Das echte, das ursprüngliche Christentum

Philosophisches zum Nachdenken
Faust

Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von Faust »

„Es ist falsch bis zum Unsinn, wenn man in einem Glauben, etwa im Glauben an die Erlösung durch Christus das Abzeichen des Christen sieht: bloß die christliche Praktik, ein Leben so wie der, der am Kreuze starb, es lebte, ist christlich... Heute noch ist ein solches Leben möglich, für gewisse Menschen sogar notwendig: das echte, das ursprüngliche Christentum wird zu allen Zeiten möglich sein... “
Friedrich Nietzsche: Der Antichrist

Amen! :engel: :Herz2:


Nevis

Re: Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von Nevis »

Du meinst, jener Friedrich soll uns das Christentum erklären? :?:
Faust

Re: Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von Faust »

Nevis hat geschrieben: Di 22. Okt 2019, 20:06 Du meinst, jener Friedrich soll uns das Christentum erklären? :?:
Ja, warum nicht? Nietzsche war ein meisterhafter DiaGnostiker seiner Zeit. Ich denke, dass Nietzsche tatsächlich ein aufrichtiger Wahrheitssucher war und mehr vom echten, ursprünglichen Christentum verstanden hat, als einige jener Menschen, die sich selbst zwar Christen nennen, aber besser „Fake Ass Christians“ genannt werden sollten, da Theorie und Praxis, Ideal und Wirklichkeit bei ihnen sehr weit auseinander klaffen :) Nietzsche bekämpfte niemals Christus, meiner Ansicht nach. Er bekämpfte ein falsch verstandenes Christentum, welches sich sehr weit von dem Vorbild des lebendigen Jesus entfernt hat. Er nennt das „ eitel Lug und Trug“:
„Man soll das Christenthum als historische Realität nicht mit jener Einen Wurzel verwechseln, an welche es mit seinem Namen erinnert: die andern Wurzeln, aus denen es gewachsen ist, sind bei Weitem mächtiger gewesen. Es ist ein Mißbrauch ohne Gleichen, wenn solche Verfalls-Gebilde und Mißformen, die »christliche Kirche«, »christlicher Glaube« und »christliches Leben« heißen, sich mit jenem heiligen Namen abzeichnen. Was hat Christus verneint? – Alles, was heute christlich heißt. Die ganze christliche Lehre von Dem, was geglaubt werden soll, die ganze christliche »Wahrheit« ist eitel Lug und Trug: und genau das Gegenstück von Dem, was den Anfang der christlichen Bewegung gegeben hat.

Das gerade, was im kirchlichen Sinn das Christliche ist, ist das Antichristliche von vornherein: lauter Sachen und Personen statt der Symbole, lauter Historie statt der ewigen Thatsachen, lauter Formeln, Riten, Dogmen statt einer Praxis des Lebens. Christlich ist die vollkommene Gleichgültigkeit gegen Dogmen, Cultus, Priester, Kirche, Theologie. Die Praxis des Christentums ist keine Phantasterei, so wenig die Praxis des Buddhismus sie ist: sie ist ein Mittel, glücklich zu sein.

[...]

Das Himmelreich ist ein Zustand des Herzens (– von den Kindern wird gesagt »denn ihrer ist das Himmelreich«): Nichts, was »über der Erde« ist. Das Reich Gottes »kommt« nicht chronologisch-historisch, nicht nach dem Kalender, Etwas, das eines Tages da wäre und Tags vorher nicht: sondern es ist eine »Sinnes-Änderung im Einzelnen«

[...]

Die Christen haben niemals die Handlungen prakticirt, welche ihnen Jesus vorgeschrieben hat, und das unverschämte Gerede von der „Rechtfertigung durch den Glauben“ und dessen oberster und einziger Bedeutsamkeit ist nur die Folge davon, daß die Kirche nicht den Muth, noch den Willen hatte, sich zu den Werken zu bekennen, welche Jesus forderte.“ (Zur Geschichte des Christenthums)
Friedrich Wilhelm Nietzsche: Der Wille zur Macht I - Kapitel 13


Nietzsche hat richtig erkannt, dass wahres Christentum eine neue Lebenspraxis und Seinsweise ist. Regelrecht eine innere Revolution und Neuschöpfung des Menschen. Wenn wir das zum Maßstab nehmen, dann hat es in der Geschichte nur wenige wirkliche „Nachfolger Jesu“ und „Christen“ gegeben. Die meisten Christen sind alte Menschen geblieben. Nachfolge bedeutet für mich: Jesus nachfolgen in ein neues Bewusstsein („Christusbewusstsein“), sodass wir wirklich neue Menschen werden, anstatt nur darüber zu reden und davon zu träumen. In der Bergpredigt sagt Jesus: „Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ - doch wirklich friedfertig kann nur der neue Mensch sein.

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T4125Gamer
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Re: Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von T4125Gamer »

Faust hat geschrieben: Di 22. Okt 2019, 20:27 ... aber besser „Fake Ass Christians“ genannt werden sollten ...
Andere als Fake Ass Christians zu bezeichen finde ich keinen guten Gesprächsstil. Von daher bitte ich darum, das absofort zu unterlassen. Es könnten sich einige, von diesem Ausdruck, persönlich angegriffen fühlen. Und meiner Meinung nach sollte man hier keinen Streit mit solchen Kleinigkeiten auslösen. Irgendjemand versteht das falsch und dann haben wir wieder den Salat.
Rembremerding

Re: Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von Rembremerding »

T4125Gamer hat geschrieben: Mi 23. Okt 2019, 06:49 Andere als Fake Ass Christians zu bezeichen finde ich keinen guten Gesprächsstil.
Das sind üble verbale Ausfälle, gerade dann, wenn gleichzeitig gute, fromme Texte gepostet werden, die eigentlich das Herz verändern sollten. Wenn man dennoch dadurch keine Achtsamkeit und Respekt für Mensch und Welt erhält, sind entweder die Texte kraftlos oder der Mensch, der sie liest und nicht verinnerlicht.

Servus :wave:
Ams

Re: Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von Ams »

Nobody ist nunmal perfect.
Selbst sogar Jesus musste ein paar mal fluchen wenn die Pharisäerdosis zu hoch wurde.

Es zeigt sich auch in solchen Threads immer recht gut wie sich "die Geister" gruppieren.

Faust hat ein sehr sehr tiefes Verständnis + Draht zu Jesus Christus.

Nahezu alle seine Beiträge sind hoch inspirierend :thumbup:
(außer wenn er mir im Bahaithread widerspricht :D :lol: )
Ams

Re: Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von Ams »

Nochmal kurz zurück zum Threadthema.

Das Thomasevangelium enthält in seinen Anfangsversen folgendes:
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"Wenn jene, die euch verführen, zu euch sagen: ,Siehe, das Königreich ist im Himmel`, so werden euch die Vögel des Himmels zuvorkommen. Sagen sie zu euch: ,Es ist im Meer`, so werden euch die Fische zuvorkommen."

"Wenn ihr euch erkennt dann ihr werdet wissen, daß ihr die Söhne des lebendigen Vaters seid. Wenn ihr euch aber nicht erkennt, seid ihr die Armut" (Logion 3)

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Das bedeutet daß das Himmelreich, als auch das Christ-Sein (= Sohn-Gottes-Sein)
eine Sache der Selbsterkenntnis ist. (<-- ohne nun auf die Details einzugehen )

Die "Verführer" (bzw. eher: die Verführten) sind in dem Fall jene... die alles "äußerlich" interpretieren.

Während die wahren Christen gemäß Thomas und somit gemäß Jesus, nach innerer Selbsterkenntnis streben.

Wir hatten ja schon das Beispiel von "Adam und Eva" und ob diese Metapher äußerlich oder innerlich gemeint ist.

Und so zieht sich das komplett durch.

Auch zB: "...mit Posaunen und Trompeten vom Himmel am Tag der Entrückung"...

Gleiches Schema. Kommt die Endzeit-Entrückungs-Armagedon-Irrlehre bei raus... äußerlich verstanden.

All das Buchstäblich und Äußerlich verstanden hat nichts mit dem orginalen Christentum von damals zu tun.
(also zu jener Zeit, bevor eine rkk alles "säuberte" was ihr und ihren Herren nicht genehm war,gelinde gesagt)
"Wenn jene, die euch verführen, zu euch sagen: ,Siehe, das Königreich ist im Himmel`, so werden euch die Vögel des Himmels zuvorkommen..."

"Wenn ihr euch hingegen erkennt... dann ihr werdet wissen, daß ihr die Söhne des lebendigen Vaters seid"
Daher also der ganze Zoff...
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Oleander
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Re: Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von Oleander »

Ams hat geschrieben: Mi 23. Okt 2019, 08:18 Selbst sogar Jesus musste ein paar mal fluchen wenn die Pharisäerdosis zu hoch wurde.
Wo hat er den "geflucht"?
Hast du Bibelstellen?
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
Spice
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Re: Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von Spice »

Friedrich Nietzsche wäre möglicherweise nicht der geworden, der er wurde, wenn er tatsächlich
echte Christen vorgefunden hätte.
Jedenfalls muss ich zustimmen, dass er in vielem den christlichen Glauben besser verstanden hat als viele, die sich (berechtigt oder nicht) Christen nennen.
Jedenfalls ist dem völlig zuzustimmen:
Faust hat geschrieben: Di 22. Okt 2019, 20:27 Das Himmelreich ist ein Zustand des Herzens (– von den Kindern wird gesagt »denn ihrer ist das Himmelreich«): Nichts, was »über der Erde« ist. Das Reich Gottes »kommt« nicht chronologisch-historisch, nicht nach dem Kalender, Etwas, das eines Tages da wäre und Tags vorher nicht: sondern es ist eine »Sinnes-Änderung im Einzelnen«

"...bloß die christliche Praktik, ein Leben so wie der, der am Kreuze starb, es lebte, ist christlich... Heute noch ist ein solches Leben möglich, für gewisse Menschen sogar notwendig: das echte, das ursprüngliche Christentum wird zu allen Zeiten möglich sein... “

"Die Praxis des Christentums ist keine Phantasterei, so wenig die Praxis des Buddhismus sie ist: sie ist ein Mittel, glücklich zu sein. "
Ams

Re: Das echte, das ursprüngliche Christentum

Beitrag von Ams »

Hallo Oleander
Oleander hat geschrieben: Mi 23. Okt 2019, 11:12 Wo hat er den "geflucht"?
Hast du Bibelstellen?
Ja, Jesus fluchte (Mk 11,21), weinte (Lk 19,41) .. und randalierte sogar (Mk 11,15)

Oder in den Streitgesprächen... nannte er die damaligen Hardliner sogar "Söhne des Teufels"... während sie sich als "Söhne Abrahams" verstanden.

Das war natürlich auch eine Beleidigung. Das kommt einfach nunmal - manchmal - vor, wenn wie gesagt die Pharsiäerdosis zu hoch wird.

Kurz: Jesus war genauso Mensch wie wir.

Aber er war ein vom Geist Gottes zutiefst erleuchteter Mensch.

Achtung: Auf keinen Fall aber in den weit verbreiteten Jesus-Personenkult verfallen.

Das war das aller letzte was Jesus jemals wollte.

Bloß nicht in die Irre leiten lassen via: "Jesus, einzig und allein und nur er allein war "der Sohn Gottes".

Das verführt... es führt vom Weg weg. Achte darauf wie stark an diesem "ver-führerischen" Personenkult bzgl. Jesus unbedingt festgehalten wird... und wieviel Streit und Feindschaft das schon alles ausgelöst hat.

Sohn Gottes ist ein spiritueller Titel für die höchst möglichste Gottesgewahrsamkeit die ein Mensch haben kann.

Obiger "Jesus-only-Son-of-God-Personenkult" aber, zerstört die Mission Jesu <-- theologisch gesprochen.

Denn die Aussage "...der einzige Sohn Gottes" sagt gleichzeitig aus --> daß Du es nicht sein kannst.

Die Aussage und das Leben von Jesus wollte aber genau das sagen:

"Ich bin euer Bruder und was ich bin seid ihr in euren tiefsten Wesen auch. Folgt meinen Weg nach."

Die Nachfolge war --> sich seiner Gottessohnschaft genauso bewust werden wir es Jesus bewust war.

( Gottessohnschaft --> gilt natürlich auch für alle Frauen --> versteht sich. )

Die Gottessohnschaft ist wiederum nur eine Bezeichnung für die höchstmöglichste Erleuchtung, wenn man es Erleuchtung nennen will.... die ein Mensch in sich bzgl. sich selbst und Gott haben kann.

Dies zu erreichen... dieses Bewustsein zu erreichen... war das ursprünglich wahre Christentum.

Das Thomasevangelium fing deshalb auch aus genau diesen Grund so an:
(aber auch in den kanonischen Evangelien weist vieles noch darauf hin... nicht nur im Thomasevangelium)
"Wenn ihr euch erkennt dann werdet ihr wissen daß ihr die Söhne des lebendigen Gottes seid" (Logion 3)
Darum ging es.

Immer noch.

Das war und ist der Kern. Verschüttet worden durch alles mögliche.. Personenkult, Opferkult, Machtstreit, Religionsstreit, Trinität, Komplexe Theologien von Theologen die diesen Kern selbst nicht mehr kennen...

usw. usw. usw.

Sehr lange Liste was alles diesen Kern von Jesus und seinem Auftreten verschüttet hat.

lg Ams
Zuletzt geändert von Ams am Mi 23. Okt 2019, 12:10, insgesamt 1-mal geändert.
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