Erich hat geschrieben: ↑So 18. Jul 2021, 14:03
Wo steht das geschrieben, was du glaubst? - Gewiss nicht in der Bibel!
Natürlich nicht. Eben darum geht es ja. Ich misstraue der Bibel. Ich misstraue den Menschen, die an deren Entstehung und Entwicklung beteiligt waren. Ich glaube nicht, dass das alles vom Heiligen Geist inspiriert war. Ich glaube, dass ein so wichtiges Buch wie die Bibel hart umkämpft ist von den geistigen Kräften. Dass die Menschen, die einen Einfluss auf deren Entstehen und Entwicklung hatten und auch haben, einem mehr oder weniger großen Druck aus der geistigen Welt ausgesetzt waren / sind.
Ich stelle mir das so vor: Es gibt die Guten und die Bösen. Jeder verfolgt seine eigenen Interessen, die ihm und seiner Gesinnung entsprechen. Jeder Mensch, der etwas zu sagen und entscheiden hat, der eine wichtige Rolle spielt, wird von geistigen Kräften belagert, die alles versuchen, ihn in die eine oder andere Richtung zu ziehen oder drängen. Gottes Gegenspieler will nicht, dass der Mensch Erlösung findet und er nutzt seine Macht, die sehr groß ist, natürlich nach Möglichkeit aus, um das zu bewirken. Es ist daher klar für mich, ganz logisch, dass die Bibel und die dahinterstehenden, verantwortlichen Menschen massiv von der negativen Kraft angegriffen werden. Und je mehr Schwachstellen ein Mensch hat, desto erfolgreicher werden die Angriffe und damit der Einfluss des Bösen auch sein.
Schwachstellen können körperlich, emotional oder mental sein. Es kann eine Charakterschwäche sein, eine Lust, eine Leidenschaft, ein empfindlicher Punkt. Der Heilige Geist ist das Reinste, was es gibt. Damit ein Mensch durch ihn geführt, geleitet werden kann, muss er auch ein hohes Maß an Reinheit, Stärke, Liebe und Bewußtheit besitzen. Ein Mensch, der noch in dunklen Charaktereigenschaften wie Gier, Lust, Zorn, Verhaftung, Egoismus, Neid, Angst, Sucht nach Macht, nach Geltung und so weiter gefangen ist, wie kann der ein gutes Gefäß für den Heiligen Geist sein?
Wie kann ein Mensch, der einen schlechten Charakter hat, vom Heiligen Geist inspiriert sein?
Paulus selbst war von einem Engel des Satans besessen und er spricht auch von dieser Last.
Wie kann es sein, dass Paulus von dessen Einfluss unbeeinflusst blieb?
Und das ist nur der Anfang.
Was ich meine, drückt sich vielleicht in diesen Abschnitten einer Buchrezesion verständlich aus:
Das zweite Problem liegt in der Antwort des Buches auf die Frage, wie man sich «die Entstehung der Bibel» bis zu ihrer kanonischen Festlegung vorzustellen habe. Beide Autoren wissen nur allzu gut, dass es zwar einen Kern gab, einen stabilen Bestand von Texten, im Neuen Testament etwa die vier Evangelien und die Paulusbriefe, aber zugleich einen offenen Rand und dauernde Debatten über den Stellenwert einzelner Bücher. «Unschärfe» ist deshalb zu Recht ein Schlüsselbegriff dieses Buches.
Allerdings werden diese Ränder systematisch unterschätzt. Und so erfährt man nicht, dass in allen 17 deutschen Übersetzungen des Neuen Testamentes vor Luther ein Brief an die Laodizäer unter dem Namen des Paulus auftaucht, dass der Hebräerbrief im Westen auch nach der Antike umstritten blieb oder dass die Johannesapokalypse in den östlichen Kirchen noch im 17. Jahrhundert als verbindliches Buch verworfen werden konnte.
Und nur ganz am Rand kommt die äthiopische Kirche in den Blick, deren neutestamentlicher Schriftenbestand bis heute durchaus das Doppelte des westlichen Umfangs betragen kann und die die Idee eines verbindlichen «Kanons» nicht teilt. Die These, dass «der Kanon des Neuen Testaments seit dem 4. Jahrhundert im Wesentlichen feststand», ist angesichts dieses Befundes ziemlich mutig.
Zu dieser Blickverengung kam es vermutlich, weil beide Autoren Fachleute für die Antike sind und sich entschieden haben, mit dem 6. nachchristlichen Jahrhundert aufzuhören. Und so erfahren wir nichts über die porösen Ränder der mittelalterlichen Bibel, wenig über Schriften wie das Protoevangelium des Jakobus, die auf Augenhöhe mit den «kanonischen» Evangelien gelesen werden konnten.
Und vor allem erfahren wir fast nichts über die Entstehung eines geschlossenen Kanons im 16. Jahrhundert: über die Festlegungen in der katholischen Kirche auf dem Tridentiner Konzil, über die darauf reagierenden Beschlüsse reformierter Synoden in den folgenden Jahrzehnten und die faktische Kanonisierung der sprachgewaltigen Bibel Luthers in den lutherischen Kirchen.
(Die Entstehung der Bibel: Von den ersten Texten zu den heiligen Schriften)
https://www.nzz.ch/feuilleton/wie-die-b ... ld.1517585