Wenn man miterlebt hat, dass ein Mensch, den man kannte; mit dem man Kontakt hatte, sein Leben durch Suizid beendete, fühlt man sich schuldig.
Denjenigen, die es dann wirklich tun, sieht und merkt man ihre Absicht nämlich nicht an. Das ist das Fatale daran.
Da war ein Junge, ein Teenie, er zählte zum Freundekreis meines Bruders. Die Jungs studierten an einer privaten Akademie, und der Freund war auch öfter bei uns zu Hause. Seine Familie wohnte weiter entfernt, und der Student wohnte irgendwo in der Nähe der Akademie zur Untermiete.
Als ältere Schwester, die den Haushalt für die jüngeren Geschwister führte und so eine Art "Mutterersatz" darstellte, wollte ich mich, wenn Freunde da waren, natürlich nicht aufdrängen. Das würde ich auch heute nicht tun. Die Freunde kommen ja nicht, um
mich zu besuchen. Es gibt nichts Peinlicheres als eine Mutter, die sich ungefragt in die Beziehungen ihrer Kinder einmischt.
Ja.
Eines Tages erzählte mein Bruder, der Michael sei im Krankenhaus. Seine Wirtin habe Alarm geschlagen, weil ihr Mieter nur noch erbrach und auf Toilette ging. Aber das erst nach zwei oder drei Tagen.
Der Junge wurde ins Krankenhaus gebracht und man versuchte, ihm zu helfen. Es war zu spät. Er litt noch etwa eine Woche lang furchtbare Qualen, bevor sein Herz dann aufhörte zu schlagen. Er wurde noch nicht einmal 18 Jahre alt.
Er hatte Arsen genommen. Dieses hatte er in der Akademie gestohlen gehabt.
So viel zur Warnung an alle, die meinen, sie müssten sich mit Pestiziden oder ähnlichen Substanzen vergiften. Das ist kein schneller, sondern ein schrecklicher Tod!
Das ist jetzt schon weit über 30 Jahre her. Es geht mir immer noch nach. Ich hätte ihm helfen
können. Ich hätte mit ihm reden
können. Vielleicht verzweifelte er am Leben?-- Die Verhältnisse seiner Herkunftsfamilie waren wohl nicht sehr hoffnungsvoll. Aber das erfährt man dann immer hinterher.
Mein etwa gleichaltriger Cousin ging 1993 aus dem Leben. Auch unerwartet für mich. Mit dem hatte ich länger keinen Kontakt mehr gehabt; wir waren etwa neun Jahre zuvor aus der Gegend weggezogen, und alles, was ich wußte war: Er wollte nach Berlin, studieren. Das fand ich ziemlich exotisch, und
was er studieren wollte, damit konnte ich auch nichts anfangen: Philologie.
Ich glaube schon, dass bei denen, die sich umbringen wollen, in dem Moment, in welchem sie den Suizid ausführen, eine echte Verzweiflung dahinter steckt. Ob rational gedacht oder nicht: Da ist keine Hoffnung mehr, und deswegen kann oder möchte der Lebensmüde die Schwierigkeiten in seinem Leben nicht (mehr) überwinden. Im fehlen die Zuversicht und die Kraft, und vielleicht auch der Wille, eigene Perspektiven zu verändern.
Meines Wissens geht es aber in diesem Urteil um das Verbot jeglicher Sterbehilfe von 2015. Auch Ärzte sollten todgeweihten Patienten die Leiden nicht verkürzen dürfen. Dagegen wurde geklagt.
Aber offenbar besteht immer noch keine Klarheit:
Bas sagte: "Die Neuregelung der Sterbehilfe hat zu einer Verunsicherung bei Ärztinnen und Ärzten geführt." Ärzte bräuchten Rechtssicherheit. "Ich wünsche mir klare Regeln, wann insbesondere ärztliche Begleitung erlaubt und wann gewerbliche Angebote ausgeschlossen sind." Das Urteil gebe dazu den Auftrag. "Schwerstkranke Patienten, die selbstbestimmt ihr Leben beenden wollen, dürfen nicht alleine gelassen werden", sagte Bas.
focus.de
LG