Re: Zweck des Esoterik Forums
Verfasst: Di 11. Okt 2022, 13:14
https://de.wikipedia.org/wiki/TheosophieGeschichte der christlichen Theosophie
Die konfessionellen Auseinandersetzungen des sechzehnten Jahrhunderts führten zu einer Ausformung der sich seit der Spätantike unterschiedlich auswirkenden jüdischen, muslimischen und christlichen Mystik, als Grundlage der christlichen Theosophie, der das regen Zulauf bescherte. Die neu entwickelte abendländisch-christliche Theosophie bildete eine Alternative zur „trockenen“ Theologie[23] und hat ihre Wurzeln in den ersten beiden Kapiteln des 1. Korintherbriefs („denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit“).[24] Der Religionswissenschaftler Antoine Faivre benennt drei charakteristische Züge der modernen abendländischen Theosophie:
„1. Eine Tendenz, über die Beziehungen zwischen Gott (bzw. die göttliche Welt), Natur und Mensch spekulative Diskurse zu führen.
2. Eine Vorliebe für das mystische Element in den geoffenbarten Texten (z. B. in der Bibel).
3. Die Überzeugung, dass ein dem Menschen innewohnendes Vermögen (nämlich die schöpferische Einbildungskraft) ihn befähigt, mit höheren Realitätsebenen in Kontakt zu treten.[25]“
Von den alexandrinischen Kirchenvätern führt ein breiter Strom christlicher Theosophen wie Hildegard von Bingen, Böhme, Gichtel, Pordage, Oetinger, J. M. Hahn, F. von Baader, Schelling bis zu den russischen Sophiologen Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew und Sergei Nikolajewitsch Bulgakow.[26]
Vier Phasen der protestantischen Theosophie
In der protestantischen Theosophie lassen sich vier Phasen ausmachen:
Unter dem Einfluss Martin Luthers entwickelte sich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert die „klassische“ Theosophie. Zu dieser Bewegung sind Jakob Böhme, Valentin Weigel, Khunrath, Arndt, A. Gutmann, C. von Schwenkfeld, G. Dorn, Johann Georg Gichtel, Gottfried Arnold, John Pordage, Jane Leade, P. Poiret und A. Bourgignon zu rechnen.[27] Als bedeutendster Vertreter und maßgeblicher Begründer der christlichen Theosophie gilt Jakob Böhme (1575–1624).[28] Dessen Schriften basieren auf einer visionären Erleuchtung und daran anknüpfenden mystischen Erfahrungen. Als ein Vorgänger kann Valentin Weigel (1533–1588) gelten, der mystische Traditionen mit Gedanken des Paracelsismus verband. Inwiefern Böhme durch Weigel oder andere Autoren beeinflusst war, ist allerdings unklar. Er selbst trug jedoch maßgeblich zur Ausbildung eines spirituellen Bewusstseins in Deutschland bei und entfaltete dann auch in anderen Ländern eine bedeutende Wirkung. Neben der an Böhme orientierten, mystisch ausgerichteten Theosophie trat im frühen 18. Jahrhundert eine ebenfalls an Böhme und Paracelsus anknüpfende, aber stärker den okkulten Wissenschaften und insbesondere der Magie zuneigende Strömung in Erscheinung, wie sie etwa durch Samuel Richter repräsentiert ist.[29]
In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts entstand eine stärker intellektuell orientierte Theosophie, die weniger visionär ausgerichtet war.
In der Vorromantik und Romantik entwickelte sich die stark spekulative geprägte Theosophie von Louis Claude de Saint-Martin (1743–1803) und Franz von Baader (1765–1841), die weniger prophetisch war.[27] Eine Sonderstellung nimmt Emanuel Swedenborg (1688–1772) ein, der wie Böhme aufgrund von Visionen zum Mystiker wurde.[30] Innerhalb der theosophischen Strömung blieb er ein Außenseiter, dessen Werke von anderen Theosophen kritisch betrachtet wurden. Auf der anderen Seite erlangte er jedoch eine viel größere Popularität als seine Kritiker und gewann eine zahlreiche Anhängerschaft. Einer der Kritiker Swedenborgs war Friedrich Christoph Oetinger (1702–1782).[31] Er war außer durch Böhme auch stark durch die Kabbala geprägt und vertrat eine eher intellektuelle Richtung. Populärer wurde allerdings sein Zeitgenosse Karl von Eckartshausen (1752–1803), der mit der an Böhme anknüpfenden mystischen Tradition nur noch wenig gemein hatte.[31]
Jakob Böhmes Lehre entwickelte sich aus seinem intensiven Ringen um Gottes- und Naturerkenntnis, die sich ihm im mystischen Erleben erfüllte. In seinem ersten Werk Aurora oder Morgenröte im Aufgang schildert er erstmals Ergebnisse seines Innewerdens göttlichen Wesens. Göttliches und Natürliches, Geistiges und Leibliches verschmelzen darin zu einer geschauten Einheit, die er in dem Bild der anbrechenden Morgenröte beschreibt, welches zugleich den Anbruch einer „neuen Reformation“ ausdrückt.[33][34] In späteren Werken wie seinen Theosophischen Sendbriefen[35] und seinem Hauptwerk Mysterium magnum führt er seine Ansichten weiter aus.
Böhme verstand seine Lehre als ewiges Wissen, das ihm vom alles durchdringenden „Grund und Ungrund“ (Gott, dessen Existenz ohne jeden Grund ist) offenbart wurde.[34] Das Erlebnis dieser Offenbarung nennt er ein „kommen in das Ganze“, das dem Menschen möglich wird, wenn er alles Eigene verlässt und wieder das „göttliche Auge zum Sehen“ bekommt.[36]
Die Vernunft des Menschen gilt ihm als Gehäuse, „darin des wahren Verstandes göttliche Erkenntnis“ ist. Er drückt dies so aus: „Gott hat mir die Weisheit gegeben, nicht Ich, der Ich der Ich bin, weiß es, sondern Gott in mir.“ Wie die göttliche Erkenntnis innerhalb der Vernunft im Menschen wirkt, so die himmlische Weisheit innerhalb der Natur als allumfassende Offenbarerin des verborgenen Gottes. In der mystischen Lehre vom verborgenen Gott kann eine Parallele zu Martin Luthers theologischer Lehre gezogen werden. Im Unterschied zu Luther jedoch, schaut Jakob Böhme alle Dinge in unmittelbarer Gottdurchdrungenheit, die durch Sophia gesehen werden könne.[34][36][37]
Die göttliche Sophia wird im theosophischen System Böhmes auch in Begriffen wie „Auge“ und „Spiegel“ beschrieben, in dem der Ungrund sich selbst erkennt. Dieser Spiegel wird als unoffenbar vorgestellt, und von Böhme als „Spiegelglast“ bezeichnet. Unter „Glast“ versteht er die Schattenfiguren in einem Spiegel. Dieser Spiegel werde offenbar, wenn sich die göttliche Trinität selbst gebiert. So seien in der Weisheit alle Dinge der Natur gespiegelt oder die Weisheit gebäre die Wissenschaft aller Dinge. Diese kann dem Menschen durch Selbstoffenbarung Gottes im Gemüt zugänglich werden. So versteht Jakob Böhme seine Lehre dann auch als „Göttliche Wissenschaft“.[36]
Religionsgeschichtlich kann eine Wurzel für Böhmes theosophische Lehre in der sophianischen Mystik des „apokryphen“, alttestamentlichen „Buch der Weisheit“ gefunden werden, eine Mystik, die durch Böhme kreativ erweitert wird. In der gleichnishaften Darstellung wird Sophia (die Weisheit) als Jungfrau symbolisiert, die mit Adam im Paradies war. Als der Lustgeist dieser Welt sich des Adams bemächtigte, entfloh die Jungfrau Sophia, und Adam bekam Eva zur Gemahlin. Die himmlische Jungfrau wartet nun auf die Rückkehr der Adamskinder zu ihr, um sich mit ihnen in der „Himmlischen Hochzeit“ zu vermählen. Sie ist „die Mutter darin der Vater wirket“. Sie kann als Theosophia oder Christosophia bezeichnet werden. In diesem tiefgehenden, imaginativen Bild kann sich das Selbstverständnis der Theosophie Böhmes erschließen. Durch die mystische Hochzeit gelangt der Mensch in das Paradies zurück, von dem Böhme sagt, es sei in der Natur, lediglich der Mensch sei nicht darin.[37]
Die „himmlische Jungfrau“ war für Böhme nicht nur ein abstraktes Prinzip, sondern lebendige Gestalt, die er nach eigener Aussage schauen, erleben konnte, was einer seiner grundlegenden Idee entspricht: „Es gibt nichts Geistiges ohne Leibliches!“ Sie ist selbst keine Person, doch die Person (das Selbst) des jeweiligen Menschen erscheint in ihr, wie in einem göttlichen Spiegel. Aus der Vereinigung mit der himmlischen Weisheit (gemeint ist eine Vereinigung übergeschlechtlicher Natur, d. h. geistiges Einswerden) sollen seine Einsichten, die er in seinen insgesamt umfangreichen Schriften darlegt, entstanden sein. In seinem Werk Beschreibung der drei Principien göttlichen Wesens schildert Böhme ein solches mystisches Erlebnis der (Theo)Sophia in wuchtiger Dramatik. Jakob Böhme gibt in seinen Schriften einen ausführlichen christlichen Meditationsweg an, welcher den Menschen zur himmlischen Sophia führen soll.[37][38]