Der Sündenfall

Themen des alten Testaments
Hiob
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von Hiob »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: So 8. Mär 2020, 23:58 steht doch unzweifelhaft fest, dass der Mensch nun mal einen eigenen Weg ging.
Genau. --- Und jetzt wäre die Frage: Warum nicht vorher? - Eine Antwort wäre: Weil Adam vorher keine reflektierende Eigen-Erkenntnis/Selbst-Orientierung hatte.

Ein Verständnisbild: Ein Embryo empfindet seine Existenz im Bauch der Mutter als EINS - sobald es geboren wird, ist dieses EINS getrennt, wiewohl die Bindung zur Mutter noch sehr eng ist. ---- Irgendwann kommt es zur Ablösung - Anzeichen dafür sind "Neugier" und "Nein" - also der Aufbau einer eigenständigen Identität. ---- Aus meiner Sicht ist der Sündenfall ein geistlicher (sowohl phylogenetisch als auch ontogenetisch gemeint) Loslösungsprozess zugunsten einer eigenen Identität.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: So 8. Mär 2020, 23:58 Moderne Exegese berücksichtigt aus historisch kritischen Gründen nur den näheren Kontext einer Passage oder bestenfalls eines Buches, nicht aber den übergeordneten Kontext der ganzen Schrift. Oder nüchterner ausgedrückt, der Autor eines zeitlich früheren Buches könne nichts von Inhalten wissen, die spätere Autoren niederschrieben. Die christlich befangenen Autoren des NT könnten uns schon gar nichts über die hebräischen Schriften eröffnen. Dieser ungeistlichen Methode folge ich aber nicht.
Wenn ich Dich richtig verstehe: Herzlichste Zustimmung. --- Das ist der Grund, warum Exgese nichts in substantiell-geistlicher Bibel-Interpretation zu suchen hat.
Michael hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 07:55 Hiob hat geschrieben: ↑
So 8. Mär 2020, 18:45
Das Problem dabei: Darf man irreführende Warum-Erklärungen im Raum stehen lassen, selbst wenn es letztlich ums "DASS" geht?

Ich denke schon. Machen wir einen simplen Test.

Warum hast du genau 5 Finger und nicht 4 oder 6 bzw. 8? Warum haben Spinnen 8 Beine, andere Insekten 6, die Tiere des Feldes im allgemeinen 4 und Vögel nur 2? Warum? Warum können nicht alle Lebewesen gleichzeitig laufen, fliegen und schwimmen, sondern jedes nur auf seine Art? Warum?

Keine Ahnung, aber es ist Tatbestand. Und nun auch eine Warum Frage: Warum sollte ich diesen Fragen bis zum St. Nimmerleinstag nachgehen? Was ändert bloßes (noch mehr) Wissen daran?
da bin ich anderer Meinung - oder um es in den Worten von Anselm von Canterbury (1033–1109) zu sagen:

“Neque enim quaero intelligere ut credam, sed credo ut intelligam.”
„Denn ich suche nicht zu {erkennen, begreifen, verstehen}, um zu glauben, sondern ich glaube, um zu {erkennen, begreifen, verstehen}.“

Allerdings gibt es hier ein Problem: Sobald etwas ins Befinden des Menschen kommt (hier: die Verknüpfung von Glauben und Wissen), besteht die Gefahr eines Selbstläufers. - Dieser Selbstläufer formuliert sich heute in sich selbst als "aufgeklärt" verstehenden Aussagen wie "Weil ich erkenne, glaube ich nicht". ---- Insofern ist das, was Anselm sagt, richtig, ABER er macht damit ein Fass auf - er ruft Geister, die niemand mehr unter Kontrolle kriegt.

Und damit sind wir voll im "Sündenfall" und übrigens auch im anderen Thread, wo es um Hiob und Leid geht. --- Das ist übrigens der Grund, warum Scholastik (Anselm) und Mystik nicht so gerne etwas miteinander zu tun haben wollen. --- Der Mystiker lässt sogenanntes "Wissen" erst gar nicht rein, weil er weiß, wohin es führen kann - nebenbei: Er wehrt das nicht ab, weil er selber zu doof für intellektuelle Ausführungen wäre (ganz im Gegenteil - man lese Meister Eckart), sondern weil er die Gefahr sieht.
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PeB
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von PeB »

Hiob hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 09:07
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: So 8. Mär 2020, 23:58 steht doch unzweifelhaft fest, dass der Mensch nun mal einen eigenen Weg ging.
Genau. --- Und jetzt wäre die Frage: Warum nicht vorher? - Eine Antwort wäre: Weil Adam vorher keine reflektierende Eigen-Erkenntnis/Selbst-Orientierung hatte.
Streng genommen hätte er diese auch nicht gebraucht, wenn er geglaubt und vertraut hätte. Gott hatte etwas gesagt und er hätte ihm glauben können. Statt dessen ließen Adam und Eva sich dazu verführen, nach Informationen seitens der Schlange und eigenen Überlegungen abzuwägen.
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Hiob
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von Hiob »

PeB hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 11:04 Streng genommen hätte er diese auch nicht gebraucht, wenn er geglaubt und vertraut hätte.
Theoretisch richtig. - Aber wie soll das funktionieren, wenn der Mensch "neugierig" ist und sich geistig emanzipieren soll? - "Glauben und Vertrauen" ist doch hier gleichbedeutend mit "Keine Ahnung, was der sagt: Aber ich schließe mich dem vorbehaltslos an".

WENN nun das Ziel Gottes ist (was ich glaube), dass der Mensch eigen-bewusst wird (also Dinge selber zu beurteilen lernt), ist "Glaube und Vertrauen" in diesem Sinne nicht der richtige Weg. ---- "Glaube und Vertrauen" macht erst dann wieder Sinn, wenn der Mensch eigen-bewusst eine Spur und deren Richtung (zu Gott hin) erkannt hat und gleichzeitig erkennt, dass er nicht alles erkennt. - Dann kann man sagen: "Ich erkenne selber, wo in etwa das Heil ist, aber mein Vermögen ist überfordert, dies genau zu erkennen"(siehe auch: 1.Kor. 13,12). Und weil dem so ist, fülle ich meine fehlende Erkenntnis mit "Glaube und Vertrauen".

Vor dem Fall geht es aber nicht um "Ich habe etwas Erkenntnis" und "Mir fehlt noch Erkenntnis, die ich mit Glaube und Vertraue auffülle", sondern um keine Erkenntnis, die erst am "Baum der ERKENNTNIS" initiiert wird. - Erst danach ist "Glaube und Vertrauen" bewusst möglich - vorher fehlt die Bewusstseins-Grundlage dafür.
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PeB
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von PeB »

Hiob hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 12:02
PeB hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 11:04 Streng genommen hätte er diese auch nicht gebraucht, wenn er geglaubt und vertraut hätte.
Theoretisch richtig. - Aber wie soll das funktionieren, wenn der Mensch "neugierig" ist und sich geistig emanzipieren soll? - "Glauben und Vertrauen" ist doch hier gleichbedeutend mit "Keine Ahnung, was der sagt: Aber ich schließe mich dem vorbehaltslos an".
Gott hat zwei Alternativwege eröffnet:
1. naiver Glaube
2. erkennender Glaube

Der erste Weg ist gut im Sinne eines kindlichen Urvertrauens. Ich scheue mich davor, den zweiten Weg den "besseren" zu nennen, weil er über Jahrtausende so viel Unheil produziert hat. Unheil infolge menschlicher Autonomie.
Auf die Frage "warum lässt Gott das Unglück in der Welt" zu, muss daher die Antwort lauten: weil er die menschliche Entscheidung zur Autonomie akzeptiert hat.
Die gesamte Heilsgeschichte dreht sich nun darum, dass der Mensch von seinen Glaubenszweifeln (die in seiner Autonomie begründet liegen) zu einem Glauben aus eigener Erkenntnis heraus gelangt. Darin wird er von Gott durch die Heilsgeschichte unterstützt.
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Helmuth
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von Helmuth »

Hiob hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 09:07 da bin ich anderer Meinung - oder um es in den Worten von Anselm von Canterbury (1033–1109) zu sagen:

“Neque enim quaero intelligere ut credam, sed credo ut intelligam.”
„Denn ich suche nicht zu {erkennen, begreifen, verstehen}, um zu glauben, sondern ich glaube, um zu {erkennen, begreifen, verstehen}.“
Bis hierher konnte ich folgen und hab auch nichts dagegen, wenn es mich auch nicht sonderlich anspricht. Ich lasse beide Richtunge gelten. Man erkennt seine Sünde aufgrund des Glaubens und wächst auch im Glauben um damit besser zu erkennen, dass man nicht fortwährend sündigt. Das ist eine Wechselwirkung zwischen den HG und deinem Geist, der ja in gegenseitiger Beziehung steht.

Aber du weißt auch was ich von dem Philosophenkram halte. Ich verwende mehr die Begriffe "Überführung" und "Offenbarung". Für beides musst du als Grundvoraussetzung zunächst glauben. Ohne Glaube ist es unmöglich Gott zu gefallen von ihm irgendwas zu empfangen.
Hiob hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 09:07 Und damit sind wir voll im "Sündenfall" und übrigens auch im anderen Thread, wo es um Hiob und Leid geht. --- Das ist übrigens der Grund, warum Scholastik (Anselm) und Mystik nicht so gerne etwas miteinander zu tun haben wollen. --- Der Mystiker lässt sogenanntes "Wissen" erst gar nicht rein, weil er weiß, wohin es führen kann - nebenbei: Er wehrt das nicht ab, weil er selber zu doof für intellektuelle Ausführungen wäre (ganz im Gegenteil - man lese Meister Eckart), sondern weil er die Gefahr sieht.
Ab hier Bahnhof. Nicht meine Denkwelt. Ich lese dazu in erster Linie die Bibel, will ich wirklich etwas über das Wesen der Sünde erfahren, das mir auch nützlich ist und mich davor bewahrt. Auch bewahrt es mich von Gedankenverirrungen, die nicht viel bringen. Ich bezweifele einfach, ob deine angesprochenen Personenwelten zur Bewältigung der Sünde etwas beitragen könnten. Ich bin froh, dass Jesus das Problem löste und zwar endgültig.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von Hiob »

PeB hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 12:31 Auf die Frage "warum lässt Gott das Unglück in der Welt" zu, muss daher die Antwort lauten: weil er die menschliche Entscheidung zur Autonomie akzeptiert hat.
Weil er es GEWOLLT hat. - Gott WOLLTE, dass der Mensch erkennt. - Und weil dies mit Leid verbunden ist (Leid = Indikator der Trennung von Gott und Mensch), hat er dieses Leid in Jesus selbst auf sich genommen (genau aus diesem Grund bin ich Trinitarier).
PeB hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 12:31 Die gesamte Heilsgeschichte dreht sich nun darum, dass der Mensch von seinen Glaubenszweifeln (die in seiner Autonomie begründet liegen) zu einem Glauben aus eigener Erkenntnis heraus gelangt. Darin wird er von Gott durch die Heilsgeschichte unterstützt.
Genau. --- Die Heilsgeschichte beginnt mit dem "Fall" und führt Menschheit und Menschen per Fügung dahin, wo sie am Ende sollen. --- Dadurch ist die "Freiheit" des Menschen nicht eingeschränkt.
Michael hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 12:54 Ohne Glaube ist es unmöglich Gott zu gefallen von ihm irgendwas zu empfangen.
Gott fügt, ob Du glauben kannst oder nicht. - Es ist keine Eigen-Leistung.
Michael hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 12:54 Ab hier Bahnhof.
Das macht nichts. - Am Bahnhof kommt man schließlich an - wenn es der richtige Bahnhof ist, gibt es keinen Grund, in irgendeinen Zug einzusteigen. ---- Der ganze intellektuelle Kram ist nur deshalb nötig, weil in theologischen/geistlichen Fragen so falsch interpretiert wird. - Würde jeder seinen Mund halten und seinem "inneren Gesetz" folgen, müsste man nicht reden.
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von PeB »

Michael hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 12:54 Ich bezweifele einfach, ob deine angesprochenen Personenwelten zur Bewältigung der Sünde etwas beitragen könnten.
Wer weiß:
Anselm von Canterbury: De casu diaboli (über den Ursprung des Bösen)
Meister Eckhart: Zwei Kommentare zum Buch Genesis

Allerdings kenne ich die Werke ebenso wenig wie du und kann mir daher nicht anmaßen, darüber zu urteilen, ob sie etwas zur Bewältigung der Sünde beitragen können oder nicht. Käme auf den Versuch an, bevor man sie pauschal ablehnt.
Michael hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 12:54 Ich bin froh, dass Jesus das Problem löste und zwar endgültig.
Ich auch - aber "endgültig" hängt ja von jedem Einzelnen ab.
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PeB
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von PeB »

Hiob hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 13:51
PeB hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 12:31 Auf die Frage "warum lässt Gott das Unglück in der Welt" zu, muss daher die Antwort lauten: weil er die menschliche Entscheidung zur Autonomie akzeptiert hat.
Weil er es GEWOLLT hat. - Gott WOLLTE, dass der Mensch erkennt.
Möglich.
Ich möchte das auch gerne so sehen, bin mir aber nicht sicher.
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von Helmuth »

Hiob hat geschrieben: Mo 9. Mär 2020, 13:51 Gott fügt, ob Du glauben kannst oder nicht. - Es ist keine Eigen-Leistung.
Das ist ein theologischer bzw. philosophischer Gedankengang. In der Art befinde ich ihn falsch. Gott "fügt" ist deine Begriffwelt, aber damit komme ich klar. Gott legt eine Grundlage würde ich sagen, er gibt dir die Befähigung glauben zu können. Nachdem ich die Befähigung erhalten habe ist der Glaube auch eine aktive Entscheidung FÜR etwas und damit wird es durchaus zur eigenen Leistung.

Hat Gott der Sündenfall nun auch "gefügt", um in deiner Begrffswelt zu verbleiben, dass Adam und Eva sündigten? Ich kann so nicht denken, weil ich ansonsten aus Gott ein Monster mache. Lieber bete ich ihn an, dass er immer alles nur zum Guten fügen will.

Dass er das Böse zulässt ist eine Folge, wenn du diesem "zum Guten Fügen" die eiskalte Schulter infolge deiner Unglaubensentscheidung zeigst. Das Paradebeispel dazu in der Bibel ist für mich der ägyptische Pharao, der sich Mose widersetze.

Ihn ließ er quasi auflaufen, d.h. ins eigene Verderben rennen, ja das fügte Gott und kündigte es sogar an. Aber er fügt das nicht von Anfang an, sondern erst, NACHDEM sich Menschen derart gegen ihn entscheiden.
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ProfDrVonUndZu
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Re: Der Sündenfall

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Wenn die Frage nach dem Warum verboten ist, dann kann eine Aufforderung zur Veränderung nicht ernst genommen werden. Sie kann nur mit einer Drohung aus Zukunft argumentiert werden. Aber so wie die Frage nach dem Warum in die nebulöse Vergangenheit greift, so greift die Forderung mit einer Drohung oder Warnung in die nebulöse Zukunft.
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