Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

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Savonlinna
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von Savonlinna »

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ach so, nur mal so ganz allgemein gesagt.
Ich dachte, es hat was mit dem Threadthema zu tun.
Hat es ja.
Und das war nicht so allgemein gesagt, sondern bezog sich auf clossens Beitrag...
closs hat geschrieben:Ich persönlich würde unter universalistischen Gesichtspunkten postulieren, dass derselbe geistige Ursprung ALLER Menschen (nämlich aus "Gott") seine Spuren hinterlässt. - Kulturen von Epochen und Ethnien sind aus meiner Sicht immer nur Couleur derselben Struktur.
Okay, danke. Jetzt habe ich's klar.

Pluto hat geschrieben: Übrigens ist mein Zitat aus dem Kontext gerissen... Ich schrieb:
so lange wie nicht alle anderen irdischen Möglichkeiten ausgeschöpft und untersucht wurden. Die Erfahrung zeigt auf alle Fälle, dass ein solcher äußerer Einfluss bisher in keinem Fall notwendig war.
Ich habe es nicht aus dem Kontext gerissen, da Dein post genau über meiner Antwort stand, jeder also Dein post im Blick hat.
Ich habe in den Foren gelernt, dass man eigentlich gar nicht das post über einem zitieren soll. Klar, sinnentfremden soll man es auch nicht.
Aber mir ging es doch nur darum zu erfahren, in welchem Zusammenhang Dein post steht, es schien mir so unvermittelt.
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closs
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von closs »

Pluto hat geschrieben:Jedenfalls halte ich es für voreilig dafür eine supranaturalistische Intelligenz zu bemühen, so lange wie nicht alle anderen äh.... irdischen Möglichkeiten ausgeschöpft und untersucht wurden.
BEIDES kann zu schlüssigen Erklärungen führen - diese Erklärungen interferieren NICHT. - Beide erklären untersuchen grundlegend Verschiedenes.
Pluto hat geschrieben:deren Urpsrung in der Mutterliebe zu erkennen, dessen Ursprung wir in den heute lebenden Tieren ebenfalls beobachten können.
Da wäre zu klären: Was IST Liebe? - Was subsummiert man unter dem Begriff "Liebe"? - Die Antwort sein: Man subsummiert sehr Heterogenes darunter.
Pluto hat geschrieben:Ob man da mehr merkt als bei den großen Musikern des 20. Jahrhunderts weiß ich nicht.
Wieder eines dieser Felder, die sich einer Objektivierung entziehen und trotzdem mit Substanz zu tun haben.
Pluto hat geschrieben:Wahrscheinlich weil man sich damals überschätzte...
Das glaube ich nicht - man hat das ja nicht quantitativ gemeint.
Pluto hat geschrieben:Als Max Planck ein Junge war, hat ihn ein Lehrer davon abgeraten, Physik zu studieren, weil schließlich alle großen Entdeckungen bereits bekannt waren
So meint es das Gilgamesch-Epos NICHT - es geht dort um die Substanz des Menschseins an sich - nicht um System-Wissen.
Pluto hat geschrieben:Ich bin überzeugt, in der Natur gibt es noch jede Menge interessante und unbekannte Phänomene zu erforschen.
Da sind wir uns sehr einig.
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Pluto
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von Pluto »

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Jedenfalls halte ich es für voreilig dafür eine supranaturalistische Intelligenz zu bemühen, so lange wie nicht alle anderen äh.... irdischen Möglichkeiten ausgeschöpft und untersucht wurden.
BEIDES kann zu schlüssigen Erklärungen führen - diese Erklärungen interferieren NICHT. - Beide erklären untersuchen grundlegend Verschiedenes.
Können schon, aber die Geschichte zeigt uns, dass eine spirituelle Erklärung bisher nur an den Grenzen des Unbekannten vemutet wurde. Warum sollte man dann spirituellen Erklärungen ein gleiches Maß an Glaubwürdigkeit zuschreiben?
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:deren Urpsrung in der Mutterliebe zu erkennen, dessen Ursprung wir in den heute lebenden Tieren ebenfalls beobachten können.
Da wäre zu klären: Was IST Liebe? -
Ein anderes Wort für Fürsorge, Zuneigung und Opferbereitschaft.
Dass der Ursprung der Liebe in der Mutterliebe zu suchen ist, ist eine mutige aber nachvollziehbare Vermutung des zeitgenössischen Denkers R.D. Precht.
Vielleicht solltest du mal das Buch über die Liebe von Precht lesen. ;)
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ob man da mehr merkt als bei den großen Musikern des 20. Jahrhunderts weiß ich nicht.
Wieder eines dieser Felder, die sich einer Objektivierung entziehen und trotzdem mit Substanz zu tun haben.
Das ist eine reine Behauptung. Manche Leute können Brahms nicht ausstehen. Sind sie deshalb Musik-Banausen?
Es gibt sehr viel bewegende Musik des 20. Jahrhunderts. Was einen Menschen bewegt, hat mehr mit dem persönlichem Geschmack des Zuhörers zu tun als mit Substanz in der Musik. Für meine Ohren klingt die Musik des 21. Jh. wie "Plastik", aber in Zukunft wird auch der Geschmack entscheiden was als große Musik seine Zeit überdauern wird.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wahrscheinlich weil man sich damals überschätzte...
Das glaube ich nicht - man hat das ja nicht quantitativ gemeint.
Pluto hat geschrieben:Als Max Planck ein Junge war, hat ihn ein Lehrer davon abgeraten, Physik zu studieren, weil schließlich alle großen Entdeckungen bereits bekannt waren
So meint es das Gilgamesch-Epos NICHT - es geht dort um die Substanz des Menschseins an sich - nicht um System-Wissen.
Ich verstehe den Unterschied nicht. Den Menschen in der Bronzezeit waren Zusammenhänge unbekannt, die wir heute als selbstverständlich annehmen. Unser Wissen ist meins Erachtens heute sehr viel weiter als zur Zeit der Sumerer von denen diese mythologische Erzählung stammt.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich bin überzeugt, in der Natur gibt es noch jede Menge interessante und unbekannte Phänomene zu erforschen.
Da sind wir uns sehr einig.
Dann hast du das Wesentliche an meiner Aussage überlesen:

Deshalb ist es auch wichtig, nicht hinter dem Schleier unseres Unwissens jeweils eine himmlisch wirkende Intelligenz zu vermuten.
Ich erachte solche Vermutungen als naive Kapitulation vor dem Unwissen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
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closs
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von closs »

Pluto hat geschrieben:Warum sollte man dann spirituellen Erklärungen ein gleiches Maß an Glaubwürdigkeit zuschreiben?
Irrelevant - entweder man kapiert's oder nicht. - Es geht bei Spiritualität nicht um Glaubwürdigkeit bei denen, die sie nicht verstehen. - Das klingt hart, ist aber wirklich so.
Pluto hat geschrieben:Können schon, aber die Geschichte zeigt uns, dass eine spirituelle Erklärung bisher nur an den Grenzen des Unbekannten vemutet wurde.
Diesen Ansatz verstehe ich nicht. - Spiritualität versteht sich nicht als komplementäre Größe zu wissenschaftlichem Wissen.
Pluto hat geschrieben:Dass der Ursprung der Liebe in der Mutterliebe zu suchen ist, ist eine mutige aber nachvollziehbare Vermutung des zeitgenössischen Denkers R.D. Precht.
Das ist durchaus naheliegend. - Wenn man einen Schritt weitergeht und kombiniert, dass Mutterliebe die Liebe der Gebärenden, also in die Welt Bringenden, ist, sind wir ganz schnell im Geistigen.
Pluto hat geschrieben:Manche Leute können Brahms nicht ausstehen. Sind sie deshalb Musik-Banausen?
Nein - das kann auch damit zu tun haben, dass man selbst so angelegt ist, dass man es nicht ertragen kann. - Vielen geht das bei Wagner so - mir ging es eine Zeitlang mit Mozart so (er war mir zu "eben" - aber das ist nicht das Problem Mozarts, sondern ein Problem des Hörers).
Pluto hat geschrieben:Es gibt sehr viel bewegende Musik des 20. Jahrhunderts.
Es ist ein Unterschied, ob etwas emotional bewegt oder geistig bewegt. - Mir scheint, dass beides gelegentlich als dasselbe verstanden wird.
Pluto hat geschrieben:Unser Wissen ist meins Erachtens heute sehr viel weiter als zur Zeit der Sumerer von denen diese mythologische Erzählung stammt.
Unser wissenschaftliches Wissen ganz sicher - genau das wird doch nicht bestritten. - Glaubst Du dagegen, dass man heute bei uns in der Erkennung des männlichen und weiblichen Charismas weiter ist als vor 3.000 Jahren?
Pluto hat geschrieben:Ich erachte solche Vermutungen als naive Kapitulation vor dem Unwissen.
Damit verkennst Du eben, dass naturwissenschaftliches und geistiges Erkennen nicht interferieren. - Selbst wenn man alles Physikalische wüsste, wäre damit nichts über geistiges Erkennen gewusst.
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Pluto
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von Pluto »

Savonlinna hat geschrieben:Ich habe in den Foren gelernt, dass man eigentlich gar nicht das post über einem zitieren soll. Klar, sinnentfremden soll man es auch nicht.
Damit liegst du nicht ganz falsch. :) Wir wollen hier auch keine sog. "Full Quotes".

Allerdings ist das Zitieren von Sätzen völlig Okay, ja sogar erwünscht, sofern es der Lesbarkeit dient, und den Fluss der Diskussion nicht stört.
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von Savonlinna »

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Bei Chomsky geht es um unbewusste rationale Strukturen, bei C.G.Jung um unbewusste bildhafte Universalien.
Da weisst Du mehr als ich. - Trotzdem: Warum sollte beides nicht auf derselben Trasse liegen?
Ich kann mir das bei Chomsky nicht denken, auf der Basis seiner Persönlichkeitsstruktur, die ich aber nur mehr gefühlsmäßig wahrgenommen habe auf Grund dessen, womit er sich sonst so beschäftigt.
Bei anderen Menschen - wie bei mir - wäre beides zugleich möglich und ergänzt sich.

Da bei mir Ergebnisse dessen, was der Mensch ist und vielleicht potentiell ist, aber seine Schatten schon voraus wirft, ein Forschen hinein ins Ungewisse ist, kommt bei mir nicht in Frage, erst mal einen Gott zu definieren und dann mit diesem "Netz", diesem Begriffskasten, die Ergebnisse einer solchen Forschung schon mal von vornherein zu lenken.
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closs
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von closs »

Savonlinna hat geschrieben:Da bei mir Ergebnisse dessen, was der Mensch ist und vielleicht potentiell ist, aber seine Schatten schon voraus wirft, ein Forschen hinein ins Ungewisse ist, kommt bei mir nicht in Frage, erst mal einen Gott zu definieren und dann mit diesem "Netz", diesem Begriffskasten, die Ergebnisse einer solchen Forschung schon mal von vornherein zu lenken.
Das könnte aber das Ergebnis-Feld einschränken. - Denn man kann nur da finden, wo man sucht.

Natürlich dürfen Ergebnisse nicht vorweggenommen werden. - Aber wie könnte man umgekehrt Gott finden (nehmen wir die Möglichkeit an, dass es ihn gäbe), wenn man ihn von vorneherein aus methodischen Gründen ausschließen müsste?

Im übrigen würde ich Jung gar nicht so sehr mit "Gott" in Verbindung bringen - allerdings hat er platonisch gedacht, indem er die "Idee"/die "Realie" als Ausgangspunkt für das verstanden hat, aus dem sich Phänomene des Daseins erklären lassen. - Angenommen, er hätte mit diesem Ansatz recht gehabt - wie könnte man auf dieses richtige Ergebnis kommen, wenn man rein induktiv sucht?

Das scheint mir ein Grundsatz-Problem zu sein, das dazu führt, dass man nur innerhalb seines eigenen Horizonts sucht - also nur da etwas findet. - Habe ich Deine obige Bemerkung richtig verstanden?
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von Savonlinna »

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Da bei mir Ergebnisse dessen, was der Mensch ist und vielleicht potentiell ist, aber seine Schatten schon voraus wirft, ein Forschen hinein ins Ungewisse ist, kommt bei mir nicht in Frage, erst mal einen Gott zu definieren und dann mit diesem "Netz", diesem Begriffskasten, die Ergebnisse einer solchen Forschung schon mal von vornherein zu lenken.
Das könnte aber das Ergebnis-Feld einschränken. -
Ja. Und darum ist letzteres für mich kein Weg.
closs hat geschrieben:Natürlich dürfen Ergebnisse nicht vorweggenommen werden. - Aber wie könnte man umgekehrt Gott finden (nehmen wir die Möglichkeit an, dass es ihn gäbe), wenn man ihn von vorneherein aus methodischen Gründen ausschließen müsste?
So ein Denken ist mir insgesamt zu laienhaft. Soll nicht böse gemeint sein.
Was soll denn "Gott" sein, das man methodisch ausschließen könnte?
"Gott" ist ein Wort, ein Begriff - ob man diese vier Buchstaben ausschließt oder nicht, beeinflusst das Ergebnis gar nicht.

Angenommen, das Forschungsprojekt "Alle Sprachen dieser Welt auf ihre Tiefenstruktur bringen und dann die Tiefenstruktur aller Tiefenstrukturen bilden" wäre gelungen, dann hätte man gemeinsame Komponenten herausgefiltert, die allen Sprachen zugrunde liegen.

Und dann erst kommt der Deutungsakt: Was haben wir da über dieses faktische Ergebnis hinaus herausgefunden?
Die einen sagen vielleicht: Nun wissen wir, wie ein Teil des menschlichen Gehirns funktioniert.
Andere: Nun wissen wir, wie Gott funktioniert.
Noch andere: Nun wissen wir, wie die Gene funktionieren.

Das sind samt und sonders weltanschauliche - mitunter auch ideologische - Deutungen, die den Boden der Wissenschaft damit verlassen haben.
Wenn jemand "Gott sucht" in genau dem Sinne, wie ich "den Menschen suche", dann finden beide etwas über Gott bzw. den Menschen heraus und meinen genau das Gleiche. Nur dass der eine andere Buchstaben benutzt als der andere.
Wollen sie aber die Suche von vornherein einschränken, indem sie sagen: Gott habe sich bereits offenbart, und wenn die Wissenschaft etwas herausfindet, was der Offenbarung widerspricht, dann ist das automatisch falsch oder ein Irrtum:
dann schränken sie das Ergebnis von vornherein ein.
closs hat geschrieben:Im übrigen würde ich Jung gar nicht so sehr mit "Gott" in Verbindung bringen - allerdings hat er platonisch gedacht, indem er die "Idee"/die "Realie" als Ausgangspunkt für das verstanden hat, aus dem sich Phänomene des Daseins erklären lassen. - Angenommen, er hätte mit diesem Ansatz recht gehabt - wie könnte man auf dieses richtige Ergebnis kommen, wenn man rein induktiv sucht?
Ich bin mir überhaupt nicht sicher, dass das so der Fall war.
Jung hat nicht von vornherein gesagt: ich will in meinen Patienten jetzt die Platonischen Ideen finden.
Sondern er hat festgestellt, in der konkreten Arbeit mit seinen Patienten, dass bei verschiedenen Träumenden ganz ähnliche Traumfiguren vorhanden sind, wie "Die Alte Frau", "Der Weise Mann", "das goldene Kind" etc.
Er hat relativ verblüfft diese Figuren auch in den alten Märchen wiedergefunden - darum nannte er diese Figuren "Archetypen" - Urfiguren, die in unserem Unterbewussten in irgendeiner Form vorhanden sind.

Dass ihm dann einige "platonisches Denken" übergestülpt haben, kann ja sein. Aber mit Plato hat das gar nichts zu tun, wie ich Jung verstehe. Er war Praktiker, war kein Philosoph.
Ich kann mich aber an eine Stelle erinnern, wo er selber beschreibt, wo ihm etwas wie Schuppen von den Augen gefallen ist:
Es ist ja bekannt, dass Patientinnen sich nicht selten in ihre Psychotherapeuten verlieben.
War auch bei C.G.Jung so, und in dem einen Fall war die Patientin ihm gegenüber sehr fordernd und erwartete strikt, dass er alle ihre Probleme wegfegt. In einem Traum sah sie C.G.Jung wohl so, dass er das alles ganz locker hinkriegte.

Und da fragte sich Jung verblüfft - und hat das in diesem Aufsatz aufgeschrieben -, ob diese doch so sinnlose Projektion einer Patientin auf ihren Analytiker, als sei er allmächtig und sie selber geborgen in seinem Können, nicht heiße, dass sie den Archetypus "Gott" auf ihn projizierte.

Das würde dann bedeuten - sage jetzt ich -, dass dieser Archetypus im Menschen enthalten sei.
Und dass er nicht nur mit "Gott" bezeichnet wird, sondern auch mit "Führer'". Und im Anfang einer Liebe kann es ebenfalls sein, dass man das geliebte Wesen anhimmelt, als sei es vom Himmel.

Das würde alles dafür sprechen, dass dieser Archetypus Tel des Menschen ist und per Projektion seine "Opfer" sucht.
closs hat geschrieben:Das scheint mir ein Grundsatz-Problem zu sein, das dazu führt, dass man nur innerhalb seines eigenen Horizonts sucht - also nur da etwas findet. - Habe ich Deine obige Bemerkung richtig verstanden?
Wenn man deduktiv vorgeht, sucht man von vornherein nur in seinem eigenen Begriffskasten.
Geht man induktiv vor, hat man mehr die Chance, etwas zu finden, was den eigenen Horizont erweitern könnte.

Jetzt bin ich aber nicht ganz sicher, ob ich Deine Frage richtig verstanden habe.
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von closs »

Savonlinna hat geschrieben:Ja. Und darum ist letzteres für mich kein Weg.
Ich habe es genau andersrum gemeint: Wenn man nur Wege geht, die induktiv erschließbar sind, nimmt man sich mögliche Ergebnis-Felder weg.
Savonlinna hat geschrieben:"Gott" ist ein Wort, ein Begriff - ob man diese vier Buchstaben ausschließt oder nicht, beeinflusst das Ergebnis gar nicht.
Das muss man vorher definieren - meine Definition (zur Zeit):
a) Alles in Einem
b) Aufhebung jeglicher Dialektik
c) Überwunden-Sein der ontologischen Differenz
Allein das würde zu Diskussionen führen, die ewig dauern würden. - WENN man aber durch wäre (bei mir hat es Jahrzehnte gedauert), ist der Rest relativ einfach.
Savonlinna hat geschrieben:Und dann erst kommt der Deutungsakt
Jein - denn es ist schon eine Art Deutung, wenn man die Kriterien raussucht, nach denen man gemeinsame Komponenten sucht. - Einfach gesagt: Wenn man Blutuntersuchungen macht, muss man von sich aus nach etwas gezielt suchen. - Man kann nicht eine Blutprobe ins Labor geben und sagen: "Sucht mal, ob Ihr was findet".
Savonlinna hat geschrieben:Das sind samt und sonders weltanschauliche - mitunter auch ideologische - Deutungen, die den Boden der Wissenschaft damit verlassen haben.
Oft ist es so, dass wissenschaftlicher Boden NACH unwissenschaftlicher Rahmenbildung betreten wird. - Das heisst: Die Wissenschaft selbst arbeitet absolut korrekt, aber sie sucht auf Basis von Prämissen. - Konkret: Wie kann man nach gemeinsamen Komponenten suchen, wenn man keinen geistigen Ansatz dafür hat, wo man mit dem Suchen anfängt (eben NICHT: "Sucht mal, ob Ihr was findet").
Savonlinna hat geschrieben:Wenn jemand "Gott sucht" in genau dem Sinne, wie ich "den Menschen suche", dann finden beide etwas über Gott bzw. den Menschen heraus und meinen genau das Gleiche. Nur dass der eine andere Buchstaben benutzt als der andere.
Zustimmung - Sprache ist eh nur Chiffre. - Wenn man mit unterschiedlichen Chiffren substantiell dasselbe findet, ist ds ok (das ist bei unterschiedlichen Kulturen gang und gäbe).
Savonlinna hat geschrieben:Wollen sie aber die Suche von vornherein einschränken, indem sie sagen: Gott habe sich bereits offenbart, und wenn die Wissenschaft etwas herausfindet, was der Offenbarung widerspricht, dann ist das automatisch falsch oder ein Irrtum:
dann schränken sie das Ergebnis von vornherein ein.
Stimmt - so ist es ja auch nicht gemeint.

Allerdings stoßen wir hier auf einen schwachen Punkt bei den Religionen, die dazu neigen, das Phänomen durch Autorität zu ersetzen - mit anderen Worten: Man erlebt nicht eine "Wahrheit", die man mit "Gott" benennt, sondern man postuliert "Gott" aus (selbst-)verordneten Glaubens-Gründen. "Gott" ist damit nicht begriffliche Fixierung eines Erlebten, sondern begrifflicher Statthalter für Nichts.

Eigentlich führt diese Diskussion immer wieder zu Röm. 2,14, wo steht, dass der "Heide", der das "innere Gesetz" hat (siehe übrigens Kant), keiner Torah bedarf, weil diese ja lediglich Hilfe für den Weg zum inneren Gesetz ist.
Savonlinna hat geschrieben:Er hat relativ verblüfft diese Figuren auch in den alten Märchen wiedergefunden - darum nannte er diese Figuren "Archetypen" - Urfiguren, die in unserem Unterbewussten in irgendeiner Form vorhanden sind.
Ok - dann war seine Motivation nicht "platonisch" begründet, hat aber zu einem "platonischen" Ergebnis geführt. - Was zeigt, wie wichtig es ist, dass Wissenschaftler ein geistiges Studium Generale durchlaufen - damit sie merken, WAS sie da gefunden haben.
Savonlinna hat geschrieben:Das würde alles dafür sprechen, dass dieser Archetypus Tel des Menschen ist und per Projektion seine "Opfer" sucht.
Gut möglich - sogar wahrscheinlich. Denn jegliche menschliche Wahrnehmung geht via Mensch. - Aber dann müsste man weiterfragen: "Wo kommt dieser Teil des Menschen her?". - Und dann sind wir wieder voll in der transzendenten Philosophie - also im deduktiven Feld.
Savonlinna hat geschrieben:Wenn man deduktiv vorgeht, sucht man von vornherein nur in seinem eigenen Begriffskasten.
Das macht der induktiv Suchende auch (" "Sucht mal, ob Ihr was findet", geht nicht - s.o.) - nur redet er sich ein, er sei ergebnisoffen, was er absolut nie ist. - Das einzige wirklich Ergebnisoffene aus meiner Sicht ist "Kommissar Zufall" - der Forscher sucht nach irgendwas und ihm fällt etwas auf, was er gar nicht gesucht hat.
Savonlinna hat geschrieben:Jetzt bin ich aber nicht ganz sicher, ob ich Deine Frage richtig verstanden habe.
Wir sind mittendrin.
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sven23
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Re: Parallelen Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft

Beitrag von sven23 »

closs hat geschrieben: Im übrigen würde ich Jung gar nicht so sehr mit "Gott" in Verbindung bringen - allerdings hat er platonisch gedacht, indem er die "Idee"/die "Realie" als Ausgangspunkt für das verstanden hat, aus dem sich Phänomene des Daseins erklären lassen. -
Na ja, Jung hat seine Patientinnen nicht nur platonisch genagelt. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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