Magdalena61 hat geschrieben: ↑Mi 30. Jan 2019, 16:18
Aufgrund dieser Interpretation müssten wir jetzt definieren, welche Funktion der Baum im Garten Eden hatte und warum der Mensch nicht davon "essen" sollte.
Erkenntnis an sich wird in der Schrift ja positiv bewertet.
LG
Zunächst muss man in Kauf nehmen: Wenn man das Böse bereits vor dem Sündenfall im Paradies annimmt, dann hat Gott das Böse erschaffen und damit wäre er nicht die Liebe. Die Liebe hat keine Ahnung vom Bösen. Zudem hätte man so elegant das Böse und die Sünde im Menschen Gott in die Schuhe geschoben.
Der Mensch hatte im Paradies allein das Wissen um das Gute. Die Liebe und das Gute schenkt sich. Gott kann nichts Böses, weil er immanent in seiner Dreifaltigkeit und seinem Wesen, transzendent gegenüber der Schöpfung, nur ein Geben und Weiterschenken kennt.
Das Böse ist das für sich behalten der Liebe, die Umkehr der Liebe.
Somit ist das Böse immer die Abwesenheit des Guten. Die Bibel verwendet das Licht-Finsternis-Gleichnis. Man kann Licht ein- und ausschalten, aber niemals Finsternis. Es gibt Lichtschalter, aber keine Finsternisschalter.
Gott kennt also das Böse dadurch, dass es sich von ihm absondert (Sünde). Im Abstand zu seinem Wesen, der Liebe, wird das Böse immer größer. Und da das Gute, die Liebe, die Schöpfung im Da-Sein wollte und sie durchdringt und erhält, verliert jedes Sein einen Teil seiner selbst, wenn es immer weniger dieses Gute will und lebt.
Die "Frucht" vom Baum der Erkenntnis war also die Erkenntnis, dass der Mensch einen Teil oder alle Liebe, aus der er geschaffen und die ihn erhält, allein für sich in Anspruch nehmen kann. Dazu treibt ihn seine Begierde, sein Fleisch. Er erkennt, dass die Liebe eine Seite der Medaille ist, auf deren anderen Seite Freiheit (des Willens) steht. Der Baum, in der Materie verwurzelt und zum Himmel empor reichend, ist Symbol dafür, dass der Mensch sich für eine der beiden Richtungen entscheiden kann. Diese Scheidung wird ihn richten - zum ewigen Leben, zum zweiten Tod.
Gott wusste darum, dass er mit der in den Menschen gesenkten Liebe, ihm auch die Freiheit geben muss, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Liebe geht nur in Freiheit.
Und nun hat sich der Mensch im Paradies für die Erkenntnis Gut/Böse und damit der Möglichkeit des Abstands von Gott entschieden und den Ungehorsam.
Aber schon damals ließ Gott den Mensch nicht allein. In ihm blieb das "sehr gut" der Schöpfung, das "Seelenfünklein" Gottes, wie Luther und Meister Eckhart es beschreibt. Es nährt unser Gewissen, das immer noch um die Liebe, das Gute "weiß". Damit, der Schönheit der Schöpfung, dem Wort Gottes, den Propheten und als Höhepunkt die Offenbarung Gottes in der Welt durch seinen Sohn und dessen Erlösungstat am Kreuz, tat und tut Gott alles dafür, dass der Mensch zur Liebe immer wieder ja sagen kann und mit Gott in der Ewigkeit Tischgemeinschaft hat.
Die Erbsünde ist schrecklich, jeder Mensch muss sie tragen, wir wissen darum und erfahren es täglich. Aber ohne die Erbsünde wäre auch Gottes Sohn und der Hl. Geist nicht in unser Leben, unser Herz getreten, um uns zu retten.
Oh glückliche Schuld, weil durch dich Gott, die Liebe, einer von uns wurde, um uns zu lehren recht zu lieben!
Servus