Larson hat geschrieben: ↑Mo 25. Okt 2021, 09:23Demzufolge hebt sich diese Lehre vom bisherigen ab, will sozusagen über allem stehen, welche da allen Menschen gepredigt werden sollte (allein der Name Jesu…), obwohl sie (die Lehre) so wenig Fuss in der Tenach hat, da ja Gott dem Volke Israel alles gegeben hatte, was es braucht (siehe 5. Mo 30,10..16), dass Gott dem Volke Israel nichts verborgen oder vorenthalten hat.
OK, du stellst also die "Jesus-christliche Lehre" der "jüdischen Lehre" gegenüber.
Nun hast du leider zahlreiche meiner Fragen unbeantwortet gelassen, die auf einen Übergang zwischen beiden Lehren abzielten.
Deshalb eine ganz einfache Frage: Fussten die Zeloten (sehr engagierte Juden und auf keinen Fall Jesus-Christen!), auf dem Tenach?
Larson hat geschrieben: ↑Mo 25. Okt 2021, 09:23Bisher habe ich jüdischer Literatur nirgends etwas gelesen, dass aus dem Messias ein Gott gemacht wurde, respektive dass der Messias Gott persönlich sein soll. Eine solche Ansicht widerspricht ja auch der Tenach.
Gut, aber von den Zutaten "Messias=Anführer/Herrscher/König" und "Gott ist König" hast du bestimmt schon gehört.
Die Idee, dass der Messias direkt Gott sein müsste, erscheint damit grundsätzlich nicht sehr weit hergeholt.
Des Weiteren kennst du bestimmt das römische Umfeld.
Dir ist bekannt, dass "Gaius Iulius Caesar" zum "Gott" ("Apotheose" im Jahr 42 v. Chr.) erhoben wurde.
Sein Nachfolger, ein gewisser "Kaiser Augustus" (man kennt ihn aus der Bibel) trug in der Folge den Titel "Imperator Caesar Divi filius" ("Divi filius" = "Sohn des Vergöttlichten") und wurde nach seinem Tod zu "Divus Auguastus" ("Göttlicher Augustus").
Dieser römischen
"Divisierung" lag wohl der Glaube an eine Himmelfahrt zugrunde (auch das kennt man aus der Bibel).
Dir ist sicherlich bekannt, dass die massiven Konflikte im Judentum des 1./2. Jhd. unter anderem auf die Vergöttlichungsideen der Römer zurückgehen.
Der Wegfall der jüdischen Gruppen "Essener", "Sadduzäer" und letztlich auch ein Wandel in den jüdischen Messias-Vorstellungen (nach dem ersten jüdischen Krieg) geht indirekt auf diese römischen Ideen zurück.
Larson hat geschrieben: ↑Mo 25. Okt 2021, 09:23Im jüdischen ist es nicht ganz einhellig, ob der Messias erst dann kommt, wenn das Volk schon umgekehrt ist, oder ob der Messais dies bewirkt. Zur Zeit Jesu war die römische Herrschaft, Unterdrückung wovon befreit werden sollte, was im Gebet von Zacharias im Lk deutlich wird, „Rettung von den Feinden“. Und Rom/Edom war ja der Feind.
Die Zeloten haben sich hierbei eher relativ eindeutig positioniert und Rom war im 1./2. Jhd. ihr Feind.
Larson hat geschrieben: ↑Mo 25. Okt 2021, 09:23Nun, sicher könnte man über eine Neuzusammenstellung nachdenken, oder aber man könnte sich zuerst fragen, welche falschen Erwartungen hatte man, wo lag das Problem? Deshalb aber eine neue Theologie zu entwickeln ist bauen auf Sand. Wie passt denn die neue These in den Kontext vom Tenach? Und welche von Gott gegebene Rechtfertigung gibt es für diese neue Theologie?
Gehen wir das einfach Punkt für Punkt an, deine Bedenken sind ja gerechtfertigt und man sollte versuchen Antworten zu finden:
"man könnte sich zuerst fragen, welche falschen Erwartungen hatte man, wo lag das Problem?":
Das Problem war die Erwartung mit dem Einsatz von Gewalt, eine Gott-Unterstützung gegen die römische Übermacht einleiten zu können.
Das "auserwählte Volk" wollte sich seinem "Gott" gegenüber als würdig erweisen (unmittelbar durch das Streben nach Reinheit und durch gewalttätige Säuberungen), was aber zu keiner "göttlichen Reaktion" geführt hat.
Nichts, es gab noch nicht einmal eine Kontaktaufnahme à la AT (irgendwelche Luftphänomene).
"Wie passt denn die neue These in den Kontext vom Tenach":
Die Idee einer "Gott-Unterstützung durch Gewalt" entstand im gedachten Kontext des Tenach und ist gescheitert.
Das ist quasi ein Praxisbeweis, dass der Tenach nicht ganz vollständig ist oder man etwas Falsches hineininterpretieren kann, was natürlich korrigiert gehört.
Der "Kontext des Tenach" ist demnach, dass eine Erweiterung notwendig ist.
"Und welche von Gott gegebene Rechtfertigung gibt es für diese neue Theologie?":
Aus Sicht der Gläubigen liegt ein unmittelbarer Praxisbeweis vor: sie haben sich streng für das Einhalten des Gottes-Gesetzes stark gemacht, sie haben sich für ihren "Gott" aufgeopfert (Martyrium/Blutzeugen) und sie sind in den Kampf gezogen, ohne dass es auch nur die kleinste "göttliche Unterstützungs-Reaktion" gab.
Die "von Gott gegebene Rechtfertigung" besteht (für einen Gläubigen) darin, dass der durchlaufene Weg falsch gewesen sein muss, bzw. für eine Glaubens-Entwicklung
notwendig war.
Nach dem jüdischen Krieg und den ganzen Verlusten (insbesondere Tempel und Allerheiligstem) und dem Ausbleiben der Gott-Unterstützung muss man von einer deutlichen Depressionsphase ausgehen.
Hier lag die Motivation grundsätzlich am Boden und zwar flächendeckend.
Was ist das dann aber für ein Prozess, wenn man anfängt nachzudenken und beginnt Glaubensrückschlüsse zu ziehen?
Was entsteht aus einer rückschauenden Nachbearbeitung, wenn man die Erkenntnis zugrunde legt, dass der Gewalteinsatz falsch war?
Auf welche Inhalte kommen Gott-Gläubige, die mehrere Generationen lang auf den Messias hingearbeitet haben, wenn sie sich die Frage stellen, wie es denn beim "idealen Messias" verlaufen wäre, der ohne Gewalt vorgegangen wäre?
Ein Messias, der ohne Gewalt, während der Unterdrückung der Römer auftritt, kann nur eine Opferrolle einnehmen.
Er wird seine Botschaft verkünden und dann untergehen, und zwar unter der Folter, die von den Römern an den gewalttätigen Gläubigen durchgeführt wurde (-> Kreuzigung).
Was passiert nun in einem Gott-Gläubigen mit Messias-Erwartung, der diese neuen Erkenntnisse bzgl. seiner Vergangenheit hat?
Richtig, er gewinnt daraus eine neue Glaubens-Motivation und das wird für ihn ein "göttlicher Vorgang", eine "göttliche Unterstützung" sein.
In den Köpfen dieser Gläubigen ist das genau das "göttliche Signal" auf das sie gewartet haben - "Gott hat ihnen diese Ideen inspiriert, um ihren Glauben zu stabilisieren".
In der Sichtweise der Gläubigen wollte "Gott", dass es zu diesem Untergang kommt, damit daraus der neue Glaube, der "neue Bund" entstehen kann.
Peng, schon sind wir mitten in der neuen Theologie, die sich dann in wenigen Nachkriegsgenerationen zu einer gut erzählbaren "Jesus"-Figur entwickelte, in der bestimmt unzählige Neukombinationen stattfanden (aus meiner Sicht könnte sich hier selbst der römische Ansatz - Sohn Gottes + Himmelfahrt - verewigt haben).
Dass es unterschiedlichste Versuche gab, die Messias-Figur darzustellen (zahlreiche Evangelien bis hin zur "Gnosis") ist ja kein Geheimnis.
"sicher könnte man über eine Neuzusammenstellung nachdenken":
Um nach dem jüdischen Krieg aus der Depression herauszukommen,
muss man eine Neuzusammenstellung durchführen oder man hört mit dem Gott-Glauben auf (zumindest aus Sicht der im Krieg aktiven Gläubigen).
Man muss hier bedenken: zum Zeitpunkt des jüdischen Krieges gab es bereits die Tradition einer intensiven Messias-Erwartung (Erwartung einer Gott-Unterstützung/Gottes-Reich) über 2-3 Generationen hinweg.
Aus meiner Sicht haben sich jüdische Gläubige durch die Jesus-Figur-Ideen selbst aus dem Schlammassel gezogen.
Dass sie nach dem Motto auftreten "wir erkennen und vertreten die reine Wahrheit" ist nichts, das sie nicht auch schon zuvor für 2-3 Generationen gemacht hätten.
Für mich entwickelte sich aus dem Judentum heraus ein "jüdisches Christentum" ("Zeloten"/Messias erwartend/gewalttätig), das nach der Kriegskatastrophe und den daraus gezogenen Glaubenserkenntnissen in ein "Jesus-Christentum" überging.
Ich halte es nicht für angebracht, den jüdischen Glauben und das Jesus-Christentum frontal gegeneinander zustellen - der Weg zwischen den beiden besteht aus jüdischen Ideen und jüdischem Vorgehen.