DEN ERSTEN TEIL MEINER ANTWORT HAT ES RAUSGEHAUT. DESHALB HIER NUR TEIL 2.
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Jun 2024, 13:11
Und mit fingierten Beispielen ist es so wie mit der Satire. Man neigt zur Überspitzung in der Hoffnung auf einen tieferen wahren Kern aufmerksam zu machen.
So versteht sich Satire in der Tat - wobei Wirklichkeit und Satire oft gar nicht mehr unterscheidbar ist (aber das ist ein anderes Thema). Aber das Beispiel mit den 33%/1% Extremisten ist ja Wirklichkeit. Wenn Du ein anderes Thema vorziehst: Die ZEIT hat vor einigen Monaten von einer wissenschaftlichen Untersuchung aus der Schweiz berichtet, wonach Raucher volkswirtschaftlich eher BILLIGER sind als Nichtraucher. Dagegen stehen Untersuchungen, wonach sich der volkswirtschaftliche Schaden durch Rauchen pro Jahr auf 80 Milliarden Euro (in Deutschland) beläuft. Warum? Weil man verschiedene Modelle anlegt.
Die üblichen mainstream-konformen Untersuchungen haben ein Modell, bei dem ua die letzten 10 Jahre eines Rauchers (meinetwegen 65 - 75 Jahre) verglichen werden mit den 65-75-Jahren eines Nichtrauchers. Logischerweise sind die Raucher da wesentlich teurer. Dazu rechnet man direkte und indirekte Nebenkosten des Umstands, dass geraucht wird. Also die Anschaffung von Aschenbechern durch den Staat, Aufklärungsarbeiten contra Rauchen und wahrscheinlich auch die Kosten der Studien. Denn: Wenn es kein Rauchen gäbe, hätte man keine Kosten zur Untersuchung des Rauchens.
Die Schweizer Studie fragt nach der Life-Time-Bilanz von Raucher und Nicht-Raucher und stellt dabei fest, dass die (statistisch letzten) Jahre 75 - 85 der Nichtraucher genauso teuer sind wie die letzten 65 - 75-Jahre der Raucher. Zudem muss der Staat 10 Jahre weniger Renten zahlen. Saldiert kommt dann nicht ein Minus von 80 Milliarden pro Jahr raus, sondern ein leichter Überschuss (5 bis 10 Milliarden werden hier zitiert).
Ich will da gar nicht parteiisch sein, sondern nur darauf hinweisen, dass alle vier folgenden Aussagen wissenschaftlich nachgewiesen, also Fakten sind:
* 33% aller inländischen Muslimen sind extremistisch.
* Weniger als 1% aller inländischen Muslime sind extremistisch.
* Rauchen bewirkt im Saldo einen volkswirtschaftlichen Schaden von jährlich 80 Milliarden Euro in D.
* Rauchen bewirkt im Saldo keinen volkswirtschaftlichen Schaden.
Alle diese 4 Aussagen sind "Wissen", da wissenschaftlich sauber ermittelt. Es müsste aus meiner Sicht zur journalistischen Ausbildung gehören, auf solche Fakten aufmerksam zu machen, damit Journalisten später nicht unkritisch mit wissenschaftlichen Studien umgehen. Und da scheint es (aus ideologischen Gründen?) Defizite zu geben.
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Jun 2024, 13:22
Ein Modell ist stets eine Vereinfachung eines Originals
Das auch, aber viel wichtiger: Ein Modell entsteht in der Hoffnung, dem Original überhaupt gerecht zu werden. Es ist nicht notwendigerweise ein Abbild des Originals, sondern möchte es sein (was sicherlich oft gelingt).
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Jun 2024, 13:22
Tatsächlich ist in der Naturwissenschaft weder alles standardisiert noch sind überall Definitionsspielräume geschlossen.
Lässlich. Entscheidend ist, dass Modell-Verfasser und Modell-Rezipienten innerhalb der Wissenschaft vom selben sprechen, also gleich verstehen. Jeder Physiker weiß, was mit "Higgsteilchen" gemeint ist - in den Gesellschaftswissenschaften ist dies ganz anders. Da definiert jeder sein Higgsteilchen, wie er es meint.
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Jun 2024, 13:22
Das hast Du leider komplett ignoriert.
Nein - es ist viel einfacher. Möglicherweise hat man meinetwegen im 19. Jahrhundert Fische und Meeressäuger einfach im Modell zusammengefasst. Wichtig auch hier: Dieses Modell wurde von allen Wissenschaftlern verstanden, es gab also keine Missverständnisse.
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Jun 2024, 13:22
Sagen wir, das steht auf dem Fragebogen:
"Lehnen Sie die Trennung von staatlicher Herrschaft und religiöser Ordnung ab?"
"Sollten Apostaten bestraft werden?"
"Sind die Gewalttaten des Islamischen Staats gerechtfertigt?"
Man kann jemanden als "Extremisten" bezeichnen, wenn er bereits auf Frage 1 mit Ja antwortet. Oder erst Frage 3.
Selbst dies wäre willkürlich und nicht notwendigerweise wahr. Denn die Nicht-Trennung von staatlicher und religiöser Ordnung muss nicht "extremistisch" sein, WENN man "extremistisch" als etwas definiert, was mit Gewalt zu tun hat. Anders ist es, wenn man pauschal "extremistisch" definiert als "das, was staatliche Ordnung nicht als höchste Ordnung anerkennt". Bei Juden, Christen, Moslems ist es nun so, dass sie göttliche Gesetze höher einstufen (müssen) als weltliche, was aber nicht heißt, dass sie die staatliche Ordnung in der Welt nicht anerkennen ("Gib dem Kaiser ...). Wie wäre es, wenn man "extremistisch" einfach wie das BKA definieren würde, wonach man dann "extremistisch" ist, wenn man Gewalt gegen die Verfassung ausübt oder dazu aufruft? Reicht doch. Aber damit kann man den medialen Empörungshedonismus halt nicht befriedigen. Wie wäre es einfach mit Verfassungstreue? Das müsste doch eigentlich reichen, oder nicht?
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Jun 2024, 13:22
Was ist Wissenschaft denn?
Anscheinend etwas, das unbedingt mit Deinen Lieblingsphilosophien Radikalskeptizismus und Radikalrelativismus vereinbar sein muss.
Wissenschaft muss mit gar nichts außerhalb der Wissenschaft vereinbar sein.
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Jun 2024, 13:22
Wenn es eine unbekannte Variable gibt, die die Ergebnisse beeinflusst, dann wäre mit deren späteren Entdeckung die Interpretation der Ergebnisse widerlegt. D.h. es besteht hier eine Methode zur Korrektur, auch wenn experimentell alles fehlerfrei durchgeführt wurde.
Richtig. Deshalb verwenden Wissenschaftler gerne den Satz "Nach unserem aktuellen Wissen". "Wissen" ist also ein relativer Begriff.
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Jun 2024, 13:22
Deine Vorstellung, dass es sich bei der Naturwissenschaft um eine reine Nabelschau handelt - ein bloßes Spiel, das seinen eigenen Regeln folgt, aber sich um die Realität nicht kümmert - ist einfach Unfug.
Das ist nicht MEINE Vorstellung, sondern Dein unzutreffendes Verständnis meines Verständnisses. Wissenschaft ist keine Nabelschau, sehr wohl aber ein introvertiertes System, das letztlich NICHT an der Wirklichkeit, sondern an seinem jeweiligen Modell orientiert ist. Deshalb bestehen doch Leute wie Feynman darauf, dass etwas nur gilt, wenn es experimentell nachgewiesen ist.
Hier gibt es in der Tat einen Unterschied zu Gesellschaftswissenschaften. Denn wenn man Higgsteilchen definiert und als existent postuliert UND dann in vorausgesehenen Konstellationen tatsächlich nachweist, spricht viel dafür, dass die Aussage "Es gibt wirklich Higgsteilchen" nicht nur ein Status Quo ist, sondern eine Erkenntnis for ever ist. Anders ist es bei Gesellschaftswissenschaften, wo derselbe Begriff immer wieder neu definiert wird (was beim Higgsteilchen eher nicht der Fall ist). Denn definiert man "extremistisch" wie das besagte wissenschaftliche Institut, kann man auch experimentell nachweisen, dass die Aussage "33% inländischer Moslems sind extremistisch" korrekt ist. Aber man kann eben genauso experimentell nachweisen, dass nach BKA-Definition "weniger als 1% inländischer Moslems sind extremistisch" korrekt ist.
Claymore hat geschrieben: ↑So 2. Jun 2024, 13:22
Das Problem ist, dass du Unfehlbarkeit als Kriterium für Wissen verlangst.
Exakt das Gegenteil ist der Fall (s.o.) - und das zeigt mir, dass Du meinen Ansatz grundlegend nicht verstanden hast. "Wissen" ist ein methodischer Begriff der Wissenschaft und gerade NICHT unfehlbar. Dass das Wort "wissen" in Alltagssprache anders verwendet wird ("Ich wusste, dass Du heute anrufst"), wäre ein linguistisches Thema, das hier nichts zu suchen hat.