Logik und Erkenntnis

Philosophisches zum Nachdenken
SilverBullet
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von SilverBullet »

Hiob hat geschrieben: Do 4. Mai 2023, 16:57Pragmatisch ok, tiefer gedacht funktioniert es nicht.
Der Anspruch, "tiefer denken" zu können bzw. zu sollen, wird von keiner Tatsache gestützt.

Schaut man genau hin, wird sogar das Gegenteil deutlich:
Hiob hat geschrieben: Do 4. Mai 2023, 16:57Denn (es gab darüber bereits ellenlange Diskussionen) wenn Du einen Baum siehst, KANNST Du nicht wissen, ob er Entität ist oder Teil Deiner Vorstellung - prinzipiell nicht unterscheidbar. Trotzdem: Aus rein pragmatischen Gründen gehe ich selbstverständlich davon aus, dass das Entität/Tatsache ist, was ich sehe.
Es ist nur deinem Weltbild geschuldet, dass du "Vorstellung" als eine Art "Masterdisziplin" ansehen können möchtest.
Eine Tatsache ist das nicht und so kommt der Anspruch "tiefer denken" nicht über Gerüchtestatus hinaus.

Zu deinem Baumbeispiel:
Stell dich an den Stamm und schau nach oben zur dichten Krone eines stattlichen Baumes.
Dann machst du die Augen zu und stellst dir vor, mit dem Blick nach oben um den Baum zugehen und sämtliche Details des Astwerks (und das sind viele Details) realistisch zu beobachten, wobei Perspektivanpassungen, Licht und Schatten eine perfekte Kontinuität aufweisen müssen.
=> Keine Chance.
Jetzt machst du die Bewegung wirklich und schon hast du den vollen Realismus zur Verfügung. In jeder Phase könnte ein Künstler ein photorealistisches Bild daraus machen.

Es liegt also schlicht das Gegenteil von dem vor, was du in deinem Weltbild aufstellst.
Nicht die Vorstellung liefert die meisten Details, sondern der Weltzugang und darüber hinaus setzen wir "Vorstellung" überhaupt nur als "reduzierte Planungsvariante" und als "nicht echt" ein.
Mir ist schleierhaft, was du vorlegen möchtest, um dennoch "Vorstellung" als die Hauptdisziplin behaupten zu können - der Detailreichtum des Weltzuganges ist jedenfalls eine Tatsache, die dagegen spricht.
Hiob hat geschrieben: Do 4. Mai 2023, 16:57Willst Du eine pragmatische oder eine grundsätzliche Lösung? Die pragmatische haben wird.
Ich will eine Tatsache haben und so eine habe ich dir gerade vorgelegt.
Hiob hat geschrieben: Do 4. Mai 2023, 16:57Stimmt - weil "von Tatsachen sprechen können" bedeutet, dass sich ein Existierendes offenbart haben muss, damit wir überhaupt behaupten können, es sei eine Tatsache. Im Sinne Deines Satzes ist "Existenz" die Voraussetzung für "Vorliegen" ("Offenbarung") - nur letzteres können wir bewerten.
Das Wort "Offenbarung" zeigt lediglich wohin bei dir die Gesamtreise gehen soll.
Einer genaueren Betrachtung hält es nicht stand.
Ich habe mit der Tatsache "Etwas-Nicht-Wissen" bereits ein Beispiel gebracht, bei dem sich keine Existenz zeigt, sondern es ist gerade die Tatsache, dass sich in der Welt keine geeignete Reaktion ergibt.
Eine Tatsache kann also auch dadurch vorliegen, dass sich Umstände nicht einstellen, d.h. es liegen dann Umstände vor, bei denen das erwartete Ergebnis nicht dabei ist.
Das Wort "Offenbarung" ist hier vollkommen fehl am Platz.
Hiob hat geschrieben: Do 4. Mai 2023, 16:57Das Ergebnis kann sein "Ich erkenne, dass das Durchgehen bei mir nicht funktioniert, weshalb ich diesen Umstand in Bezug auf mich als Tatsache bezeichne". Merkst Du nicht? "Tatsache" ist (in Deinem Gebrauch) keine ontische Größe, sondern eine (inter-)subjektive bzw. modell-objektive (also wissenschaftliche) Größe.
An dem Umstand, dass du nicht durch den Tisch gehen kannst, soll mein Weltbild schuld sein?
Nö, nur du und der Tisch sind die Spieler, sonst ist da weit und breit keine Zutat, insbesondere kannst du das Ergebnis nicht über deine Entscheidungen beeinflussen, und darum ging es ja.

Du bist in diesem Moment der Welt ausgeliefert und genau dieser Charakter ist das Wichtige bei "Tatsache".
Das ist die Basis dafür, dass absolut jedes Weltbild den Tatsachen entsprechen muss, ansonsten ist es widerlegt.
Sollte ein Gläubiger z.b. den Anspruch haben, übers Wasser gehen zu können, ist die Show schnell beendet, was ja letztlich der Grund dafür ist, dass "der alte Text es so direkt ja gar nicht gemeint haben kann".
Die "rettende Deutung" ist ein schönes Beispiel dafür, dass auch das christliche Weltbild nicht an Tatsachen vorbeikommt.
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: Fr 5. Mai 2023, 19:15 Jetzt machst du die Bewegung wirklich und schon hast du den vollen Realismus zur Verfügung.
Du hast es nicht verstanden. Es geht darum, dass NIEMAND unterscheiden kann, ob Wahrgenommenes Produkt des Ich ist oder eigene Entität. Selbst Deine Antworten hier im Thread könnten meine Vorstellung sein. Und wenn wir uns persönlich treffen, könnte das Bild von Dir, das ich Gewinne, ebenfalls nur Vorstellung sein. Da kommt niemand raus.

Das, was Du "Tatsache" nennst, funktioniert erst, wenn Du diese Hürde genommen hast. Insofern sind wir uns pragmatisch einig - ich würde nie auf die Idee kommen, den Tisch, gegen den ich stoße, als Vorstellung zu verstehen, selbst wenn ich es nicht wissen kann.
SilverBullet hat geschrieben: Fr 5. Mai 2023, 19:15 Ich will eine Tatsache haben und so eine habe ich dir gerade vorgelegt.
Was Du "Tatsache" nennst, findet in einem Korridor statt, der unterhalb oben genannter Grundsatzfrage ist. NACHDEM man beschlossen hat, dass die Welt, wie man sie wahrnimmt, der Maßstab ist, kann man in Deinem System gut arbeiten. Aber philosophisch ist es halt wenig tauglich.
SilverBullet hat geschrieben: Fr 5. Mai 2023, 19:15 An dem Umstand, dass du nicht durch den Tisch gehen kannst, soll mein Weltbild schuld sein?
:lol: Nein, Du bist unschuldig.
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Paul
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Paul »

er ist spät dran, der logische positivismus des wiener kreises war vor knapp hundert jahren in :D
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

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das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
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Paul
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Paul »

wer zu spät kommt den bestraft popper :lol:

hier könnten wir auf die breaking news in der philosophie zurückkommen, prof. gabriel und warum es die welt nicht gibt...wo ist eigentlich thaddäus abgeblieben :mrgreen:
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von SilverBullet »

Hiob hat geschrieben: So 7. Mai 2023, 00:23Du hast es nicht verstanden. Es geht darum, dass NIEMAND unterscheiden kann, ob Wahrgenommenes Produkt des Ich ist oder eigene Entität. Selbst Deine Antworten hier im Thread könnten meine Vorstellung sein. Und wenn wir uns persönlich treffen, könnte das Bild von Dir, das ich Gewinne, ebenfalls nur Vorstellung sein. Da kommt niemand raus.
Doch, ich habe das schon verstanden.
Damit deine Behauptung aber für mich gelten muss (ich habe ein anderes Weltbild), muss sie eine Tatsache darstellen und genau das ist nicht der Fall.

Geh mal ins Detail: woher willst du die Einsicht haben, so dass "Produkt des Ich" irgendeinen Sinn ergeben könnte (wo doch bereits das Wort "Ich" in einem falschen Kontext verwendet wird)?

Ist es nicht so, dass du das einfach nur von einem Philosophen übernommen hast und ansonsten rein gar nichts dazu vorliegt?
Hiob hat geschrieben: So 7. Mai 2023, 00:23Was Du "Tatsache" nennst, findet in einem Korridor statt, der unterhalb oben genannter Grundsatzfrage ist. NACHDEM man beschlossen hat, dass die Welt, wie man sie wahrnimmt, der Maßstab ist, kann man in Deinem System gut arbeiten. Aber philosophisch ist es halt wenig tauglich.
Die entscheidende Frage ist, wie willst du die Philosophie an dieser Stelle vom Verdacht des kompletten Unsinns freisprechen?
Das ginge nur über eine Tatsache und bisher hast du sie nicht gebracht.

Wenn du genau hinschaust, dann behauptest du eine ganz bestimmte Funktionsweise des Menschen.
Woher kommt die Idee eines solchen Einblickes, wenn deine Behauptung enthält, dass du so einen Einblick prinzipiell nicht haben kannst?
Du gehst doch dann letztlich mit zweierlei Mass vor und gibst der Introspektive einen höheren Stellenrang, als dem Zugang zur Welt (über die Sinne).
Die Idee einer solchen "Disziplinabgrenzung" kommt aber nur aus dem philosophischen Nirgendwo.
Die Grundlage hierfür ist nicht Tatsache, sondern Erfindung.
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Oleander
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Oleander »

Hiob hat geschrieben: So 7. Mai 2023, 00:23 Du hast es nicht verstanden.
Das denk ich ich auch allzuoft, wenn ich den "Eindruck" habe, dass andere meine Anliegen(meine Gedanken) nicht verstehn... :)

Ich folgere es daraus, wie sie darauf reagieren...

ABER wie ist es umgekehrt?
Hast du(in dem Fall) Silverbulletts Gedankengang nachvollziehn können, wie er darauf kommt?

Kann es mitunter sein, dass du aber nur deine Ansicht( du würdest sie womöglich als (deine) Erkenntnis bezeichnen) verteidigen willst, weil du davon ausgehst, du hättest erfasst und erkannt, was IST? ;)

Der "andere" aber nicht?
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von SilverBullet »

Paul hat geschrieben: So 7. Mai 2023, 08:10der logische positivismus
Bei Wiki steht zu dem - trotz Jahrtausenderalter Ttradition - Nicht-Vorwärtskommen der Philosophen (im Gegensatz zu empririschen Wissenschaften):
https://de.wikipedia.org/wiki/Logischer ... s#Programm

Verantwortlich gemacht für diese Diskrepanz wurde, neben dem Mitteilungsproblem, eben das Fehlen von möglichst exakten Kriterien zur Beurteilung von philosophischen Methoden. Wegen des Fehlens solcher zwingender Kriterien, wie es sie in Mathematik und Naturwissenschaften gibt, sei in den wesentlichen philosophischen Fragen bis heute keine Einigung erzielt worden.
Mir scheint, dass der schräge Umgang mit Tatsachen den Kern des Problems darstellt.
Paul hat geschrieben: So 7. Mai 2023, 08:10wer zu spät kommt den bestraft popper :lol:

hier könnten wir auf die breaking news in der philosophie zurückkommen, prof. gabriel...
Was soll dieses Namensschauspiel?
Autorität ersetzt keine Tatsache (insbesondere wenn ein Ontologie-Unsinn den anderen jagt)
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Paul
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Paul »

aber wiki zitieren :lol: :lol: :lol:
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von SilverBullet »

Siehst du, das ist exemplarisch für die Schieflage.
"Popper" dreht an der Drei-Welten-Theorie, "Gabriel" sieht überall Sinnfelder schweben, "Hiob" greift zur uralt Geist-Allein-Phantasie und wenn man dieses sternförmige Auseinanderdriften als "das Problem" anspricht, dann entdeckst du "die Schwachstelle": Wiki.
Wie soll da irgendeine Vernunft Einzug halten, wie soll da jemals eine Tatsache erarbeitet werden?
Hiob
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: So 7. Mai 2023, 13:35 Das ginge nur über eine Tatsache und bisher hast du sie nicht gebracht.
Das Wort "Tatsache" macht hier keinen Sinn, weil Du "Tatsache" wahrnehmungs-orientiert verwendest, also nicht wahrnehmungs-unabhängig. Letzteres kann eh niemand, weil jeder von uns "Ich" ist, also Maßstab der Wahrnehmung ist.
Oleander hat geschrieben: So 7. Mai 2023, 15:50 Hast du(in dem Fall) Silverbulletts Gedankengang nachvollziehn können, wie er darauf kommt?
Möglich. Er klingt wie jemand, der erst mit der eigenen Wahrnehmung einsetzt und macht das, was er auf dieser Basis als "Tatsache" bezeichnet, zur Grundlage seiner Philosophie. Pragmatisch voll ok, aber das hat nichts mit Philosophie zu tun, mit Theologie eh nicht.
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