So, erstmal Frohes Neues Jahr alle zusammen!
Hiob hat geschrieben: ↑Mi 22. Dez 2021, 19:53Zunächst wäre das Sein erstmal das, was dann jeweils gewürfelt wird. - Die Aussage "Die Chancen stehen 50 zu 50, dass ich nochmal nach London fahre" ist erstmal kein Sein. --- Wenn man weiterdenkt, käme allerdings die Frage: Sind geistliche Gesetze "Sein"? - Ist die Gravitation "Sein", selbst wenn man gerade im anziehungsfreien Raum ist (falls es diesen gibt)? - Aus meiner Sicht ist das tatsächlich "Sein", aber eben nicht auf materieller Ebene (da ist nur die Einlösung), sondern auf geistlicher Ebene. - Aber das ist jetzt Bundesliga - wir sollten erstmal klären, ob wir es mit "Sein" auf der Kreisliga hinkriegen.
Darum ging’s:
Claymore hat geschrieben: ↑So 12. Dez 2021, 17:52Mit diesem Begriff “ontisch authentisch” setzt du voraus, es gäbe eine Vergleichs-Relation (eine Art Spiegelung oder “in-Deckung-bringen”) zwischen “dem Sein” und Überzeugungen (Denksystemen).
Derartige “Paradoxa” interpretiere ich halt anders. Und zwar nicht bloß derart, dass wir die Antworten auf viele Fragen bzgl. “Sein” / “sein” nicht kennen. Sondern dass wir nicht mal ein klares Konzept davon bilden können, vulgo: wir verstehen bereits die Fragen nicht – bilden uns das aber ein.
Sicher, in einem konkreten, begrenzten Kontext macht Sein vs. Nicht-Sein einen echten Unterschied, üblicherweise den bedeutendsten. Z. B. Gibt es die auf dem Speicher versteckten Goldstücke oder nicht? Gib es Yetis oder nicht? Aber in völliger Allgemeinheit zerfließt das ganze und wird gänzlich nichtssagend.
Was sagt nun “aus meiner Sicht ist das [Gesetzmäßigkeiten/Tendenzen der Möglichkeiten] tatsächlich ‘Sein’” schon aus? Was macht es für einen konkreten Unterschied ob das besagte “Sein” ist oder nicht?
Es ist natürlich “unschön” mit so einem extrem aufgeblähten Seinsbegriff zu hantieren – für mich fast selbst schon eine
reductio ad absurdum der “Wahrheit spiegelt das Sein”-Theorie.
Allerdings erlaubt, streng genommen, dieser inhaltsleere Begriff des Seins, dass man ohne irgendwelche Konsequenzen dies und das dazunimmt oder wegnimmt ohne jemals wirklich in die Gefahr zu geraten, eindeutig widerlegt zu werden.
Es heißt: Es ERSCHEINT zuweilen so. - Damit ist zweierlei meinbar:
1) Es erscheint zwar so, ist aber Sein.
2) Es ist nicht so, sondern nur Schein, weil der Mensch Dinge projeziert, die in Wirklichkeit kein Sein sind.
Du kannst nicht das Vorherige auslöschen durch diesen einen Satz.
Aber deine Interpretation. Es steht hier nun in dem Kant-Lexikon, dass das Konzept des Ding-an-sich bei Kant auf verschiedene Arten “erscheint”. Und damit ist schlicht “auftritt” gemeint.
Einmal als tatsächlicher Grund der Erscheinungen, andererseits als bloßer “Dinggedanke” oder gar als Fiktion.
Rudolf Eisler schreibt es doch ganz deutlich: “Schwanken zwischen mehr realistischer und rein idealistischer Fassung des Begriffs ‘Ding an sich’”.
Also war Kant selbst hin- und hergerissen, ob es sich beim Ding-an-sich nun um etwas tatsächliches oder nur ein menschliches Konstrukt handelt. Von daher ist es falsch zu behaupten “Eigentlich kommen alle große Philosophen […] zu diesem Ergebnis”.
Nicht einmal Kant selbst ist hier eindeutig zu deinem Ergebnis gekommen.
Es ist materialistisch gedacht. Man meint, die Externa als Grundlage ontisch als nachgewiesen zu verstehen, statt der (aus meiner Sicht nach wie vor uneinnehmbaren Argumentation Descartes' zu folgen), statt sie als Glaubensgrundlage zu verstehen, was Descartes tut. - Weil er es aber tut, wertet er die Natur NICHT ab.
Das hat aber nichts mit dem Thema zu tun. Darum ging es hier:
Claymore hat geschrieben: ↑So 12. Dez 2021, 17:52 Descartes wertet die Natur als rein mechanistisch ab.
Descartes sah die Natur als eine Art große Maschine an, die sich rein mechanistisch-reduktionistisch erklären lässt. So schreibt er in “Prinzipien der Philosophie”:
“Auch gibt es in der Mechanik keine Gesetze, die nicht auch in der Physik gälten, von der sie nur ein Teil oder eine Art ist, und es ist der aus diesen und jenen Rädern zusammengesetzten Uhr ebenso natürlich, die Stunden anzuzeigen, als dem aus diesem oder jenem Samen aufgewachsenen Baum es ist, diese Früchte zu tragen. So wie nun Die, welche in der Betrachtung der Automaten geübt sind, aus dem Gebrauche einer Maschine und einzelner ihrer Teile, die sie kennen, leicht abnehmen, wie die anderen, die sie nicht sehen, gemacht sind, so habe auch ich versucht, aus den sichtbaren Wirkungen und Teilen der Naturkörper zu ermitteln, wie ihre Ursachen und unsichtbaren Teilchen beschaffen sind.”
Die Vorstellung, dass sich Komplexes durch seine Elemente erklären lässt, ist i. Ü. eng verwoben mit seiner Erkenntnistheorie: hat man ein “Fundament” für die Grundlagen, so ist der Rest nur noch “Routinearbeit”.
Aber ist es nicht so, dass wir stets neues über Elemente erkennen können, und eben dieses erfahren über die Komplexe, die sie bilden? Nur weil die bloße “aufgeräumte” Präsentation des Wissens so organisiert ist, dass sie von den Elementen zu den Komplexen übergeht, bedeutet dies nicht, dass die tatsächlichen Erklärungen so funktionieren.
Was man “Heuristik” nennt, findet man in keinem wissenschaftlichen Lehrbuch. Genauso wenig geht man dort auf die Frage ein, was Messinstrumente eigentlich verlässlich macht. Aber diese “aufgeräumte” Präsentation darf man doch nicht mit der tatsächlichen Praxis verwechseln.
Was Descartes über nicht-menschliches Leben WIRKLICH gedacht hat, weiß ich nicht. Die Tatsache, dass er Tiere geistlich als "Ding" verstanden hat, ist auch heute noch richtig, WENN man "Ding"/"Sache" dementsprechend interpretiert. -
Descartes schreibt in den Meditationes:
“Durch diese Empfindungen des Schmerzes, des Hungers, des Durstes usw. lehrt die Natur auch, dass ich zu meinem Körper nicht etwa nur so hinzugefügt bin, wie ein Seemann sich auf einem Schiff aufhält, sondern dass ich mit ihm auf engste verbunden und gewissermaßen vermischt bin, so dass ich mit ihm zu einem einzigen Etwas zusammengesetzt bin. Andernfalls würde ich, der ich nichts anderes als ein denkendes Ding bin, auch dann keine Schmerzen empfinden, wenn der Körper verletzt wird, sondern ich würde die Verletzung durch den reinen Verstand erfassen, so wie der Seemann durch das Sehvermögen erfasst, wenn am Schiff irgendein Schaden entsteht; und wenn der Körper nach Essen oder Trinken verlangt, würde ich dies ausdrücklich einsehen und nicht die verworrenen Empfindungen des Hungers und des Durstes haben. Denn sicherlich sind diese Empfindungen des Durstes, des Hungers, des Schmerzes usw. nichts anderes als gewisse verworrene gedankliche Zugriffe, die aus der Vereinigung und gewissermaßen der Vermischung des Geistes mit dem Körper herrühren.”
D. h. er klassifiziert die Empfindung des Schmerzes als eine Form verworrener Gedanken, für die es einen Geist benötigt. Und eben diesen Geist gesteht er dem Tier nicht zu, woraus seine Meinung folgt, dass Tiere keine Schmerzen als Empfindung spüren (sondern nur auf Reize reagieren können).
Was Du mit "Abwertung des nicht-rationalen Geistigen" meinst, verstehe ich nicht. - Was meinst Du damit?
Gemeint ist, dass für Descartes Gefühle nicht einmal aus der Seele selbst hervorgehen können, sondern nur eine Reaktion auf äußere Ereignisse sind, auf etwas, das über den Körper vermittelt wird (Vermischung von Körper und Geist, s. o.). Es ist für Descartes auch nicht akzeptabel, dass Fühlen jemals die Vernunft korrigieren, oder tiefere Wahrheiten erkennen könnte.
Das hängt von der jeweiligen Setzung ab. - Wenn Du Gott als Grundlage nimmst, kommt was ganz anderes raus, als wenn Du das menschliche Erkenntnis-Vermögen zum Maßstab machst.
Nur nimmst du nicht Gott als Grundlage, sondern dein eigenes Erkenntnisvermögen. Irgendwo her muss die (eher anmaßende) Idee, dass Gott dich vor Irrtümern bewahrt ja herkommen. Und die Quelle kannst nur du selbst sein.
Stimmt - aber auch da kann man sich beim ersten Knopf verknöpfen. - Dass Schlussfolgerungen sehr komplex sein können, sei unbestritten - aber das ändert doch nichts an meinem Bild des Erst-Verknöpfens. - Ob Du komplex oder unkomplex aus einer Erstknöpfung Folgerichtiges schließt, macht die Erst-Verknöpfung nicht rückgängig.
Ja, das stimmt. “ex falso quodlibet”. Das hat aber nichts mit dem Thema zu tun.
Was du hier postuliert hast, war, dass die Frage “Wurden die Schlussregeln korrekt angewendet?” trivial ist und wir hierbei sogar Unfehlbarkeit erreichen.