Unsere heutige Rechtssprechung ist auf Schuld aufgebaut. Bis ins Mittelalter und teilweise darüber hinaus, kannte man den Begriff "deliktmildernd" überhaupt nicht, sonst hätte man auf die Hexenverfolgung ja ganz verzichten müssen.closs hat geschrieben:Weiterhin spielt die "Delikt-Fähigkeit" eine Rolle - ein geistig nachgewiesen Kranker ist nicht schuldfähig. - Umgekehrt tut man alles, um einen Angeklagte für schuldfähig halten zu können - deutlich etwa beim Delikt "absichtlicher Vollrausch". - Wenn also jemand im Vollsuff tatsächlich delikt-unfähig jemanden erdolcht, wird ihm dies NICHT als Delikt-Unfähigkeit zugutegehalten - denn man muss immer wissen: Staatliche Rechtsversprechung dient in erster Linie als Ordnungs-Größe, um den Laden "Staat" zu schützen, und erst dann, wie "schuldig" jemand persönlich WIRKLICH ist (beim Zivilrecht wird das besonders deutlich - aber das ginge jetzt zu weit).
Deliktfähigkeit hat sehr viel mit dem freien Willen zu tun. Will der Mensch eine Tat gegen die menschlichen Normem verüben, oder handelt er aus einem inneren Drang heraus? Entscheidet er sich frei zur Tat, oder kann er nicht anders als seiner inneren Tribhaftigkeit folgen?
Ich denke, Leute die dafür bestraft werden dass sie die Regeln der Gesellschaft brechen, können vielleicht gar nicht anders handeln, aber wenn wir sie nicht dafür zur Rechenschaft ziehen, würden sie sich womöglich noch schlechter verhalten, als sie es unter Strafandrohung tun. Wenn es sinnvoll ist, Menschen als moralisch verantwortliche Personen zu behandeln (wenn es sich also auszahlt sie für Gesetzesverstöße zu bestrafen), dann ist das ein hinreichend Beweis dafür, dass moralische Verantwortlichkeit wirklich existiert! Dies ist ein ganz und gar praxisbezogener Ansatz: es bedarf keiner moralischen Empörung darüber das Menschen Regeln verletzen! Wie ist es dann moralisch vertretbar, Leute zu bestrafen die gar nicht anders können, als die Regeln der Gesellschaft zu brechen? Meine Antwort darauf ist "Ja, wir dürfen", denn wir Menschen haben das Recht uns mit dem Zweck zu vereinen, unsere Umweltbedingungen zu verbessern, in dem wir Regeln aufzustellen und diese dann auch durchsetzen.
Ist dennoch unser heutiges Rechtsverständnis falsch?
Brauchen wir im Bezug auf Schuld und Schuldfähigkeit des Einzelnen eine Revision? Sollte man anstelle einer Strafe vielleicht vermehrt auf die Sicherheitsverwahrung pochen, die weniger die Frage der Schuld in den Vordergrund stellt, als vielmehr den Schutz der Gesellschaft vor Wiederholungen sichert?