Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Rund um Bibel und Glaube
Hiob
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Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Hiob »

Otto2 hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 19:13 Gott gibt den Verkündigern seiner guten Botschaft ein Instrument in die Hand welches gar nicht verstanden werden kann?
Natürlich kann es verstanden werden, aber man muss es an Zeiten und Bevölkerungsschichten anpassen.
Otto2 hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 19:13 Ich denke, es geht nicht ums Verstehen, sondern um ein nicht Hörenwollen
Jemand, der die Volxbibel liest, liest sie doch freiwillig, also weil er etwas verstehen will.
Otto2 hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 19:13 Die Bibel ist in ihren wesentlichen Botschaften keineswegs chiffriert und jeder, der sich das Vokabular eines Handys aneignen kann, wir auch in der Lage sein die Bibel zu verstehen.
So einfach ist es nicht. - Worte wie "Lamm" oder "Blut" sind ganz sicher Chiffren, die man entschlüsseln muss, um zu verstehen, was damit gemeint ist. - Und es geht noch tiefer: Begriffe wie "Schuld" oder "Sünde" sind anders gemeint, als wir es heute in Anlehnung an das juristische Verständnis verstehen. Wobei dies die Volxbibel wahrscheinlich nicht lösen kann, aber es muss erklärt werden.
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Helmuth
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Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Helmuth »

Hiob hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 23:17 Und es geht noch tiefer: Begriffe wie "Schuld" oder "Sünde" sind anders gemeint, als wir es heute in Anlehnung an das juristische Verständnis verstehen. Wobei dies die Volxbibel wahrscheinlich nicht lösen kann, aber es muss erklärt werden.
Eine ÜS hat nichts juristisch zu lösen, sondern sie soll einen Text in eine andere Sprache so übersetzen, dass er von der Zielgruppe verstanden wird, was der übersetzte Text im Original bedeutet. Nur das ist ihre Aufgabe.

Da sich Zielgruppen nicht nur durch eine Sprache definieren, sondern auch durch ihren sozialen Status, so wird dazu die Sprache gewählt, die sie als ihren Dialekt typischerweise verwenden. Damit erreicht man sie besser. Das legt Paulus zu den Sprachreden in 1. Kor 14 recht gut dar.

Johann Teuschl hat das z.B. auf Wienerisch gemacht. Er hat für Teile des NT den Dialekt ehemaliger Strizzis gewählt, d.h. aus dem Milieu der Zuhälter und sich betont ihrer Ausdrucksweise bedient. Dieser Dialekt ist auch der breiten Wiener Bevölkerung bekannt, die ihre Wurzeln aus der Zeit der K&K Monarchie haben. Migranten verstehen das eher nicht.

Die Absicht bestimmte Zielgruppen zu erreichen finde ich legitim und entspricht aus geistlicher Perspektive dem Vorgehen wie es Paulus in 1 Kor. 9:19-22 ausdrückt. So habe ich das Johannes-Evangelium mittlerweile komplett auf heute übliches Wienerisch übersetzt. Damit soll versucht werden in derselben Weise wie Paulus Wiener Zielgruppen zu erreichen, um sie für Christus zu gewinnen.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
Timmi

Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Timmi »

Ich denke solche Verbalhornungen sind eher parodistischer Natur und stellen eine Sinnentstellung der Bibel dar. Auch biblisch läßt sich dies nach meiner Meinung nicht rechtfertigen. Um den Sinngehalt mancher Begriffe und Zusammenhänge wird schon genug gestritten, da braucht es nicht noch Übertragungen in irgendwelchen Kauderwelsch, der nicht nur zusätzlich sinnverzerrend wirkt, sondern geradezu sinnentleerend.
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Helmuth
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Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Helmuth »

Otto2 hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 06:50 Ich denke solche Verbalhornungen sind eher parodistischer Natur ...
Johann Teuschls NT im Wiener Dialekt hatte diesen säkularen Zweck. Bzw. war es auch ein Schlag gegen die steife Amtskirche. Diese Motivation hatte auch Luther. So transportert der HG sein Wort über andere Wege. Das wusste der Autor bloß nicht. Hier ist Gott einfach weiser. Wie er sich eines Judas Iskariot bedienen kann so auch jedes anderen Menschen.

Du wirst mein Johannes-Evangelium auf Wienerisch auch nicht verstehen, weil du auch nicht die Zielgruppe bist. Aber du musst solche Bemühungen deswegen nicht ins antichristliche Eck abschieben. Damit erweist du dem Herrn Jesus keinen Dienst.

Dass Menschen alles Gutgemeinte auch immer für böse Zwecke missbrauchen, setzt ihren rechtmäßigen Gebrauch nicht außer Kraft. Lass doch den HG so wehen, wie er will. Du musst weder die Volxbibel noch mein Wiener Jh-Ev lesen. Lies das, was du am besten verstehst.

Ich hatte am Anfang meines Glaubenlebesn das NT der HFA gelesen und später auch das gesamte AT und NT in der HFA Ausgabe. Das war extrem gut für meine Entwicklung. Ca. nach einem halben Jahr bemerkte ich von selbst, dass man auch eine dem Urtext nähere ÜS benötigt, wenn man bestimmte Lehren näher untersuchen möchte. Dazu ist die HFA ungeeignet, aber für die Glaubensbasis ist sie Gold!

Weil ich damals noch unkundig war, besorgte mir eine Schwester eine schöne Ausgabe der ELB 1984. Sie wurde meine erste "Heilige Schrift", die ich hütete. Das Wort zu studieren wurde eine Leidenschaft. Mit der Zeit sammelte ich alle Deutsch-ÜS, die es auf dem Markt gibt. Heute haben wir sie Online. Ein weiterer Segen.

Klarerweise differnziere ich, ich sortiere sie in sehr gut bis unbrauchbar ein. Aber die Volxbibel oder mein Jh-Ev im Wiener Dialekt ist sicher nur für den unbrauchbar, der eben diese Sprache nicht spricht.
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Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Spice »

Otto2 hat geschrieben: Mo 1. Mär 2021, 19:13 Gegenfrage: Gott gibt den Verkündigern seiner guten Botschaft ein Instrument in die Hand welches gar nicht verstanden werden kann?
Klingt unglaubwürdig.
Gott gab vor 2000 Jahren und mehr, den Verkündigern eine Botschaft in die Hand, die in der damaligen Zeit verstanden werden konnte (s. mein Hinweis auf die Opfer, die bei allen Völkern gang und gäbe waren, zusammen mit den mythischen Vorstellungen). Man kann heute nicht in der "Sprache" von 2000 Jahren und mehr von Gott reden.
Hiob
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Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Hiob »

Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 06:23 Eine ÜS hat nichts juristisch zu lösen, sondern sie soll einen Text in eine andere Sprache so übersetzen, dass er von der Zielgruppe verstanden wird, was der übersetzte Text im Original bedeutet. Nur das ist ihre Aufgabe.
Einerseits ja. - Andererseits erklärt allein eine spezielle Übersetzungs-Wortwahl viel. - Nur ein Beispiel (über das hier jetzt nicht inhaltlich diskutiert werden soll): Man kann übersetzen "Er wurde gerichtet" oder "Er wurde bewahrheitet" - beides ist "wörtlich" übersetzt.
Otto2 hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 06:50 Ich denke solche Verbalhornungen sind eher parodistischer Natur und stellen eine Sinnentstellung der Bibel dar.
Dann wäre auch die originale Luther-Übersetzung eine Verballhornung, was sie zu ihrer Zeit ganz sicher nicht war.
Otto2 hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 06:50 da braucht es nicht noch Übertragungen in irgendwelchen Kauderwelsch, der nicht nur zusätzlich sinnverzerrend wirkt, sondern geradezu sinnentleerend.
Sinnentleerend ist die Volxbibel ja gerade NICHT - es ist doch gerade der Sinn, der Bibel eine heute sinnfüllende Gestalt für Heranwachsende zu geben. - "Verballhornung" kann man streng sagen, wenn man Hochsprache als einzigen Maßstab sieht.
Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 06:23 Da sich Zielgruppen nicht nur durch eine Sprache definieren, sondern auch durch ihren sozialen Status, so wird dazu die Sprache gewählt, die sie als ihren Dialekt typischerweise verwenden. Damit erreicht man sie besser.
Genau so ist es gemeint.
Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 06:23 Johann Teuschl hat das z.B. auf Wienerisch gemacht.
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Helmuth
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Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Helmuth »

Hiob hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 08:15 Man kann übersetzen "Er wurde gerichtet" oder "Er wurde bewahrheitet" - beides ist "wörtlich" übersetzt.
Wenn dein Deutsch-Verständnis für "richten" und "bewahrheiten" ein und dasslebe ist, dann ist es für dein Vertändnis dasslebe. Für andere ist es das aber nicht.

Für mich sind es zwei unterschiedliche Begriffe und damit ist Buber für mich genau mit solche Dingen ein Verdreher der Wahrheit. Vermutlich konnte er sich wie du nicht eingestehen, dass Gott zunächst in einem ersten Schritt die Wahrheit aufdeckt um diese in einem zweiten Schritt auch richtet. Es ist Schritt 1 und 2 nicht dasslebe, weshalb man dafür auch jeweils andere Worte benutzt.

Und daher auch meine Einschätzung der ÜS als für den Glauben unbrauchbar und überhaupt ist dieses Deutsch ein Schmarren. Wie ich sagte kann sie in der Kategorie Dichtung ihre Anwendung finden, nicht aber für seriöses Studium. Sie kann den gängigen ELB-ÜS nicht das Wasser reichen. Die konnten Hebräisch und Deutsch.

Man sollte sich bei einer ÜS bemühen Wörter zu wählen die:

1) dem Aussagesinn des Urtextes entsprechen und
2) allgemein einheitlich in der Zielgruppe verstanden werden.

Ist dem nicht der Fall dann sehe ich das so, dass der Verantwortung Gott gegenüber nicht ausreichend Rechnung getragen wurde. Man wollte so übersetzen wie man rein persönlich denkt.

Ich hatte beim Jh.-Ev auch Hürden, aber ich tat es so ehrlich ich konnte. Und ich kann sie noch weiter bearbeiten, darum liegt sie bei Brüdern zur Beurteilung. Der Herr möge das beurteilen. Wichtig ist, der HG spricht Menschen damit an. Das steht im Fokus.
Hiob hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 08:15 Sinnentleerend ist die Volxbibel ja gerade NICHT - es ist doch gerade der Sinn, der Bibel eine heute sinnfüllende Gestalt für Heranwachsende zu geben. - "Verballhornung" kann man streng sagen, wenn man Hochsprache als einzigen Maßstab sieht.
Dazu teilen wir die Sichtweise.
Hiob hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 08:15
Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 06:23 Johann Teuschl hat das z.B. auf Wienerisch gemacht.
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Ja sie gefällt mir aber das ist am Ende nicht der Fokus. Sie muss denselben Kriterien entsprechen wie ich oben ausführte: Den Sinn treffen und Audrücke wählen die in dem Milieu so verstanden werden und dies trifft zu. Einige Passagen sind dabei auch aus dem Jh-Ev. Hier folgte ich nicht seinem Muster sondern ließ mich unabhängig davon inspirieren.

Wenn du es drauf hast, kannst du seine Version hier überprüfen:
Teil 1: https://www.youtube.com/watch?v=_dqlBTfMRig
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
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Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Hiob »

Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 09:18 Wenn dein Deutsch-Verständnis für "richten" und "bewahrheiten" ein und dasslebe ist, dann ist es für dein Vertändnis dasslebe. Für andere ist es das aber nicht.
Richtig - das hängt ab vom eigenen Status in Bezug auf die Wahrheit. Das "Problem": Welcher Status wahr ist, weiß Gott besser als wir.
Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 09:18 Für mich sind es zwei unterschiedliche Begriffe und damit ist Buber für mich genau mit solche Dingen ein Verdreher der Wahrheit.
Das sagt nichts darüber aus, ob es vor Gott so ist.
Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 09:18 Vermutlich konnte er sich wie du nicht eingestehen, dass Gott zunächst in einem ersten Schritt die Wahrheit aufdeckt um diese in einem zweiten Schritt auch richtet.
Da verstehst DU was nicht. - Auch bei "bewahrheiten" wird erst aufgedeckt und dann "gerichtet" - aber es hat eine andere Bedeutung.
Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 09:18 Man sollte sich bei einer ÜS bemühen Wörter zu wählen die:

1) dem Aussagesinn des Urtextes entsprechen
O ja - da sehe ich ein großes Problem bei vielen Übersetzungen.
Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 09:18 2) allgemein einheitlich in der Zielgruppe verstanden werden.
Das beißt sich oft mit 1), da man damals anders gedacht hat. - Es hat bei mir lange gedauert, bis es diesbezüglich bei mir "klick" gemacht hat - und als es "klick" gemacht hatte, merkte ich, dass das signifikant anders gedacht ist, als wir traditionell denken.
Michael hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 09:18 Sie muss denselben Kriterien entsprechen wie ich oben ausführte: Den Sinn treffen und Audrücke wählen die in dem Milieu so verstanden werden und dies trifft zu.
Ich glaube, dass es gerade der Fokus solcher Übersetzungen ist, in einem bestimmten Milieu verstanden zu werden. --- Allerdings - und das gilt bspw. für die Volxbibel: Solche Übersetzungen nehmen raffinierte Doppelsinnhaftigkeit oder spezielle theologische Tiefen nicht mit - wiederum: Das kommt auch bei "normalen" Übersetzungen nicht durch, selbst wenn es da steht.
Timmi

Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Timmi »

Ja, die Endzeit bringt so einige zeitgeistliche Strömungen hervor an die sich Gläubige unbemerkt anpassen.
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Helmuth
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Re: Bibeltext und Selbstverantwortung

Beitrag von Helmuth »

Hiob hat geschrieben: Di 2. Mär 2021, 09:34 Ich glaube, dass es gerade der Fokus solcher Übersetzungen ist, in einem bestimmten Milieu verstanden zu werden.
Das sagte ich schon. Und nur ein Beispiel dazu wie dies mir von Nutzen war:
Markus 15:10 hat geschrieben: Denn er wusste, dass die obersten Priester ihn aus Neid ausgeliefert hatten.
Ich fragte mich immer wieder: Bitte auf was waren die Pharisäer Jesus denn bloß neidig? Sie hassten ihn ja. Nichts von ihm hätten sie ums Verrecken haben haben. Aber dann hörte ich Teuschls Variante. "... weil's eahm sei Renommee neidig woan ..."

Dann machte es Klick. Jesus stand bloß bei den obersten Priestern in einem schlechten Ruf. Im Volk hatte er große Verehrer, und diesen Verlust an Ruf, der Jesu galt, der ihnen aber als sog. Repräsentanten Gottes, wie sie meinten, zuerst zustünde, um den waren sie ihm neidig. Und das begriff Pilatus.

Jesus beschreibt diese Ruhmsucht schon in der Bergperdigt: "damit sie von den Leuten gesehen werden". So helfen ÜS, die genau meine Sprache sprechen daher besser als der trockene Mk-Text. Das Wort wird lebendiger.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
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