Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
Siehe Descartes und seine Degradierung von Tierpersonen zu Automaten.
Sein richtiger Gedanke war, geistliches Bewusstsein und tierische Existenz kategorial zu trennen. Falsch war die Art seiner Schlussfolgerung. - Übrigens: Tiere sind auch heute keine "Personen" im geistlichen Verständnis von "Person". - Im modernen Neusprech geht es natürlich - da kann irgendwann wahrscheinlich sogar ein sprechender Kühlschrank "Person" sein. - Sprache als Verwirrspiel.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
Ich sehe darin keinen Zirkelschluss. Den würde ich woanders verorten: Da wo er die Existenz Gottes überhaupt erst versucht zu beweisen.
Keine Einwände - Du argumentierst halt von einer anderen Position des Zirkels aus.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
Naja, glaubensmäßig setzen braucht Intention, Vorsatz.
Nein - viele Setzungen sind vollkommen unbewusst, automatisch, gewohnt. - Man hört bspw. gelegentlich von naturalistischer Seite, dass der Naturalismus keine Voraus-Setzungen habe - oder die Wissenschaft. Da ist keine Intention oder Vorsatz - man meint, dass es einfach so sei. - Das war bei Descartes nicht viel anders.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
“Wir halten diese Wahrheiten für selbst-evident [self-evident], dass alle Menschen gleich erschaffen worden, …” steht in der Unabhängigkeitserklärung der USA.
Und nicht: “Wir wollen folgendes glaubensmäßig setzen: dass alle Menschen gleich erschaffen worden, …”
Das ist doch dasselbe. - "Self-evident" ist doch ein wunderbares Wort für "nicht-falsifizierbare Setzung/Vorannahme".
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
“Was die Dinge an sich sein mögen, weiß ich nicht, und brauche es auch nicht zu wissen, weil mir doch niemals ein Ding anders als in der Erscheinung vorkommen kann.” – Kant
„Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“ (Heidegger) - Oder nimm das biblische "Jahwe", das verbunden ist mit "Ihr Menschen könnt Euch kein Bild von mir machen". - Will heißen: Wir nehmen immer nur über die Bande der Wahrnehmung wahr, egal ob man von "Erscheinung" oder von "Offenbarung" spricht.
Umgekehrt: "Das Sein ist die Voraussetzung für das Seiende“ (Heidegger). - Das heißt: Die kantsche Erscheinung und die biblische Offenbarung ist nicht möglich ohne "Ding an sich" oder "Gott". - Genau diese Differenz zwischen Original und Erscheinung ist Thema bei Descartes.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
“Das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen” hat er tatsächlich gesagt. Allerdings handelte es sich da um religiösen Glauben und nicht um:
Hiob hat geschrieben: ↑Do 15. Jul 2021, 21:13
Er SETZT etwas glaubensmäßig und baut darauf seine Philosophie auf.
Was ist "religiös"? Eigentlich jegliches Geistliche. - Entscheidend ist, dass er seiner Philosophie etwas Geistliches vorschaltet, was für ihn genau so weit weg ist wie das Chaos dem Zeus.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
U2 wird durch U3 begründet. U3 durch U4, U4 durch U5, usw.
Davon abgesehen, dass Mathematik aus meiner Sicht die unanfechtbarste Geisteswissenschaft ist, gibt es auch dort Axiome, ohne deren Gesetzhaftigkeit solche Aussagen nicht möglich sind.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
Warum kann diese Folgerichtigkeiten nicht allgemein verstanden werden?
Bei Mathematik am ehesten.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
D. h. wenn der Astrologe das Horoskop korrekt erstellt oder der Physiker mit korrekten Messergebnisse korrekt rechnet, dann gelangen sie zu inner-systemischen Wahrheiten.
Ganz recht. Wobei es bei den Naturwissenschaften allerdings etwas gibt, was es woanders NICHT gibt, nämlich die systemisch unabhängige experimentelle Überprüfung. Bei Geistes- und Sozialwissenschaften gibt es dieses Korrektiv normalerweise nicht.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
a, das ist verständlich, dass dir diese Vorstellung gefällt. Eine Welt, in der sich jeder sein Spiel ausdenken darf
Lass mich da außen vor - das wurde von anderen erfunden. - Im übrigen sind Methodiken wahrlich nichts Anrüchiges, nur ist deren Übereinstimmung mit Wirklichkeit nicht notwendigerweise "self-evident", was gerade heute oft verkannt wird. Man verwechselt gerne System-/Modell-Wahrheiten mit Wirklichkeit.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
Was ist ontisches denken denn dann? Der Begriff ist ja einigermaßen kurios.
Ontisches Denken hat letztlich nur eine Erkenntnis: Dass das, was ist, etwas anderes ist als die Erscheinung/Offenbarung/menschliche Wahrnehmung. Das heißt NICHT, dass letzteres mit dem Sein in Widerspruch stehe müsse (es ist im Gegenteil darauf angelegt - schon wieder Descartes - , zu ihm authentisch zu sein). Aber es gibt einen kategorialen Unterschied zwischen "Ding an sich" und dessen "Erscheinung", "Sein" und "Seiendem", "Gott" und "Offenbarung", "Natur-Sein" und "naturwissenschaftlicher Reflexion desselben". - Wenn man dies erkannt hat, braucht man ontisch nicht weiter zu denken - voll ausreichend.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
“system-immanent”? Welches System ist damit gemeint? Geheimsprache?
Das Wenige, was ich von Erkenntnis-Theorien kenne, läuft meistens auf Basis der Setzung "naturwissenschaftliches Ergebnis = Wirklichkeits-Sein". Man macht also ein "=-Zeichen" zwischen zwei Kategorien (Kategorie-Fehler!). - Dies macht die ganze Sache zu einem (EINEM) System von mehreren.
Es gibt in der Theologie inzwischen die Strömung, dass die Bibel nur historisch-kritisch als wahr verstanden werden können. Dies macht die ganze Sache zu einem (EINEM) System von mehreren. - Es gab sogar eine erschreckend erfolgreiche Anstrengung, das Wort "ontologisch" von metaphysisch auf naturalistisch zu hieven, also den ursprünglichen Wortsinn komplett auf den Kopf zu stellen. Daraus, wie bei den anderen Beispielen auch, entstehen systemisch-immanente Schlussfolgerungen, die in sich logisch zutreffend sind. Aber die Grundlage dafür wird halt nicht hinterfragt, weil man - s.o. - nicht ontisch denkt.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
Das ist keine Erkenntnis, sondern einfach nur falsch.
Dann zeige dies mal bei den obengenannten Beispielen. - Welche dieser Beispiele ist ohne nicht-falsifizierbare Setzung?
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
die Wissenschafts-Gläubigkeit grassiert deshalb, weil die Menschen deine Erkenntnis nicht erreicht haben?
Nein, sondern weil Wissenschaft medial meistens falsch vermittelt wird.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
Normalerweise geht’s da bloß um Interpretation von Kulturprodukten: Kreisen zwischen Einzelelementen und dem Ganzen.
Das mag EIN Segment sein - der Begriff "Hermeneutik" ist arg heterogen definiert. - Mein Ansatz baut überm Daumen auf F. Ast - F. Schlegel - Hegel - Heidegger Gadamer --- da geht es um weit mehr als um irgendeine rhetorische Lehrstunde. - Es gibt "Hermeneutik" übrigens auch als theologische Disziplin.
In "Bibelwissenschaft" werden drei Arten der Hermeneutik unterschieden:
1. Hermeneutik als Methode der Textauslegung. Hierbei geht es um ein Regelwerk für die Textinterpretation, wobei als Text traditionsgemäß die Bibel Gegenstand der Auslegung ist, aber ebenso Rechtstexte oder belletristische Literatur.
2. Hermeneutik als methodologische Grundlagenreflexion, insbesondere der Geisteswissenschaften. Im Gegenüber zu den Naturwissenschaften befasst sich Hermeneutik mit den Regeln und Methoden der Verstehenswissenschaften (so besonders Dilthey, 1957), ihrem Wahrheitsanspruch und wissenschaftlichen Status.
3. Hermeneutik als universelle Interpretationsphilosophie. In bewusster Ausweitung zu 2. hat Gadamer (Gadamer, 1990) im Anschluss an Heidegger die Hermeneutik als Meta-Disziplin zur Deutung von Sein und Welt elaboriert, weshalb man dann auch von „Lebenswelt-Hermeneutik“ beziehungsweise „Existenz-Hermeneutik“ sprechen kann.
Dein Verständnis scheint sich an 1. und 2. zu orientieren, meines an 3.
Claymore hat geschrieben: ↑Mo 19. Jul 2021, 21:05
Wie sieht der hermeneutische Zirkel bei der Theorie der Plattentektonik aus? Was ist da “hermeneutisch entwickelbar”?
Für Naturwissenschaft verwendet man diesen Begriff meines Wissens selten (man hört, dass er bei der Quantenmechanik einen stärkere Rolle spielt, weil man da oft nicht experimentell bestätigen kann). Die Methodik der Naturwissenschaften ist spätestens seit Popper so gefestigt, dass es in der Regel darüber hinaus keiner hermeneutischen Methodik bedarf.