Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Denn nach der obigen Definition muss dieses ‘Sein’ sich selbst in dem Zusammenschluss von “all dem, was ist” enthalten. Also Sein = { A, B, C, ..., Sein, ... }

Das ist zwar noch kein handfestes Paradox, lässt aber ‘das Sein’ als Konstruktion zumindest als suspekt erscheinen.
es folgt eigentlich aus der russel`schen antinomie bezogen auf die naive mengenlehre

übersetzt, die welt/das sein ist eine menge aller mengen, die sich nicht selbst als element enthält...solche mengen gibt es nicht, russel hat das formallogisch gezeigt...gödel ist auch noch da :mrgreen:
Zuletzt geändert von Paul am So 22. Aug 2021, 13:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

edit

doppelter post :mrgreen:

womöglich auch watungsarbeiten am server :lol:

ok, damit der post nicht ganz sinnlos bleibt...hab mal im blauen forum als bratgurke einen topic über mathematik aufgemacht...haben die karpfen dann aber einkassiert 8-)
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: So 22. Aug 2021, 12:46 Hiob: du hast exakt die wesentlichen Punkte nicht verstanden / ignoriert.
Möglicherweise habe ich DEINEN wesentlichen Punkt nicht verstanden. Mir ist in der Tat nach wie vor rätselhaft, welche Vorannahmen es sind, die Deine Ablehnung meines Ansatzes erzwingen.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: So 22. Aug 2021, 16:18
Claymore hat geschrieben: So 22. Aug 2021, 12:46 Hiob: du hast exakt die wesentlichen Punkte nicht verstanden / ignoriert.
Möglicherweise habe ich DEINEN wesentlichen Punkt nicht verstanden. Mir ist in der Tat nach wie vor rätselhaft, welche Vorannahmen es sind, die Deine Ablehnung meines Ansatzes erzwingen.
War nicht bös gemeint. Ich sag mal so: einige Abschnitte hast du ignoriert (weder zugestimmt, noch widersprochen), und das waren genau die, wo sich die wesentlichen Erklärungen befanden (die Schlussfolgerungen, der Kitt der alles zusammenhält). Also, lies die nochmal genau durch – die waren wirklich wichtig, dann verstehst du auch die folgenden Antworten besser. Oder wenn du denkst, das ist Unsinn, dann tu dir keinen Zwang an ihnen zu widersprechen.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: So 22. Aug 2021, 10:57Komisch. - Eigentlich meine ich, dass "das, was ist", weder Glaubenssetzung ist noch beweisbar sein muss, sondern die nüchterne Feststellung, dass die Welt nicht Nichts ist. DAVON, also von diesem Nicht-Nichts alias Sein
Auch ein Blumentopf ist Nicht-Nicht-Sein. Ist er deswegen “das Sein”? Sicherlich nicht.
kann man anthropozentrisch das eine oder andere glauben sowie dieses oder jenes beweisen. Entscheidend ist, dass unsere Reflexion, sei sie glaubend oder wissenschaftlich, eine Sekundär-Erscheinung ist, dem das, was ist, primär vorausgeht.
Den Skeptizismus stringent durchgehalten, ist der neu eingeführte Begriff der “Welt” problematisch. “Welt” ist mindestens ein paar Nuancen von “Sein” entfernt. Und “Sein” ist ein ganz fragwürdiger Begriff. Diese Zusammenfassung von all dem, was ist, zu einem eigenen Ding, das aus eigenem Recht existiert, ist imho kein offensichtlich gültiger Schritt.

Die Summe (Vereinigung) von Dingen aus einer Klasse gehört meist nicht zu dieser Klasse selbst. “Die Summe aller Menschen” ist die Menschheit, aber selbst kein Mensch. Ausnahmen sind anscheinend Kontinuativa: Wasser, Bier, Gold, … “Die Summe allen Goldes” ist selbst Gold. Warum “Die Summe von allen Dingen, die existieren” nun selbst ein Ding ist, das existiert, ist die große Frage. Imho ist das (wenn man einen dermaßen starken Skeptizismus anlegt wie du) überhaupt nicht selbstverständlich.
Allerdings: Descartes hat hier wohl den Fehler gemacht, alles, was nicht "Person" ist, als verfügbar zu verstehen. Dem würde ich widersprechen. Denn Tiere sind, selbst wenn sie nicht (christlich) "Person" sind, lebendige Schöpfung, die beseelt ist. Das heißt: Selbst wenn mangels Cogito kein Ich leidet, leidet die Schöpfung, wenn man einen Hund tritt. Dies ist schwerwiegend.
Ich kann mir nur wenig unter von einem fühlenden, empfindenden Subjekt losgelösten Leid etwas vorstellen.

Der christliche Ansatz, Tiere nicht als Personen anzusehen hat de facto dazu geführt, dass man sie bis in die Moderne als 100% freigegeben für die Ausnutzung angesehen hat. Ursprünglich zweifelte allerdings niemand daran, dass Tiere Leid empfinden, es war nur den Menschen egal. Die waren da hart im nehmen.

Das Wesen der Aufklärung ist ja die Doppelmoral: Die Menschen wurden zimperlicher, aber an der eigentlichen Grausamkeit änderte sich nichts. So kam wohl auch zu der Zeit gewisse Empathie mit Tieren auf und man brauchte eine Beruhigungspille für das Gewissen. Die lieferte Descartes: “Tiere sind nur Automaten, alles okay”.
Mache das mal an einem Beispiel konkret.
Z. B. bei a × b = b × a für natürliche Zahlen a, b. Das ist nun ein Axiom der natürlichen Zahlen – aber eine ausformulierte Erklärung wäre, dass man sich a × b vorstellen soll als Figur von a Reihen zu je b Kästchen. Dreht man das ganze in der Vorstellung um 90° ergibt sich eine Figur von b Reihen zu je a Kästchen, die aus der gleichen Anzahl an Kästchen besteht und dem Produkt b × a entspricht:

Code: Alles auswählen

  □ □ □
  □ □ □
  □ □ □                        □ □ □ □ □ □ □
  □ □ □  === 90° Rotation ==>  □ □ □ □ □ □ □ 
  □ □ □                        □ □ □ □ □ □ □ 
  □ □ □
  □ □ □
  
   7 × 3 = 21 = 3 × 7
Also ist a × b = b × a. Mit einem formalen Beweis hat das freilich nichts zu tun. Aber es ist doch eine irgendwie vermittelbare, ausformulierbare Begründung. In diesem Sinne fällt das Axiom a × b = b × a für natürliche Zahlen a, b weder vom Himmel, noch ist es Produkt eines völlig intransparenten, unbeschreiblichen Vorgangs.
Hoho - es werden viele Dinge unbewusst gesetzt, auch von Intellektuellen. - Bspw. dass Mann und Frau nur per Sozialisierung unterschiedlich sind - oder dass die westliche Lebensordnung tauglich ist als Missions-Produkt für alle Länder der Welt - etc.
Damit wiederholst du nur deine extrem seltsame Einstellung: “Der wesentliche Fortschritt wäre, dass sich alle Menschen ihrer Setzungen* bewusst werden!”

* egal wie absurd !!

Im Sinne von C. S. Peirce glaube ich nicht an Ur-Intuitionen oder an Setzungen hinter denen keine beschreibbaren Gründe irgendeiner Form stehen. Bei den Überzeugungen, die man gemeinhin als Setzung / Voraussetzung bezeichnet, handelt es sich doch eher um epistemologische Orientierungspunkte. An diese kann und muss Kritik (direkt) ansetzen.

Allerdings mit einer Priorisierung bzgl. Absurdität und Schaden für Gesellschaft, Umwelt, etc.
Tja - das gilt auch für den durchschnittlich modernen Menschen. - Davon abgesehen: Irgendwann funktioniert ist, da jede Hermeneutik eine Teleologie hat.
Und warum???

Das ist doch – um mich deines Vokabulars zu bedienen – die “Kaiserin der Setzungen”, die “Setzung der Setzungen”…
Aus Gründen der Disziplin gilt das auch jetzt noch, weil es kein Instrument gibt, zwischen Sinn und Unsinn zu unterscheiden. - Einfaches Beispiel:
1) Töten von Menschen ist böse.
2) Töten von Menschen ist gut.
Beide Thesen sind begründbar - einmal christlich, das andere mal darwinistisch. - Konkret: Im Sinne der Arterhaltung wäre es besser gewesen, Corona erst gar nicht zu bekämpfen, weil davon meist nur Alte betroffen sind.
Seltsam, dass nun Setzungen begründbar sein sollen…

Egal wie – auch wenn es Kontroversen ohne Ende gibt und manchmal eine These so plausibel wie ihre Negation erscheint, beweist das noch lange nicht, dass wir nach dem Schema “Jede Setzung ist formal gleichberechtigt” verfahren sollten.
Genau so ist es. Das ist doch der Gag an "Gott", dass man selber nicht der Ursprung ist, sondern Widerhall, der zwar bedingt erkennen kann, aber nicht Maßstab ist. Das ist ein Sinn des Wortes "ebenbildlich". - Man hat immer wieder den Eindruck, dass der Mensch meint, er könne der Chef dessen sein, was "ist".
Eine seltsame Antwort, die fast nichts mit meiner ursprünglichen Aussage zu tun hat. Gott kam da nicht vor.

Meinst du etwa, du verfügst über Ur-Intuitionen, deren Ursprung Gott ist?
Die Alternative wäre, das Nicht-Sein zu setzen. Führt das weiter?
Das ist ein ungültiger Schluss – s.o.
- Auch zu meinen, dass die eigene Wahrnehmung (ob sinnlich, geistlich oder wissenschaftlich) Maßstab für das, was ist, wäre, ist eine "dogmatische" Setzung. - Ich nenne das "hermeneutische Vorannahme".
Nur kann man diesbezüglich komplett agnostisch sein.

Der Punkt ist doch: Schmerzen werden den Menschen immer dazu zwingen, sich in irgendeiner Form auf das Wahrgenommene einzulassen und zu agieren.

Ob dahinter die Matrix, Brahma’s Traum oder eine gewöhnliche materielle Welt steht (tun wir mal so, als könnten wir die überhaupt auseinander halten) ist 100% irrelevant.

Du reihst Unterschiede ohne Unterschied aneinander, die du alle für entsetzlich bedeutsam hältst. Dabei sind sie nutzlos für das irdische Glück – angenehme Erlebnisse zu suchen und unangenehme Erlebnisse zu vermeiden. Denn dabei ist egal was hinter diesen Erlebnissen “““ontisch””” steckt.

Es wäre ja noch entschuldbar, wenn das wenigstens spirituellem Wachstum diente. Aber – wenn irgendwer oder irgendwas das Urteil über uns spricht – unser Seelenheil wird schwerlich davon abhängen, ob wir genug über “Ist alles eine Einbildung?” philosophiert haben.

Um mal ganz deutlich zu werden: ich halte deine Unterschiede ohne Unterschied einfach 100% für die Tonne.
Eben. Genau das versuche auch ich, ständig zu unterstreichen. :D - Ob physisch oder metaphysisch: Was wir als "echt" bezeichnen, ist Ausdruck anthropozentrischen Ordnungs-Begehrens. Ob dies mit dem, was ist, übereinstimmt, ist eine andere Frage, die nur unter Bedingungen mit Ja beantwortet werden kann.
Hier hast du mich 100% falsch verstanden. Es ging darum, dass “echt” unqualifiziert überhaupt keinen Sinn macht. Du meinst dagegen, dass “Ist x echt?” Kontext-frei eine vernünftige Frage wäre – bzgl. der wir nur leider nicht über sicheres Wissen verfügen.
Physikalisch hat Descartes einiges falsch gemacht - SEIN Problem. Das hat aber nichts zu tun mit seinen grundlegenden philosophischen Erkenntnissen.
Seine physikalischen Fehler seien ihm verziehen. Es ging um die Frage: reichen diese Fehler schon aus um zu sagen: “Das Haus, in dem Descartes wohnte, war nach den Kriterien Descartes’ nicht echt” ?

Das ist nun nicht mehr so einfach zu beantworten. Und zeigt auf, wie extrem fragwürdig ein völlig uneingeschränktes, unqualifiziertes Verständnis von “echt” ist.

Im normalen Gebrauch ist “echt” immer an einen Kontext gebunden. Eine Münze ist für den, der nur am Edelmetallwert interessiert ist, echt, wenn sie aus Gold / Silber besteht. Ein Numismatiker geht dagegen nach anderen Kriterien vor, zu denen z. B. gehört, dass die Münze tatsächlich in dem Jahr, wie ihre eingeprägte Jahreszahl aussagt, geprägt wurde.

Was das uneingeschränkte, metaphysische “echt” bedeuten soll, steht dagegen in den Sternen!
Zuletzt geändert von Claymore am So 29. Aug 2021, 00:33, insgesamt 1-mal geändert.
Claymore
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Richtig. Und warum? Weil wir ein Einvernehmen haben, dass die Res extensae "echt" sind. Aber es ist ein EINVERNEHMEN alias "Glaube". - Diesen Glauben habe auch ich (Descartes sowieso). Die geistliche Leistung besteht darin, dies als Glaube zu erkennen und nicht als voraussetzungloses Faktum. - Konkret: Weil ich glaube, dass Sinne und Wissenschaft sich (normalerweise) nicht täuschen (da Gott uns nicht Gaben gibt, um uns zu verarschen), bezeichne ich den Thermometer an der Wand als Faktum.
Ähm, hast du die Passage gelesen?
Claymore hat geschrieben: So 15. Aug 2021, 21:25 Und auch zum x-ten Male, wenn wir mit eigenartigen idealistischen Weltanschauungen daherkommen wie “Das Individuum ist wie eine Wasserblase im Ozean Brahmans. Die gesamte Welt ist wie ein langer Traum und gänzlich ohne Substanz. Nur Brahman, die absolute, undifferenzierte Masse von Satchidananda, existiert.” (aus Yoga-Wiki) – und nehmen mal an, wir könnten das verstehen und es verhielte sich auch ganz genau so – ist das Thermometer an der Wand dann metaphysisch “echt” oder “nicht echt”? Im alltäglichen Sinne wäre es weiterhin echt – d. h. selbst die abgefahrenste idealistische Weltanschauung macht da keinen Unterschied
Geht deine Antwort überhaupt darauf ein? Nö.
Die Alternative wäre: Es gibt kein Sein. ---- Das willst Du sicherlich nicht sagen,
Doch.
aber mir scheint unser Problem klar zu sein: Du scheinst "Sein" zu verbinden mit "menschlicher Wahrnehmung" (egal ob sinnlich, geistlich, wissenschaftlich). Primär tue ich dies eben NICHT, wiewohl ich selbstverständlich menschliche Wahrnehmung (welcher Art auch immer) nicht in Frage stelle. Aber ich treffe keine verbindlichen Aussagen zur Qualität derselben (in Bezug auf Sein), sondern nur Glaubensaussagen.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum dieser sehr einfache Punkt so kontrovers ist.
  • 1 + 1 = 2.
  • “Hätte ich heute ohne Regenschirm das Haus verlassen, wäre ich nass geworden.”
  • Einen Menschen aus Habgier zu töten, ist verdammungswürdig.
  • Der Tyrannosaurus rex lebte vor 68 bis 66 Millionen Jahren.
All diese Thesen – seien sie wahr oder falsch – was spiegeln sie oder was scheitern sie zu spiegeln? Wie sollten sie jemals dieses ominöse “Sein” spiegeln?
Das heißt nicht, dass Wissenschaft eine Glaubens-Disziplin wäre. Es heißt jedoch sehr wohl, dass Wissenschaft nur systemintern objektiv ist.
Das ist der komplett falsche Ansatz, der wieder davon ausgeht, dass sich Wahrheit über “spiegelt die Wirklichkeit” definiert (eine 100% absurde, inkonsistente Definition) – anstatt über den Nutzwert.
Streng genommen ist diese Korrektur richtig. Die Alternative dazu ist, dass das Sein (an sich) in Frage steht. Aber da kommen wir wieder in den Kreisel von Sein und Nicht-Sein.
“Das Sein”, als eigenständig existierendes Ding, stelle ich tatsächlich in Frage.
Ok. - Das Problem: Es gibt nichts, was wir hier besprechen, was nicht menschlich, also relativ/reflexiv/beschränkt wäre. - Deine Aussage verstehe ich trotzdem nicht: Nicht glauben, dass es Sein gibt, heißt glauben, dass es etwas anderes als Sein gibt, was nur das Nicht-Sein sein kann. Das geht nicht auf.
Ich bezweifle nur, dass es sich mit “dem, was existierend” so verhält wie mit Entitäten, die mit Stoffnamen beschrieben werden.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:30 Auch ein Blumentopf ist Nicht-Nicht-Sein. Ist er deswegen “das Sein”? Sicherlich nicht.
:?: - Meinst Du, er sei NICHT Teil des Seins?

Ich habe Deinen gesamten Post durchgelesen und kommen immer wieder zum Ergebnis, dass wir uns an einem mir rätselhaften Punkt missverstehen. - Folgende Beispiele dafür nehme ich heraus:
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:30 Seltsam, dass nun Setzungen begründbar sein sollen…
Ja was denn sonst??? - Das ist doch gerade der Sinn des Hermeneutischen Zirkels, dass er an einer Vorannahme ("Setzung") ansetzt, deren Richtigkeit man vermutet: "Diese Frau lächelt mich an und nimmt meine Einladung zu einem Drink an. Meine Vorannahme (vielleicht wäre das Wort "Anfangsverdacht" für Dich weiterführender) ist daraus, dass sie mich mag". - Hier setzt der Hermeneutische Zirkel an, indem man alles weitere beobachtet und qualifiziert: "Nimmt sie mich mit auf ihr Zimmer? Nimmt sie meinen Heiratsantrag an? Bleibt sie bei mir, als ich lange krank bin? Etc.". - Mit der Einlösung solcher Dinge wird meine Vorannahme "Sie mag mich" immer mehr begründet.
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:30 Im normalen Gebrauch ist “echt” immer an einen Kontext gebunden. Eine Münze ist für den, der nur am Edelmetallwert interessiert ist, echt, wenn sie aus Gold / Silber besteht. Ein Numismatiker geht dagegen nach anderen Kriterien vor, zu denen z. B. gehört, dass die Münze tatsächlich in dem Jahr, wie ihre eingeprägte Jahreszahl aussagt, geprägt wurde.
"Echt" ist hier ein faules, verkürzendes Wort für "ontisch existent". - Beispiel: Ist Gott eine ontische Entität (also existent, auch wenn es keinen einzigen Menschen gäbe = "echt sensu thread") oder ist er eine menschliche Projektion?
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:30 Es ging um die Frage: reichen diese Fehler schon aus um zu sagen: “Das Haus, in dem Descartes wohnte, war nach den Kriterien Descartes’ nicht echt” ?
Diese Fehler reichen für gar nichts aus. - Davon abgesehen würde Descartes nie sagen, dass das Haus, in dem er wohnte, nicht "echt sensu thread" sei. Er würde sagen: "Es IST nach meinem Glauben 'echt' ". - Descartes ist zwar methodisch ein Skeptizist, aber ontisch genau das Gegenteil - ein "Ontizist", wenn es dieses Wort gäbe.
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:30 Was das uneingeschränkte, metaphysische “echt” bedeuten soll, steht dagegen in den Sternen!
Es ist mir ein grandioses Rätsel, warum die einfache Antwort "Das, was IST, egal, ob wir sein Sein nachweisen können" nicht verständlich ist. --- Die Vulkane auf einem Planeten in einem Sonnensystem in 2 Milliarden Lichtjahren Entfernung sind allein dadurch "echt", dass es sie gibt - selbst wenn wir dies nie werden wahrnehmen/nachweisen werden können. - Es geht bei Descartes und auch bei mir um die kategoriale Entkopplung von Wahrnehmung und Existierendem sowie die Glaubens-Begründung, warum beides trotzdem zusammengehört. - Descartes öffnet den Weg zum Vertrauen in die Aussagen der Wissenschaft, weil er trotz seines Nachweises, dass das Cogito nie unterscheiden kann, ob Wahrgenommenes Projektion oder Entität ist ("Skeptizismus") , per Glauben postuliert/setzt/festlegt, dass Wahrnehmung im Normalfall auf Entität trifft.

Wie anders soll ich es noch ausdrücken? - Wo ist eigentlich genau Dein Problem?
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 Geht deine Antwort überhaupt darauf ein? Nö.
Weil ich Deinen Korridor des Denkens noch nicht begriffen habe.
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 Die Alternative wäre: Es gibt kein Sein. ---- Das willst Du sicherlich nicht sagen,
Doch.
Dann definierst Du "Sein" ganz anders als ich. Denn nach meinem Verständnis von "Sein" würde Deine Aussage bedeuten, dass es weder Claymore noch Hiob gäbe und wir hier nicht schreiben könnte. - Die Tatsache also, dass wir hier schreiben, ist die Falsifizierung Deiner Aussage, es gäbe kein Sein. --- Definiere "Sein".
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 Das ist der komplett falsche Ansatz, der wieder davon ausgeht, dass sich Wahrheit über “spiegelt die Wirklichkeit” definiert
Die Wahrheit ist erst mal das Sein sensu Hiob. Auf sekundärer Ebene kann man als "Wahrheit" bezeichnen, was dieses Sein authentisch spiegelt. - Hättest Du 4 Ohren, wäre das Wahrheit. - Sähe ich nur 2 davon, wäre dies eine unauthentische Spiegelung dieser Wahrheit, selbst wenn ich es wissenschaftlich beweisen könnte.
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 “Das Sein”, als eigenständig existierendes Ding, stelle ich tatsächlich in Frage.
Dann gäbe es NICHTS und unser Austausch hier wäre nicht möglich.
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 Ich bezweifle nur, dass es sich mit “dem, was existierend” so verhält wie mit Entitäten, die mit Stoffnamen beschrieben werden.
Solche Versuche, methodisch oder systematisch Ordnung zu schaffen, sind sinnvoll, haben aber mit dem Sein selber nichts zu tun. Das Sein ist die Eiche, an der sich unsere Wahrnehmung kratzt - das Sein merkt es nicht einmal.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

Hiob hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 01:19
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 Geht deine Antwort überhaupt darauf ein? Nö.
Weil ich Deinen Korridor des Denkens noch nicht begriffen habe.
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 Die Alternative wäre: Es gibt kein Sein. ---- Das willst Du sicherlich nicht sagen,
Doch.
Dann definierst Du "Sein" ganz anders als ich. Denn nach meinem Verständnis von "Sein" würde Deine Aussage bedeuten, dass es weder Claymore noch Hiob gäbe und wir hier nicht schreiben könnte. - Die Tatsache also, dass wir hier schreiben, ist die Falsifizierung Deiner Aussage, es gäbe kein Sein. --- Definiere "Sein".
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 Das ist der komplett falsche Ansatz, der wieder davon ausgeht, dass sich Wahrheit über “spiegelt die Wirklichkeit” definiert
Die Wahrheit ist erst mal das Sein sensu Hiob. Auf sekundärer Ebene kann man als "Wahrheit" bezeichnen, was dieses Sein authentisch spiegelt. - Hättest Du 4 Ohren, wäre das Wahrheit. - Sähe ich nur 2 davon, wäre dies eine unauthentische Spiegelung dieser Wahrheit, selbst wenn ich es wissenschaftlich beweisen könnte.
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 “Das Sein”, als eigenständig existierendes Ding, stelle ich tatsächlich in Frage.
Dann gäbe es NICHTS und unser Austausch hier wäre nicht möglich.
Claymore hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 00:32 Ich bezweifle nur, dass es sich mit “dem, was existierend” so verhält wie mit Entitäten, die mit Stoffnamen beschrieben werden.
Solche Versuche, methodisch oder systematisch Ordnung zu schaffen, sind sinnvoll, haben aber mit dem Sein selber nichts zu tun. Das Sein ist die Eiche, an der sich unsere Wahrnehmung kratzt - das Sein merkt es nicht einmal.
jetzt polarisierst du aber :lol:

spaß...ich glaube, die kontroverse zwischen euch beiden hat schon occam beackert :mrgreen:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Paul hat geschrieben: So 29. Aug 2021, 08:12 .ich glaube, die kontroverse zwischen euch beiden hat schon occam beackert
Es wäre interessant, was er zum Seins-Ansatz der Quantenmechanik gesagt hätte.

Dein indirekt gegebenes Stichwort "Modallogik" hat mich gerade in wik nachgucken lassen, wo von einem Richard Rorty die Rede ist. Dort heißt es:
wik
Er schließt zwar die Möglichkeit, innerhalb von Begriffsystemen Wahrheit abzubilden, nicht prinzipiell aus. Rorty erklärt jedoch jede Reflexion darauf, wie sich ein solcher Wahrheitsstatus generieren ließe, für müßig. Damit behauptet er in polemischer Stellung gegen insbesondere den klassischen Idealismus und Realismus, dass Wahrheit letztlich nicht nur ein zufälliger, sondern zudem auch ein willkürlicher Modus der Rede sei.
Es kann sein, dass mir langsam klar wird, wo hier der Irrtum ist - nämlich in der Definition von "Wahrheit". - Wenn man "Wahrheit" als Schlussfolgerung aus einer Wahrnehmung versteht bzw. als inner-systemische Größe, hat jeder Recht, der gegen einen absoluten Seins-Begriff argumentiert. - Denn dann ist "Wahrheit" in der Tat letztlich willkürlich.

Insofern ist Rortys polemische Stellung gegen den Idealismus und Realismus (ich vermute, dass er damit auch den Szientismus meint) richtig. - Das Problem: Gescheiter Idealismus weiß das selber und wird deshalb nie seine eigenen Abbildungen von dem, was er als Wahrheit postuliert, als Wahrheit bezeichnen.

Eigentlich sollte Theologie die höchste Form des Idealismus sein. Da ist ein postuliertes Sein namens "Gott", dessen Beschreibungen/Erfühlung bestenfalls ein authentischer Abklatsch davon ist. Dieser Abklatsch ist aber nicht "die Wahrheit" selbst. - Manchmal hat man den Eindruck, dass die Menschen "Wahrheit" und "wahrgenommenen Schlüssigkeit" gleichstellen. Das ist falsch.
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