Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Philosophisches zum Nachdenken
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Paul hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 16:32 nicht falsifizierbare theorien kann man in die tonne hauen
In der Naturwissenschaft ist das so. Deshalb gab es bereits im Mittelalter den hoch gehandelten Begriff der "Speculatio", "eine philosophische Denkweise zu Erkenntnissen zu gelangen, indem man über die herkömmliche empirische oder praktische Erfahrung hinausgeht und sich auf das Wesen der Dinge und ihre ersten Prinzipien richtet" (wik)

Popper wusste das und hat sich deshalb streng an eine Weltsicht gehalten, in der seine Methodik anwendbar war. Insofern ist Kritischer Rationalismus gewissermaßen eine Ausformung des Reduktionismus.
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

nein, popper ist kein reduktionist, vielmehr argumentiert er eher dagegen

poppers welt ist dreigegliedert, einerseits die physikalisch/materielle, dann die subjektiv/psychische und die dritte welt, ähnlich platons welt der ideen

es ist kein klassischer dualismus, den popper vertritt
der storch der sitzt am karpfenteich und hämmert alle karpfen weich

it's not easy be(e)in' green

es gibt nichts gutes, außer man tut es

https://www.youtube.com/watch?v=ItZyaOlrb7E

das huhn ist im auftrag des herren unterwegs 8-)
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Paul hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 21:07 nein, popper ist kein reduktionist, vielmehr argumentiert er eher dagegen
Ich sprach nur vom kritisch-rationalistisch erreichbaren Bereich, also im wesentlichen die physische Welt.
Paul hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 21:07 die dritte welt, ähnlich platons welt der ideen
Da kennst Du Popper besser als ich. - Versteht er "Ideen" als meta-physische Größen?
Claymore
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Paul hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 15:05es geht nicht darum, ob wir menschen relativistischen effekten unterworfen sind,
Wie kann es bitte nicht darum gehen?
zumindest nicht, wenn wir uns nicht annähernd mit lichtgeschwindigkeit bewegen...wenn wir aber mit annähernd lichtgeschwindigkeit unterwegs wären,
Tja, “wären”… sind wir aber nicht.
träten effekte wie zeitdilatation, längenkontraktion und massenzunahme auf (ich glaube, frauen würde am meisten die masenzunahme stören :lol: :lol: :lol:)...
Nur als Beobachter bezogen auf andere Inertialsysteme, die sich dann relativ zu unserem bewegen. Und umgekehrt. Aus der Schule kennen wir ja das berühmte Beispiel mit den Myonen… die kommen hier unten nur heil an, weil für die Myonen “die Zeit langsamer vergeht” (Teil I).

Man mag ja aus der Theorie wissen, dass das relativ ist. Dass “für das Myon” unsere Uhren langsamer laufen, unsere Längenmaßstäbe kürzer sind etc. und dass “aus Sicht des Myons” wir nur denken, es wäre beim Myon umgekehrt der Fall, weil wir unsere Uhren nicht richtig synchronisiert haben. (Teil II)

Aber irgendwie fehlt doch der Wumms, die praktische Konsequenz von Teil II. Das Myon denkt nicht. Debattiert nicht. Hat nicht wirklich eine Meinung dazu.

Es macht doch einen Unterschied ob es sich um einen hypothetischen oder tatsächlichen Beobachter handelt!!

Denn die Relativitätstheorie kennt kein “jetzt”, das für das menschliche Leben von so großer Bedeutung ist. Aber der Konflikt kann ignoriert werden; ein szientistisches Lippenbekenntnis und alles ist gut. Weil wir de facto nichts davon spüren, die Theorie keine sozialen Konsequenzen hat.

Beispiel:

Code: Alles auswählen

<---(-v)---A     ~    P    ~     B---(+v)--->
Ein Lichtsignal (~), das von P in beide Richtungen ausgesendet wird, wird im P-Inertialsystem von A und B simultan empfangen; d. h. auf P-Uhren zur Zeit t_P.

Wir haben folgende Transformationen:

t_A = L * (t_P + v * x_P / c²)
t_B = L * (t_P - v * x_P / c²)

mit L = 1 / wurzel(1 - v² / c²)

Im P-System empfängt A das Lichtsignal am Ort -v * t_P.
Im P-System empfängt B das Lichtsignal am Ort +v * t_P.

D. h. für die Empfangszeiten im A-System gilt (t_AB = “Zeitpunkt im A-System zu der B das Signal empfängt”)

t_AA = L * (t_P + v * (-v * t_P) / c²) = L * (1 - v² / c²) * t_P
t_AB = L * (t_P + v * (+v * t_P) / c²) = L * (1 + v² / c²) * t_P

Und für die Empfangszeiten im B-System gilt:

t_BA = L * (t_P - v * (-v * t_P) / c²) = L * (1 + v² / c²) * t_P
t_BB = L * (t_P - v * (+v * t_P) / c²) = L * (1 - v² / c²) * t_P

Also meint Beobachter A “Ich habe das Signal zuerst, vor B, empfangen” (t_AA < t_AB).
Beobachter B meint genau das umgekehrte “Ich habe das Signal zuerst, vor A, empfangen” (t_BB < t_BA).

Das ist ein Szenario mit mächtig, mächtig Wumms. Nur leider ist es unter der Voraussetzung “Beobachter sind echte Menschen” 100% fiktiv.

In der Realität sitzen wir nämlich alle im selben Boot Inertialsystem. Dort läuft all unser Denken, all unser Diskurs ab: hier auf der Erde (für ganz pingelige: die Erde ist streng genommen kein Inertialsystem, nur fast). Es passiert nicht, dass wir in Debatten geraten “Wer war der erste?” – und sagen müssen “Nach unserer besten wissenschaftlichen Theorie ist das eine sinnlose Frage!” Das Bundespatentgericht kann relativistische Effekt (“wer hat’s zuerst erfunden?”) 100% ignorieren. 8-)
sie folgen aus einer seit ca. 100 jahren alten, jedoch bisher nicht falsifizierten theorie, die so ungefähr für alle normalos kontraintuitiv ist :lol: ...unser erkenntnisapparat ist halt nicht dafür ausgelegt, die wahrheit zu erfassen sondern eher dazu, uns das überleben zu ermöglichen
Ob wir die Relativitätstheorie nun für kontraintuitiv, trivial, elegant, unschön oder für langweilig halten, ist doch nur eine Gefühlsäußerung. Da würde ich nicht so viel hinein interpretieren. Das Erfassen der Relativitätstheorie zeigt sich dadurch, dass man sie kompetent anwenden kann. Subjektive Gefühle sind dabei schnurzegal. Richtig ist, dass unsere Navigation durchs Leben, unser Selbstverständnis, unsere Gesellschaft auf einem Begriff des “jetzt” basiert und das mit der Relativitätstheorie in Konflikt stehen würde.

“Die Wahrheit” im Sinne von Hiob’s “ontisch” lehne ich so oder so ab. Wahrheit ist für mich Nutzwert – d. h. im platten Verständnis nicht so sehr von “was uns das Überleben ermöglicht” entfernt. Es gibt nun so viele überholte wissenschaftliche Theorien, dass wird doch die aktuellsten auch bloß für Approximationen halten sollten, nicht?
die quantenphysik ist ist noch wilder, ohne würden wir aber jetzt nicht kommunizieren können :mrgreen:

ich versuche noch mal, die problematik deutlich zu machen...kannst du beweisen, dass naturgesetze immer und überall gelten?
Ähm, nein. Na und?
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 15:41
Claymore hat geschrieben: Sa 4. Sep 2021, 18:35 Nur ist "Nicht-Sein" kein unproblematischerer Begriff; als ob man eher wüsste, was Nicht-Sein ist.
Was WIR wissen, ist komplett irrelevant und kein Maßstab für ontologische Fragen.
Nur dass das für dich nicht gelten soll. Was du zu wissen meinst, hältst du sehr wohl für einen Maßstab für ontische Fragen.

Platon glaubte an das Ideenreich, in dem u. a. die Zahl 7 selbst existieren würde. Du weißt dagegen: Zahlen sind nicht Sein, sondern Chiffren für Sein.

Aristoteles (nach der gängigen Interpretation) glaubte daran, dass das “Grün der Wiese” selbst existiert – in rebus, in der Wiese. Du weißt dagegen: dieses Grün ist nur eine Ableitung des Gehirns.

Und da du als Descartes-Fanboy “weißt”, dass Platon und Aristoteles in ihrer Ontologie nur falsch liegen können, erwartest du auch, dass das bei allen “ontischen Fragen” gefälligst so vorausgesetzt wird. D. h. dass man sich nach Alternativen zur cartesischen Ontologie gar nicht erst umschauen soll. Nichts drückt das besser aus, als das wirklich unsägliche “Res extensae sind Produkt der Res cogitans oder eigene Entitäten”. Wenn man mit einem Satz zusammenfassen wollte, was an deiner Denke so komplett verquert ist: hier ist er.

Ach ja… hakt jemand nach, beginnt das intellektuelle Hütchenspiel:
  • “das ist halt meine Definition von ‘sein’”
  • “das Sein definiert sich nicht über Verständnis von irgendjemand”
Im Sinne meiner Definition von "Sein" ist das auch so. - Wenn Du mich dagegen KONKRET fragen würdest, was gemäß MEINER Wahrnehmung "Sein" ist, würde ich ähnlich argumentieren wie Du. - Aber ich sehe halt "Sein" unabhängig davon.
“Sein = Nicht-Nicht-Sein” ist keine Definition. Tatsächlich – und das ist der wesentliche Punkt – ist diese Formulierung sogar völlig inhaltsleer. Genauso wie man nach der Erklärung “Hutzlpotzlrutzl = Nicht-Nicht-Hutzlpotzlrutzl” genauso schlau ist wie vorher, was Hutzlpotzlrutzl bedeuten mag.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 16:16Das ist der Unterschied zwischen anthropozentrischer und theozentrischer Sichtweise.
Die anthropozentrische Sichtweise vertrittst du, da du Tieren absprichst Personen zu sein.

Man könnte deine Sichtweise auch als “egozentrisch” bezeichnen: “Liebe Gladiatoren des Ontischen, alles darf und soll bezweifelt werden! Aber ich bin Inhaber der Arena, ich setze die Regeln! Ich bin es, der am Ende den Daumen nach oben oder nach unten reckt.”.

Naja, ich würde mir nicht anmaßen, für Gott zu sprechen, d. h. eine “theozentrische Sichtweise” vertreten zu können.

Als Selbstbezeichnung würde ich biozentrisch-pragmatisch wählen: Tierrechte + klassischer* Pragmatismus + spiritueller Pluralismus.

* da er angesprochen wurde: Richard Rorty ist Vertreter des Neopragmatismus. Ich halte ihn für eher vulgär / oberflächlich.
Nein - das Sein definiert sich eben NICHT über Verständnis von irgendjemandem.
Und kurz davor hieß es noch:
Hiob hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 15:41Im Sinne meiner Definition von "Sein" ist das auch so.
Und wie! - Weil damit das Sein de-anthropozentriert wird, der Mensch also nicht mehr Maßstab für Sein ist.
Bist du denn kein Mensch? Sind das nicht die Dogmen, die du aufgestellt hast:
  1. Ein X existiert oder existiert nicht. Es kann nicht ontisch auf eine bestimmte Weise existieren und auf eine andere Weise nicht existieren.
  2. Wahrheit ist das Sein. Damit ist eine Überzeugung wahr, wenn sie das Sein authentisch spiegelt. Und dieses Verständnis von Wahrheit kann prinzipiell für die Menschen relevant sein.
  3. Res extensae sind Produkt der Res cogitans oder eigene Entitäten.
  4. Wahrnehmung und Sein lassen sich kategorial trennen.
:?:
Auch das wäre ein Kategoriefehler. -
Im Alltag halten wir uns an Systemen. Das fängt bei der Straßenverkehrsordung an und hört meinetwegen beim kritischen Rationalismus auf, der ja laut Popper ebenfalls auf einer Vereinbarung beruht ("Wir nehmen die Welt so, wie sie kritisch-rational fassbar ist" oder so ähnlich). - Warum tun wir das? Weil es funktioniert.
Mit Alltag hat das nichts zu tun. Es ist einfach eine Ablehnung deines Dogma 2.

Fundamentaler könnte man natürlich fragen: Was sollte es jemals, ultima ratio, für ein anderes Kriterium geben als “es funktioniert”?
Und deshalb halten wir uns an solche Systeme wie wir uns auch im Alltag an euklidische und newtonsche Systeme halten, obwohl wir auch naturalistische Systeme kennen, die aber im Alltag nichts bringen.
Es geht hier nicht um “Alltag”. Alltag ist wenn man beim ALDI einkaufen geht. Es geht um die Praxis des menschlichen Lebens, inklusive seiner spirituellen Komponente.

Wenn ein Ingenieur eine Brücke gemäß Newtonscher Mechanik konstruiert, ist das einfach sein Beruf. Und wenn ein NASA-Wissenschaftler auf Einstein zurückgreifen muss, dann ist das sein Beruf.

Mannomannomann.
Unsere Diskussion ist nicht für den Alltag gemeint, sondern wenn es um philosophische/theologische Fragen geht wie:
1) Ist Gott Entität oder Vorstellung?
2) "Ist" die Welt, wie wir sie sehen?
3) Was IT (siehe Ursprungs-Thread): Geistliche Entität oder anthropogenes Konstrukt?
4) etc.
Pragmatisch an die Sache heranzugehen heißt bloß: keine Toleranz für Unterschiede ohne Unterschied. Mit Alltag hat das nichts zu tun – es bezieht sich einfach auf das menschliche Leben in all seinen Facetten, ob alltäglich oder außergewöhnlich.

Denn auch die spirituellen Fragen sind doch darin eingebunden: ins menschliche Leben! Worin auch sonst?
  • Wie hilft dir deine Ontisch-Theorie, wenn deine Schwester Mitglied bei Scientology wird?
  • Wie hilft dir deine Ontisch-Theorie bei der Frage “Gibt es Hoffnung?” ?
  • Wie hilft dir deine Ontisch-Theorie bei der Frage “Wie lebe ich gemäß Gottes Willen?” ?
Antwort: überhaupt nicht.

Und bei deinen o. g. abstrakteren Fragen ganz genauso wenig.

Und das ist das traurigste daran: dein Ansatz ist so entsetzlich unproduktiv. Er liefert nichts an positiver Erkenntnis. Er ist nur eine Taktik um sich ernsthaftem Diskurs zu entziehen, kritische Fragen mit dem Totschlagargument “wir wissen nicht, was ontisch ist” abzuwiegeln. Wobei, es ist nicht mal “ehrlicher Skeptizismus”, denn für deine eigenen Thesen beanspruchst du ja ne Extrawurst.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Claymore hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 00:06 Nur dass das für dich nicht gelten soll. Was du zu wissen meinst, hältst du sehr wohl für einen Maßstab für ontische Fragen.
Das ist Sophismus. - Die Aussage, etwas nicht wissen zu können, beinhaltet in höchstem Maß einen Abstand zu Anthropozentrismus. - Natürlich kann man sagen "Aha - die Behauptung eines Menschen contra Anthropozentrismus ist anthropozentrisch, weil sie von einem Menschen kommt". Aber dann macht Sprache keinen Sinn mehr.
Claymore hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 00:06 Platon glaubte an das Ideenreich, in dem u. a. die Zahl 7 selbst existieren würde. Du weißt dagegen: Zahlen sind nicht Sein, sondern Chiffren für Sein.
Da müsste man jetzt endlos definieren, was man mit seinen Begriffen meint. - Zum jetzigen Zeitpunkt ist meine Aussage, dass es verschiedene Äpfel gibt, von denen eine gewisse Anzahl mit der Zahl "7" benannt werden kann. - "7" selber ist aus meiner Sicht keine Entität, da es sonst einen 7-Apfel geben müsste. - ODer anders: Die Entität Apfel ist vollkommen unabhängig davon, ob sie mit anderen Äpfeln addiert wird oder nicht.
Claymore hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 00:06 Aristoteles (nach der gängigen Interpretation) glaubte daran, dass das “Grün der Wiese” selbst existiert – in rebus, in der Wiese. Du weißt dagegen: dieses Grün ist nur eine Ableitung des Gehirns.
Dito. - Aristotoles hat in insofern recht, als dass "grün" eine authentische Ableitung dessen ist, aus dem das menschliche Hirn "grün" sieht. - Aber es ist keine Entität "grün an sich", weil dieselbe Wellenlänge von einem anderen Gehirn NICHT als grün wahrgenommen werden kann (wenn ich die Naturwissenschaft richtig verstehe).
Claymore hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 00:06 Und da du als Descartes-Fanboy “weißt”, dass Platon und Aristoteles in ihrer Ontologie nur falsch liegen können, erwartest du auch, dass das bei allen “ontischen Fragen” gefälligst so vorausgesetzt wird.
Letztlich geht es nicht um Platon, Aristotoles oder Descartes, sondern um UNSER Vermögen zu denken. -Zu welchem Ergebnis würden wir kommen, gäbe es diese drei Kameraden nicht? Ich käme auf dasselbe wie jetzt auch. - In anderen Worten: An Descartes (und vorher Augustinus) habe ich erkannt, dass Menschen vor mir ziemlich gleich gedacht haben - und da sage ich "Chapeau" (um so mehr, weil ich gerade in der Provence bin). :D
Claymore hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 00:06 “Sein = Nicht-Nicht-Sein” ist keine Definition. Tatsächlich – und das ist der wesentliche Punkt – ist diese Formulierung sogar völlig inhaltsleer.
Da ist was dran. Aber da Du feste Definitionen haben willst, habe ich mich auf das binäre Muster zurückgezogen: Sein oder Nicht-Sein. - Dieses Muster sagt immerhin aus, dass es Entität gibt (egal wie man sie definiert) und das Fehlen derselben. - Das ist schon viel.
Claymore hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 22:25 Wie kann es bitte nicht darum gehen?
Ontologisch ist das so. - Faktisch übrigens auch nicht im Alltag.
Claymore hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 22:25 Es macht doch einen Unterschied ob es sich um einen hypothetischen oder tatsächlichen Beobachter handelt!!
Meines Wissens ist dies quantenmechanisch NICHT so - Du steuerst immer Richtung Anthropozentrismus. - Siehe Versuch "Dr. Bertman's Socken".

Nebenbei:
Wenn ein Photon eine Uhr dabei hätte: Was würde diese zeigen?
Claymore hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 22:25 “Die Wahrheit” im Sinne von Hiob’s “ontisch” lehne ich so oder so ab. Wahrheit ist für mich Nutzwert
Das ist ein sprachliches Problem. Es kann in der Tat sein, dass im heutigen Neusprech das traditionelle Verständnis von "Wahrheit" so verbogen wurde, dass es das ist, was Du darunter verstehst. Es kann sein, dass "Wahrheit" in 100 Jahren für "Waschmaschine" steht - würde mich nicht wundern. :mrgreen:
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Paul
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

Claymore hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 22:25
Paul hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 15:05es geht nicht darum, ob wir menschen relativistischen effekten unterworfen sind,
Wie kann es bitte nicht darum gehen?
zumindest nicht, wenn wir uns nicht annähernd mit lichtgeschwindigkeit bewegen...wenn wir aber mit annähernd lichtgeschwindigkeit unterwegs wären,
Tja, “wären”… sind wir aber nicht.
träten effekte wie zeitdilatation, längenkontraktion und massenzunahme auf (ich glaube, frauen würde am meisten die masenzunahme stören :lol: :lol: :lol:)...
Nur als Beobachter bezogen auf andere Inertialsysteme, die sich dann relativ zu unserem bewegen. Und umgekehrt. Aus der Schule kennen wir ja das berühmte Beispiel mit den Myonen… die kommen hier unten nur heil an, weil für die Myonen “die Zeit langsamer vergeht” (Teil I).

Man mag ja aus der Theorie wissen, dass das relativ ist. Dass “für das Myon” unsere Uhren langsamer laufen, unsere Längenmaßstäbe kürzer sind etc. und dass “aus Sicht des Myons” wir nur denken, es wäre beim Myon umgekehrt der Fall, weil wir unsere Uhren nicht richtig synchronisiert haben. (Teil II)

Aber irgendwie fehlt doch der Wumms, die praktische Konsequenz von Teil II. Das Myon denkt nicht. Debattiert nicht. Hat nicht wirklich eine Meinung dazu.

Es macht doch einen Unterschied ob es sich um einen hypothetischen oder tatsächlichen Beobachter handelt!!

Denn die Relativitätstheorie kennt kein “jetzt”, das für das menschliche Leben von so großer Bedeutung ist. Aber der Konflikt kann ignoriert werden; ein szientistisches Lippenbekenntnis und alles ist gut. Weil wir de facto nichts davon spüren, die Theorie keine sozialen Konsequenzen hat.

Beispiel:

Code: Alles auswählen

<---(-v)---A     ~    P    ~     B---(+v)--->
Ein Lichtsignal (~), das von P in beide Richtungen ausgesendet wird, wird im P-Inertialsystem von A und B simultan empfangen; d. h. auf P-Uhren zur Zeit t_P.

Wir haben folgende Transformationen:

t_A = L * (t_P + v * x_P / c²)
t_B = L * (t_P - v * x_P / c²)

mit L = 1 / wurzel(1 - v² / c²)

Im P-System empfängt A das Lichtsignal am Ort -v * t_P.
Im P-System empfängt B das Lichtsignal am Ort +v * t_P.

D. h. für die Empfangszeiten im A-System gilt (t_AB = “Zeitpunkt im A-System zu der B das Signal empfängt”)

t_AA = L * (t_P + v * (-v * t_P) / c²) = L * (1 - v² / c²) * t_P
t_AB = L * (t_P + v * (+v * t_P) / c²) = L * (1 + v² / c²) * t_P

Und für die Empfangszeiten im B-System gilt:

t_BA = L * (t_P - v * (-v * t_P) / c²) = L * (1 + v² / c²) * t_P
t_BB = L * (t_P - v * (+v * t_P) / c²) = L * (1 - v² / c²) * t_P

Also meint Beobachter A “Ich habe das Signal zuerst, vor B, empfangen” (t_AA < t_AB).
Beobachter B meint genau das umgekehrte “Ich habe das Signal zuerst, vor A, empfangen” (t_BB < t_BA).

Das ist ein Szenario mit mächtig, mächtig Wumms. Nur leider ist es unter der Voraussetzung “Beobachter sind echte Menschen” 100% fiktiv.

In der Realität sitzen wir nämlich alle im selben Boot Inertialsystem. Dort läuft all unser Denken, all unser Diskurs ab: hier auf der Erde (für ganz pingelige: die Erde ist streng genommen kein Inertialsystem, nur fast). Es passiert nicht, dass wir in Debatten geraten “Wer war der erste?” – und sagen müssen “Nach unserer besten wissenschaftlichen Theorie ist das eine sinnlose Frage!” Das Bundespatentgericht kann relativistische Effekt (“wer hat’s zuerst erfunden?”) 100% ignorieren. 8-)
sie folgen aus einer seit ca. 100 jahren alten, jedoch bisher nicht falsifizierten theorie, die so ungefähr für alle normalos kontraintuitiv ist :lol: ...unser erkenntnisapparat ist halt nicht dafür ausgelegt, die wahrheit zu erfassen sondern eher dazu, uns das überleben zu ermöglichen
Ob wir die Relativitätstheorie nun für kontraintuitiv, trivial, elegant, unschön oder für langweilig halten, ist doch nur eine Gefühlsäußerung. Da würde ich nicht so viel hinein interpretieren. Das Erfassen der Relativitätstheorie zeigt sich dadurch, dass man sie kompetent anwenden kann. Subjektive Gefühle sind dabei schnurzegal. Richtig ist, dass unsere Navigation durchs Leben, unser Selbstverständnis, unsere Gesellschaft auf einem Begriff des “jetzt” basiert und das mit der Relativitätstheorie in Konflikt stehen würde.

“Die Wahrheit” im Sinne von Hiob’s “ontisch” lehne ich so oder so ab. Wahrheit ist für mich Nutzwert – d. h. im platten Verständnis nicht so sehr von “was uns das Überleben ermöglicht” entfernt. Es gibt nun so viele überholte wissenschaftliche Theorien, dass wird doch die aktuellsten auch bloß für Approximationen halten sollten, nicht?
die quantenphysik ist ist noch wilder, ohne würden wir aber jetzt nicht kommunizieren können :mrgreen:

ich versuche noch mal, die problematik deutlich zu machen...kannst du beweisen, dass naturgesetze immer und überall gelten?
Ähm, nein. Na und?
du verlierst dich in details, wir sind hier nicht im physikforum :lol:

die überzeugung, es gäbe naturgesetze die immer und überall gelten und dass sie von uns rational efassbar sind ist halt eben eine setzung...q.e.d. :mrgreen:
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Paul »

hiob, poppers dritte welt unterscheidet sich von platons welt der ideen insofern, als er sie als erzeugnisse des menschlichen geistes (Kultur, Naturwissenschaften) ansieht und nicht als schon gegeben...logische standards zum beispiel...sie sind insoweit metaphysisch, als dass sie gelten, auch wenn sie nicht materiell kodifiziert sind :mrgreen:
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 14:59
Claymore hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 00:06 Nur dass das für dich nicht gelten soll. Was du zu wissen meinst, hältst du sehr wohl für einen Maßstab für ontische Fragen.
Das ist Sophismus. - Die Aussage, etwas nicht wissen zu können, beinhaltet in höchstem Maß einen Abstand zu Anthropozentrismus.
Kann sein, aber du gehst halt hin und sagst “das Sein ist so und so” (konkret: platonische und aristotelische Ontologie ist falsch, subjektiver Idealismus ist falsch, ontologischer Pluralismus ist falsch, etc.).
- Natürlich kann man sagen "Aha - die Behauptung eines Menschen contra Anthropozentrismus ist anthropozentrisch, weil sie von einem Menschen kommt". Aber dann macht Sprache keinen Sinn mehr.
Ja, hat allerdings niemand sowas geschrieben hier.
Hiob hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 14:597" selber ist aus meiner Sicht keine Entität, da es sonst einen 7-Apfel geben müsste.
aber vorher noch:
Hiob hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 15:41 Was WIR wissen, ist komplett irrelevant und kein Maßstab für ontologische Fragen.
:roll:
Hiob hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 14:59 Aber es ist keine Entität "grün an sich", weil dieselbe Wellenlänge von einem anderen Gehirn NICHT als grün wahrgenommen werden kann
aber vorher noch:
Hiob hat geschrieben: Mo 6. Sep 2021, 15:41 Was WIR wissen, ist komplett irrelevant und kein Maßstab für ontologische Fragen.
:roll:
Hiob hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 14:59 Da ist was dran. Aber da Du feste Definitionen haben willst
nein, will ich nicht:
Claymore hat geschrieben: Mi 1. Sep 2021, 23:23 Was bedeutet es denn, metaphysisch, dieses “sein”? Genau das steht eben in den Sternen! Es wäre zu viel von dir verlangt, eine Definition zu liefern. Aber ein paar erhellende Kommentare, wenigstens… ein bisschen mehr als nur immer und immer wieder das alte Vulkan-Beispiel.
Hiob hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 14:59 Ontologisch ist das so. - Faktisch übrigens auch nicht im Alltag.
Was ist ontologisch so aber nicht im Alltag?
Hiob hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 14:59 Meines Wissens ist dies quantenmechanisch NICHT so - Du steuerst immer Richtung Anthropozentrismus.
Ja, Wahnsinn. Da es in dem Beitrag um menschliche Kognition ging, um die menschliche Vorstellung des Jetzt, ist es nicht so verwunderlich, dass da Menschen im Fokus standen.
Rudolf Carnap hat geschrieben:Einmal sagte Einstein, das Problem des Jetzt beunruhige ihn ernsthaft. Er erklärte dazu, daß das Erlebnis des Jetzt etwas Besonderes für den Menschen bedeute, etwas wesentlich anderes als Vergangenheit und Zukunft; doch dieser so wichtige Unterschied zeige sich nicht in der Physik und könne dort auch nicht auftauchen. Daß dieses Erlebnis von der Wissenschaft nicht erfaßt werden kann, bedeute ihm einen schmerzlichen, aber unausweichlichen Verzicht. ... es gäbe etwas Wesentliches am Jetzt, das einfach außerhalb der Reichweite der Wissenschaft liege.
Kurios ist, dass du nun auf einmal meinst, “die Wissenschaft” wäre irgendwie ein gänzlich objektiver Mechanismus, der alles menschliche komplett “herausrechnen” kann.

Und dass das gewöhnliche Jetzt anthropozentrisch ist, die Zeitkonzeption der Relativitätstheorie dagegen nicht.

Nach all den Predigten von “nur systemisches Wissen” kommt jetzt das. Was ist los? :lol:
- Siehe Versuch "Dr. Bertman's Socken".
Was willst du damit sagen?
Hiob hat geschrieben: Di 7. Sep 2021, 14:59Das ist ein sprachliches Problem. Es kann in der Tat sein, dass im heutigen Neusprech das traditionelle Verständnis von "Wahrheit" so verbogen wurde, dass es das ist, was Du darunter verstehst. Es kann sein, dass "Wahrheit" in 100 Jahren für "Waschmaschine" steht - würde mich nicht wundern.
Mit dem “heutigen Neusprech” hat das nichts zu tun. Ich orientiere mich da am klassischen Pragmatismus, 19. Jahrhundert. Du bist dagegen schon näher dran am Puls der Zeit – auch wenn du nur eine Minderheit repräsentierst, mit einer Wahrheitsdefinition die zu Querdenkern oder dieBasis passt.

Traditionell definierte man Wahrheit zwar durch “Übereinstimmung der Sache mit dem Verstand”. Aber man meinte nun mal auch, dass Wahrheit etwas ist, dem sich Menschen tatsächlich annähern können. Nicht etwas, wo man sich über die Chimäre der unerreichbaren totalen Objektivität die totale Subjektivität erkauft. D. h. nicht etwas, von dem wir nur glauben oder hoffen dürfen, dass wir es erreichen. So wird “Wahrheit” immer noch in der gewöhnlichen Sprache verwendet. Also eine Verwendung, die mit deiner Konzeption rein gar nichts zu tun hat.

Ach ja… wenn ich so überlege… ich habe noch nie jemanden getroffen, der mehr Neusprech verwendet als du. Also… Projektion?

Vgl. “Anthropozentrismus” – etwas, das du ständig anderen vorwirfst. Während du selbst in der Tradition des anthropozentrischsten Philosophen der gesamten Geschichte stehst: Tierquäler und -ausbeuter Descartes. Mehr Anthropozentrismus geht nicht.
ecoreporter.de hat geschrieben:a) Anthropozentrische Umweltethik

Die anthropozentrische (griech. Anthropos = Mensch) Umweltethik geht davon aus, dass auf dieser Welt alles nur Mittel ist, um dem Menschen zu dienen. Sie rechtfertigt das mit der Sonderstellung des Menschen in der Natur. Außerdem argumentieren ihre Vertreter, dass der Kampf der Arten ums Überleben natürlich sei; der Mensch verhalte sich naturgerecht, wenn er andere Arten ausrotte. Die anthropozentrische Umweltethik rechtfertigt jede Ausbeutung der Natur für die Zwecke des Menschen.

Grundlage dieser Ethik ist das Weltbild des Cartesianismus. Es geht zurück auf den französischen Philosophen René Descartes (1596-1650). Er ging davon aus, dass es auf der Welt nur zwei Kategorien gibt: den Geist und die Materie. Den menschlichen Körper, Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur sah er als Materie an, die nach rein mechanischen Gesetzen funktioniert.

Den Geist dagegen fasste er als etwas spezifisch Menschliches auf, das in keiner Hinsicht mit der Natur verbunden ist. Demzufolge hielt er Tiere für unbeseelt, ja sogar für nicht in der Lage, Schmerzen zu empfinden. Die mit der Neuzeit (ab etwa 1500) beginnende wissenschaftliche Forschung und die Untersuchung lebender Tiere ließen sich damit rechtfertigen.
Ich ernähre mich nun seit ich 18 bin vegan. Du hast vielleicht einen gewissen Fortschritt im Vergleich zu Descartes durchlaufen aber am Ende sprichst du Tieren immer noch ein Ich ab, sprichst ihnen den Personenstatus ab.

Und dann gehst du hin und bezeichnest MICH als anthropozentrisch.
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