Eben las ich etwas vom Transsexuellen Kim de l´horizon:
Und nun kommt´s:Lasst mich eine kleine Anekdote aus meiner Schulzeit erzählen. Ich war ja auch in der normalen, staatlichen Schule, nicht in einer Alien-Akademie. Einmal, in der vierten Klasse während der Stunde «Mensch und Umwelt», waren wir sehr unkonzentriert, und der Lehrer änderte die Sitzordnung. Es war üblich, dass wir uns während «Mensch und Umwelt» frei bewegen und in selbstgewählten Gruppen arbeiten durften. Nun verbot er das, setzte uns zu zweit an die Zweierbänke und mischte Kinder, die Unruhe stifteten, mit Kindern, die brav waren. Er drohte mit der schlimmsten Strafe: «Bleibt sitzen, sonst . . .» Das «Sonst . . .» weckte unsere ärgsten Ängste. Es ärgerte uns, aber wir hielten uns an die neue Sitzordnung und arbeiteten schweigend.
Gegen Ende der Stunde aber wagte es ein Mädchen, sich vor aller Augen zu seinen zwei Freundinnen zu gesellen. Zu dritt sassen sie zusammen und – o Sakrileg – hatten sogar flüsternd Spass! Wir alle schauten schadenfroh zum Pult des Lehrers, malten uns diabolisch die härtesten Strafen aus. Doch nichts geschah. Wir waren baff. Der Lehrer muss das Mädchen, das sich nicht an die Regeln hielt, gesehen haben. Aber er dachte gar nicht daran, uns zu bestrafen. Er wollte einfach Ruhe. Am Nachmittag wurde das Mädchen nicht von einem, sondern von einer Gruppe Jungs verprügelt. Normalerweise hielten sich alle ergebenst an die Schulhof-Maxime: Jungs verprügeln keine Mädchen. Was aber bewegte die Jungs so sehr, dass sie diese ritterliche Regel brachen?
Was ich damit sagen will, solange man sich als Christ an Regeln, Gebote hält, wird man andere Menschen, die das nicht tun hassen. Nur wenn es einem eine Freude ist, erlöst zu sein (und damit frei vom Gesetz) wird man die Weltmenschen nicht hassen.Die Frustration, dass ich mich an die Regeln halte, und diese monströse Person nicht.
Die Wut auf mich selbst: dass ich mir verbiete, mich frei zu bewegen. Die Wut, dass das unbestrafte Mädchen meine Selbstzensur und die damit verbundenen Schmerzen lächerlich macht.
Und die Angst vor der unbekannten Freiheit. Die Angst, wer ich bin, wenn ich mich nicht mehr an die vom Lehrer vorgeschriebenen Verbote halte. Die Angst vor mir selbst. Wie Nelson Mandela sagte: Unsere grösste Angst haben wir nicht davor, unwürdig zu sein, sondern vor unserem Licht, unserer Schönheit, unserer Fabulousness.https://www.nzz.ch/feuilleton/kim-de-lh ... map968HFPA