closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Da bei mir Ergebnisse dessen, was der Mensch ist und vielleicht potentiell ist, aber seine Schatten schon voraus wirft, ein Forschen hinein ins Ungewisse ist, kommt bei mir nicht in Frage, erst mal einen Gott zu definieren und dann mit diesem "Netz", diesem Begriffskasten, die Ergebnisse einer solchen Forschung schon mal von vornherein zu lenken.
Das könnte aber das Ergebnis-Feld einschränken. -
Ja. Und darum ist letzteres für mich kein Weg.
closs hat geschrieben:Natürlich dürfen Ergebnisse nicht vorweggenommen werden. - Aber wie könnte man umgekehrt Gott finden (nehmen wir die Möglichkeit an, dass es ihn gäbe), wenn man ihn von vorneherein aus methodischen Gründen ausschließen müsste?
So ein Denken ist mir insgesamt zu laienhaft. Soll nicht böse gemeint sein.
Was soll denn "Gott" sein, das man methodisch ausschließen könnte?
"Gott" ist ein Wort, ein Begriff - ob man diese vier Buchstaben ausschließt oder nicht, beeinflusst das Ergebnis gar nicht.
Angenommen, das Forschungsprojekt "Alle Sprachen dieser Welt auf ihre Tiefenstruktur bringen und dann die Tiefenstruktur aller Tiefenstrukturen bilden" wäre gelungen, dann hätte man gemeinsame Komponenten herausgefiltert, die allen Sprachen zugrunde liegen.
Und dann erst kommt der Deutungsakt: Was haben wir da über dieses faktische Ergebnis hinaus herausgefunden?
Die einen sagen vielleicht: Nun wissen wir, wie ein Teil des menschlichen Gehirns funktioniert.
Andere: Nun wissen wir, wie Gott funktioniert.
Noch andere: Nun wissen wir, wie die Gene funktionieren.
Das sind samt und sonders weltanschauliche - mitunter auch ideologische - Deutungen, die den Boden der Wissenschaft damit verlassen haben.
Wenn jemand "Gott sucht" in genau dem Sinne, wie ich "den Menschen suche", dann finden beide etwas über Gott bzw. den Menschen heraus und meinen genau das Gleiche. Nur dass der eine andere Buchstaben benutzt als der andere.
Wollen sie aber die Suche von vornherein einschränken, indem sie sagen: Gott habe sich bereits offenbart, und wenn die Wissenschaft etwas herausfindet, was der Offenbarung widerspricht, dann ist das automatisch falsch oder ein Irrtum:
dann schränken sie das Ergebnis von vornherein ein.
closs hat geschrieben:Im übrigen würde ich Jung gar nicht so sehr mit "Gott" in Verbindung bringen - allerdings hat er platonisch gedacht, indem er die "Idee"/die "Realie" als Ausgangspunkt für das verstanden hat, aus dem sich Phänomene des Daseins erklären lassen. - Angenommen, er hätte mit diesem Ansatz recht gehabt - wie könnte man auf dieses richtige Ergebnis kommen, wenn man rein induktiv sucht?
Ich bin mir überhaupt nicht sicher, dass das so der Fall war.
Jung hat nicht von vornherein gesagt: ich will in meinen Patienten jetzt die Platonischen Ideen finden.
Sondern er hat
festgestellt, in der konkreten Arbeit mit seinen Patienten, dass bei verschiedenen Träumenden ganz ähnliche Traumfiguren vorhanden sind, wie "Die Alte Frau", "Der Weise Mann", "das goldene Kind" etc.
Er hat relativ verblüfft diese Figuren auch in den alten Märchen wiedergefunden - darum nannte er diese Figuren "Archetypen" - Urfiguren, die in unserem Unterbewussten in irgendeiner Form vorhanden sind.
Dass ihm dann einige "platonisches Denken" übergestülpt haben, kann ja sein. Aber mit Plato hat das gar nichts zu tun, wie ich Jung verstehe. Er war Praktiker, war kein Philosoph.
Ich kann mich aber an eine Stelle erinnern, wo er selber beschreibt, wo ihm etwas wie Schuppen von den Augen gefallen ist:
Es ist ja bekannt, dass Patientinnen sich nicht selten in ihre Psychotherapeuten verlieben.
War auch bei C.G.Jung so, und in dem einen Fall war die Patientin ihm gegenüber sehr fordernd und erwartete strikt, dass er alle ihre Probleme wegfegt. In einem Traum sah sie C.G.Jung wohl so, dass er das alles ganz locker hinkriegte.
Und da fragte sich Jung verblüfft - und hat das in diesem Aufsatz aufgeschrieben -, ob diese doch so sinnlose Projektion einer Patientin auf ihren Analytiker, als sei er allmächtig und sie selber geborgen in seinem Können, nicht heiße, dass sie den Archetypus "Gott" auf ihn projizierte.
Das würde dann bedeuten - sage jetzt ich -, dass dieser Archetypus im Menschen enthalten sei.
Und dass er nicht nur mit "Gott" bezeichnet wird, sondern auch mit "Führer'". Und im Anfang einer Liebe kann es ebenfalls sein, dass man das geliebte Wesen anhimmelt, als sei es vom Himmel.
Das würde alles dafür sprechen, dass dieser Archetypus Tel des Menschen ist und per Projektion seine "Opfer" sucht.
closs hat geschrieben:Das scheint mir ein Grundsatz-Problem zu sein, das dazu führt, dass man nur innerhalb seines eigenen Horizonts sucht - also nur da etwas findet. - Habe ich Deine obige Bemerkung richtig verstanden?
Wenn man deduktiv vorgeht, sucht man von vornherein nur in seinem eigenen Begriffskasten.
Geht man induktiv vor, hat man mehr die Chance, etwas zu finden, was den eigenen Horizont erweitern könnte.
Jetzt bin ich aber nicht ganz sicher, ob ich Deine Frage richtig verstanden habe.