Das Recht auf Selbstmord

Politik und Weltgeschehen
Benutzeravatar
Travis
Moderator
Beiträge: 9071
Registriert: Di 10. Okt 2017, 06:59

Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von Travis »

Einige Tage ist sie alt, die Urteilsbegründung des höchsten deutschen Gerichts. Dazu gibt es eine Pressemittelung, deren Inhalt bemerkenstwert ist. Ich zitiere:
bb) Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist nicht auf fremddefinierte Situationen wie schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt. Es besteht in jeder Phase menschlicher Existenz. Eine Einengung des Schutzbereichs auf bestimmte Ursachen und Motive liefe auf eine Bewertung der Beweggründe des zur Selbsttötung Entschlossenen und auf eine inhaltliche Vorbestimmung hinaus, die dem Freiheitsgedanken des Grundgesetzes fremd ist. Die Entscheidung des Einzelnen, dem eigenen Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, entzieht sich einer Bewertung anhand allgemeiner Wertvorstellungen, religiöser Gebote, gesellschaftlicher Leitbilder für den Umgang mit Leben und Tod oder Überlegungen objektiver Vernünftigkeit. Sie bedarf keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung, sondern ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.

cc) Das Recht, sich selbst zu töten, kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass sich der Suizident seiner Würde begibt, weil er mit seinem Leben zugleich die Voraussetzung seiner Selbstbestimmung aufgibt. Die selbstbestimmte Verfügung über das eigene Leben ist vielmehr unmittelbarer Ausdruck der der Menschenwürde innewohnenden Idee autonomer Persönlichkeitsentfaltung; sie ist, wenngleich letzter, Ausdruck von Würde.

b) Das Recht, sich selbst zu töten, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen. Das Grundgesetz gewährleistet die Entfaltung der Persönlichkeit im Austausch mit Dritten, die ihrerseits in Freiheit handeln. Ist die Wahrnehmung eines Grundrechts von der Einbeziehung Dritter abhängig und hängt die freie Persönlichkeitsentfaltung an der Mitwirkung eines anderen, schützt das Grundrecht auch davor, dass es nicht durch ein Verbot gegenüber Dritten, im Rahmen ihrer Freiheit Unterstützung anzubieten, beschränkt wird.
finden kann man diesen Test hier: https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 0-012.html

Aus meiner Sicht ist das ein recht krasses aber sehr konsequentes Urteil. Will man die Begriffe "Freiheit" und "Autonomie" ohne die Rechtfertigung vor Gott bis zum Ende denken, muss man so begründen, wie es das Gericht getan hat. Um Mißbrauch zu verhindern, wird man wohl umfangreich dokmentieren müssen.
- Foren Concierge -
"Steter Trottel höhlt den Interlekt"

הִגִּ֥יד‮‬ לְךָ֛ אָדָ֖ם מַה־טֹּ֑וב וּמָֽה־יְהוָ֞ה דֹּורֵ֣שׁ מִמְּךָ֗ כִּ֣י אִם־עֲשֹׂ֤ות מִשְׁפָּט֙ וְאַ֣הֲבַת חֶ֔סֶד וְהַצְנֵ֥עַ לֶ֖כֶת עִם־אֱלֹהֶֽיךָ׃
Benutzeravatar
Abischai
Beiträge: 7347
Registriert: Sa 27. Apr 2013, 14:25

Re: Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von Abischai »

Zu DDR-Zeiten war Selbstmord verboten, d.h. ein versuchter Suizid war eine Straftat, die auch entsprechend geahndet wurde, sofern sie mißlang.
In wilden Völkern (Indianer) ist es jedes einzelnen Sache, was er tut, in "höheren" Zivilisationen hingegen nicht. Das Gemeinwesen, von dem man gewöhnlich partizipiert, hat auch einen Anspruch an den Einzelnen, hier kann nicht jeder tun was er will, das verstehe ich auch.

Vor allem sehe ich die Gefahr wie viele andere auch, daß die Legalisierung des Suizid eine gewisse Erwartung schüren könnte daß, wer nicht mehr "kann", dann bitte auch freiwillig "gehen" sollte.

Sowas geht nicht, und davor muß das Gemeinwesen den einzelnen Schutzbedürftigen auch schützen.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]
Benutzeravatar
Magdalena61
Administrator
Beiträge: 26148
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 20:44
Kontaktdaten:

Re: Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von Magdalena61 »

Für unheilbar Kranke, denen bis vor kurzem das Recht verweigert wurde, nicht länger leben- dahinsiechen- zu müssen und nicht künstlich am Leben erhalten zu werden, was die Qual z.B. bei ALS- Kranken sinnlos verlängert, begrüße ich diese Regelung.

Ansonsten nicht. Da ist ein übler Beigeschmack mit dabei.
Ich denke an die Armutsrentner... die irgendwann verzweifeln und keinen Sinn mehr darin sehen, dieses miese "Leben" noch länger fortzuführen, da es ja sowieso mit dem Tof enden wird.
Und ich denke an alle, die befürchten, jemandem zut Last zu fallen: zum Beispiel an
- Bewohner in Pflegeheimen
- Menschen, die Hartz IV oder Sozialgeld beziehen
- Menschen, die auf die (kostenpflichtige) Hilfe anderer angewiesen sind
- Menschen in seelischen Krisen
- Menschen mit Behinderung
-...

Schon merkwürdig, dieser Gesinnungswandel.

Und gottlos. Sorry. Die Schwächsten haben keine Lobby.
LG
God bless you all for what you all have done for me.
Mimi
Beiträge: 616
Registriert: Mi 7. Aug 2013, 22:59

Re: Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von Mimi »

Sehr wohl verstehe ich den Wunsch, in bestimmten Situationen nicht
weiterleben zu wollen, da kann ich mir persönlich bei niemand ein Urteil erlauben
oder anmaßen, zumal jeder in eine solche Lage kommen kann. Sei es durch Schwersterkrankung oder auch
ganz anderen Vorkommnissen.

Jedoch diese „staatliche“ Regelung jetzt ist für mich äußerst löchrig und ja – gottlos.
Wie bereits in den Beiträgen erwähnt… sich mal ausweinen, auch jammern zu dürfen
ist dann ja eigentlich Geschichte…. und im höchsten Grade unmenschlich.
(Und wie man annehmen muss, wird leider ein Teil der Menschen nachher so denken).
Noch ein weiterer Blickwinkel ….
Das neue Urteil „befreit“ auch viele Helfer/Assistenten von wirklich sehr
notwendigen Gewissensüberlegungen – ein probates Mittel, sich dann nicht
weiter selbst hinterfragen zu müssen. Der Staat hat es ja erlaubt….der übernimmt….
....Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr's denn nun im Fleisch vollenden? (Galater 3,3)
Benutzeravatar
Magdalena61
Administrator
Beiträge: 26148
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 20:44
Kontaktdaten:

Re: Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von Magdalena61 »

Meine Befürchtung ist, dass Menschen dann noch viel stärker nach dem "Leistungsprinzip" sortiert werden.

Eltern, die ein behindertes Kind nicht abtreiben, sondern auf die Welt bringen und aufziehen, mussten sich schon vor mehr als 20 Jahren vernichtende, wirklich bösartige Kommentare einiger Exemplare dieser Gesellschaft anhören. Und das Kind ist dieser Hetze auch ausgesetzt.
Es handelte sich um einen kleinen Jungen mit leichten Mißbildungen an den Händen, der ansonsten völlig normal war.

Wie wird es dann, nach Inkrafttreten des Gesetzes, den erwachsenen Menschen mit Handycap ergehen, die ohne fremde Hilfe nicht auskommen, die gerne leben würden, sich aber als Last für die Gesellschaft empfinden? Dann noch einige böse Worte... Mobbing... Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden... sobald der Weg zum Suizid frei ist, wird er auch als Methode der Konfliktbewältigung mißbraucht werden.

Es ist immer noch GOTT, der ein Leben gibt und der bestimmt, wann dieses beginnt und wann es endet.

Ich wende mich nur gegen diese aufgezwungene künstliche Verlängerung von Leben, wenn der Patient diese nicht will, aber nicht mehr in der Lage ist, sein Leben aus eigener Kraft zu beenden.
LG
God bless you all for what you all have done for me.
Mimi
Beiträge: 616
Registriert: Mi 7. Aug 2013, 22:59

Re: Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von Mimi »

Das ist in der Tat ein Riesenproblem der Medizin – ich meine
die künstliche Verlängerung!
....Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr's denn nun im Fleisch vollenden? (Galater 3,3)
Benutzeravatar
Magdalena61
Administrator
Beiträge: 26148
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 20:44
Kontaktdaten:

Re: Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von Magdalena61 »

Daran verdienen sie halt.
Auch unnötige/ nicht sehr sinnvolle Behandlungen bei Senioren sind für manche Chefärzte und manche Krankenhäuser eine willkommene Einnahmequelle.
Nicht mehr der Kranke ist Gegenstand der Medizin, der Heilkunst, sondern die Krankheit ist Gegenstand eines Programms; um es genau zu sagen: eines profitablen Wirtschaftsprogramms. Das ist die Konkretion der Verwandlung des Gesundheitswesens in eine Gesundheitswirtschaft.

Und um diesen Vorgang wirksam zu vernebeln, braucht es auch weiterhin die Märchen von der Kostenexplosion und von der Alterslawine.
taz.de
Und uns erzählt man von den "teuren Alten", damit man Menschen, die nicht mehr so hohe Beiträge einzahlen, immer mehr Leistungen streichen kann-- in Wirklichkeit brauchen sie die Alten für die Rendite ihrer "Gesundheitswirtschaft". Es lohnt sich, den Artikel zu lesen.

Wenn man das Urteil des BVG mit den Aussagen einiger Köpfe des IWF (Internationaler Währungsfond) kombiniert, ergibt sich ein äußerst makabres Bild.

Offenbar existieren diese Infos nur in Nischenmedien.
Ich verlinke mal eine dieser Seiten.
Da kann man nur hoffen, dass es nicht stimmt, was da zu lesen ist.
Aber ich fürchte... man hofft vergebens. Die Politik geht in genau diese Richtung.
---
Jetzt habe ich doch noch einen Hinweis bei Focus gefunden:
„Die Lebenserwartung steigt in den meisten Ländern schneller als die Rendite, die auf dem Kapitalmarkt erwirtschaftet werden kann“, analysiert Life-Bond-Geschäftsführer Rüdiger Frischmuth. „Deshalb wollen viele Unternehmen ihre Pensionsverpflichtungen loswerden.“ Zugleich seien Investoren in aller Welt wegen der Niedrigzinsphase auf der Suche nach guter Rendite. „Daraus ergeben sich explosive Mischungen“, warnt Frischmuth.
Seite 1
...
Um welche Summen es dabei geht, hat der Internationale Währungsfonds (IWF) schon mal ausgerechnet: Für jedes Jahr, das kapitalgedeckte Rentenfonds die Lebenserwartung zu niedrig angesetzt haben, muss die Welt eine Billion US-Dollar nachschießen.

40 Prozent des Börsenwerts müssen die DAX-30- Konzerne im Schnitt für Pensionen einplanen.
Seite 2
Die Sache mit den Altersgeldern scheint eine hochkomplizierte Angelegenheit zu sein.

Wehe dem, der sich darauf verlässt.
Jungen Menschen kann man nur dazu raten, einen bescheidenen Lebensstil zu führen, zu sparen und das Geld in beständigen Werten anzulegen. Auch, wenn sie nur eine kleine Summe pro Monat zurücklegen können: Es summiert sich.
LG
God bless you all for what you all have done for me.
Mimi
Beiträge: 616
Registriert: Mi 7. Aug 2013, 22:59

Re: Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von Mimi »

Was Du schreibst, sind auch meine „Hintergedanken“.
Hab‘ gelesen, was Du verlinkt hast!
Einerseits will man an den „Alten“ so weit als möglich noch verdienen,
andererseits will man jene loswerden, die nicht „ertragreich“ sind, bzw. Kosten verursachen.
Ein Weg, jeder Menschlichkeit/Nächstenliebe verlustig zu gehen.
Matthäus 6,24
……Ihr könnet nicht Gott dienen und dem Mammon.

Markus 8:36-38
36Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden? 37Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele löse…
…..Nur….interessiert das noch jemand, außer der bescheidenen Anzahl der Leute,
die zumindest ernsthaft versuchen, zu glauben, versuchen oder sich bemühen, den Glauben soweit als möglich umzusetzen?

Es geht im Ganzen auch nicht nur um „die Alten“ sondern die Tendenz geht in
allen Angelegenheiten in die Richtung „dass es sich ja lohnen muss“.
So weit ist es nun ja schon bei extrem vielen gekommen, im Großen sowieso und
inzwischen auch im Kleinen. Gibt leider auch schon genügend „Christen“, die gar nicht mehr bemerken, wie auch sie denken. (Habe sowas z.B. auch in meiner Verwandtschaft).
Wenn ich mich über den derzeitigen Werdegang aufrege, geht es dabei nicht darum, dass man sein Auskommen haben möchte, das ist legitim.
....Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr's denn nun im Fleisch vollenden? (Galater 3,3)
Benutzeravatar
Magdalena61
Administrator
Beiträge: 26148
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 20:44
Kontaktdaten:

Re: Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von Magdalena61 »

Mimi hat geschrieben: Di 3. Mär 2020, 01:36 Einerseits will man an den „Alten“ so weit als möglich noch verdienen,
andererseits will man jene loswerden, die nicht „ertragreich“ sind, bzw. Kosten verursachen.
Ein Weg, jeder Menschlichkeit/Nächstenliebe verlustig zu gehen.
Das sind exakt auch meine Gedanken.

Mit Gott haben die geistigen Führer doch schon lange nichts mehr am Hut. Die öffentlichen Kommentare und Diskussionen entbehren überwiegend jeglicher Reflektion auf christliche Werte.

Das muß uns nicht erstaunen, ist das Erkalten der Herzen doch in der Schrift vorhergesagt. Aber es berührt mich trotzdem. Weil da überall irgendwo Menschen betroffen sind, die diesen gottlosen Egoismus einer "Religion der Starken" ausbaden müssen.

Die zur Normalität erhobene, hunderttausendfache Tötung Ungeborener sowie die fast unverhohlene Gier, mit der lebendige Seelen zu Organspendern erklärt werden, passt voll in dieses Konzept. Oh, ein Selbstmörder kann ja nicht mehr als Spender dienen- das haben sie wohl übersehen.

Wo ist da noch Ehrfurcht vor dem Leben. Wo ist der Respekt vor dem Alter und der Lebensleistung der Senioren? Alles nur Worte... blabla...

Ist das, was wir beobachten, schon der Zorn Gottes aus Röm. 1 oder kommt er noch über die Ungerechten? Und all diese Scharmützel und Verdrehungen von Anstand und Moral bereiten den Weg dafür vor?
LG
God bless you all for what you all have done for me.
Benutzeravatar
PeB
Beiträge: 6270
Registriert: Do 15. Mär 2018, 19:32

Re: Das Recht auf Selbstmord

Beitrag von PeB »

Ein ganz schwieriges Thema, wenn man - gottseidank - nicht selber in der Situation ist. Grundsätzlich halte ich das Urteil für klug. Im Vordergrund steht die freie Entscheidung des einzelnen Menschen in seiner Verantwortung. Das Gleiche also, was Gott den Menschen bereits im Garten Eden zugemutet hat.
We were talking about the love that's gone so cold
And the people who gain the world and lose their soul
(The Beatles, 1967)
Antworten