Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Literatur, Malerei, Bildhauerei
Munro

Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Munro »

Rembremerding hat geschrieben: So 17. Mär 2019, 16:03 Jahrzehnte später nach deiner Reise kam ich u.a. nach Armagh. Mancherorts war es mir, als wäre ich auf einem Gefängnishof, vor allen in den dort weiträumigen katholischen Vierteln. Zwar hatte sich damals gerade die IRA schon zu einem Waffenstillstand durchgerungen, aber in Erinnerung blieben mir die Polizeistationen: Türme, die hinter meterhohen Mauern standen, die obersten Fenster mit einem Stahlgerüst gegen Granaten umgeben. Man gebe in ecosia ein: Polizeistation Armagh - und man bekommt zahlreiche nicht freigegebene Bilder angezeigt.
Bei meinen späteren Reisen nach Irland habe ich das auch so in Belfast und in Londonderry erlebt.
Ich werde noch davon in meiner Geschichte berichten.
Im Jahre 1969 war es in Nordirland noch vergleichsweise friedlich.
Munro

Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Munro »

Nun erzähle ich von diesen drei Anhalter-Fahrten durch Nordirland.

Fahrt eins:

Hier war es ein Protestant, der mich mitgenommen hatte.

Im Gespräch ging es um das eventuell bevorstehende Eingreifen der Britischen Armee in den Konflikt. Im Januar 1969 war ja damals noch kein einziger britischer Soldat auf nordirischem Boden.

Allgemein wurde erwartet, dass die Britische Armee zum Schutz der katholischen Minderheit vor Übergriffen der protestantischen Mehrheit nach Nordirland käme!

Anfangs war das wohl auch so .... Aber dann wendete sich das Blatt.

Mein protestantischer Gesprächspartner war jedenfalls hell empört über die Ausssicht, dass die Britische Armee ins Land käme. Er vermutete sie voll auf Seiten der Katholiken.

Und für diesen Fall würde er nach Amerika auswandern, sagte er!
Munro

Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Munro »

Fahrt zwei:

Diesmal war es ein Katholik, der mich mitnahm.

Er war auf der Fahrt zu einem Vorstellungsgespräch für einen eventuellen Job.

Große Chancen rechnete er sich nicht aus, wie er mir sagte.

Denn die Firma war in protestantischem Besitz, und die würden Katholiken nur im äußersten Notfall einstellen.

Ich fragte ihn, wie man in der Firma denn herausfinden würde, ob er Katholik oder Protestant sei.

"Steht das im Ausweis? Oder fragt man Sie da direkt danach?"

Er erklärte mir: "Sie fragen nach der Schule, die man besucht hat."

Ein verständliche Frage, einerseits.

Doch da in Nordirland so gut wie alle Schulen konfessionell getrennt sind, ist daran auch meist zu erkennen, ob man einen Katholiken oder einen Protestanten vor sich hat.

Mal ein erfundenes Beispiel:

Heißt die Schule "Saint Mary", ist sie sicher katholisch.

Heißt sie "King William", ist sie sicher protestantisch.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Ich wünschte meinem Gastgeber am Ende der Fahrt viel Glück.

Er war pessemistisch.

Und ich auch.

Ob er wohl den Job damals bekommen hat?

Ich werde es nie erfahren ......
Munro

Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Munro »

Fahrt drei:

Ein junger Katholik hatte mich da mitgenommen, der begeistert davon erzählte, wie sich nun da und dort Widerstand gegen die Polizei regte.

Zur Erinnerung: Die Polizei (RUC = Royal Ulster Constabulary) war ja in Nordirland damals fast rein protestantisch - und bei Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten nicht unparteiisch.

Voller Stolz fuhr er mit mir einen Umweg, um mir die Stelle zu zeigen, wo vor kurzem ein Polizeiwagen in Brand gesetzt worden war.

Damals noch eine Sensation! Eine Premiere!

Später dann Alltag .....

Es war in einer ruhigen Kleinstadt, wo er mir dann die Stelle zeigte. Das verbrannte Auto war schon weg, doch ich konnte noch sehen, wie sich geschmolzenes Metall in den Asphalt eingebrannt hatte.

Dieses Bild habe ich noch deutlich vor mir.

Wie ein Symbol für die danach immer stärker werdenden Unruhen .....
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Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Magdalena61 »

Wo wohnten denn zu dieser Zeit (1969) deine Eltern? Und was meinten sie zu deinem Trip in Gebiete, die vom Bürgerkrieg bedroht waren?
LG
God bless you all for what you all have done for me.
Munro

Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Munro »

ich lebte damals nicht mehr unter elterlicher Aufsicht
ich war damals 22 Jahre alt
meine Eltern hatten doch keine Ahnung, wo genau ich damals gerade war
und das übrige Europa hatte damals 1969 die Ereignisse in Nordirland noch gar nicht wirklich auf dem Schirm

und was meinst du zu meiner Erzählung? :)
Munro

Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Munro »

Magdalena61 hat geschrieben: Di 19. Mär 2019, 17:00 Wo wohnten denn zu dieser Zeit (1969) deine Eltern?
Um diese Frage nun genau zu beantworten:
Sie lebten damals in Baden-Baden.
Und ich lebte damals in Newcastle-upon-Tyne - in Nord-England.
Munro

Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Munro »

Ich erzähle weiter:

-------------------

Nun ein kurzer Abstecher nach Süden. Immer noch im Jahre 1969.
Selbstverständlich war ich auch neugierig auf die Republic of Ireland.
Ich fuhr also auch nach Dublin und verbrachte dort ein paar Tage.

Doch da das Thema hier ja "Nordirland" heißt, möchte ich hier nur kurz zwei Dinge nennen, die mir als besonders merkwürdig auffielen:

1. Die vielen Palmen!

2. Die Hakenkreuz-Wäscherei! Das ist kein Witz! In Dublin gab es damals eine "Swastika Laundry", deren Lieferwagen mit einem großen Hakenkreuz-Logo geschmückt durch Dublin fuhren. Mit Nationalsozialismus hatte das aber gar nichts zu tun. Diese Wäschei war gegründet worden zu einer Zeit, als Herr Hitler aka Herr Schicklgruber (wie die Angelsachsen und Iren ja gerne sagen) in der Welt noch völlig unbekannt war. Doch könnt ihr euch vorstellen, wie so etwas auf einen Deutschen wirken muss!

Doch leicht merkwürdig ...

Schnell eine Erklärung dazu - auf englisch:
The Swastika Laundry was an Irish business founded in 1912, located on Shelbourne Road, Ballsbridge, a district of Dublin. Its name and logo caused consternation.

The laundry was founded by John W. Brittain (1872–1937) from Manorhamilton, County Leitrim, who was one of the "pioneers of the laundry business in Ireland", having founded the Metropolitan and White Heather Laundries in 1899. He was also the owner of a famous horse called Swastika Rose which was well known "to frequenters of the Royal Dublin's Society's Shows".

The use of the Swastika name was as an ancient Indian symbol of good luck: its name originates from the Sanskrit svastika
https://en.wikipedia.org/wiki/Swastika_Laundry

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Doch denke ich gerne zurück an meinen ersten Besuch in Dublin, als diese Stadt eher noch etwas verschlafen und gemütlich wirkte, im Gegensatz zu dem hektischen Dublin von heute.
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Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Magdalena61 »

Esperanzia hat geschrieben: Di 19. Mär 2019, 17:47 ich lebte damals nicht mehr unter elterlicher Aufsicht
Du hast mit 22 Jahren in England gewohnt und deine Eltern in Baden-Baden? War oder ist das in eurer Familie üblich, in verschiedenen Ländern zu wohnen?
meine Eltern hatten doch keine Ahnung, wo genau ich damals gerade war
Das war vielleicht besser so. Für die Eltern. :)
und was meinst du zu meiner Erzählung? :)
Heftig.
Einen Fernseher hatten wir nicht zu Hause, die Geräte waren auch sehr teuer früher. Wenn wir bei den Stadt- Großeltern in Ferien waren, sah Oma immer die heute- Nachrichten, und ständig kam da etwas über den Nordirlandkonflikt. Als Teenie fand ich das Blutvergießen im Namen von "evangelisch" und "katholisch" verwirrend und schrecklich.
Deine Erzählung erinnert mich wieder daran.
LG
God bless you all for what you all have done for me.
Munro

Re: Ein Besuch in Nordirland im Jahre 1969

Beitrag von Munro »

Magdalena61 hat geschrieben: Mi 20. Mär 2019, 03:44 War oder ist das in eurer Familie üblich, in verschiedenen Ländern zu wohnen?
Nein, das war in meiner Familie ganz und gar nicht üblich. Sie war sehr ortsgebunden.
Ich habe damals im Rahmen meines Studiums ein Auslands-Semester in England gemacht.
Sonst studierte ich in Freiburg im Breisgau.
Ich war auch damals der erste und einzige der Familie, der eine Uni von innen gesehen hat.
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