und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

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SilverBullet
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

Beitrag von SilverBullet »

Hiob hat geschrieben: Fr 5. Jan 2024, 22:51Naja - "Magie" würde man es nicht nennen, aber es ist einzigartig, dass durch die körperliche Vereinigung der Eltern Schöpfung geschieht.
Nein, das Konzept der Vermehrung ist eigentlich immer nur eine Spielart der Bildung von Ablegern.

Die körperliche Vereinigung ist kein Schöpfungsvorgang und auch die Verschmelzung von Samenzelle mit Eizelle ist nicht Schöpfung.
Der Einsatz des Begriffes "Schöpfung" läuft hier nur unter der Lizenz "Poetik".

Das, was zwischen Samenzelle und Eizelle geschieht, ist einfach nur eine Fortsetzung des Wachstums mit der Funktion einer Variation des Erbmaterials.
Schaut man genau hin, ist es immer noch das Ablegerprinzip. Lediglich das Wachstum wird unter neuen Umständen (Kombination) fortgesetzt und abgespaltet.
Hiob hat geschrieben: Fr 5. Jan 2024, 22:51Dass dies technisch kopiert werden kann, ist eine unnatürliche Ableitung davon.
Nein, ganz und gar nicht.
Du unterstellst den Wissenschaftlern hier viel zu viel Fähigkeiten.

Sie haben einfach nur entdeckt, dass Sexualität und Vermehrung grundsätzlich schon getrennt sind. Ich habe hierzu den zeitlichen Abstand von mehreren Stunden angegeben, bis die Samenzelle überhaupt erst die Eizelle erreicht.
Das haben sie gesehen und sich gefragt, ob man dann auch einfach nur den letzten Schritt ausführen kann: eine Samenzelle schlüpft in die Eizelle hinein.

Sie verwenden hier einfach nur das an, was sowie abläuft, tragen eine Samenzelle von Hand zur Eizelle und stopfen die Samenzelle hinein ("Intrazytoplasmatische Spermieninjektion") - das ist im Grunde alles.
Es gibt noch andere Methoden, aber sie haben alle nichts mit dem Sexualität zu tun (-> Link).

Ohne dass es bereits in der Natur zwei getrennte Funktionen wären, würde das nicht funktionieren.
Du solltest diese Technik als Beweis ansehen, dass Sexualität und Vermehrung getrennt sind. Es sind zwei Funktionen.
Deine Idee, dass es sich hier um eine Funktion handelt, ist falsch und somit kannst du auch keine Reinheitsauflagen stellen.

Ihr Religiösen geht viel zu grobmotorisch an die Sache heran und behauptet dann einfach waghalsiges Zeug.
Die Tatsache der "künstlichen Befruchtung" sollte hier einen deutlichen Keil hineintreiben.

Die "umfassende Erregung durch Anlässe" ist eine Funktion des Nervensystems und Vermehrung (eine andere Körperfunktion) kann in deren Windschatten oftmals ganz gut stattfinden. Eregung ist also oftmals eine Gelegenheit für Vermehrung.
Der Mechanismus zur Erregung enthält aber keine Festlegung auf Vermehrung.
Es kann sich niemand beschweren, wenn eine Ausprägung der Erregung (irgendeine Sexualspielart) keine Gelegenheit für Vermehrung ist, denn es steckt von Anfang an nichts davon drin.
Hiob hat geschrieben: Fr 5. Jan 2024, 22:51Auch hier "naja": Das hat was mit geistigen Dingen zu tun, die mindestens die abrahamitischen Religionen zeigen (auch andere Religionen tun das). Wir sind hier wieder an dem Punkt, auf den jede Frage geistiger Natur zurückgeworfen wird
Nein, das sind wir nicht.
Es ist vollkommen egal, welche Realisierungsbasis du dir hinter der Wirklichkeit vorstellst.

Ein Tatsachenstatus ergibt sich allein durch das Vorliegen - dieses Vorliegen stellt einen Zwang zur Akzeptanz dar.
Dass die Vermehrung erst Stunden nach der Sexualität stattfindet und dass die Technik "künstliche Befruchtung" (Vermehrung ohne Sexualität) funktioniert, sind Tatsachen.
Dein Weltbild (ganz egal welche Grundlagen du dir vorstellst) verstösst gegen diese Tatsachen, du behauptest an den Tatsachen vorbei.

Ein Weltbild, das gegen Tatsachen verstösst, ist falsch und muss grundsätzlich angepasst oder entsorgt werden. Hier gibt es keinerlei Freiheitsgrade.
Hiob hat geschrieben: Fr 5. Jan 2024, 22:51Demnach ist auch künstliche Befruchtung ein geistiger Schöpfungsvorgang, nur dass er nicht am natürlichen Ort stattfindet (Ich bewerte dies nicht).
Nochmal die Realisierungsgrundlage interessiert nicht, entscheidend ist das Vorliegen und Funktionieren.
(den Begriff "Schöpfung" vergessen wir hier ganz schnell, denn diese Handlungen sind viel zu einfach)
Hiob hat geschrieben: Fr 5. Jan 2024, 22:51Dieser Kumpel könnte Dir haarklein erklären, wie der Mensch vom Hirn her gesehen funktioniert
Aufgabe: Lass deinen Kumpel erklären, wie es im Menschen zur Überzeugung vom Sehen eines roten Balls kommt, insbesondere nach welchem Prinzip dabei die neuronale Aktivität stattfindet.

Sollte er ein Verständnis zu "wie funktioniert der Mensch" haben, dann müsste er neben dem Bewältigen der Aufgabe auch an der Aufgabenstellung ablesen können, welches Verständnis auf meiner Seite vorliegt. Er müsste quasi wiedererkennen, was ich verstanden habe.
Du kannst ihm ja als Motivationshilfe mitteilen, dass ich nur aus Körper und Nervensystem darauf geschlossen habe, dass beim Menschen so etwas wie Objektsexualität vorkommen kann. Gerne kannst du ihm auch vom Koma-Patienten und dem Wechsel der sexuellen Orientierung erzählen, was ich ja auch aus der Theorie heraus prognostiziert habe – dieser Koma-Fall müsste im Fachbereich „Neuropsychologie“ eine gewisse Zuständigkeit finden.

Konfrontiere ihn mit dieser Aufgabe (ruf ihn gleich an) und berichte hier im Forum seine Reaktion.
Weise ihn auch explizit darauf hin, dass er auf die Formulierung meiner Aufgabenstellung achten soll - er soll alles reinlegen, was er auf dem Kasten hat (er soll Kollegen fragen...).
Hiob hat geschrieben: Fr 5. Jan 2024, 22:51Von welcher Wunder-Methodik sprichst DU eigentlich immer?
Von etwas ganz Harmlosem, aber unglaublich Leistungsfähigem, zu dem sich fundamental die Frage stellen lässt: "wieso wissen das die Religiösen nicht?".
Weshalb schaust du nicht einfach in deinem "heiligen Text" nach und entnimmst von dort, wie ein Mensch funktioniert?
Sag mir den Grund.
Hiob hat geschrieben: Fr 5. Jan 2024, 22:51Genau. :lol: - Wir deuten "Sünde" so um, dass sie (letztlich) materialistisch eingebaut werden kann. Vollkommen daneben.
Falsch, davon habe ich nicht gesprochen.
Die Deutung von "Sünde" ist mir gleichgültig.
Mit den resultierenden Auflagen haben die Religiösen (egal, wie sie dazu gekommen sind) ihr Coming-out.
An diesem Punkt kommen sie sozusagen wieder in der Realität an und wollen ihre Phantasie umsetzen.

Für die Auflage, dass Homosexuelle ihre Neigung nicht ausleben sollen, kann ich nachfragen, was sich die Religiösen als Auslöser für diese Anwendung ihrer "Sünden"-Phantasie (egal, was das konkret ist) haben einfallen lassen.
Was ich bei dir vorfinde ist eine fehlerhafte Verbindung von Sexualität und Vermehrung und der Einsatz des Schlagwortes "Unnatürlich", was genauso unhaltbar ist.

Wenn man das auf unser Beispiel des Komapatienten anwendet, dann könnte er vor seiner Verletzung der absolut perfekte Edelgläubige gewesen sein und soll danach durch die natürliche Umstrukturierung seines Nervensystems zum "unnatürlichen Maximalsünder" mutiert sein.
Mein Rat: such dir eine andere Religion :-)
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Hans-Joachim
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

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SilverBullet hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 13:26 Ohne dass es bereits in der Natur zwei getrennte Funktionen wären, würde das nicht funktionieren.
Du solltest diese Technik als Beweis ansehen, dass Sexualität und Vermehrung getrennt sind. Es sind zwei Funktionen.
Deine Idee, dass es sich hier um eine Funktion handelt, ist falsch und somit kannst du auch keine Reinheitsauflagen stellen.
Ohne Sexualität gäbe es weder Spermien noch Eizellen. Ohne Apfelbäume gibt es ja auch keine Äpfel. Und es braucht eine Gebärmutter, damit Zellteilung möglich ist und aus einem Fötus ein Baby werden kann. In diesem Sinne sind Menschen, die sich durch Zellteilung vermehren Mitschöpfer. Denn durch sie setzt sich die Schöpfung fort. Und sicherlich hat das auch was mit Reinheit zu tun, denn die Art und Weise, wie zu viele Menschen mit ihrer Sexualität schon vom Gedanken her umgehen, kann kaum als rein bezeichnet werden.
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

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Hans-Joachim hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 13:39Ohne Sexualität gäbe es weder Spermien noch Eizellen.
Du verwendest hier "Sexualität" als "Geschlecht", also eine zelluläre Ausprägung der Vermehrungsmöglichkeit.

In Bezug auf Heterosexualität vs. Homosexualität wird mit "Sexualität" eher die Ausrichtung der Neigung zur Erregung angesprochen.
Hans-Joachim hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 13:39In diesem Sinne sind Menschen, die sich durch Zellteilung vermehren Mitschöpfer.
In diesem Sinne ist ein Vorschlaghammer auch ein Mitkonstrukteur :-)
Hans-Joachim hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 13:39Und sicherlich hat das auch was mit Reinheit zu tun, denn die Art und Weise, wie zu viele Menschen mit ihrer Sexualität schon vom Gedanken her umgehen, kann kaum als rein bezeichnet werden.
Ich glaube jetzt wechselst du bei "Sexualität" wieder mehr zur Neigung - gut so.

Nach welchen Reinheitskriterien gehst du vor und woher kommen sie?

Ich würde es z.B. als „rein“ betrachten, wenn man berücksichtigt, wie der Mensch funktioniert und als „unrein“ wenn man einfach nur Behauptungen aufstellt.

In Bezug auf die Trennung zwischen Wissenschaft und Wissenschaftsbetrieb spreche ich z.B. von einem Reinheitsgebot, also eine Trennung entlang des Tatsachenstatus.
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 13:26 Die körperliche Vereinigung ist kein Schöpfungsvorgang und auch die Verschmelzung von Samenzelle mit Eizelle ist nicht Schöpfung.
Natürlich kann man Sexualität und Vermehrung wesensmäßig getrennt sehen - dies ist eine reine Glaubensfrage. Deine Auffassung ist ein klassisch materialistisch-säkulare, die zum Staat passt, weshalb ich für die Gleichstellung von heterosexuellen und homosexuellen Verbindungen staatlich ausdrücklich gut heiße. Aber in geistig orientierten Systemen kann dies ganz anders sein.

Ich verstehe nicht, warum man von einem Glaubenssystem ins andere hineindeuteln und hineinurteilen will. Lass doch beide Systeme stehen. Keine Kirche wird jemandem reinreden, der sich staatlich/standesamtlich homosexuell verbinden möchte. Aber sie kann im eigenen System eine solche Beziehung nicht als solche segnen. Da steht Glaube gegen Glaube.
SilverBullet hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 14:12 eine Trennung entlang des Tatsachenstatus
Du hast ein systemisches Verständnis von "Tatsache", was mit dem, was wirklich der Fall ist, zwar konform gehen kann, aber nicht muss.
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Hans-Joachim
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

Beitrag von Hans-Joachim »

SilverBullet hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 14:12 Du verwendest hier "Sexualität" als "Geschlecht", also eine zelluläre Ausprägung der Vermehrungsmöglichkeit.
Nein. Ich verwende Sexualität als Teil der menschlichen Identität. Zu ihr gehört die Fähigkeit, zu zeugen und zu gebären.
In Bezug auf Heterosexualität vs. Homosexualität wird mit "Sexualität" eher die Ausrichtung der Neigung zur Erregung angesprochen.
Die Neigung ist das eine, die biologische Geschlechtszugehörigkeit das andere. Wer meint, einem anderen Geschlecht zugehörig zu sein, wird ein Identitätsproblem bekommen, weil er nicht ist, was er zu sein meint. Im Grunde ist das eine Verleugnung des eigenen Geschlechts.
In diesem Sinne ist ein Vorschlaghammer auch ein Mitkonstrukteur :-)
Im gewissen Sinne ist ein Körper auch ein Werkzeug.
Ich glaube jetzt wechselst du bei "Sexualität" wieder mehr zur Neigung - gut so.
Wobei nicht jede Neigung gut ist. Ich denke gerade an Pädophilie
Nach welchen Reinheitskriterien gehst du vor und woher kommen sie?
Sexualität ist eine gottgegebene Schöpfungskraft. Sie soll zwischen einem Mann und einer Frau gebraucht werden. Sie müssen sich ihrer intimen Gemeisamkeit nicht schämen. Allerdings gehört der geschlechtliche Verkehr in die Ehe. Denn die Kinder, die daraus hervorgehen können und sollen, haben ein Recht darauf, in der Geborgenheit von Vater und Mutter aufzuwachsen.

Die Reinheitskriterien sind also nicht körperlicher, sondern geistiger Natur. Festgelegt vom Schöpfer selbst.
Ich würde es z.B. als „rein“ betrachten, wenn man berücksichtigt, wie der Mensch funktioniert und als „unrein“ wenn man einfach nur Behauptungen aufstellt
Tatsächlich gibt es am Körper auch nichts unreines. An der Geisteshaltung zur Sexualität allerdings jede Menge. Sei es Prüderie, sei es Pornographie, sei die Erniedrigung bis in den Schweinestall oder sonst irgendwelche Art von Schmutz.
In Bezug auf die Trennung zwischen Wissenschaft und Wissenschaftsbetrieb spreche ich z.B. von einem Reinheitsgebot, also eine Trennung entlang des Tatsachenstatus.
Die Sexualwissenschaft hat uns nicht viel zu bieten. Die biologischen Abläufe sind uns bekannt und letzendlich muss jeder selber lernen, im Ozean der Sexualität zu schwimmen, ohne abzusaufen.

Was ich jedem Mann und jeder Frau anraten möchte ist aber, sich seiner natürlichen Sexualität, die biologisch festgelegt ist, nicht zu schämen. Männer sollen Männer und Frauen sollen Frauen sein.
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

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Hiob hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 15:25 Deine Auffassung ist ein klassisch materialistisch-säkulare, die zum Staat passt, weshalb ich für die Gleichstellung von heterosexuellen und homosexuellen Verbindungen staatlich ausdrücklich gut heiße. Aber in geistig orientierten Systemen kann dies ganz anders sein.
Aber es geht nicht um Materialismus. Die cartesische Metaphysik ist definitiv nicht materialistisch und trotzdem funktionieren diese (aristotelisch-thomistischen) Argumente da nicht. Weil die natürliche Zielsetzung (Teleologie) in der Materie fehlt!

Für René Descartes gibt es nur causa efficiens (Wirkursache), keine causa finalis (Zielursache) und keine causa formalis (Formursache), wie noch für Aristoteles.

Anders ausgedrückt: Materie wird im Cartesianismus mechanistisch aufgefasst und streng vom Geist getrennt (daher die Karikatur vom "Geist in der Maschine"). Materie, also auch der menschliche Körper, hat keine innere Zielsetzung und damit gibt es auch keinen essenziellen oder metaphysischen Unterschied zwischen einem gleichgeschlechtlichen Paar und einem sterilen Hetero-Paar: Beide können halt keine Kinder bekommen und somit ist es willkürlich, dem gleichgeschlechtlichen Paar eine moralische Verfehlung vorzuwerfen, wenn sie Sex haben, dem hetero-Paar aber nicht.

Wenn Deine Einlassung also überhaupt einen Sinn haben sollen, dann müsstest Du schon eher schreiben: "Deine Auffassung ist eine klassisch neuzeitliche", da man sich im Rahmen Deiner hochgeschätzten Aufklärung ab dem 17. Jh. von Thomas von Aquin und Aristoteles verabschiedete.

Und wenn das heute alles nicht mehr verstanden wird, warum holst Du die Leute nicht da, wo sie sind? Verstehst Du es etwa selber nicht?

Ich vermute, Dich interessiert nur noch eine Sache: Niemals, nie soll Dich jemand widerlegen können.

Diese ganze Theorie mit den "Vorannahmen" hat den einen und einzigen Zweck, eine Korrektur Deiner Positionen unmöglich zu machen. Das mag für Dich vielleicht funktionieren. Aber es passt doch nicht für eine Weltkirche, die sogar den Anspruch hat, viele ihrer grundlegenden Positionen — inklusive des Naturrechts — seien für jeden Menschen, auch Heiden, verständlich.

IMHO ist das Naturrecht ein riesengroßes Problem für die RKK und das Christentum, dessen Lösung über Jahrhunderte verschleppt wurde. Diese philosophischen Altlasten muss man entweder endgültig entsorgen, oder man muss sie wieder reaktivieren.

Germain Grisez und John Finnis, die sog. "neuen Naturrechtler", haben versucht, ein Naturrecht unabhängig von der thomistisch-aristotelischen Metaphysik zu entwickeln, indem sie die natürliche Teleologie durch den menschlichen Willen zu ersetzten. Bei Dir schwirren auch solche modernen Gedanken herum, wenn Du meinst, es käme auf den Kinderwunsch (= Wille) bei einem Paar an. Aber es hilft nichts, denn z. B. ein gleichgeschlechtliches Paar kann den richtigen Willen nach Kindern haben! Damit landet man also doch wieder bei Unterscheidungen wie:
Hiob hat geschrieben: Di 12. Dez 2023, 22:04 Dass bspw. unfruchtbare heterosexuelle Paare einzig in der Konstellation sind, überhaupt unfruchtbar sein zu können. Zwei männliche Sexualpartner sind nicht unfruchtbar, sondern a-fruchtbar.
... welche nur im Rahmen einer aristotelisch-thomistischen Metaphysik ethisch relevant sein können.

Diese Metaphysik ist allerdings durch den wissenschaftlichen Fortschritt prima facie sehr unplausibel geworden. Denn was kann die Naturwissenschaft alles erklären, und sie benötigt dabei nur das Konzept der Wirkursache (causa efficiens)! Sie ist frei von causa finalis und causa formalis.

Diese tiefgreifende, radikale Veränderung im westlichen Denken scheint Dir nicht einmal bewusst zu sein.

Es wäre eine sehr schwere Aufgabe, nun zu belegen, wieso dieser Eindruck evtl. täuscht und Aristoteles und Thomas doch nicht so eindeutig widerlegt sind. Diese harte Arbeit sparst Du Dir, natürlich. Du hast gar nichts dazu gesagt.

Wer wie Du in Diskussionen mit dem unbedingten Vorsatz einsteigt, grundsätzlich nicht korrigiert werden zu können, der wird nie geistig wachsen. Versuch mal was von Substanz zu bringen, anstatt dieses lapidare Verbarrikadieren hinter dem ewig gleichen "sie verstehen es nicht", "sie sind falsch formatiert", "in geistig orientierten Systemen", "es kommt auf die Vorannahmen an" etc.

Sieh das jetzt nicht als einen Widerlegungsversuch an. Es ist vielmehr ein Appell, bitte von dieser extrem oberflächlichen Behandlung solcher schwierigen Themen wegzukommen!
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Sa 23. Dez 2023, 01:16Durchaus. Mit "säkular-christlich" meine ich diejenigen, die auf Basis gängiger Philosophien das Christentum weltlich umdeuten wollen. Das betrifft sicherlich die U-Bootchristen, die aber nicht gefährlich sind, weil man ihnen pastoral begegnen kann. Kritisch wird es bei Theologen, deren geistige Grundlagen letztlich säkular sind. Das betrifft meines Erachtens heute mehr als die Hälfte aller Theologen.
Ein akzeptierender oder ablehnender Standpunkt gegenüber der Homosexualität ist doch erstmal nur das, eine isolierter Standpunkt, und keine Philosophie oder Ideologie.

Ich habe viele pro-LGBT-Geistliche gehört, die sich in der Begründung ihrer Position auf Jesus bezogen haben. Weil sie ihn als jemanden ansehen, der Versöhnung, Toleranz und Gleichheit predigte.

Ob das sinnvoll ist, ist die eigentlich interessante Frage. Aber die würgst Du mit Etikettierungen wie "säkulare Philosophien" eben ab.
Hiob hat geschrieben: Sa 23. Dez 2023, 01:16 Stimmt - man denke nur an Oskar Wilde und andere. Das hätte ein säkularer Staat nicht tun dürfen, aber der Staat war nun mal jahrhundertelang christlich formatiert, was grundsätzlich falsch ist -aber so war es halt. Ein säkularer Staat darf sehr wohl Homosexualität verbieten, dann aber aus eigenen und nicht religiösen Gründen. Solche eigenen Gründe sind bspw., wenn eine (säkulare) Bevölkerung meint, dass das Volk mehr Nachwuchs braucht - Stichwort: Selbsterhaltungstrieb. Aber das sind keine religiösen Motive.
Das Naturrecht der Scholastik und RKK weist auf Gott hin, aber ist selbst weltlich gedacht. Deswegen doch Naturrecht. Auch wenn die aristotelische Metaphysik, auf der es beruht, nicht mehr in unser modernes Weltbild passt, war das Naturrecht aus seinem Selbstverständnis heraus nicht religiös.

Das als Folge mangelnder Trennung von Staat und Kirche hinstellen zu wollen, halte ich für eine Fehlinterpretation.

Denk auch mal an die anderen Sünden im Bereich "Wollust". Die weltliche Macht hat sich meist nicht darum gekümmert, ob ein Mann eine Prostituierte besuchte - solange keine Seuchengefahr bestand. Das war christlich eindeutig eine schwere Sünde, aber legal. Es war nur Wollust und kein "Verbrechen gegen die Natur".
Thomas von Aquin hat geschrieben:Die Prostitution gehört zur Gesellschaft, wie die Kloake zum herrlichsten Palast.
Diese Trennung zwischen Verbrechen und Sünde wurde (im Gegensatz zu islamischen Ländern) im christlichen Europa immer klar gezogen.
Hiob hat geschrieben: Sa 23. Dez 2023, 01:16 Vielleicht hat er Begriffe geschaffen, die neu waren, aber in der Sache macht er nichts anderes als das, was in AT und NT steht (bei NT müsste ich jetzt nachgucken, wo genau). Das ist keine Erfindung der Kirchengeschichte.
Ja, In der Bibel kommt Homosexualität an zwei Stellen vor. Im mosaischen Gesetz, unter Androhung der Todesstrafe - wobei es sich nur auf Männer bezieht und fraglich ist, wie weit das für Christen überhaupt gültig ist. Und im neuen Testament:
Römer 1:26-27 hat geschrieben:Deswegen hat Gott sie dahingegeben in schändliche Leidenschaften. Denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr in den unnatürlichen verwandelt, und ebenso haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen, sind in ihrer Begierde zueinander entbrannt, indem die Männer mit Männern Schande trieben, und empfingen den gebührenden Lohn ihrer Verirrung an sich selbst.
Hier werden also Schwule und Lesben genannt. Allerdings ruft Paulus nicht zur Todesstrafe auf und ist vergleichsweise "tolerant".

Von daher sehe ich nicht, wie man von der Bibel zur Constitutio Criminalis Carolina kommt, nach der männliche wie weibliche Homosexualität mit dem Tod durch Feuer bestraft wurde. Viele Buße-Vorschriften vor 1000 n. Chr. behandelten homosexuelle Handlungen nicht anders als heterosexuelle Unzucht und schrieben gleiche Bußen vor. Es war eine Sünde der Wollust, nicht mehr und nicht weniger.

Thomas von Aquin war es jedoch, der die Kategorie "Verbrechen gegen die Natur" erschaffte. Das wesentliche ist hier seine Rechtfertigung des höchsten Grades an Verdammung - die man nicht als bloße "Begriffsbildung" abtun kann. In der Summa theologiae führte er aus, dass der homosexuelle Akt ein schwereres Vergehen sei als selbst die Vergewaltigung. Die Argumentation war: Vergewaltigung verletzt nur einen anderen Menschen, aber folgt sonst noch der natürlichen Zielsetzung der Zeugung von Nachkommen. Homosexualität dagegen sei ein Verbrechen gegen die Natur selbst.
Hiob hat geschrieben: Sa 23. Dez 2023, 01:16Das sind Binsen, die längst bekannt sind.
Bei Dir wird viel zu Binsen, weil Du die entscheidenden Punkte ignorierst:
Claymore hat geschrieben: Fr 22. Dez 2023, 17:25Diese Gesetze kamen erst im Spätmittelalter auf. Im alten Frankenreich gab es sie nicht.
In der ganzen Zeit von der Christianisierung des römischen Reiches bis weit ins Mittelalter hinein waren harte Gesetze gegen Homosexualität selten und wenn es sie gab (Justinian I.), waren sie ohne Mitwirkung der Kirche zustande gekommen.

Ab dem Spätmittelalter wurde nach und nach in Europa die Todesstrafe für Homosexualität eingeführt.
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

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Hiob hat geschrieben: So 17. Dez 2023, 16:12:?: :?: - Wenn Du Voraus-Setzungen als Grund für Zirkelschlüsse verstehst, hast Du recht. Aber das gilt bei denen, die ein anderes Glaubensbild (also Voraus-Setzungen) haben, genauso. Ich könnte Dir mühelos begründen, warum Homosexualität und Heterosexualität kategorial dasselbe, also beides gleich normal ist. Aber das geht nur, wenn ich meine Voraus-Setzungen ändere. Und da sind wir wieder beim Begriff "geistig".
Das ist jetzt noch einmal ein Versuch ... vielleicht bleibt irgendwas hängen bei Dir ... ich schreib's aber eher für andere Leser. :lol:

Vorbemerkung 1: Hast Du Dir nie überlegt, dass Voraussetzungen genauso wieder belegt oder kritisiert werden können? Die Philosophien und Religionen der Menschheit sind doch mehr als bloße Spiele, wo es nur darum geht, gemäß den Regeln seine Züge zu machen! Wenn man die Geistesgeschichte der Menschheit so analysiert wie Du, bleibt sie völlig unerklärlich. Auch die einzelnen Menschen wären nur gefangen in ihren Denk-Systemen, ohne Ausweg und auch ohne Verantwortung und Schuld — eine fatalistische Weltanschauung.

Vorbemerkung 2: Der Philosophie fehlt das Experiment wie in der Naturwissenschaft und der formale Beweis wie in der Mathematik, daher geht es eher um Vergleiche, Abschätzungen, Plausibilität und die Gesamtschau der Argumente. Darauf muss man sich einlassen wollen! Bei Dir endet stattdessen alles immer in diesen substanzlosen Spielchen, dass man aus den "richtigen" Prämissen alles folgern kann. Wie langweilig, wie trivial!

Hauptteil: Es ist doch sehr plausibel, dass auch andere Wege, die nicht von "geistigen Grundlagen" ausgehen, zu einer Ablehnung von Homosexualität führen. Freud vermutete, dass es sich bei der Homophobie um Angst vor eigenen latenten, homosexuellen Gefühlen handle (vgl. Etymologie des Begriffs, von phobos = Angst). Ob da was dran ist oder nicht — zumindest wirken die Menschen, die durch extremen Hass gegen Schwule und Lesben auffallen, nicht besonders geistig hochstehend. Die Bandbreite ist groß und vieles davon ist nicht religiös motiviert, vom Neonazi bis zum jamaikanischen Sänger mit "mörderischen" Texten.

Es ist zwar jetzt allgemein LGBT ... aber vor einem Monat wurde in England ein Trans-Teenagerin von ihren Mitschülern ermordet (und, nein, es waren keine Muslime). Die Täter schienen geradezu besessen von der wahrgenommen "Unnatürlichkeit" und spekulierten, ob "es" wie ein Mann oder eine Frau schreien würde. Du redest gerne von geistig hochstehenden Menschen, die im Gegensatz zu den Gesellschafts-Normalos die natürlichen archetypischen Bilder von Mann und Frau verstehen. Gehören diese Teenager auch dazu?

Logisch ist das alles kein Argument. Es ist unsachlich! Aber ich bringe es trotzdem, als ein Kontra gegen Deine ad-hominems: "Der heutige säkulare Gesellschafts-Normale kapiert die geistigen Grundlagen nicht ..."
Und weil es eine riesengroße Warnung ist. Diese "geistigen Grundlagen" müssen allgemeingültig, wenigstens prinzipiell nachvollziehbar und grundlegend (basal) sein. Wirken diese stattdessen willkürlich und ad hoc, müssen wir vermuten, dass es sich nur um eine nachträgliche schein-rationale Rechtfertigung von irrationalen und emotional tief verwurzelten Feindseligkeiten gegen LGBT-Personen handelt.

Denn nach den Forschungen von Daniel Kahneman verfügen Menschen über zwei Modi zu denken:
  1. schnell-unpräzise-heuristisch (Bauchgefühl)
  2. langsam-logisch-rational.
Es besteht der Verdacht, dass hier mit A schnell geschossen wurde und man sich jetzt verzweifelt dagegen wehrt, bloß nicht durch B korrigiert zu werden.

Historisch gesehen fing es an mit Thomas von Aquin: Gott als Künstler; die Natur als das göttliche Kunstwerk. Und die Menschen sollen den Stil des größten Künstlers imitieren. Falls Du meinst, das höre sich doch sehr religiös an: Thomas lehrte, dass jeder Mensch (auch einer wie Kain) über einen unauslöschlichen, unverderblichen göttlichen Funken der praktischen Vernunft, der sog. Synderesis, verfügt und so Einsicht in die moralischen Grundprinzipien hat. Lex aeterna (das ewige Gesetz göttlicher Seinsordnung) spiegelt sich wider in der lex naturalis (dem Gesetz der Natur). Separat dazu - und zwar nur für Christen - gibt es noch das lex divina (Gesetz der göttlichen Offenbarung), nur dieses ist "religiös".

Ich gestehe Thomas zu, dass so echte geistige Grundlagen aussehen: Sie sind allgemein formuliert und grundsätzlich. Es ist eine schöne, erhebende Philosophie. Das Problem war nur, dass sich die Zielsetzungen nicht so einfach aus der Natur ablesen lassen. Auf unser Problem übertragen: sind LGBT-Personen nicht auch Teil der Natur, die ihren eigenen natürlichen Gesetzmäßigkeiten folgen?

Danach kamen noch viele schlaue Katholiken, wie Francisco Suárez, die diese Probleme ausbessern wollten. Derweil war längst die Neuzeit angebrochen und die römisch-katholische Kirche verpasste den Anschluss an die Philosophien der Aufklärung. Trotz ihres Anspruchs, Weltkirche zu sein, und der allgemeinen Gültigkeit des Naturrechts (nicht speziell christlich, sondern für jeden erkennbar) wurde es zu einer seltsamen katholischen Sonderlehre degradiert. Ich finde das eine unhaltbare Situation!

Wie bereits erwähnt: Was Du hier bringst, stellt sozusagen den letzten Versuch der Modernisierung dieser Lehre dar, von Germain Grisez und John Finnis. Das sog. "Neue Naturrecht", welches frei von der thomistisch-aristotelischen Metaphysik ist. Im Gegensatz zur natürlichen Teleologie sind "grundlegende Güter" (Leben, Spiel, ästhetische Erfahrung, Freundschaft, etc.) und der Wille und Vorsatz der Menschen entscheidend. Hier treten dann neue Probleme auf ...

Mit dem Alter lässt beim Mann oft die Potenz nach, ähnlich funktioniert auch bei der Frau nicht mehr alles so gut wie in jungen Jahren. Da kann das Paar mit Vorspiel nachhelfen, dass es doch klappt, aber diese Techniken sind nicht PIV. Da scheiden sich bereits die Geister bei den "neuen Naturrechtlern". Manche meinen: Die sind auch verboten. Andere dagegen: Solange wenigstens der Orgasmus PIV stattfindet, ist es in Ordnung – der Zweck heiligt die Mittel. Allerdings: Der weibliche Orgasmus ist für die Zeugung irrelevant. Die Idee Thomas Cajetans von der "Ausschüttung des weiblichen Samens" geht im 21. Jahrhundert nun nicht mehr. Aber trotzdem darf die Frau auch keinen Freibrief für Orgasmen außerhalb von PIV bekommen!

Hab ich ja alles schon erwähnt. Diese Regelungen sind für mich mit dem Geruch der Willkür behaftet. Das wirst Du doch nicht abstreiten, oder? Von der "hohen, edlen geistig-geistlichen Orientierung" ist jetzt Kasuistik und eine seltsame Fixierung auf PIV übrig geblieben. Ich will hier keine direkte Widerlegung, das ist keine exakte Wissenschaft. Und erst recht will ich mir nicht wieder was von "geistigen Formatierungen" anhören müssen. Es ist der Versuch, die immense Problematik zu vermitteln, die weit fundamentaler ist, als "der heutige Gesellschafts-Normalo kapiert das nicht".

Nachbemerkung: Zusammengefasst halte ich das "neue Naturrecht" für eine verwirrte Angelegenheit. Das traditionelle thomistische Naturrecht ist in-sich stimmiger, aber hat den ganzen problematischen metaphysischen Ballast. Sowas wie Aristoteles' Lehrsatz "Jede Bewegung braucht einen Auslöser" — das wird nicht mehr akzeptiert. Aber es ist zu billig, das auf die "Unbildung des heutigen Gesellschafts-Normalos" zu schieben. Wir Modernen denken einfach an das erste Newtonsche Axiom, wonach sich reibungsfreie Körper auch ohne Kraft weiterbewegen und erwidern nur: "Häh?". Sowas ist natürlich philosophisch keine Widerlegung, aber es übt immensen Druck auf die Glaubwürdigkeit der aristotelisch-thomistischen Metaphysik aus. Und zwar zu Recht!

Bitte höre also auf, die dramatischen geistesgeschichtlichen Veränderungen der letzten 500 Jahre auf "der heutige Gesellschafts-Normalo kapiert geistige Systeme nicht" zu reduzieren.

PS: Wenn der Beitrag nicht wirkt, dann gebe ich's auf. Besser werde ich mich nicht ausdrücken können.
Hiob
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Vorbemerkung 1
Voraus-Setzungen können kritisiert werden, klar. Passiert doch ständig. Der eine sagt "Dein materialistisches Weltbild deckt zu wenig ab", der andere "Dein metaphysisches Weltbild ist Hokuspokus".
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Auch die einzelnen Menschen wären nur gefangen in ihren Denk-Systemen, ohne Ausweg und auch ohne Verantwortung und Schuld — eine fatalistische Weltanschauung.
Dazu gibt es den hermeneutischen Zirkel, mit dem man beschreiben kann, wie Erkenntnisse wachsen können - das kann im Extremfall zu Saulus-Paulus-Erlebnissen führen, ist aber in der Regel wenig spektakulär.

"Verantwortung" und "Schuld" sind keine absoluten Größen, sondern Zuteilungen eines jeweiligen Systems. Für einen Staatsanwalt sind diese Begriffe etwas ganz anderes als für einen Seelsorger. Dasselbe gilt für den Unterschied zwischen Fatalismus und Fügung. Bevor wir hier weiter reden, müsste erst mal ein einvernehmliches Begriffs-Verständnis gefunden werden.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 daher geht es eher um Vergleiche, Abschätzungen, Plausibilität und die Gesamtschau der Argumente
Auch. In meinem Umfeld versteht man Philosophie mit dem SChwerpunkt "ewige Fragen": Was ist der Mensch, woher kommt er, wohin geht er, warum gibt es Zeit, was war 'vor' dem Urknall, etc. - Dass Philosophie heute eher ins praktische Lebensertüchtigungsfeld wirkt, ist ok.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Es ist doch sehr plausibel, dass auch andere Wege, die nicht von "geistigen Grundlagen" ausgehen, zu einer Ablehnung von Homosexualität führen.
Kann gut sein - es hängt, wie immer, von den Voraus-Setzungen des Systems ab, in dessen Rahmen es bewertet wird. Der einzigen Fall von weltlicher Ablehnung der Homosexualität, der mir einfällt, ist, wenn ein Staat zu wenig Kinder hat und Homosexualität verbietet, um den Fokus auf heterosexuelle, also vermehrungsfähige Paare zu lenken. Aber dieser Fall ist aktuell weltweit wohl eher selten.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Freud vermutete, dass es sich bei der Homophobie um Angst vor eigenen latenten, homosexuellen Gefühlen handle (vgl. Etymologie des Begriffs, von phobos = Angst).
Wer hat eigentlich das Wort "Homophobie" erfunden? Ich frage deshalb, weil ich bisher zwar relativ viele Menschen gehört habe, die Vorbehalte gegen Homosexualität haben, aber keinen, der Angst vor Homosexualität hätte. Ein Psychologe wird auf diese Feststellung hin möglicherweise triumphierend feststellen: "Aha, Verdrängung" :lol: . Aber ernsthaft: Kennst DU auch nur eine Person, die Angst vor Homosexuellen oder Homosexualität haben?
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 zumindest wirken die Menschen, die durch extremen Hass gegen Schwule und Lesben auffallen, nicht besonders geistig hochstehend.
Kennst Du welche? Auch hier: Mir ist in vielen Jahrzehnten nicht ein Mensch untergekommen, der Schwule und Lesben HASST. Das gibt es vielleicht, aber offenbar ganz selten. Ich habe einen anderen Verdacht: Durch den heute üblichen inflationären Umgang mit Semantik, werden ablehnende Einstellungen zur Homosexualität als eine Normsexualität als "Angst" oder "Hass" bezeichnet, also einst semantisch intensiv gemeinte Begriffe dramaturgisch inszeniert und somit semantisch durchgereicht.

In meinen jungen Jahren (60er bis 80er) hat man geahnt oder gewusst, wenn jemand homosexuell war, aber nicht darüber gesprochen. Ich halte dies NICHT für optimal, aber da hatte keiner Angst oder Hass. Hat sich in den letzten Jahren so viel verändert?
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Die Täter schienen geradezu besessen von der wahrgenommen "Unnatürlichkeit" und spekulierten, ob "es" wie ein Mann oder eine Frau schreien würde. Du redest gerne von geistig hochstehenden Menschen, die im Gegensatz zu den Gesellschafts-Normalos die natürlichen archetypischen Bilder von Mann und Frau verstehen. Gehören diese Teenager auch dazu?
Es wäre überraschend, wenn diese Teenagern eine fundierte Begründung für solche tiefgreifende Fragen erbringen könnten. Typisch wäre, dass das Opfer sterben musste, weil es einer Minderheit angehörte und als solche erkennbar war. Und ja, es könnte sein, dass die Täter aus Haushalten kommen, in denen man der gesellschaftlichen Überhöhung von Sexualität in allen ihren Varianten kritisch gegenüberstehen. Das kann ein konservatives Lehrerehepaar sein oder eine Arbeiter-Familie. Es kann noch ganz andere Gründe geben. Alles, was man hier sagen kann, sind Anregungen, weiterzudenken, aber kein taffes Ergebnis.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 als ein Kontra gegen Deine ad-hominems: "Der heutige säkulare Gesellschafts-Normale kapiert die geistigen Grundlagen nicht ..."
Substantiell stimmt dies nach wie vor aus Sicht metaphyisch denkender Menschen. Auch hier ein orwellsches Neusprech-Problem: Unter metaphyischer/religiöser Voraussetzungen meint man mit "Geist" letztlich etwas Metaphysisches (Christen sagen bspw. "Gott"), aus dem sich menschlicher Geist ableitet ("Und Gott schuf"). Materialistisch versteht man "geistig" selbstverständlich semantisch ganz anders - da wird es irgendwann Menschen geben, die sogar KI "geistig" nennen. Für diesen Fall gilt mein obiger Satz natürlich nicht - da wäre das Gegenteil richtig. Mein Satz gilt nur in der Definition von "Geist" als übergeordnete und primär nicht an den Menschen gebundene Größe.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Diese "geistigen Grundlagen" müssen allgemeingültig, wenigstens prinzipiell nachvollziehbar und grundlegend (basal) sein.
Wie soll das gehen, wenn solche Felder in Vergessenheit geraten?
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 dass es sich nur um eine nachträgliche schein-rationale Rechtfertigung von irrationalen und emotional tief verwurzelten Feindseligkeiten gegen LGBT-Personen handelt.
Wo gibt es aktiv solche Feindseligkeiten? Ganz sicher nicht in den christlichen Großkirchen und auch nicht beim traditionellen Bevölkerungs-Normalo. Bei muslimisch geprägten Menschen kann ich mir es vorstellen (weiß es aber nicht), weil in ihrer Religion oft nicht nur Homosexualität, sondern auch Homosexuelle abgelehnt werden. Vielleicht liegt es daran, dass diese Menschen aus Kulturen kommen, in denen mangels sozialer Versorgung durch das Gemeinwesen die Familie so wichtig ist, dass man Homosexualität als bedrohlich fürs Gemeinwesen empfindet. Aber da müsstest Du selber mal nachfragen.

Noch mal: Es mögen Leute auffindbar sein, die gegen LGBT-Personen feindselig sind, aber das betrifft überhaupt nicht die breite Masse - einfach weil es den allerallermeisten so was von egal ist, ob da jemand mit Rock und Bart oder Hammer und Sichel rumläuft. Manche amüsieren sich, aber mit Feindseligkeit hat das nichts zu tun. Ich habe den Verdacht, dass durch semantische Manierismen und aus medialem Interesse Themen groß GEMACHT werden, die mit der eigentlichen Bevölkerung wenig bis nichts zu tun haben.

Dies gilt übrigens auch für Themen wie den Antisemitismus. Knapp ein Drittel aller Deutschen seien latent antisemitisch, sagt man. - Das heißt: Sie wissen nichts davon und fühlen sich auch nicht so. Hier ist der Verdacht besonders hoch, dass man ein Thema ständig am Kochen halten will, weil es zu viele Kreise gibt, die verlieren würden, wenn es dieses Thema nicht mehr gäbe. Kennst Du (außer Arabisch-Stämmigen, die ihre eigene hautnahe Geschichte mit den Israelis haben) jemanden unter der traditionellen deutschen Bevölkerung, der/die Juden-HASSER ist? Glaubt man den Medien, ist die Gesellschaft durchsetzt davon - und keiner kriegt es vor Ort mit. Ähnlich scheint es mir auch beim Thema Homosexualität zu sein.
Hiob
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Re: und wie ist das mit Homosexualität und Abtreibung?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Es besteht der Verdacht, dass hier mit A schnell geschossen wurde und man sich jetzt verzweifelt dagegen wehrt, bloß nicht durch B korrigiert zu werden.
Passt zum Thema. Ich sehe niemanden weit und breit, der sich "verzweifelt" wehren wollte. Um dies tun zu können, muss man erst mal in einen Grundzustand kommen, der es nahelegt, sich zu wehren. Die nächste Stufe ist dann, sich heftig oder gar verzweifelt zu wehren. Aber dazu bedarf es des Grundzustands, der nicht da ist. Du imitierst den medialen Umgang mit dem Wort.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Auf unser Problem übertragen: sind LGBT-Personen nicht auch Teil der Natur, die ihren eigenen natürlichen Gesetzmäßigkeiten folgen?
Natürlich sind sie das. Ich keine keinen Theologen, der auch nur auf die Idee käme, sich eine solche Frage zu stellen.

Worüber Du vielleicht stolperst, ist der Begriff der "gefallenen Schöpfung". Dazu nur eine Aussage von Paulus, damit die Stoßrichtung klar wird:
Römer 8
20 Denn die Schöpfung ist der Nichtigkeit10 unterworfen worden - nicht freiwillig, sondern durch den, der sie unterworfen hat - auf Hoffnung hin, 21 dass auch selbst die Schöpfung von der Knechtschaft der Vergänglichkeit frei gemacht werden wird zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung zusammen seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Trotz ihres Anspruchs, Weltkirche zu sein, und der allgemeinen Gültigkeit des Naturrechts (nicht speziell christlich, sondern für jeden erkennbar) wurde es zu einer seltsamen katholischen Sonderlehre degradiert.
Mit der universalen Lex naturalis ist nicht gemeint, dass sie von nicht-christlichen Systemen verstanden werden MUSS (kann sein/kann nicht sein), sondern dass sie für alle gilt. Die Zugänglichkeit dieser Lex im Menschen hängt davon ab, inwieweit sie begnadet sind, zu verstehen. Dies ist völlig unabhängig von intellektuellen Fähigkeiten.

Erkläre, wie Du den Begriff "Sonderlehre" begründest? "Sonder" in Bezug auf was?
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Was Du hier bringst, stellt sozusagen den letzten Versuch der Modernisierung dieser Lehre dar, von Germain Grisez und John Finnis.
Sicherlich wichtige Leute, deren Werke ich aber nicht kenne.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Mit dem Alter lässt beim Mann oft die Potenz nach, ähnlich funktioniert auch bei der Frau nicht mehr alles so gut wie in jungen Jahren.
Selbst wenn sich Theologen darüber den Kopf zerbrechen: Es muss erst mal der Grundgedanke klar sein - daran hapert es meistens, weil man bottom-up denkt statt top-down: "Ich mache ein Modell, bearbeite dies sorgfältig, und was dann rauskommt, ist wahr, soweit es nicht als ungeklärt festgestellt ist" (oder so ähnlich). Dabei müsste erst mal klar werden, warum es diese Lehre geistlich (nicht historisch) überhaupt gibt.

Der Spur nach: Im katholischen Sinn ist Sexualität in ihrer Idealform (s.o. Paulus) wesensmäßig mit Schöpfung verbunden. Im Orgasmus/im Einssein schaffen Mann und Frau neues Leben. Deshalb sind homosexuelle oder heterosexuelle Beziehungen ohne prinzipiellen Kinderwunsch nicht ideal. Das Ehesakrament ist nur dann gültig, wenn die Eheleute einen Kinderwunsch haben. Gültig ist eine Ehe, wenn sich zwei Partner sehnlichst Kinder wünschen, aber keine bekommen können. Dies gilt auch für Paare, die sie nicht mehr bekommen können. Kein Fundamentaltheologie käme auf die Idee, Sexualität eines alternden Paares als wider-christlich zu bezeichnen, wenn da gleichzeitig 4 Kinder und 10 Enkel rumlaufen. Es geht darum, dass ein Paar gewillt ist oder war, selber eine Familie zu gründen. Dabei gilt es nicht als "Familie", wenn zwei Homosexuelle Kinder irgendwo austragen lassen und bei sich aufziehen - auch dies gilt als widernatürlich. Und zwar, weil hier absichtlich gegen das Ideal der Familie verstoßen wird. Und immer wieder: Mit Lex naturalis ist nicht gemeint, dass das, was es alles in der Natur gibt, ideal ist.

"Die lex naturalis ist ... die „Partizipation des ewigen Gesetzes in der vernünftigen Kreatur.“, wie es in der Deutschen Thomas-Ausgabe heißt. Und hier gibt es anscheinend ein Missverständnis: Damit ist NICHT gemeint, dass es von denen verstanden werden müsse, die sich selbst als vernünftig oder gar aufgeklärt verstehen, sondern es geht um die Begnadung einer Teilhabe an etwas, was "ist". Zur Erinnerung hier das lateinische Wort für "Bewusstsein", nämlich "con-scientia" = "Mit-Wissen". Der Mensch ist also (zumindest potentiell) in der Lage, geistige Wahrheit zu erkennen. Demokratisch kann man solche Fragen nicht beantworten. Ich verstehe, dass dies heute kaum noch verstanden wird, weshalb auch ich meine, dass die Kirche nicht "zeitgemäß" ist. Aber das ist doch keine qualitative Aussage in puncto Inhalt.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Diese Regelungen sind für mich mit dem Geruch der Willkür behaftet.
Wenn man etwas von Grund auf nicht versteht, wirkt es willkürlich - da bin ich ganz bei Dir.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Es ist der Versuch, die immense Problematik zu vermitteln, die weit fundamentaler ist, als "der heutige Gesellschafts-Normalo kapiert das nicht".
Was ist die Problematik genau? Inwieweit ist hier das obige Paulus-Zitat hilfreich?
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Zusammengefasst halte ich das "neue Naturrecht" für eine verwirrte Angelegenheit.
Da kann ich Dir weder zustimmen noch widersprechen - ich weiß nicht, was diesbezüglich momentan auf dem Wissenschaftsmarkt ist.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Das traditionelle thomistische Naturrecht ist in-sich stimmiger, aber hat den ganzen problematischen metaphysischen Ballast.
:lol: :lol: :lol: - Deine Aussage erinnert mich an moderne Theologien, die nur funktionieren, wenn es Gott nicht gibt.
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 ber es übt immensen Druck auf die Glaubwürdigkeit der aristotelisch-thomistischen Metaphysik aus. Und zwar zu Recht!
Aus Deinem Denksystem heraus kann das sehr wohl so sein. Bist Du sicher, dass Du damit der Sache selbst gerecht wirst?
Claymore hat geschrieben: Sa 6. Jan 2024, 20:01 Bitte höre also auf, die dramatischen geistesgeschichtlichen Veränderungen der letzten 500 Jahre auf "der heutige Gesellschafts-Normalo kapiert geistige Systeme nicht" zu reduzieren.
Damit kann ich gar nicht aufhören, weil ich damit erst mal anfangen müsste. Drücken wir es allgemein aus: Nach mehr als 200 Jahren materialistischer/existenzialistischer Philosophie gibt es keine durchgehend metaphysisch ausgerichtete Bevölkerung, sondern nur hie und da eine Insel. Das Christentum ist fundamental zur Zeit out und im Wartestand (im Pastoralen läuft es nach wie vor, was letztlich sogar das Wichtigere ist). Wie soll die heutige Elite und der Gesellschafts-Normale fundamental-geistige Aussagen des Christentums verstehen, wenn die Basis dazu fehlt? Diese rhetorische Frage beinhaltet keinen Vorwurf. Es ist nur einfach so, dass sogar die Nachfahren von Eskimos, die an den Äquator ausgesiedelt wurden, nicht wissen, wie Schnee aussieht. Das ist wirklich kein Vorwurf.

Was ich überhaupt nicht verstehe: Warum geht die säkulare Gesellschaft nicht einfach ihren Gang, indem sie sich demokratisch ihre Gesetze macht, in denen alle sexuellen Verbindungsarten gleichgestellt sind? Der Souverän/der Staat darf das und tut es ja auch. Wo besteht hier Anlass, sich an fundamental-geistigen Aussagen des Christentums zu reiben, die man nicht versteht (egal ob nolens oder volens)? Weil man eine Allergie gegen Meeresfrüchte hat, sind diese doch nicht schlecht. Es passt halt einfach nicht und gut ist.
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