Hiob hat geschrieben: ↑Mi 5. Feb 2020, 01:57
Ja, das ist nicht das Problem. - Das Problem ist die Interpretation. - Natürlich gibt es "Vergeltung" - aber was bedeutet es? Wie versteht man es? ---- Persönlich ziehe ich hier den phänomenischen Blick vor, demnach "Vergelten" ein Ausgleich ist: Da geht was links weg, also steuert man rechts dagegen, damit es seine Mitte findet. - Im Wort "Entgelt" steckt dieser Ursinn noch drin: Da ist eine Leistung (egal, ob jemand etwas positiv leistet oder negativ sich etwas leistet), die ausgeglichen wird - einmal mit einer Geld-Entgeltung ("Es ist jetzt bezahlt/ausgeglichen"), das andere Mal mit einer Sanktion ("Etwas ist gesühnt"). - Beidem liegt der selbe Gedanke zugrunde.
Ich halte nicht die Interpretation des Begriffs für ein Problem, sondern die Vorstellung von der Beziehung. Um Wen geht es überhaupt ? Ich behaupte, dass es nur um den Angeklagten geht. Es hat kein von diesem Subjekt Außenstehender einen positiven Gewinn von dessen Brennen im Feuersee. Die "Vergeltung" ist reflexiv. Die Haltung des Subjekts zu anderen Subjekten wird bewertet. Passives, bzw. passiv agressives Verhalten wird mit einbezogen. Demnach wäre der Empfänger einer Vergeltung nicht ein Anderer, sondern nur das Subjekt selber im reflexiven Bezug zum Anderen, d.h. der Andere ist lediglich Maßstab als eine bloße Vorstellung des Subjekts vom Anderen.
Hiob hat geschrieben: ↑Mi 5. Feb 2020, 01:57Das ist oft so - ein klassisch hermeneutisches Phänomen. - Gadamer nennt es die "Verschmelzung von Subjekt- und Objekt-Horizont" - da kommt man nicht raus. - ABER: Gerade deshalb sollte man seinen Subjekt-Horizont unter die Lupe nehmen.
Wieso eigentlich hermeneutisch ? Für mich ist das eine psychoanalytische Betrachtung. Von daher nenne ich es einfach "Projektion".
Hiob hat geschrieben: ↑Mi 5. Feb 2020, 01:57Einverstanden. - Dann sollte man dem aber nicht mit offensiven Interpretationen zuvorkommen.
Wie meinen ? Ist ja nicht so, als wäre es ich, der ein Geheimnis aus dem Gericht gemacht hat.
Hiob hat geschrieben: ↑Mi 5. Feb 2020, 01:57Oder was ist das Postulat ewiger Verdammnis anderes?
Das hängt sicher hauptsächlich vom Begriff "ewig" ab. Ohne uns jetzt daran die Zähne ausbeißen zu müssen, verweise ich noch mal auf mein Konzept des
"Point of not Return.
Hiob hat geschrieben: ↑Mi 5. Feb 2020, 01:57Katastrophal finde ich, dass man in unserer heutigen Mainstream-Bewertung meint, man müsse das Böse als Folge mangelnder Aufklärung, etc. definieren - als wäre dadurch dem Wesen des Bösen die Macht genommen.
Dem stimme ich zu, Aufklärung ist wichtig, aber allein mit Aufklärung im Sinne eines oktroyierten Frontalunterrichts in Geschichte erreicht man niemanden. Solcher Unterricht folgt ja dem gleichen Prinzip, was er bekämpfen will. Die zu Beschulenden sind die potentiellen Bösen, und die sich über alle Zweifel erhaben wähnenden Vermittler sind die Apologeten einer Gruppe von Unschuldigen. Das kann doch nur neue Ressentiments schüren oder vorhandene verstärken. Man muss ein Bewusstsein dafür schaffen, dass jeder potentielle Täter auch immer gleichzeitig in der Gefahr ist, ein Opfer ausgrenzenden Verhaltens zu werden. Manche bringen dieses Bewusstsein vielleicht schon mit, aber viele eben auch nicht.
Hiob hat geschrieben: ↑Mi 5. Feb 2020, 01:57
Ein Gedankenspiel:
Stelle Dir vor, in 20 Jahren wäre die Political Correctness dadurch geprägt, dass man Abtreibung als Massenmord interpretiert. - Dann würden wir beide gefragt werden: "Habt Ihr nichts gemerkt? - Warum habt Ihr nichts dagegen tun? - Uns wäre das nicht passiert.". --- Wir wären dann diejenigen, die sagen würden: "Das versteht Ihr nicht - das waren ganz andere Zeiten". - Semper idem.
Ja, schon klar. Meine Argumentation ist doch gar nicht die, dass Einzelne, oder meinetwegen auch eine größere Gruppe, irgendwie in der Lage wären, kollektiven Schrecken zu verhindern.
Hiob hat geschrieben: ↑Mi 5. Feb 2020, 01:57Moment: Unter "arglos" verstehe ich, dass man als Mensch nach bestem Wissen und Gewissen handelt und keine anderslautenden Warnsignale spürt. -- Objektiv hast Du natürlich recht - aber das Objektive ist nun mal nicht der Maßstab für die Bewertung des Subjektiven (man versucht es zwar ständig, aber eigentlich ist es ein hilfloser Versuch der Rechtfertigung und die Vorgaukelei, etwas im Griff zu haben).
Solange man Teil einer Gesellschaft ist, und das ist man immer, profitiert man auch mit bestem Wissen und Gewissen von ihren Destruktivitäten, solange man ihnen nicht selber zum Opfer fällt. Selbst wenn man das im Detail durchschaut, kommt man da nicht raus.
Hiob hat geschrieben: ↑Mi 5. Feb 2020, 01:57Zustimmung - aber dieser Vorgeschmack muss DA sein. --- Wenn man "riecht", wo's lang geht, hat man eine Entscheidungs-Grundlage - aber genau diese Grundlage fehlt doch heute bei gefühlten zweit Drittel der Gesellschaft (wenn es nicht sogar mehr ist). - Das meine ich nicht mal dezidiert christlich, sondern insbesondere geistlich (wobei ich esoterisch - im heutigen Wortsinn - NICHT dazuzähle).
Ich hab keine Ahnung, wie es quantitativ um diese Grundlage steht. Ich habe die Hoffnung nicht verloren. Klar ist aber, dass eine Leistungsgesellschaft die viel von sich hält, eher auf dem breiten Pfad unterwegs ist, weil sie im Grunde glaubt, es "den Göttern" schon ganz recht zu machen.