch philosophische Denkmuster. Hebräisch als Nomandensprache zu bezeichnen ist eine ziemliche Entgleisung der von der Realität wie sie sich entwickelt hat.

Nur ein Aspekt. Hebräisch wird hinsichtlich Wortschatz und Grammatik heute, also im modernen Ivrit, exakt gleich gesprochen wie vor 3000 Jahren. Ivrit wurde erweitert um moderne Begriffe, die es vor früher noch nicht gegeben hat, wie Autobus, Fernsehen, Universität und dgl. Man ist sich nur in der Vokalisierung nicht einig, ob diese früher gleich war, weil diese erst durch die Masoreten festgelegt wurde.

Worte und Grammatik kennt man also hinreichend. Lediglich die Theologen haben wieder im Übereifer Zusatz-Grammatik-Regeln in den Verbalformen eingeführt und benennen sie auch abweichend von der übliche Norm, um bestimmte dogmatische Denkmuster zu unterstützen. Das aber hier auszuführen führt zu weit.

Buber ist und bleibt dagegen aber eine schlechte ÜS, das ändert nichts an dem Fakt. Wäre sie tatsächlich besser als ELB, jeder würde sie verwenden. Da hat sich Hiob ein Steckenpferd zugelegt, das er nicht mehr aufgeben will. Das sei seine Entscheidung. Sie hält einem Sprachvergleich gegen ELB nicht stand. Das würe JEDER Sprachwissenschaftler und auch Theologe so sehen. Ich sagte, ich bin schon mit der Luther-ÜS nicht einverstanden, wenn es um eine präzise Rekonstruktion des Textes geht.
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Travis
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Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Travis »

Michael hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 08:12 Buber ist und bleibt eine schlechte ÜS; das ändert nichts an dem Fakt. Wäre sie tatsächlich besser als ELB wäre, jeder würde sie verwenden.
Ich kenne keinen Fachmann, der Buber als schlechte Übersetzung bezeichnet. Und ich kenne viele Fachleute auf dem Gebiet. Wie alle Übersetzungen hat auch die Buber Übersetzung Stärken und Schwächen. Sie mit der Elberfelder Übersetzung zu vergleichen (welcher eigentlich?) ist allerdings müßig. Die Autoren der ELB hatten eine andere Zielsetzung als Herr Buber.
Michael hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 08:12 Da hat sich Hiob einfach ein Steckenpferd zugelegt, das er nicht mehr aufgeben will.
Hiob findet bei der Buber Übersetzung Formulierungen und Begriffe vor, die eher in seinen Ansatz der Bibelauslegung passen. Das macht die Buber-Übersetzung nicht zu einer schlechten Übersetzung. Das Buber oft andere Begriffe findet, als man sie von anderen Übersetzungen gewohnt ist, bedeutet nicht, dass Buber falsch übersetzt hat. Es bedeutet auch nicht, dass sich Hiob zu Recht auf die Buber Übersetzung als einen Verbündeten berufen kann.

Der Punkt ist halt, dass Herr Buber, so er den heilsgeschichtlichen Fortgang in den Neuen Bund hinein konsequent ausklammert, in einem Grad phänomenologischer Wahrnehmung stehen bleiben muss, den anderen Hebräer, so sie Jesus als den Messias anerkannt haben, fortgeführt haben. Das bis dato vollständige Bild der Heilsgeschichte, hätte Herrn Buber bei seiner Übersetzung voraussichtlich an diversen Stellen zu alternativen Lesarten greifen lassen. Vom Wesen und von der Zielsetzung seiner Übersetzung hätte er jedoch nicht abrücken müssen. Denn das Wesen seiner Übersetzung ist toll und der hebräischen Sprache sehr angemessen.
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Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Hiob »

Travis hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 06:54 Es gibt diverse Beispiele an denen man erkennen kann, dass man im Verständnis der Bibel nicht weiterkommt, wenn man in einem andersgearteten Denken verharrt.
Genau da hat mir Buber die Augen geöffnet. Es hat mir gezeigt, dass "normale" Übersetzungen in griechischer Denktradition stehen und nicht in hebräischer.
Michael hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 08:12 Buber ist und bleibt dagegen aber eine schlechte ÜS
Nein - sie ist ungewohnt, da dem Hebräischen geist-nah.
Rembremberding hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 08:12 Das Hebräische kennt z.B. kein "bin" im griechischen Sinn.
Das interpretiere ich aber gerade NICHT nomadisch, sondern ontisch. Mein Eindruck ist, dass im Hebräischen Inhalte nebeneinander gestellt werden, ohne sie logisch zu verbinden (also kein "weil" oder "obwohl"), sondern einfach "Wumms - so ist es". ---- Aber da würde uns hier im Forum ein hebräischer Linguist und Rabbi guttun.

Ich reite deshalb drauf rum, weil dies eine große Wirkung auf mich im Bibelverständnis hatte. - Wenn man biblische Geschichten hört, hat man bei "normalen" Übersetzungen immer das Gefühl, als sollte alles zielgerichtet (!) begründet werden: "A+E - weil neugierig, deshalb Baum - weil gegen das Gebot Gottes, böse - weil böse, Verbannung", während ich im hebräisch-gefühlten Kontext eher sehe "A+E - Neugierde - Baum - Gebot Gottes - Verbannung". - Dieser Unterschied zieht sich durchs ganze AT durch.

Nebenbei: Auch Diskussionen wie "Wille"/"Entscheidung"/etc. sind bei hebräischer Leseweise (so wie ich sie per Buber verstehe) obsolet. - Es geht eher in die Richtung: "Wenn Du aus dem 10 Stockwerk rausspringst, ist es egal, ob Du rausgestoßen wirst oder absichtlich springst - der Platsch beim Aufprall auf der Straße ist derselbe". - So was versteht man heute in unserer nach wie vor griechisch geprägten Denkweise nicht mehr.
Rembremerding

Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Rembremerding »

Hiob hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 09:08
Das interpretiere ich aber gerade NICHT nomadisch, sondern ontisch.
Gerade dieses "ontische" als Begriff von SEIN ist griechische Philosophie. Hebräisch meint es als Ent-wicklung.
Ich reite deshalb drauf rum, weil dies eine große Wirkung auf mich im Bibelverständnis hatte. - Wenn man biblische Geschichten hört, hat man bei "normalen" Übersetzungen immer das Gefühl, als sollte alles zielgerichtet (!) begründet werden:
Hier hat auch das Denken im Hebräischen eine Entwicklung vollzogen, was alles noch komplizierter macht. Als Nomaden sesshaft wurden, erhielt etwa Besitz einen anderen Stellenwert und auch die Haltung dazu. Also kann sich auch, durch Lebensweise oder Einflüsse anderer Kulturen, der Bedeutungs- und Sinngehalt eines Wortes ändern.
Wenn man etwa die beiden Schöpfungsgeschichten vergleicht, so entstanden sie zeitlich in einem anderen Kontext. Und wenn wir heute im Hinterkopf Evolutionstheorien haben und unser naturwissenschaftliches Verständnis, dann missbraucht man den Text, wenn man ihn als Bestätigung oder Widerlegung dieses Verständnisses verwendet. Die Bedeutungsebene ist nämlich viel weiter gespannt, als dass sie auf unsere Vorstellungen angewiesen wäre.
Beispiel: Wie werten wir heute das Wort "Chaos" ein? Wie wurde das Tohuwabohu hebräisch bewertet? Denn: Sprache muss auch Wertung sein, sonst wird sie unbrauchbar.
Nebenbei: Auch Diskussionen wie "Wille"/"Entscheidung"/etc. sind bei hebräischer Leseweise (so wie ich sie per Buber verstehe) obsolet. - Es geht eher in die Richtung: "Wenn Du aus dem 10 Stockwerk rausspringst, ist es egal, ob Du rausgestoßen wirst oder absichtlich springst - der Platsch beim Aufprall auf der Straße ist derselbe". - So was versteht man heute in unserer nach wie vor griechisch geprägten Denkweise nicht mehr.
Und dennoch findet sich überall die biblische Spur: "Wisse um den Aufprall und entscheide dich, ob du trotzdem in den 10. Stock gehst oder nicht."
Hiob
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Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Hiob »

Travis hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 09:01 Der Punkt ist halt, dass Herr Buber, so er den heilsgeschichtlichen Fortgang in den Neuen Bund hinein konsequent ausklammert, in einem Grad phänomenologischer Wahrnehmung stehen bleiben muss, den anderen Hebräer, so sie Jesus als den Messias anerkannt haben, fortgeführt haben.
Ausdrückliche Zustimmung. Aber genau das ist die Stärke dieser Übersetzung - aus zweierlei Gründen:

1) Es ist ein Kardinal-Fehler in der Übersetzungs-"Branche", wenn man nicht den Text an sich, sondern eigene Intentionen hinein-interpretiert. Auch für das Lesen von Texten generell gilt: ERST die Primär-Literatur ("Was-steht-hier?") lesen und dann erst die Sekundär-Literatur ("In welche Richtung können wir es im Rückblick verstehen?").

2) Das AT darf aus meiner Sicht nicht erst im Rückblick aus dem NT geistlichen Sinn haben, es muss auch aus sich heraus geistlichen Sinn haben. - Also lautet die Frage: Unter der Voraussetzung, dass zu JEDER Zeit der Heilige Geist wirkte: Was hat das AT aus sich selber geistlich zu bedeuten?

Dass man DANACH das NT miteinbezieht, ist klar - aber bitte in dieser Reihenfolge. ---- Hält man diese Reihenfolge ein, stellt man - nur zwei Beispeile von vielen - fest, dass Bileam und Rahab alttestamentarisch eine ganz andere Rolle spielen, als ihnen später zugewiesen wurden. - Es gilt ebenfalls für Charakterstudien von Abraham, Isaak, Ismael, Jakob, Esau, Davin, Saul, etc. --- Man erhält ein anderes Bild, wenn man dem AT als solchem gerecht werden will, als wenn man das AT aus Sicht des NT rückwirkend instrumentalisiert.

Die Kontinuitäten zwischen AT und NT sind plötzlich ganz unterschiedlicher Natur.
Rembremerding

Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Rembremerding »

Travis hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 06:54
DIe ganze Geschichte Israels ist eingebunden in einem Verbund von Wahrheit und Wirklichkeit. Gottes Handeln in der Geschichte, ist Heilsgeschichte. Auf das, was Gott in der Geschichte Israels getan hat, verweisen weite Teile des Pentateuch mit dem Zweck, daran die Bündnistreue und die Liebe Gottes festmachen zu können. Die Historizität dessen, was im AT überliefert ist, stelle also gleichzeitig die Heilsgeschichte dar. Als Beispiel: JHWH leitet seinen Bund also nicht mit einer fiktiven Befreiung aus Ägypten ein, sondern mit einer Tat, an der sich Teile des Volkes noch erinnern konnten. Wahrheit und Wirklichkeit gehen Hand in Hand. Die Wahrheit von der Wirklichkeit abstrahieren zu wollen, geht an dem was im AT überliefert wird vorbei.
Ja und die gesamte Identität des Volkes Israel basiert auf Erinnerung an eine Wirklichkeit. Zu allen Festen werden die Heilstaten Gottes an seinem Volk erinnert und an die nächste Generation im Erzählen weitergegeben.
Das änderte sich auch nicht im NT. Christentum ist ein Glaube, der sich nicht in Philosophien oder literarischen Sammlungen erschöpft, er ist historisch gegründet an Ort, Zeit und vor allen: an die Person von Gottes Sohn. Etwa Sakramente sind, wie die jüdischen Feste, eine "Zeitmaschine", welche konkrete Taten und Worte von Gott und Gottes Sohn vergegenwärtigen und somit auch durch Gott wirkmächtig werden.
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Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Hiob »

Rembremerding hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 09:28 Gerade dieses "ontische" als Begriff von SEIN ist griechische Philosophie. Hebräisch meint es als Ent-wicklung.
Ich verstehe, was Du meinst, und jetzt wird's kompliziert. - Mein Problem ist jetzt, Dir (aus Überzeugung) zuzustimmen und gleichzeitig zu sagen, dass das Hebräische "Ontischer" ist.

Im Griechischen wird das "Ontische" philosophisch thematisiert, im Hebräischen IST es einfach unthematisiert. - Griechisch nagelt man am Sein fest, während man im Hebräischen die Seins-Brocken hinschmeißt und sich entwickeln lässt. - Deshalb ist das Hebräische für mich ontischer, weil dem Sein keine Ausrichtung vorgeschrieben wird. - Das heißt: Durch die Benennung des Ontischen wird das Ontische weniger ontisch. --- Ich gebe zu, dass das arg philosophisch klingt, aber ich SPÜRE das im Vergleich zwischen "Buber" und meinetwegen "Einheitsübersetzung" oder "Elberfelder".

Es klingt stammelnd, was ich dazu sage, weil ich noch nicht DEN Satz dafür habe - aber vielleicht eine Anekdote:
Als ich damals Buber studiert habe, habe ich gerne vorher eine "Normalübersetzung" gelesen, um zu gucken, worum es eigentlich geht (das ist dem Umstand geschuldet, dass Buber derart hebräisch-sprachnah übersetzt, dass es manchmal fast unverständlich ist - da schadet es nicht, wenn man die äußere Handlung vorher "normal" gelesen hat). - Irgendwann kam ein AT-Text/Buch in der "Normalübersetzung", der vom Aufbau und vom Ganzen Wesen her ganz anders war - extrem wertend und analytisch erklärend - also sogar innerhalb der "Normalübersetzung" ein Unterschied zu den anderen AT-Texten. - Da habe ich gedacht: Mal gespannt, wie das Buber übersetzt hat - es hat einfach nicht gepasst.

Als ich dann in die Buber-Übersetzung wollte, habe ich sie nicht gefunden - um dann rauszufinden, dass es einer der AT-Texte war, der NICHT hebräischen Ursprungs war - und deshalb natürlich auch nicht von Buber übersetzt war. - Mir ist in Erinnerung, dass dieser Unterschied zwischen hebräischem Text-Herkommen und griechischem Text-Herkommen unmittelbar spürbar war - und ich war da wirklich "unschuldig", weil ich es vorher nicht wusste.

Da IST irgendwas im Sprach- und Geist-Verständnis, was ganz anders ist. - Nebenbei: Ich vermute, dass das, was Esra und Nehemia gemacht haben, damit zusammenhängt.
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Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Travis »

Hiob hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 09:08 Genau da hat mir Buber die Augen geöffnet. Es hat mir gezeigt, dass "normale" Übersetzungen in griechischer Denktradition stehen und nicht in hebräischer.
Das überrascht mich. Denn der von Dir in Deinen Beiträgen deutlich werdene Ansatz, entspricht gar nicht hebräischem sondern überwiegend philosophischem Denken. Teilweise hat man den Eindruck, Du bräuchtest die Aussagen der Bibel gar nicht, um Deinen Standpunkt zu erläutern, so losgelöst wirken sie. Aber ok, wir sind hier im Philosophie Forum... da darf man das.
Hiob hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 09:29 Ausdrückliche Zustimmung. Aber genau das ist die Stärke dieser Übersetzung - aus zweierlei Gründen:
Der Punkt ist doch, dass sich Jesus und die Apostel auf das AT berziehen. Es kann also keine Stärke sein, den bedeutensten Apsekt der Heilsgeschichte nicht zu berücksichtigen.
Hiob hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 09:29 1) Es ist ein Kardinal-Fehler in der Übersetzungs-"Branche", wenn man nicht den Text an sich, sondern eigene Intentionen hinein-interpretiert. Auch für das Lesen von Texten generell gilt: ERST die Primär-Literatur ("Was-steht-hier?") lesen und dann erst die Sekundär-Literatur ("In welche Richtung können wir es im Rückblick verstehen?").
Den Fehler sehe ich gar nicht.
Hiob hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 09:29 2) Das AT darf aus meiner Sicht nicht erst im Rückblick aus dem NT geistlichen Sinn haben, es muss auch aus sich heraus geistlichen Sinn haben. - Also lautet die Frage: Unter der Voraussetzung, dass zu JEDER Zeit der Heilige Geist wirkte: Was hat das AT aus sich selber geistlich zu bedeuten?
Den Sinn hatte das AT von Anfang an. Das Verstehen ist allerdings der fortschreitenden Offenbarung geschuldet, weshalb es des Messias bedurfte, um das AT richtig einordnen zu können. Mit dem Messias hatten die Israeliten die Chances alles zu verstehen, wovon sie zuvor nur schattenhaft Ahnung hatten. Die Jesusnachfolger wurden genau darin unterrichtet wie man im NT mehrfach lesen kann. Ohne das NT ist das AT nicht vollständig. Es fehlt der Schlüssel: Jesus Christus. Ohne AT ist das NT nicht vollständig, da es darauf aufbaut und es vollendet.
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Re: Jüdische vs. hellenistische Philosophie in Bibelinterpretation

Beitrag von Rembremerding »

Hiob hat geschrieben: Mi 5. Aug 2020, 09:29

Die Kontinuitäten zwischen AT und NT sind plötzlich ganz unterschiedlicher Natur.
Wobei Gott es als eine Gesamtoffenbarung an den Menschen durch den Hl. Geist schenkte. Man darf nicht den Fehler machen, Antworten, die an anderer Stelle eines Buches stehen, zuvorderst einfach zu ignorieren, und dann womöglich auch noch selbst falsche zu finden. Die Bibel darf nicht nur so gelesen werden, als kenne man sie nicht ganz, um sich allein in die Spannung der Handelnden und deren menschlichen Autoren zu versetzen.
Deshalb gibt es die kanonisch-kritische Bibelinterpretation.
Griechisch nagelt man am Sein fest, während man im Hebräischen die Seins-Brocken hinschmeißt und sich entwickeln lässt. - Deshalb ist das Hebräische für mich ontischer, weil dem Sein keine Ausrichtung vorgeschrieben wird.
Dann nennen wir es nicht ontisch, sei es jener Raum, in dem Gott schöpft und am Leben hält? Dann ist Schöpfung jenes, das durch das Leben wird und ist.
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