nach vielen Jahren in christlichen Foren muß ich leider bekennen, daß die Bibel sehr offensichtlich keine systematische Glaubenslehre anbieten kann. Wo man zehn Christen beieinander sieht, sieht man sie zugleich um zwölf Meinungen diskutieren, die allesamt meist in der Sackgasse enden. Martin Luther schrieb einmal, die Bibel wäre klarer als jedes andere Buch, aber man braucht nur einen Blick ins Internet zu tun, um zu sehen, daß diese Aussage in viel zu optimistischer Stimmung getan wurde. Letztendlich sind die "Christentümer" so verschieden, wie die Menschen sind und jeder pflückt sich die Blumen von der Bibelwiese, die ihm am besten gefallen.
Meine Frage nun, da es ja noch mehr Wiesen gibt: Wo findet man ähnlich schöne Blumen wie die, die in der Bibel wachsen? Es geht hier durchaus nicht um Synkretismus, sondern um die einfach Feststellung, daß alle Religionen gar nicht so weit voneinander entfernt sind, der "ewige Urgrund des Seins", den die Christen z.B. Gott nennen, ist ja allen Völkern und Menschen bekannt, überall auf der Welt haben Menschen spirituelle Erfahrungen oder sehnen sich zumindest danach. Die Bibel bildet m.E. ein Abbild des Lebens selbst dar, das niemals fertig wird, immer anders, immer mehrdeutig, immer unbeständig. Vielleicht gibt es sie aber doch, die eine Wahrheit, die Liebe ist, inmitten aller Unbeständigkeit und Unberechenbarkeit dieses Lebens und der Lehre. Findet man sie allein im Christentum? Ist nicht schon die Schöpfung selbst das Buch und die Kirche, in der man Gott finden kann?
Ich würde mich freuen, wenn hier dazu beigetragen würde, die Liebe auch dort zu erkennen, wo das fundamentalistische Christentum nur Teufel und Verderben sieht. Die Christianisierung Europas etwa in der gewalttätigen Form war sicher großes Unrecht, vielleicht können wir hier als Mitteleuropäer auch einen Blick auf das religiöse Erbe unserer Ahnen werfen.
Die katholische Kirche hat mit ihrer Erklärung "Nostra Aetate" ja schon wunderbar vorgelegt:
http://www.vatican.va/archive/hist_coun ... te_ge.htmlAuch die übrigen in der ganzen Welt verbreiteten Religionen sind bemüht, der Unruhe des menschlichen Herzens auf verschiedene Weise zu begegnen, indem sie Wege weisen: Lehren und Lebensregeln sowie auch heilige Riten. Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.
Liebe Grüße, Simplicius.