Quelle:Ein Flickschuster, der gerade genug verdiente, um seine Verpflichtungen zu erfüllen
und bei dem nach der Begleichung seiner Beerdigungskosten kein Geld mehr übrig war,
kam vor vielen Jahren hierher, wie du sagen würdest.
Er wurde von einer kleinen Gruppe von Freunden schlicht empfangen und war damit zufrieden,
dass sie an ihn gedacht hatten und so weit zur Erde herunter gekommen waren,
um ihm die Sphäre zu zeigen, in die er kommen sollte.
Es war eine Sphäre in Erdnähe, und wie ich sagte, war er damit sehr zufrieden.
Denn dort fand er Frieden nach so viel Mühe und Sorgen in seinem ständigen Kampf mit der Armut.
Er hatte nun freie Zeit, herumzugehen und sich die interessanten Orte dieser Sphäre anzusehen.
Für ihn war es wirklich der Himmel. Alle Wesen, mit denen er zusammenkam, waren sehr freundlich zu ihm und er fühlte sich in ihrer Gesellschaft sehr glücklich.
Eines Tages, um eure irdischen Begriffe zu benutzen, kam ein Fürst aus einer höheren Sphäre die Straße entlang,
in der dieser Flickschuster wohnte, und ging zu ihm hinein. Dieser las gerade in einem Buch.
Er hatte es in dem Haus gefunden, in das man ihn gebracht hatte. Man hatte ihm erklärt, dass dies sein Heim sei.
Der Engelfürst begrüßte ihn mit dem Namen, den er auf Erden getragen hatte – ich kann mich nicht an ihn erinnern – und der Flickschuster erhob sich.
„Was liest du, mein Freund?“ fragte ihn der Engel.
Der Mann gab etwa die folgende Antwort: „Eigentlich hatte ich kein Interesse, überhaupt zu lesen. Aber dieses Buch verstehe ich sehr gut.
Doch es ist offenbar nicht für diese Sphäre geschrieben, sondern für eine weit höhere.“
„Worüber handelt es?“ fragte der Engel, und der Flickschuster antwortete: Es handelt von hohen Ebenen und Unternehmungen, von der Organisation großer Gruppen, von Männern und Frauen, in Sphären, die über uns liegen und in denen im Dienst des Allvaters gearbeitet wird.
Diese Leute, wie ich las, gehörten einst zu unterschiedlichen Nationalitäten und zu verschiedenen Glaubensrichtungen,
wie es aus der Art ihrer Sprache zu erkennen ist.
Aber für den Schreiber dieses Buches scheinen sie sich nicht mehr zu unterscheiden,
denn sie sind durch eine lange Ausbildung und während ihres weiteren Aufstiegs zu Geschwistern geworden.
Es gibt keine größeren Unterschiede mehr zwischen ihnen, weder in ihrer Zuneigung zueinander noch in ihrem Denken.
Sie sind in ihrem Ziel, in ihrem Dienst und in ihren Wünschen einmütig.
Deshalb komme ich zu dem Schluss, dass das Leben, über das hier berichtet wird, sich nicht auf diese Sphäre beziehen kann,
sondern nur auf eine weit höhere.
Weiterhin ist das Buch als Lehrbuch nicht für die Gruppe insgesamt, sondern eher für die Gruppenleiter unter ihnen gedacht,
denn es berichtet von der Staatskunst, den erhabenen Gesetzen, und von dem Wissen, das nur bei den Führern erforderlich ist.
Deshalb ist es derzeit für mich nicht von Interesse, aber es kann irgendwann in der weiten Zukunft für mich relevant werden.
Wie das Buch hierher kam, kann ich nicht sagen.” Da nahm der Engelfürst das Buch, klappte es zu und reichte das geschlossene Buch dem Flickschuster stumm zurück.
Als er es aus der Hand des Engels nahm, röteten sich seine Wangen in großer Verwirrung,
denn auf dem Buchdeckel war sein Name mit roten und weißen Edelsteinen eingelegt, und die Steine blitzten voller Licht und Feuer.
„Aber das habe ich nicht gesehen“, sagte er. „Ich habe meinen Namen hier auf dem Buchdeckel bisher nicht erkannt.“
„Doch, wie du siehst, gehört das Buch dir“, sagte der Engel, „und es dient deiner Unterweisung.
Denn du musst wissen, mein Freund, diese Sphäre ist nur ein vorübergehender Ort für dich, in dem du dich ausruhen sollst. Inzwischen hast du dich ausgeruht und musst jetzt mit deiner Arbeit beginnen.
Diese Arbeit ist nicht hier zu leisten, sondern in einer höheren Sphäre, über die das Buch berichtet und in der es geschrieben worden ist.“
Dem Flickschuster stockte die Stimme, denn er hatte Angst.
r schreckte zurück und senkte vor den Worten des Engels den Kopf.
Er konnte nur sagen: „Ich bin ein Flickschuster; ich bin kein Menschenführer. Und ich bin mit einem einfachen Platz in dieser hellen Heimat zufrieden.
Für Menschen wie mich ist es wirklich der Himmel.“
Aber der Engel sagte: „Nun, allein wegen dieser Bemerkung müsstest du aufsteigen.
Denn du musst wissen, dass wahre Bescheidenheit eines der besten Schutzschilde und Sicherheitselemente der Wesen ist, die in den Höhen regieren.
Aber du hast mehr Waffen als dieses Schutzschild der Bescheidenheit, das dich in einer passiven Weise beschützt.
Du hast auch Angriffswaffen in diesem Erdenleben gehärtet und geschärft. Wenn du Stiefel gemacht hast, war es dein Ziel, sie so zu fertigen, dass sie lange haltbar waren.
So hast du den Geldbeutel der armen Käufer geschont. Du hast mehr an die Qualität gedacht als an den Preis, der bezahlt wurde.
Das hast du dir wirklich zur Regel gemacht; diese Regel festigte sich in dir und wurde ein Teil deines Charakters. Hier wird eine solche Tugend nicht gering bewertet.
Außerdem hast du, obwohl du dir dein Auskommen hart erarbeiten musstest, von Zeit zu Zeit eine Stunde des Tageslichtes hergegeben,
um einem Freund zu helfen und bei seiner Ernte zu sammeln, sein Stückchen Land zu bepflanzen, sein Dach oder den Schober mit Stroh zu decken,
oder vielleicht bei einem Kranken am Bett zu wachen.
Die Stunden, die du dadurch verloren hast, hast du bei Kerzenlicht nacharbeiten müssen, denn du warst sehr arm.
Der wachsende Glanz deiner Seele wurde auch von unserer Seite aus wahrgenommen, denn wir sehen die Welt der Menschen von unserer Warte aus,
wo das Licht der Sphären über unsere Schultern streicht und auf die Menschen im Erdenleben fällt. I
n diesem Licht spiegeln sich die Tugenden der Menschen. In ihren Lastern findet dieses Licht keine Reflexion.
So werden die Seelen derer, die ein gutes Leben führen, aufgehellt, während die Seelen derer, die ein schlechtes Leben führen, dunkel und trübe werden.
Über das, was du getan hast und warum du es getan hast, könnte ich dir noch mehr erzählen. Aber lass dir das jetzt genügen, solange ich dir jetzt meine Botschaft ausrichte.
In der Sphäre, über die das Buch berichtet, wartet eine Gruppe von Wesen auf dich. Man hat sie zusammengeführt und ausgebildet.
Ihre Aufgabe ist es, von Zeit zu Zeit eine Sphäre in Erdnähe aufzusuchen und die kürzlich Verstorbenen von anderen Helfern zu übernehmen.
Sie müssen diese Neuankömmlinge prüfen, jedem seinen geeigneten Platz bestimmen und ihn dorthin bringen.
Die Gruppe ist bereit, jederzeit mit dieser Aufgabe zu beginnen und wartet nur noch auf ihren Leiter.
Komm, guter Freund, ich will dir den Weg zu deinen Mitarbeitern zeigen, zu dem Ort, wo sie auf dich warten.“
Da kniete sich der Flickschuster nieder und legte vor den Füßen des Engels seine Stirn auf den Boden, weinte und sagte: „Falls ich wert bin für diesen großen Dienst.
Aber leider bin ich dazu nicht in der Lage. Weder kenne ich diese Gruppe, noch weiß ich, ob sie mir folgen wird.“
Und der Engelfürst antwortete: „Meine Botschaft kommt von dem, der in der Wahl einer Person nicht irren kann.
Komm, du wirst keine Fremden finden. Denn oft, wenn dein müder Körper im Erdenleben schlief, wurdest du in diese Sphäre geführt.
Dort bist du auch ausgebildet worden. Zuerst hast du gelernt, zu gehorchen und später, zu befehlen.
Wenn du sie siehst, werden sie dir alle bekannt sein, und auch sie kennen dich gut. Gott wird deine Kraft sein, denn du bist berechtigt, diese Aufgabe zu übernehmen.“
Dann führte er ihn aus dem Haus hinaus auf die Straße und dann auf den dahinter liegenden Bergpass. Und während sie gingen, wurde seine Kleidung heller und leichter, und sein Körper gewann an Haltung und an Glanz.
Während sie weiter aufstiegen, verschwand in ihm nach und nach die Gestalt des Flickschusters und stattdessen tauchte in ihm die Gestalt eines Leiters und Führers auf.
Nach einer angenehmen Reise, die bewusst verlängert worden war, um seiner Veränderung Zeit zu geben, kamen die beiden zu der Gruppe.
Er erkannte alle, sie stellten sich vor ihm auf und er wusste, dass er sie gut führen würde, denn er sah das Licht der Liebe in ihren Augen
Jenseits der Erdschleiers Band III, Reverend G. Vale Owen
https://www.gcg.ch/pdf/eigene_publikat ... nd%203.pdf