Logik und Erkenntnis

Philosophisches zum Nachdenken
Hiob
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 10:02 Es ist somit logisch, dass ich nachfrage, welches Konzept von "Tatsache" du verwendest
In der Praxis sehe ich "Tatsache" so in etwa wie Du, weil jeder Mensch darauf angewiesen ist, seiner Wahrnehmung Glauben zu schenken. Prinzipiell jedoch verstehe ich "Tatsache" als das, was der Fall ist, egal ob es Menschen gibt oder nicht. Insofern verwende ich - je nach Kontext - das Wort "Tatsache" in unterschiedlichen Bedeutungen.
SilverBullet hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 10:02 Ist etwas, das der Philosoph "Wieland" behauptet, automatisch "ontisch" und damit eine Tatsache?
Naturgemäß NICHT, weil es nur dann ontisch wäre, wenn es nicht nur behauptet wird, sondern "ist".
SilverBullet hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 10:02 der Vorgang des Setzens ist eine Fiktion.
Daraus schließe ich, dass Du meinst, Du würdest voraussetzungsfrei in Deinen Auffassungen sein. Geht nicht.
SilverBullet hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 10:02 wir starten alle ohne irgendein Setzen
Geht nicht. Du setzt bspw., dass das, was Dir als "Tatsache" erscheint, "Tatsache" (im ontischen Sinne) "ist". Kann sein, muss nicht sein.
SilverBullet hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 10:02 Klar: die Idee eines "Setzens" basiert natürlich auf deiner Fiktion, dass der Mensch separat zur Wirklichkeit stehen soll.
Falsch klar. Der Mensch ist Teil der Wirklichkeit sensu ontisch. Der kategoriale Unterschied besteht im unterschiedlichen Charakter von Wahrnehmung und "was ist". Trotz dieses unterschiedlichen Charakters können beide natürlich koinzidieren und tun es auch oft.

Du nennst DAS Fiktion, was jenseits Deines Weltbilds ist.
SilverBullet
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von SilverBullet »

Hiob hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 21:28In der Praxis sehe ich "Tatsache" so in etwa wie Du, weil jeder Mensch darauf angewiesen ist, seiner Wahrnehmung Glauben zu schenken. Prinzipiell jedoch verstehe ich "Tatsache" als das, was der Fall ist, egal ob es Menschen gibt oder nicht. Insofern verwende ich - je nach Kontext - das Wort "Tatsache" in unterschiedlichen Bedeutungen.
Ein Wort kann man unterschiedlich einsetzen, aber die Funktion, um die es hier geht, kann man weder durch Nachdenken erschliessen noch kann man sie dadurch verändern.

Mit "Praxis" deckst du im Grunde das gesamte Hier und Jetzt (einschliesslich Vergangenheit) ab.
Das ist sozusagen der Einsatz der Funktion.
Wenn wir meine Beispiele auf den Punkt bringen, stimmst du mir zu, dass es um Tatsachen geht.
Wir beide wenden hier die Funktion an und alles ist gut.

Erst wenn du zum Nachdenken übergehst (also zur Planung mit willkürlicher Entfaltung) möchtest du dir einen neuen "Umgang" kreieren können.
Dort versuchst die Gültigkeit zu relativieren und mit "Absolut" (in Abtrennung zu "Praxis")) eine Art "Überordnung" zu beanspruchen.
Das, was du hier machst, ist insgesamt keine Anwendung der Funktion, d.h. du stellst hier nicht fest "was der Fall ist", sondern du malst dir etwas aus.
Das Aufstellen eines Erklärungsversuches, einer Fiktion, ist kein Problem und das macht im Grunde jeder.

Problematisch wird es, wenn du für deine Fiktion den Anspruch erhebst, als hättest du hierbei festgestellt "was der Fall ist".
Du musst dich an dieser Stelle selbst am Kragen packen und sagen "ok, das habe ich mir nur ausgedacht - klingt für mich zwar einleuchtend, aber ich habe nicht wirklich festgestellt, dass es der Fall ist".
Du musst dir sozusagen den Fiktionscharakter eingestehen.
Hiob hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 21:28Der kategoriale Unterschied besteht im unterschiedlichen Charakter von Wahrnehmung und "was ist".
Das gilt nur für deine Fiktion.
Hierbei scheinst du die Vorstellung zu verfolgen, dass ein Mensch, der einen Ball in 10m Entfernung wahrnimmt, einer Art "innerer Leinwand" gegenübersteht und es dort zu einem Ball-Abbild kommt.
Der Mensch soll hierbei quasi im Innern nochmal ein Akteur sein, der einer Wahrnehmungs-Umwelt begegnet.

Warum dieser Leinwand-Schritt eine Erkenntnis sein soll und weshalb du bei diesem zweiten Schritt aufhörst und dir nicht endlos solche "Innen-Schritte" ausdenkst, erschliesst sich mir nicht.
Es muss sich mir aber auch gar nicht erschliessen, denn es ist ja deine Fiktion.
Hiob hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 21:28Daraus schließe ich, dass Du meinst, Du würdest voraussetzungsfrei in Deinen Auffassungen sein. Geht nicht.
Nein, ich handle und denke nicht entlang deiner Fiktion.

Du denkst von mir, ich würde einen Teil deiner Fiktion mittragen und dann aber falsch abbiegen.
Versucht mal aufzuhören, mich durch die Brille deiner Fiktion zu sehen.
Hiob hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 21:28Trotz dieses unterschiedlichen Charakters können beide natürlich koinzidieren und tun es auch oft.
Bei deinem "Geht nicht"-Gewitter, das du mir gegenüberstellst, wirst du entlang deiner Fiktion kaum feststellen können, dass eine Koinzidenz der Fall ist.
An solchen Stellen erkennt man eindeutig den fiktionalen Charakter deiner Haltung. Damit es nicht peinlich wirkt, denn du musst mir bei meinen Beispielen ja zustimmen, entdeckst du halt eine "Deckungsgleichheit".
Hiob hat geschrieben: Sa 27. Mai 2023, 21:28Du nennst DAS Fiktion, was jenseits Deines Weltbilds ist.
Nein, jeglicher Weltbildanteil, der (noch) nicht den Tatsachenstatus erreicht hat, sollte als Fiktion bezeichnet werden.
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Oleander
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Oleander »

SilverBullet hat geschrieben: Di 30. Mai 2023, 12:47 Problematisch wird es, wenn du für deine Fiktion den Anspruch erhebst, als hättest du hierbei festgestellt "was der Fall ist".
Du musst dich an dieser Stelle selbst am Kragen packen....
Muss das nicht jeder, der sein Vertrauen auf xxx setzt ?
Worauf vertraust du so und meinst, es wäre Tatsache, obwohl es nicht nachweisbar ist?
Vertraust du nicht auch ab und wann auf die Aussagen anderer? :)
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: Di 30. Mai 2023, 12:47 Wenn wir meine Beispiele auf den Punkt bringen, stimmst du mir zu, dass es um Tatsachen geht.
Praktisch gesehen und in allgemeiner Redensart ja. Der Punkt bei Dir ist, dass Du dieses verabsolutierst, was ich aus kategorialen Gründen nicht gutheißen kann. Für Dich ist "Tatsache", dass Raps gelb ist - pragmatisch stimme ich Dir zu. Ontisch sage ich dagegen, dass Sonnenblumen so gemacht sind, dass sie unserem Auge als gelb erscheinen, was bei einem Frosch ganz anders sein kann. Die Lichtwellen der Sonnenblume sind zwar beim Menschen und beim Frosch gleich lang, aber auf Erscheinungs-Ebene können sie gelb oder vielleicht ultraviolett sein. Auf der "Erscheinungsebene beim durchschnittlichen Menschen" gebe ich Dir deshalb recht, aber ontisch ist die Aussage "Sonnenblumen 'sind' gelb" falsch, sondern müsste heißen "Sonnenblumen sind normalerweise im Auge des Menschen gelb". Wenn Du letzteres als "Tatsache" bezeichnest, kann man das tun - dies ist die pragmatische Ebene. Dies aber ist ganz und gar nicht absolut, was Du aber postulierst.
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Paul
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Paul »

sagen wir mal so, prämissen, axiome, analogien etc. sind keine tatsachen, punkt...aber auch keine fiktionen :D

und für farbenblinde ist raps natürlich nicht gelb :mrgreen:
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

Paul hat geschrieben: Di 30. Mai 2023, 22:43 für farbenblinde ist raps natürlich nicht gelb
Eben - trotzdem ist das Sein dessen, das den Nicht-Farbenblinden "gelb" sehen läßt und den Farbenblinden "weiß der Kuckuck was", dasselbe UND eine Tatsache.

Ontische Tatsachen haben es an sich, dass man sie in ihrem Wesen nicht erkennt, sondern nur deren Wirkung auf uns, egal ob man farbenblind ist oder nicht. Das ist genauso in der Theologie.
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Paul
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Paul »

bei kant auch :D

ps

wollte man das ding an sich, was ja ein analogon für die vielzitierten tatsachen hier wär, mit tatsachen an sich gleichsetzen, handelt man sich ärger mit gödel ein :lol:
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von SilverBullet »

Oleander hat geschrieben: Di 30. Mai 2023, 13:34Muss das nicht jeder, der sein Vertrauen auf xxx setzt ?
Ich möchte mich hier nur auf Weltbilder beschränken und dort sollte man schon so nach und nach sauber mit Tatsachen umgehen.
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von SilverBullet »

Hiob hat geschrieben: Di 30. Mai 2023, 21:21Für Dich ist "Tatsache", dass Raps gelb ist
Nein, das ist für mich nicht Tatsache.

Dein Problem ist nach wie vor, dass du aus deiner Fiktion heraus, also aus deinen "Ebenen/Kategorien" heraus, urteilst.
Du versuchst dann meine Aussagen in deiner Fiktion zu deuten - was aber natürlich nicht funktioniert.

Aus meinen Beiträgen sollte dir deutlich geworden sein, dass ich noch nicht einmal den Objektstatus von Raps als Tatsache einstufe, sondern lediglich den Umstand, dass ein Mensch bei seiner Wahrnehmung die Effekte der Welt in "Objekte" gruppiert.
Wenn ich aber noch nicht einmal die Objekteinteilung als Existenz-Tatsache zulasse, werde ich wohl kaum zu "Raps ist gelb" kommen können.

Rund um die Wahrnehmungsszene "gelber Raps wird gesehen" ist nur die Überzeugung (Reaktion) vom Gelben-Raps-Sehen eine Tatsache, mehr nicht.
Dir ist bekannt, dass ich oft auf die "schrägen Linien" verweise und dort insbesondere darauf, dass es die "lange Schräge" nicht gibt.
Mit dem, was du mir bei "Raps ist gelb" unterstellst, passt das nicht zusammen.

Ich habe das (glaube ich) ziemlich am Anfang meiner Beiträge (hier im Thread) geschrieben, dass wir durch Introspektive, Tatsachen nur in Bezug zu unserer Reaktion feststellen können, nicht in Bezug auf die Inhalte.
D.h. meine Überzeugungen, dass ich die Welt in Objekte einteile, dass ich gelben Raps sehe, sind Tatsachen und es sind auch (wirkliche) Reaktionen in der Welt.
Die Inhalte jedoch, also die Existenz von einzelnen Objekten und die Existenz von "gelb" sind keine Tatsachen.
=> Du siehst, ich kann "Raps ist gelb" nicht als Existenz-Tatsache ansehen.
Hiob hat geschrieben: Di 30. Mai 2023, 21:21Die Lichtwellen der Sonnenblume sind zwar beim Menschen und beim Frosch gleich lang, aber auf Erscheinungs-Ebene können sie gelb oder vielleicht ultraviolett sein.
Nein, wir sehen keine Lichtstrahlen und Lichtstrahlen sind nicht "Farbe".

Beim Menschen kommt es an der Netzhaut zu Einwirkungen.
In seiner Wahrnehmung geht ein Mensch plausibel mit dieser Einwirkung um, wobei sozusagen vom System "Mensch" darauf geschlossen wird, was die Einwirkung auslösen könnte.
In der Gesamtkonstellation (und der Mensch ist dabei mit seinen eigenen Zusammenhängen auch enthalten) reagiert er mit der Überzeugung "eine konkret farbige Oberfläche zu sehen".
(Ist damit die "farbige Oberfläche" als "ganzes Ding" eine Tatsache? Nein)

Beim Schliessen auf den Auslöser kommt der Mensch nicht an die Lichtstrahlen heran, weil es mit Lichtstrahlen keine Interaktion gibt.
In der Folge wird "Sehen" als Fernwahrnehmung eingestuft, obwohl über die Lichtstrahlung durchaus ein unmittelbarer Kontakt vorliegt.

Entscheidend ist (und das ist dein Fehler), dass der Mensch bei diesem Schliessen, keine Unabhängigkeit zur Welt darstellt, sondern Teil der Welt ist.
In der Folge wählt der Mensch seine Reaktion nicht frei aus, sondern sie läuft in der Welt und durch die Welt ab.

Der Mensch ist somit durchaus in der Lage, Tatsachen in Bezug auf die Welt zu erkennen, denn es ist ja die Welt, die seine Reaktion stattfinden lässt.
Wichtig ist aber, dass man genau identifiziert, worin die Tatsache besteht.
Hiob hat geschrieben: Di 30. Mai 2023, 21:21Auf der "Erscheinungsebene beim durchschnittlichen Menschen" gebe ich Dir deshalb recht
Ich kann mit dieser Zustimmung nicht viel anfangen, denn "Erscheinungsebene" ist keine Tatsache und ich verwende solche Ebenen-Einteilungen nicht.

Das Wort "Erscheinung" ist doch im Grunde bereits der Entwurf, dass der Mensch separat zur Welt steht und die Welt präsentiert bekommt.
Das geht mir viel zu weit.
Hiob hat geschrieben: Di 30. Mai 2023, 21:21Dies aber ist ganz und gar nicht absolut, was Du aber postulierst.
Ist dir nun klar geworden, dass ich das nicht mache?
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Re: Logik und Erkenntnis

Beitrag von Hiob »

SilverBullet hat geschrieben: Mi 31. Mai 2023, 11:08 Nein, das ist für mich nicht Tatsache.
Halten wir fest: Es ist für Dich KEINE Tatsache, dass Raps gelb blüht. PRagmatisch würde ich hier in der Tat von "Tatsache" sprechen.
SilverBullet hat geschrieben: Mi 31. Mai 2023, 11:08 Rund um die Wahrnehmungsszene "gelber Raps wird gesehen" ist nur die Überzeugung (Reaktion) vom Gelben-Raps-Sehen eine Tatsache
OK - das heißt jetzt aber schon, dass Du "Tatsache" komplett individualisierst.

SilverBullet hat geschrieben: Mi 31. Mai 2023, 11:08 Nein, wir sehen keine Lichtstrahlen und Lichtstrahlen sind nicht "Farbe".
Meine Rede. Wieso sagst Du "nein"?
SilverBullet hat geschrieben: Mi 31. Mai 2023, 11:08 dass du aus deiner Fiktion heraus
Du hast ein merkwürdiges Verständnis von "Fiktion". Ist Dir klar, dass Du eine semantisch exklusiv besetzte Sondersprache benutzt?
SilverBullet hat geschrieben: Mi 31. Mai 2023, 11:08 Ich kann mit dieser Zustimmung nicht viel anfangen, denn "Erscheinungsebene" ist keine Tatsache
Dann wären auch Ergebnisse der Naturwissenschaften keine "Tatsachen" - meinst Du es so?
SilverBullet hat geschrieben: Mi 31. Mai 2023, 11:08Ist dir nun klar geworden, dass ich das nicht mache?
Das, was Du in Deiner Sprache "Tatsache" nennst ist weder pragmatisch noch ontisch, sondern irgendwo dazwischen?
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