Wir sollen

Rund um Bibel und Glaube
Antworten
Benutzeravatar
Galahad
Beiträge: 83
Registriert: Mi 12. Feb 2020, 20:00
Wohnort: Camelot
Kontaktdaten:

Wir sollen

Beitrag von Galahad »

Hast du denn auch deinen Spinat gegessen?

Es ist eine besondere Kunst, seinen Kleinkindern Dinge zu erklären. Einerseits will man grob vereinfachen, andererseits dadurch nichts falsches sagen oder gar herabwürdigend werden.

In ähnlicher Lage sehen sich wohl auch die meisten Autoren christlicher Erbauungsliteratur, die gemeinhin auf dem Büchertisch feilgeboten wird. So urteile ich, vom dort meist verwendetem Schreibstil ausgehend. Man will einfach erklären, einem Publikum welches sonst nicht viel bzw. praktisch überhaupt nicht liest.

Umso lustiger, wenn diese Wortführer selbst eine sprachliche Latte reißen.

Verbreitete Grundlage für einen typischen Hindernisfehler dieser Art ist die geistige Vergaloppierung, die gesamte Bibel als eine Sammlung von Gesetzen, Geboten, Verboten, Handlungsanweisungen und Verhaltensregeln zu lesen.

Eben wie man mit Kleinkindern umgeht: ihr sollt euch die Händchen waschen, ihr sollt nicht die Kirschen vom Nachbarn klauen, ihr sollt euch warm anziehen und ihr sollt jetzt Hausaufgaben machen…


Sprechen Sie deutsch?

Es ist eigentlich nicht viel sprachliche Wendigkeit vonnöten, um zu verstehen, was gemeint ist, wenn das Wort "sollen" im Bibeltext geschrieben steht.

Zum Beispiel: Gott spricht zu Noah: "Und du sollst in den Kasten tun allerlei Tiere von allem Fleisch, je ein Paar, Männlein und Weiblein, daß sie lebendig bleiben bei dir." 1. Mose 6, 19

Und es ist völlig klar, eine Handlungsanweisung, die Tiere in der Arche zu sammeln. Sollte jeder Erwachsene leicht verstehen.

Zu Beispiel: Gott spricht zu Abraham: "Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und sollst ein Segen sein." 1. Mose 12, 2

Und es ist völlig klar, eine Verheißung, ein Versprechen. Gott verspricht Abraham, daß dieser ein Segen sein wird.

Dies ist keine Handlungsanweisung. Dies ist ein Versprechen, dass es so sein wird.

Und es ist ja auch so gekommen.

Wir halten fest: das Wort sollen darf im Deutschen vielfältig verwendet werden.

Wir dürfen die Bibel verstehen. Wir sollen die Bibel verstehen. :D


Geistig oder geistlich?

Gleich in den ersten Kapiteln der Bibel wird das Wort sollen so verwendet, dass Leute, die die Bibel gerne als Gesetzestextsammlung lesen, es falsch verstehen wollen.

Zum Beispiel: Gott spricht zu Eva: "Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein." 1. Mose 3, 16

Es ist ja offensichtlich. Keine Hochschwangere kann sich aussuchen, ob sie dem "Gebot" Folge leistet und mit Wehen gebärt, oder ob sie doch der Bequemlichkeit folgend "ungehorsam" ist und einfach auf die Schmerzen bei der Geburt verzichtet.

Es ist also keine Handlunsganweisung.
Sondern einfach eine Mitteilung, wie es sein wird.

Das ist alles für einen Erwachsenen Menschen mittlerer Begabung eigentlich einfach zu verstehen.

Deshalb denke ich, das Problem ist geistlicher Natur, weniger ein Problem des Verstandes als solches.
Benutzeravatar
Abischai
Beiträge: 7373
Registriert: Sa 27. Apr 2013, 14:25

Re: Wir sollen

Beitrag von Abischai »

Na zunächst sehe ich das Problem eher darin, daß die wenigsten Leute heute die deutsche Sprache verstehen. Der Wortschatz ist peinlich begrenzt und man mühet sich auch kaum des Fleißes, wohlfeil zu worten.
Darob schon manch Schelte geschrieben worden sei, wohl denn nicht kümmert es den töricht Mann.

(oder so...)

Das Wort "soll" bedeutet selbstverständlich sowohl den Imperativ, wie denn auch die Befürchtung künftiger Ereignisse.
Es wird so sein.

Im Hebräischen gibt es die uns gewohnten Zeitformen nicht, wiewohl das Sein genau dem Gewesen und dem Werden gleicht.

Wenn Gott sagt: "ICH BIN", dann weiß einjeder was dies bedeutet: "Ich war und bin und werde sein, der ich immer war" (so ähnlich), warum man auch versteht: "Der Seiende" oder schlicht, der Ewige.
Alles richtig, weil es nicht hellenistisch gedacht ist, sondern hebräisch.

Wir tun gut daran, Respekt vor dem Sprachgefühl der Alten zu bewahren und deren Transskriptionen als Ergänzung zueinander zu bewahren und nicht als konkurrierende Alleingänge mißzuverstehen.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]
Benutzeravatar
Helmuth
Beiträge: 15182
Registriert: So 5. Jun 2016, 12:51
Wohnort: Wien

Re: Wir sollen

Beitrag von Helmuth »

Sprachen drücken Dinge unterschiedlich aus, aber der geistliche Aspekt bleibt deswegen dennoch gleich. Das Hebräische kennt den Imperativ, nur in fast allen Stellen, in denen im Deutschen der Imperativ "du sollst" verwendet wird, steht im Hebräischen kein Imperativ, besonders wenn Gott seinen Willen kundtut.

Grammatikalisch ist es zumeist eine Zukunfstform, wobei die Theologie das als einen sog. Imperfekt definiert. Nun ja, die Theologie halt wieder, es ist aber de facto ein Futurum, weil es um Dinge geht, die gegenwärtig noch nicht erfüllt sind.

Beispiel: "Du sollst nicht morden.", so die deutsche ÜS. Hebräisch steht dort aber: "Du wirst nicht morden." Es gibt auch den Imperativ "Morde nicht." und das ist wieder eine andere Form im Hebräischen.

Warum macht man im Deutschen daraus einen Imperativ mit dem Hilfszeitwort "sollen"? Das Rätsel ist hier nicht auf der Ebene der Grammatik zu lösen, sondern auf geistliche Art. Es kommt ja grundsäötzlich damit einer Aufforderung gleich, sozusagen als Anweisung. Ansonsten wäre es ja kein Gebot. Aber hier kommt auch die hebräische Denkweise ins Spiel, die dies als eine prophetische Vorhersage meint.

Ich interpretiere es etwas freier, aber dem prophetischen Sinn gemäß heißt es: "Und es wird geschehen, dass du niemals mehr morden wirst."

Anders ausgedrückt, so etwas kommt dir gar nicht mehr in den Sinn, wie es damit dem Willen Gottes entspricht. Es sollen in dir erst gar keine Mordgedanken mehr hochkommen, die ja böse sind. Dann hat der HG in dir das Ziel erreicht, dass dir das Gesetz ins Herz geschrieben ist. Fällt aber auf, dass ich in dem Satz erst wieder "es sollen" verwende? Ich denke eben Deutsch, aber auch im Sinn des Hebräischen.

Also Gott befiehlt das in dem Sinne nicht, aber er will dich darauf hin erziehen, dass dein Sinn sich dem seinen immer mehr angleicht. Eben nicht als Befehl, dem du zwar gehorchst, aber dein Herz wäre dazu noch gar nicht bereit. Du gehorchst, dennoch ist einiges noch gegen deinen Willen. Das ist immer noch besser als Ungehorsam, aber das Ziel ist noch nicht erreicht. Das Ziel ist Volkommenheit.

Das Ziel wird erreicht, wenn sich dein Wille mit dem Willen Gottes so fest einigt, dass ihr eins werdet, und dann kommen dir solche Gedanken des Mordens erst gar nicht mehr in den Sinn. Dann bist du vollkommen. Wir sehen also, dass Gott uns dazu nicht zwingt, sondern unser Freier Wille sich dazu entschließt. Darum ist Gott auch die Liebe.
Zuletzt geändert von Helmuth am Sa 14. Okt 2023, 08:28, insgesamt 1-mal geändert.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
stereotyp
Beiträge: 907
Registriert: Fr 31. Jul 2020, 23:52

Re: Wir sollen

Beitrag von stereotyp »

Hi,

hmm.. mir stellt sich da irgendwie die Frage, ob unser Gehirnschmalz noch zum Fleisch zählt, so wie in: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

Aber in Bezug auf die Infantilisierung der Gemeinde muss ich Dir unbedingt beipflichten. Ich finde das schrecklich peinlich. "Man muss die Menschen da abholen, wo sie stehen." Mann oh Mann, als ob das alles kleine 3-jährige wären.

Obwohl das durchaus ein zu beobachtender, gesellschaftlicher Trend ist, nicht wirklich erwachsen werden zu wollen.

MfG
Kein Gefallen hat der Tor an Einsicht, sondern nur an der Entblößung seines Herzens.
Sprüche 18,2 (Elb)
Benutzeravatar
Helmuth
Beiträge: 15182
Registriert: So 5. Jun 2016, 12:51
Wohnort: Wien

Re: Wir sollen

Beitrag von Helmuth »

Galahad hat geschrieben: Fr 13. Okt 2023, 21:50 Wir halten fest: das Wort sollen darf im Deutschen vielfältig verwendet werden.
Darum ist es auch ein Hilfszeitwort. "Ich soll" alleine hat ja keine Bedeutung. Was soll ich nun? Das ist die Frage und erst das nachfolgende Verb gibt der Aussage einen Sinn.
Galahad hat geschrieben: Fr 13. Okt 2023, 21:50 Es ist ja offensichtlich. Keine Hochschwangere kann sich aussuchen, ob sie dem "Gebot" Folge leistet und mit Wehen gebärt, oder ob sie doch der Bequemlichkeit folgend "ungehorsam" ist und einfach auf die Schmerzen bei der Geburt verzichtet.
Wird dir mit meiner Erklärung etwas klarer, dass das in dem Sinn auch oft nur schlecht übersetzt wird? Ich zitiere dazu eine recht unübliche ÜS, die sich "DaBhaR" oder "die Geschriebene" nennt. Sie übersetzt Wort für Wort möglichst originalgetreu zur Ursprache:
1 Mose 3:16 nach DaBhaR hat geschrieben: Zu der Männin sparach er: Zu mehren mehre ich deine Betrübtheit und deine Schwangerschaft. in Betrübnis gebierst du Söhne: und zu deinem Mann ist dein Streben, er aber, er wird dir gebiets herrschen.
Klingt wohl holprig, aber es kommt das Wort "sollen" (hebr. "zarich") überhaupt nicht vor. Das Hebräische kennt das "sollen" aber genauso wie auf Deutsch und gebraucht es auch so. Ich soll keinen Kaffee trinken wird auf Hebräisch nicht anders gesagt mit "lo zarich" als man "soll nicht".
Galahad hat geschrieben: Fr 13. Okt 2023, 21:50 Deshalb denke ich, das Problem ist geistlicher Natur, weniger ein Problem des Verstandes als solches.
Es ist alles eine geistliche Sache, was mit Gottes Wort zusammenhängt. Aber er gibt uns auch den HG, der uns tieferen Aufschluss über sein Wort gibt. Und beachte halt immer auch die Problematik des Übersetzens.

Insgesamt aber ein klasses Thema! :thumbup:

Es geht darum wie uns der HG lehrt, was wir sozusagen als Lehre Gottes annehmen sollen und so auch korrekte Theologie ist. Aber keiner muss deswegen seinen Verstand ausschalten, sondern im Gegenteil. Augeschaltet wird er oft durch eine Theologie, die Dogmen wider den Verstand festlegt, dies aber als "Glaubensgut" indoktriniert. Davor hüte man sich.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
Antworten