Claymore hat geschrieben: ↑Di 13. Dez 2022, 00:50
Thaddäus hat geschrieben: ↑So 11. Dez 2022, 18:07
selbst die besten Großrechner können nur sehr sehr eingeschränkt mathematische Beweise führen!
Es gibt da schon einige beeindruckende Andwendungen. Aber auch hier wieder: nicht mal das Axiomensystem ist wirklich "implementiert". Z. B. gibt es eine Maximallänge der Beweise, da endliche Maschine. Beim Menschen existiert das Konzept des Axiomensystem an sich. Das ermöglicht Meta-Theorien, wie z. B. die Galois-Theorie beweist, dass im System "Euklidische Geometrie" die Quadratur des Kreises nicht möglich ist. Allein aus dem Systems "Euklidische Geometrie" selbst heraus ist das nicht beweisbar. Und aus dem Axiomensystem kommt die KI eben nicht raus.
Die Einschränkung bei Computerbeweisen besteht darin, dass Computer bzw. automatische Beweiser nicht kreativ sind. Auf die Idee, die unterschiedliche Mächtigkeit rationaler und reeller Zahlen durch
Diagonal-Beweise zu beweisen, muss man ja erst einmal kommen. Und genau da versagen die Maschinen in der Mathematik.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 13. Dez 2022, 00:50
Btw, der Erfolg von KI bei Brettspielen ist für mich nicht verwunderlich, da das ganze eine Aufgabenstellung mit endlich vielen Zuständen ist.
Ja, natürlich. Im Schach und im Go haben AlphaZero und AlphaGo Millionen Partien gegen sich selbst gespielt, um genau die unglaublichen Mengen an Daten zu erheben, die sie als Deep-Lerning-Systeme benötigen, um genau die Strukturen darin erkennen zu können, die sie am Ende befähigen, besser Schach und Go spielen zu können als Menschen. Interessant bei AlphaZero war, dass es keinerlei menschliche Partien analysierte, sondern ausschließlich gegen sich selbst spielte, was bedeutet, dass seine Spielstärke und der Stil seines Schachspiels nichts mit den menschlichen Einsichten in dieses Spiel zu tun hatte. Entsprechend merkwürdig für Menschen earen manche Züge von AlphaZero, aber diese merkwürdigen Züge hatten einen so tiefen Sinn, dass Menschen dem nicht mehr folgen können. Man sieht es am ende nur am Erfolg und der besteht im Schach und im Go darin, zu gewinnen. Es gibt einen eindeutig definierbaren Erfolg. Schach und Go scheinen aber immer noch weniger komplex zu sein als die Mathematik, denn um auf eine effektive Beweismethode zu kommen, bedarf es offenbar mehr Kreativität, als auf gute Züge zu kommen.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 13. Dez 2022, 00:50
Meiner Ansicht nach ist der subjektiven Erlebnisgehalt, die sog. Qualia, eine rein materielle Angelegenheit.
Da würde ich gleich einmal das prompte Gegenteil behaupten.
Qualia basieren zwar auf materiellen Grundlagen, nämlich dem physischen Vorhandensein von Sensoren, Nervenbahnen, Synapsen, Neuronen, dem ganzen Gehirn und möglicherweise noch andere physischen Bedingungen. Aber am Ende sind Qualia, also die Tatsache, dass wir qualitative Empfindungen haben, wie das Sehen der Farbe Blau, das Schmecken eines guten Weines, die wohlige Empfindung von Sonne auf der Haut, Schmerzen einer gewissen Stärke oder eben ein Orgasmus
nicht identisch mit den für sie erforderlichen physischen Grundlagen oder den dort sich abspielenden physiologischen und neuro-chemischen Prozessen. Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass man hier kein Gleichheitszeichen (=) setzen kann. Der Reduktionismus wäre nämlich nur dann korrekt, wenn man genau dies könnte. Aber die präzise physikalisch-neurowissenschaftliche Begrifflichkeit ("Meine C-Nervenfasern sind mit einer Sträke x so und so aktiv ...") ist keine adäquate Übersetzung qualitativer Empfindungen des phänomenalen Bewusstseins (also keine adäquate Übersetzung von Blau oder genau diesem Geschmack eines Weines etc).
Claymore hat geschrieben: ↑Di 13. Dez 2022, 00:50
Natürlich kann man in einem weiteren Sinne alle Phänomene, die sich prinzipiell nur aus der Perspektive der ersten aber nicht der dritten Person beobachten lassen, "immateriell" nennen, ja - aber wird das wirklich der Sache gerecht?
Nein, Immaterialität spielt sich ja nicht nur im Kopf der ersten Person ab. Das Addieren ist sicherlich eine (immaterielle) Rechenoperation, die jeder für sich nachvollziehen und rechnen muss. Das heißt, sie ist in diesem Sinne rein subjektiv. Aber alle kommen zu demselben Ergebnis, - wenn sie richtig rechnen-, und das ist OBEJEKTIV so! Richtiges Rechnen ist ein objektiver Sachverhalt, obwohl er subjektiv vollzogen wird.
Natürlich ist es subjektiv, ob mir dieser Wein schmeckt oder nicht. Aber ob er gut ist oder nicht, hängt nicht allein von mir ab. Saumeliers erhalten eine lange Ausbildung, bei der ihr Geschmack für Weine geschult wird. Sie üben an Weinen und schmecken gute wie schlechte und lernen sie zu unterscheiden. Sie bekommen Kriterien für den Geschmack guter Weine an die Hand. Saumeliers können einen Wein als ausgezeichnet prämieren, der mir überhaupt nicht schmeckt. Dannschmeckt er mir aber nur einfach nicht. Das heißt nicht, dass dieser Wein darum schlecht ist und kein Gütewein.
Objektiv ist eine Aussage oder ein Urteil dann, wenn es wahr oder falsch sein KANN.
Subjektiv sind nur Aussagen oder Urteile, die nicht wahr oder falsch sein können. Wie z.B. das Urteil: "Dieser Wein schmeckt mir."
Claymore hat geschrieben: ↑Di 13. Dez 2022, 00:50
Ich denke wie du, dass sich das Bewusstsein, also all diese subjektiven Phänomene, allein durch begriffliche Analyse (!!) nicht auf objektiv beobachtbare, messbare Phänomene im Gehirn zurückführen lassen. Aber umgekehrt, nur weil wir (egal wie wir's drehen und wenden) keinen Widerspruch im Konzept eines physisch gänzlich "normalen" Menschen ohne Bewusstsein (Chalmers' berühmter Zombie) finden können, könnte so etwas trotzdem, wie sagen die analytischen Philosophen, "metaphysisch notwendig ausgeschlossen" sein.
Mir ist nicht klar, was du damit ausdrücken willst.
Chalmers Zombie für einen Menschen zu halten, IST "metaphysisch notwendig ausgeschlossen"! Wenn wir nämlich Zombies im Chalmerschen Sinne wären, könnten wir das Gedankenexperiment mit solchen Zombies gar nicht durchspielen. Wenn wir tatsächlich solche Zombies wären, wäre es ausgeschlossen, dass wir verstehen könnten was es heißt, Mensch mit Bewusstsein zu sein IM UNTERSCHIED zu einem Zombiemenschen. Wir verstünden den Unterschied nicht, wir verstünden das Gedankenexperiment nicht.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 13. Dez 2022, 00:50
Die moderne, naturwissenschaftliche Vorstellung von Materie ("Physikalisches") ist halt mechanistisch. Ohne die kommt man aber gar nicht zu einem Geist-Körper-Problem der cartesischen Variante. Hat sich abgesehen vielleicht von Demokrit ein antiker Philosoph über Qualia gewundert?
Meiner Ansicht nach, hat bislang nur Markus Gabriel eine Lösung des Körper-Geist-Problems vorgelegt: er meint - recht lapidar - dass man sich nicht wundern muss, dieses Problem nicht lösen zu können. Wenn man Natur/Materie und Geist von vornherein in seiner Vorstellung und gedanklich radikal trennt - also bevor man überhaupt anfängt über das Problem nachzudenken -, dann muss man sich nicht wundern, wenn man Materie und Geist nicht wieder zusammenbekommt.
Die allermeisten Menschen haben auch naive Vorstellungen darüber, was Geist ist: er ist in deren Vorstellung das Gegenteil von Materie und mit ihr unvereinbar. Er ist so etwas wie eine wabernde Energie, die gasartig überall herumspukt. Eben so wie Seelen. Der Geist kann durch feste Materie einfach hindurch und stört sich an ihr nicht. Aber er kann im Okkultismus Glühbirnen zum Leuchten bringen und einen kalten Luftzug erzeugen.
Das ist natürlich alles kapitaler okkulter Blödsinn.
Gabriel bestimmt Geist als
"die Fähigkeit des Menschen, ein Leben im Lichte einer Vorstellung davon zu leben, was er selbst ist."
Das ist weit entfernt von wabernden Gespenstern und kalten Händchen. Es meint, dass alle kulturellen Erzeugnisse des Menschen ein Spiegel davon sind, wofür er sich hält. Ob das Wissenschaften oder Religion ist, ob das Moral ist oder Psychologie und Esoterik oder der Entschluss, Kriege zu führen für irgendeine Idee, die eine richtige gute oder eine falsch, böse Idee sein kann. Jeder Mensch hat ein Bild von sich selbst: er weiß, wie er den anderen erscheinen möchte und wie er ihnen auf keinen Fall erscheinen möchte. Alles das gehört zum Geist.
Unser Gehirn ist ein Sinnesorgan für Geist und ein Produzent von Geist. Ein Sinnesorgan, insofern wir Informationen (mathematische, physikalische, chemisch, archäologische usw.), die wir in der Welt vorfinden, überhaupt wahrnehmen können. Wir können z.B. naturwissenschaftliche Fakten feststellen oder logische Zusammenhänge erkennen oder auch hermeneutisch Texte erfassen, alles Fähigkeiten, die andere Tiere nicht haben. Und wir produzieren auch beständig Geist in Form von Wissenschaft, Kultur, Kunstwerken, Gesetzestexten, Technik, Moral usw.
So, jetzt habe ich keine Lust mehr. Zum Rest vielleicht später noch. Aber ich wäre dafür, lieber das Wichtige auf den Punkt zu bringen und bei dem weiter zu machen.
Meine Frage also an dich: was ist das Wichtige bei unserer Diskussion? Was sind die wichtigen philosophischen Grundprobleme?