Vorstellungen der Seele

Philosophisches zum Nachdenken
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Thaddäus
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Retorsionsargumente

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Di 27. Dez 2022, 18:56 Ein Szientist kann aber einfach entgegnen, dass er gar keine Behauptung mit Wahrheitsanspruch aufstellen will, sondern er allein seine Praxis an welche Aussagen er glaubt (nämlich die, die sich auf wissenschaftlich Verifiziertes reduzieren lassen), zusammenfasst - und er andere nur überzeugen will, diese Praxis genauso anzunehmen.

Und siehe da: die Retorsion greift nicht mehr.
Ich habe gerade keine Zeit für längere Antworten, aber das greife ich einmal heraus, weil hier besonders deutlich wird, dass du es dir wesentlich zu leicht machst.

Ein Szientist behauptet in der Regel, dass alles letztlich mit Naturwissenschaft beantwortet werden und auch mit naturwissenschaftlichen Mitteln gelöst werden kann.
Das Retorsions-Gegenargument besagt, dass der Scientist mit seiner Aussage bzw. These - offensichtlich - keine naturwissenschaftliche, sondern eine metaphysische These aufstellt, für deren Lösung keine naturwissenschaftlichen Methoden angegeben werden können.
Das ist ein performativer Widerspruch.
Retorsionsargumente legen performative Widersprüche in Tatsachenaussagen offen.
Der Rückgriff auf das antike Ausweichargument der pyrrhonischen Skepsis, man wolle ja gar nichts behaupten, sondern nur eine "Praxis" vorleben, an die sich andere halten können oder sollen, greift nicht, weil die vorgelebte Praxis ein performativer Widerspruch ist, also Nonsens.
Die Retorsion greift nach wie vor. Ein Widerspruch verschwindet nicht, nur weil man sich weigert, ihn zur Kenntnis zu nehmen!
Claymore
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

Thaddäus hat geschrieben: Mi 28. Dez 2022, 10:26 Der Rückgriff auf das antike Ausweichargument der pyrrhonischen Skepsis, man wolle ja gar nichts behaupten, sondern nur eine "Praxis" vorleben, an die sich andere halten können oder sollen, greift nicht, weil die vorgelebte Praxis ein performativer Widerspruch ist, also Nonsens.
Ja, aber WARUM ist das so? Viel geschrieben - aber beim wesentlichen verdammt dünn. Das ist nichts weiter als eine Behauptung. Nur ein auf den Boden stampfen "ich hab aber recht!".

Man merkt: Zuviel Gabriel färbt ab. ;-)

Dass alles über NatWi beantwortet werden kann, glaubt mMn keiner. Nur eben dass, wenn Fragen über den Kosmos beantwortet werden, das durch die NatWi geschieht - und nicht durch die Philosophie. Dieses 'die Naturwissenschaft sagt uns, was da draußen ist' ist aber eher eine lockere Haltung - man verweist auf die Erfahrung der letzten Jahrhunderte - konstruiert jedoch keine streng ausformulierte Philosophie mit verfänglichen, absoluten Wahrheitsansprüchen.
Spoiler: anzeigen
Stephen Hawking & Leonard Mlodinow hat geschrieben:Da die Menschen nun einmal in dieser riesigen, mal gütigen, mal grausamen Welt leben und in den unermesslichen Himmel über ihnen blicken, stellen sie sich von jeher eine Fülle von Fragen. Wie können wir die Welt verstehen, in der wir leben? Wie verhält sich das Universum? Was ist das Wesen der Wirklichkeit? Woher kommt das alles? Braucht das Universum einen Schöpfer? Die meisten von uns verbringen nicht übermäßig viel Zeit mit diesen Fragen, doch fast alle machen wir uns hin und wieder darüber Gedanken. Traditionell sind das Fragen für die Philosophie, doch die Philosophie ist tot. Sie hat mit den neueren Entwicklungen in der Naturwissenschaft, vor allem in der Physik, nicht Schritt gehalten. Jetzt sind es die Naturwissenschaftler, die mit ihren Entdeckungen die Suche nach Erkenntnis voranbringen.
Mir fällt auch noch ein, dass ein ganz lustiger Szientist sich auf den Standpunkt stellen könnte, dass 'die Naturwissenschaft sagt uns, was da draußen ist' empirisch und damit quasi naturwissenschaftlich bewiesen ist. Naja...

Ich denke, Retorsionen sind was für ganz Neunmalkluge und sie funktionieren in den meisten Fällen nicht (außer vielleicht gegen sehr starke und streng formulierte Thesen wie im logischen Positivismus).
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Oleander
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Oleander »

Claymore hat geschrieben: Mi 28. Dez 2022, 16:51 Nur ein auf den Boden stampfen "ich hab aber recht!".
Bitte , lies dich mal selber, denn du kommst auch ned anders rüber ;)
Zuviel Gabriel färbt ab
Könnte man von Bibellesern/Koranlesern auch behaupten . :angel:
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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Thaddäus
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Mi 28. Dez 2022, 16:51
Thaddäus hat geschrieben: Mi 28. Dez 2022, 10:26 Der Rückgriff auf das antike Ausweichargument der pyrrhonischen Skepsis, man wolle ja gar nichts behaupten, sondern nur eine "Praxis" vorleben, an die sich andere halten können oder sollen, greift nicht, weil die vorgelebte Praxis ein performativer Widerspruch ist, also Nonsens.
Ja, aber WARUM ist das so? Viel geschrieben - aber beim wesentlichen verdammt dünn. Das ist nichts weiter als eine Behauptung. Nur ein auf den Boden stampfen "ich hab aber recht!".
Nein, keineswegs. Eine aus einem Widerspruch abgeleitete Praxis ... ? Was ist die wohl? Nun, sie kann nur widersprüchlich sein, denn aus einem Widerspruch ist sie geboren.
Eine Aussage, die ein performativer Widerspruch ist, ist immer falsch und die aus ihm resultierenden Konsequenzen unsinnig! Das ist Logik lieber Freund, aber gewiss kein auf den Boden stampfen und Rechthaberei. Stellt man eine Behauptung auf und betont gleichzeitig, damit keinen Wahrheitsanspruch aufstellen zu wollen, ist die Behauprung schlicht belanglos und gilt als nicht gestellt.

Die tiefere logische Begründung für die Kraft von Retorsionsargumenten ist das von mir weiter oben erklärte principle of explosion. Ein zugelassener Widerspruch in einem System breitet sich explosionsartig aus und erzeugt unkontrolliert weitere Widersprüche: ex falso sequitur quodlibet.
Claymore hat geschrieben: Mi 28. Dez 2022, 16:51 Man merkt: Zuviel Gabriel färbt ab. ;-)
Ähem, ich biete hier nicht Gabriel als Heilsbringer an. Ich bin keine Philosophin geworden, um den Messias zu verkünden. Wenn du mit ihm nichts anfangen kannst, dann ist das eben so. Ich bekomme kein Geld dafür, dass du ihn toll findest. Du trägst selbst die Verantwortung dafür, welche Mentoren du für ein gute Wahl hältst.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Do 29. Dez 2022, 00:01, insgesamt 2-mal geändert.
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Oleander
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Oleander »

Thaddäus hat geschrieben: Mi 28. Dez 2022, 17:53 Du trägst selbst die Verantwortung dafür, welche Mentoren du für ein gute Wahr hältst.
:thumbup:
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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Thaddäus
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Retorsionsargumente

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Mi 28. Dez 2022, 16:51 Ja, aber WARUM ist das so? Viel geschrieben - aber beim wesentlichen verdammt dünn. Das ist nichts weiter als eine Behauptung. Nur ein auf den Boden stampfen "ich hab aber recht!".
An dieser Stelle geht es um Wesentliches, nämlich um die Frage, wann eine Begründung eine Begründung ist? Und es geht um die Frage, was zu tun ist, wenn Diskursteilnehmer ein einleuchtendes Argument nicht zur Kenntnis nehmen wollen oder einfach bestreiten, dass es einleuchtend ist.

Zur Faktenlage: Retorsionsargumente gehören zu den wichtigsten Argumentationsformen in der Philosophie, da ihre Anwendung einen performativen Widerspruch in einer Aussage offenlegt: In einer Aussage wird etwas behauptet, dass die Wahrheit der Aussage konterkariert. Ein besonders krasses Beispiel für einen performativen Widerspruch ist z.B. die radikalskeptische Grundthese:

(RT) "Es gibt keine Wahrheit."

Wenn es tatsächlich der Fall ist, dass es keine Wahrheit gibt, dann kann auch die Aussage (RT) nicht wahr sein. Also: Wenn (RT) wahr wäre, wäre (RT) falsch. Indem man die All-Aussage (RT) tätigt, widerspricht man sich also selbst. Das nennt man einen performativen Widerspruch.

Gewitzte antike pyrrhonische Sophistiker (wie oben Claymore ;) ) haben diesen unmittelbar einleuchtenden Selbst-Widerspruch aufzulösen versucht, indem sie einfach behaupteten, sie wollten mit dieser Aussage gar keinen Wahrheitsanspruch erheben, sondern lediglich eine skeptische Praxis vorleben, die man übernehmen kann oder nicht.
Diese Argumentationsstrategie greift aber nicht, da der Widerspruch nicht beseitigt wird, sondern einfach ignoriert.

Zudem ist folgendes der Fall: Der Sinn einer Tatsachenbehauptung ist es, eine Tatsache zu behaupten. Sagt man, es gibt keine Wahrheit, stellt man offenkundig die epistemische These auf, dass es keine Wahrheit gibt. Behauptet man, dass es gerade in München regnet, behauptet man ein Tatsache, nämlich dass es gerade in München regnet.

Wenn man mit seiner Aussage keinen Wahrheitsanspruch erhebt, behauptet man keine Tatsache mehr. Und das bedeutet, dass die getätigte Aussage epistemisch irrelevant ist. Es macht keinen Unterschied, ob man die Aussage macht oder nicht.


Das ist die argumentationslogische Begründung für die Relevanz von Retorsionsargumenten. Sie ist auch unmittelbar einleuchtetnd. Will man diese Begründung bestreiten, muss gezeigt werden an welcher Stelle exakt, sie falsch sein soll.

Zu behaupten, es würde damit Rechthaberei betrieben, ist lediglich eine rhetorische Finte. In diesem Falle gilt argumetationslogisch also: friss oder stirb.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Do 29. Dez 2022, 11:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Paul
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Paul »

oha...ein titanenkampf :D

ich schmeiße mal ein neues stichwort rein, selbstreferenzialität :mrgreen:

selbstbezüglichkeit, für das einfache fussvolk :lol:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
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Thaddäus
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Paul hat geschrieben: Do 29. Dez 2022, 11:09 oha...ein titanenkampf :D
Nein, ganz und gar nicht. Selbst Fachphilosophen kommen oftmals an den Punkt, wo geklärt werden muss, wie es sich mit einem Argument genau verhält. Nur in der Mathematik kann man eine Einsicht erzwingen, weil sich am Ende jeder der Logik beugen muss, sonst ist er einfach raus aus der Diskussion und steht als Depp dar. In der Philosophie ist es etwas komplizierter. Zuweilen ist man nicht in der Lage ein Argument zu sehen, weil man immer anders gedacht hat oder man starke Aversionen gegen das hat, was bei der Argumentation heraus kommt. In diesem Falle muss man behutsam erklären, warum eine Argumentation gültig ist.
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Paul
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Paul »

stimme ich dir zu...ich habe aber da keine geduld mehr für, hier :devil:

und wie ich nun mal so bin, überlege gerade...all diese sinnfelder könnte man ja auch als elemente der menge der metasinnfelder auffassen...und schon wieder ein unendlicher regress :lol:

vielleicht leben wir aber auch alle in einer schachtel, und der kollaps der wellenfunktiom steht noch aus :denken:

eine sache hätte ich da noch...dieses eo ipso, thaddäus, kannst du dazu was sagen?

alles lege ich in deine hände

ich zum beispiel kann überhaupt nichts in dem topic schreiben

edit

im blauen forum auch nicht, da war ich ja noch eine bratgurke...und gerademalsoeben grün :lol:

langeweile...alles schon bekannt?

die vorsokratiker, die platonisten, die heiligen der rkk

so richtig langweilig ist steiner :D

die seele könnte zum beispiel eìne welle im ozean sein...oder ein wirbel im fluß

je nachdem was man so für die welt hält, also, all den ganzen kram inklusive meiner rumspamerei :D
Zuletzt geändert von Travis am Do 29. Dez 2022, 22:12, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Und wieder ein schier endloser Monolog. Beiträge zusammengefasst. Rest entfernt.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

Thaddäus hat geschrieben: Mi 28. Dez 2022, 17:53 Nein, keineswegs. Eine aus einem Widerspruch abgeleitete Praxis ... ? Was ist die wohl? Nun, sie kann nur widersprüchlich sein, denn aus einem Widerspruch ist sie geboren.
Wenn der Kreter sagt "Alle Kreter lügen immer", dann ist das ein performativer Widerspruch, sicher.

Dennoch kann die Tatsache, oder Praxis, "Alle Kreter lügen immer" problemlos möglich sein und ist nicht "widersprüchlich".

Das ist das fundamentale Problem an deiner Argumentation.
Eine Aussage, die ein performativer Widerspruch ist, ist immer falsch und die aus ihm resultierenden Konsequenzen unsinnig! Das ist Logik lieber Freund, aber gewiss kein auf den Boden stampfen und Rechthaberei. Stellt man eine Behauptung auf und betont gleichzeitig, damit keinen Wahrheitsanspruch aufstellen zu wollen, ist die Behauprung schlicht belanglos und gilt als nicht gestellt.

Die tiefere logische Begründung für die Kraft von Retorsionsargumenten ist das von mir weiter oben erklärte principle of explosion. Ein zugelassener Widerspruch in einem System breitet sich explosionsartig aus und erzeugt unkontrolliert weitere Widersprüche: ex falso sequitur quodlibet.
Wenn man einen Widerspruch in den Axiomen (oder Postulaten) drin hat, lässt sich jeder Satz beweisen - darin besteht die "Explosion". Aus dem Falschen kann allerdings auch das Wahre folgen.
Ähem, ich biete hier nicht Gabriel als Heilsbringer an. Ich bin keine Philosophin geworden, um den Messias zu verkünden. Wenn du mit ihm nichts anfangen kannst, dann ist das eben so. Ich bekomme kein Geld dafür, dass du ihn toll findest. Du trägst selbst die Verantwortung dafür, welche Mentoren du für ein gute Wahl hältst.
Die Bemerkung war nun wirklich nicht schlimm. Oder? Im Vergleich zu deinen seitenweisen ... temperamentvollen Einlassungen...

Generell halte ich mich sehr zurück und steige ungern in all diese Polemik ein.
Thaddäus hat geschrieben: Do 29. Dez 2022, 10:28Zur Faktenlage: Retorsionsargumente gehören zu den wichtigsten Argumentationsformen in der Philosophie, da ihre Anwendung einen performativen Widerspruch in einer Aussage offenlegt: In einer Aussage wird etwas behauptet, dass die Wahrheit der Aussage konterkariert.
Sind sie wirklich so wichtig? Wer behauptet das denn?

Für mich sind Retorsionsargumente irgendwie Schweinchen-Schlau-Argumente. Und da sie intuitiv so falsch wirken, haben sie erfahrungsgemäß nicht die geringste Überzeugungskraft (das sagt natürlich nichts über ihre tatsächliche Korrektheit aus, aber sollte einen verdächtig stimmen).

Bei den ganzen endlos-sinnlosen Hiob / closs Diskussionen ist mir nur noch mehr klar geworden, wie wenig begreiflich und einleuchtend Retorsionsargumente sind.
Spoiler: anzeigen
Hiob hat geschrieben: Sa 14. Mai 2022, 00:01
Claymore hat geschrieben: Di 19. Apr 2022, 22:00 Auch nach monatelanger Debatte bleibt “was im absoluten Sinne ist” nur ein menschliches Konstrukt, dem du aus irgendeinem mysteriösen Grund zu-sprichst, von menschlichen Vorstellungen unkontaminiert zu sein.
Der Vulkan auf einem Planeten in einem Sonnensystem, das 3 Milliarden Lichtjahren entfernt ist, speit oder speit nicht - völlig unabhängig davon, ob wir es wahrnehmen (können). Dieser Vulkan "ist" nicht weniger oder mehr, wenn wir ihn dabei beobachten. Das Sein ist die Eiche, an dem sich das Schwein namens Wahrnehmung kratzt. ----- Selbstkritische Einschränkung: Was ist dieser Vulkan im Sinne der Quantenphysik? SChwierige Frage.
All sein Skepzizismus basierte auf Überzeugungen und Begrifflichkeiten, die allein durch einen nicht-skeptischen Zugang zur Realität gewonnen werden konnten, ja sonst überhaupt nicht verständlich wären.
Aber ok, in der Beweistheorie für formale Systeme haben Retorsionen ihre Berechtigung - der mathematische Satz, der seine eigene Nichtbeweisbarkeit behauptet. Da gibt's schließlich keine interessante Praxis.

Ansonsten denke ich, dass die Ausweichmanöver wie von Sextus Empiricus tatsächlich funktionieren. Die meisten philosophisch Ahnungslosen legen diese Ausweichmanöver zwar nicht präzise dar, aber sie "wittern" wohl zumindest das Schlupfloch.

Nicht einmal, dass ich die Tatsache besonders schön finde, aber ich erkenne sie an.
Thaddäus hat geschrieben: Do 29. Dez 2022, 10:28 Ein besonders krasses Beispiel für einen performativen Widerspruch ist z.B. die radikalskeptische Grundthese:

(RT) "Es gibt keine Wahrheit."

Wenn es tatsächlich der Fall ist, dass es keine Wahrheit gibt, dann kann auch die Aussage (RT) nicht wahr sein. Also: Wenn (RT) wahr wäre, wäre (RT) falsch. Indem man die All-Aussage (RT) tätigt, widerspricht man sich also selbst. Das nennt man einen performativen Widerspruch.

Gewitzte antike pyrrhonische Sophistiker (wie oben Claymore ;) ) haben diesen unmittelbar einleuchtenden Selbst-Widerspruch aufzulösen versucht, indem sie einfach behaupteten, sie wollten mit dieser Aussage gar keinen Wahrheitsanspruch erheben, sondern lediglich eine skeptische Praxis vorleben, die man übernehmen kann oder nicht.
Ich denke schon, dass das greift. Die Skeptiker glaubten einfach nicht an die Wahrheit. Wenn sie sagten "Es gibt keine Wahrheit" muss man das als Herausforderung oder Versprechen verstehen: "Liefert uns doch eure angeblichen Wahrheiten, und dann werden wir euch schon klar machen, dass ihr selbst an diesen zweifeln solltet!"

Die Kritik, die ich zulassen würde, ist, dass die Methode des pyrrhonischen Skeptizismus von der Sichtweise eines anti-skeptischen Philosophen aus betrachtet, allein die Überzeugung als Ziel hat, und damit nur eine Art Propagandatechnik ist. Eine wirkliche Diskussion, die aus Sicht des Anti-Skeptikers auf Wahrheitsfindung abzielt, kann es nicht geben.

Zurück zum ursprünglichen Punkt: wenn der naive Szientist sagt "Nur die Wissenschaft ermöglicht es uns zu sagen, was wirklich wahr ist", dann schnappt die Falle zu. 1:0 für Schweinchen Schlau.

Aber ein raffinierterer Szientist sagt halt "Wenn jemand glaubt, einen anderen Zugang zur Wahrheit als die Wissenschaft zu kennen, soll er nur kommen - ich werd mit dem Unsinn schon wissenschaftlich aufräumen!", so fordert er die Anti-Szientisten nur heraus und die Retorsion greift nicht.
Thaddäus hat geschrieben: Do 29. Dez 2022, 10:28Diese Argumentationsstrategie greift aber nicht, da der Widerspruch nicht beseitigt wird, sondern einfach ignoriert
Der Widerspruch wird beseitigt durch eine Erklärung, dass "Es gibt keine Wahrheit" nur eine façon de parler ist.
Thaddäus hat geschrieben: Do 29. Dez 2022, 10:28Zudem ist folgendes der Fall: Der Sinn einer Tatsachenbehauptung ist es, eine Tatsache zu behaupten. Sagt man, es gibt keine Wahrheit, stellt man offenkundig die epistemische These auf, dass es keine Wahrheit gibt. Behauptet man, dass es gerade in München regnet, behauptet man ein Tatsache, nämlich dass es gerade in München regnet.

Wenn man mit seiner Aussage keinen Wahrheitsanspruch erhebt, behauptet man keine Tatsache mehr. Und das bedeutet, dass die getätigte Aussage epistemisch irrelevant ist. Es macht keinen Unterschied, ob man die Aussage macht oder nicht.
Ja, es werden keine Tatsachen mehr behauptet, korrekt. Aber viele Sätze sind keine Tatsachenbehauptungen und trotzdem nicht gleich sinnfreies Gebrabbel - z. B. Befehle oder Appelle, Versprechen.
Thaddäus hat geschrieben: Do 29. Dez 2022, 11:43Nein, ganz und gar nicht. Selbst Fachphilosophen kommen oftmals an den Punkt, wo geklärt werden muss, wie es sich mit einem Argument genau verhält. Nur in der Mathematik kann man eine Einsicht erzwingen, weil sich am Ende jeder der Logik beugen muss, sonst ist er einfach raus aus der Diskussion und steht als Depp dar. In der Philosophie ist es etwas komplizierter. Zuweilen ist man nicht in der Lage ein Argument zu sehen, weil man immer anders gedacht hat oder man starke Aversionen gegen das hat, was bei der Argumentation heraus kommt. In diesem Falle muss man behutsam erklären, warum eine Argumentation gültig ist.
Ich habe Aversionen gegen Retorsionsargumente. Weil sie als Allheilmittel gegen fragwürdige Positionen angepriesen wurden aber das Produkt nicht hält, was es verspricht.
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