Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Was ist Logik "innerhalb des Systems"?
Eine gesetzliche Folgerichtigkeit mit oder ohne Bezug zur Wirklichkeit. Die Aussage "Wenn jeder Mensch 2 Ohren hat, haben 100 Menschen 200 Ohren" ist genauso logisch wie "Wenn jeder Mensch 20 Ohren hat, haben 100 Menschen 2.000 Ohren".
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Warum benötigst du für die Logik keinen Gott, der dir garantiert, dass sie wahrheitserhaltend ist
Prinzipiell brauche ich Gott dafür schon, weil ich ja nur so festlegen kann, dass meine Feststellung, logische Ergebnisse seien korrekte/widerspruchsfreie Aussagen, kompetent ist. Dass man aus anderen philosophischen Ansätzen heraus auch ohne Gott machen kann, ist klar.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Das hat mit "richtigen Voraussetzungen" und "Objekten" nichts zu tun - wir reden von wahren Aussagen.
Da wäre mir das Wort "korrekte Aussagen" lieber. Die Aussage "Wenn jeder Mensch 20 Ohren hat, haben 100 Menschen 2.000 Ohren" ist formal korrekt, hat aber nichts mit "Wahrheit" im Sinne einer Übereinstimmung mit der Wirklichkeit zu tun. Semantisches Problem.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Die ursprüngliche Frage, woher dein Vertrauen in das Instrument "Logik" kommt, das du dem Instrument "Wahrnehmung" nicht entgegenbringst, bleibt unbeantwortet.
Du hast die Antwort nicht verstanden (und die Frage dazu möglicherweise ebenfalls nicht). Ich bringe weder der Logik noch der Wahrnehmung Misstrauen entgegen, weil ich beide als Systeme verstehe, die in ihrem Rahmen richtige Aussagen/Beobachtungen machen (Ich nehme hier Sonderfragen wie "Wahrnehmung und optische Täuschung" aus).
Allerdings: Beobachtung und Beschreibung ist kategorial etwas anderes als Interpretation.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Platon hat für Leute, die Deinen Weg gehen, das Wort "Misologie" geprägt.
Also die, denen alles in Skepsis und Relativität versinkt. Misos + Logos: Hass + Rede. Feinde des philosophischen Diskurses
Da hast Du jetzt aber gar nichts verstanden. Weder verlange ich absolute Beweise noch leugne ich, dass es menschliche Erkenntnisse gäbe. Mir schwant dabei, dass Dein Satz nur möglich ist, weil Du den Maßstab für das, was ist, ins Ich stellst. Du kannst sicher sein, dass Platon dies anders gemeint.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Denn würden wir erkennen, dass hinter dem scheinbar trivialen 1 + 1 = 2 mehr steckt
Das tun wir doch. Wenn wir setzen, dass jeder Mensch 2 Ohren hat, können wir per Nachzählen bei 100 Leuten feststellen, dass die logische Aussage "Wenn jeder Mensch 2 Ohren hat, haben 100 Menschen 200 Ohren" richtig ist. Es gibt in diesem Fall eine Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, die wir mit einer Wahrnehmung feststellen, von der wir glauben, dass sie kein Fake ist.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Deine Unterscheidung zwischen inner-systemischen und ontischen Fehlern
Darauf muss ich beharren (wenn ich Deine merkwürdige Formulierung richtig verstehe). Wenn einer meint, "Wenn jeder Mensch 2 Ohren hat, haben 100 Menschen 187,5 Ohren", ist dies ein inner-systemischer Fehler - die Werkzeuge eines Systems werden falsch genutzt ("da hat sich einer verrechnet"). Wenn einer meint, weil die Aussage "Wenn jeder Mensch 20 Ohren hat, haben 100 Menschen 2.000 Ohren" formal korrekt ist, ist diese Aussage inhaltlich wahr, ist dies kein inner-systemischer Fehler, sondern eine Kategorienfehler.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Warum hast Du also nicht die Freiheit über diese Zahl hinaus?
Welche Möglichkeiten die Mathematik in ihrem System bereit hält, weiß ich nicht - ich bin kein Mathematiker. Insofern verstehe ich Deine Frage nicht. - Ich sehe, dass Mathematik auf Basis von Axiomen Ergebnisse bringt, die erfahrungsgemäß logisch sind und in ihrer Anwendung auf die Wirklichkeit funktionieren. Nun gibt es Chaos-Theoretiker, die behaupten, dass Mathematik an ihren System-Grenzen nicht mehr Mathematik sei - das kann ich nicht beurteilen, aber es ist möglich.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16Einerseits propagierst du eine Art Roboter-Modell der menschlichen Erkenntnis (Input ⇒ Output) ["systemisch"], bei den uns bewegenden Fragen der Fragen ["ontisch"] dagegen wird plötzlich derjenige, der diese Fragen stellt, für den sie höchstes Interesse haben - nämlich der Mensch - einfach ausgeblendet (und bei Kritik daran kommst du mit Anthropozentrik-Vorwürfen).
Auch hier ein Missverständnis. Es ist doch kein "Roboter-Modell", wenn der Mensch seinen Wahrnehmungs-Apparat als System erkennt. - Ausgeblendet wird der Mensch bei ontischen Fragen ebenfalls nicht - im Grunde klingst Du wie: "Wenn der Mensch nicht Maß ist für das, was ist, ist er ausgeblendet".
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Schreibt er in der sechsten Meditation
Ja - das hat er wohl historisch so gemeint. Da irrt er sich (ontologisch gesehen). - Über die Zeiten richtig bleibt, dass er für seine überschäumende Ansicht, sich nicht täuschen zu können, die Voraus-Setzung nötig ist, dass es einen benevolenten Gott gibt, denn nur so kann er darauf bestehen, clare et distincte zu erkennen.
Also auch hier wieder der Unterschied zwischen "Was hat sich Descartes dabei gedacht?" und "Was bedeutet Descartes".
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Mit Irrtum ist hier nicht gemeint, dass sich Glaube als falsch herausstellt. Sondern, dass als Wissen angenommenes sich als falsch herausstellt.
Als "Wissen" Bezeichnetes kann selber ontisch falsch sein.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16
Es steckt Vorsatz dahinter, wenn der Mensch diesen bloßen Glaube zu Wissen erhebt.
Ebene 1:
Pragmatisch stimme ich Dir irgendwie zu: Der Satz "Ich weiß, dass Claymore eine Frau ist", ist ein vorsätzlicher Schritt, um bei meinen Zuhörern Nachdruck zu bewirken.
Ebene 2:
Philosophisch wird es schwieriger, denn Descartes erhebt ja seinen Glauben an den benevolenten Gott selber in der Folge zu Wissen. Was aber aus meiner Sicht kein Problem ist, weil ja "Wissen" selbst ein ontisch relativer Begriff ist, da auf Voraus-Setzungen fußend.
Ebene 3:
Natürlich unterscheide ich im realen Leben natürlich zwischen Glaube und Wissen, vor allem wenn es um naturwissenschaftliches Wissen handelt, welches ja bekannterweise unabhängig experimentell überprüft wird. - Ungeachtet dessen sollten wir uns bewusst sein, dass die semantische Bandbreite dessen, was man unter "Wissen" versteht, groß ist.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16Genau das lehne ich halt ab.
Genau das ist der Knackpunkt - wir haben unterschiedliche Voraus-Setzungen. Die Deinige nenne ich vom Wesen her anthropozentrisch, so wie man im Mittelalter die Welt geozentrisch gesehen hat. Dieser Anthropozentrismus ist dabei mitnichten willkürlich, weil sich der erkennen-wollende Anthropos in sich logischer Systemen bedient, die ihm beim Erkennen der Welt hilfreich sind.
De facto mache ich es doch genauso, aber auf der De-Facto-Ebene denkt man auch nicht über philosophische Grundlagen nach. Der Mensch hat nur seine Wahrnehmung (incl. Wissenschaft und geistiger Wahrnehmung) und tut alles, um damit möglichst viel Erkenntnis zu fassen zu kriegen. Trotzdem ist es philosophisch ein weichenstellender Unterschied, ob man die eigene Wahrnehmung als Definator dessen versteht, was ist, oder ob man Wahrnehmung als Hilfsmittel versteht, dem, was ist, näher zu kommen.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16aber interpretierst dann "Sein" auf eine extreme, absolutistische Art um.
Das Wort "Sein" wird so unterschiedlich verwendet, dass da jeder aus Sicht des anderen "uminterpretiert".
Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, ob die Linie Platon, Universalien-Realisten und das Christentum in ihrer Einschätzung recht haben oder die andere Linie, die Du vertrittst. Glaubenssache. Es läuft immer und immer wieder auf die unvermeidlichen Voraus-Setzungen hinaus, egal ob sie bewusst oder unbewusst sind.
Claymore hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 23:16Wir können nichts darüber aussagen, außer, dass es ein für uns unzugängliches, unbegreifliches "Anderes" darstellt.
Ich merke immer wieder, dass Du in einem ganz anderen System denkst, denn auch diese Aussage ist falsch. Um dies zu erklären, muss ich die Unterscheidung zwischen Wahr-Nehmung und Falsch-Nehmung einführen. In diesem Sinne ist "Sein" die (hegelianisch gedacht) Aufhebung der Wahr-Nehmung und die Nicht-Aufhebung von Falsch-Nehmung. Wobei es egal ist, ob eine menschliche Perzeption über ein wissenschaftliches Modell oder über inneres geistiges Erfahren geprägt wird - beides kann Wahr- oder Falsch-Nehmung sein.