Hiob hat geschrieben: ↑Sa 18. Dez 2021, 17:31
Was schwelt in der Gesellschaft, was sich an der Covid-Thematik entzündet?
Das ist eine zentrale, wichtige Frage und die Antwort darauf kenne ich erstmal nicht so, dass ich sie präsentieren wollen würde oder könnte, weil es wirklich komplex ist.
Im Bereich der Andersdenker kenne ich mich gut aus, da sind mir viele Facetten vertraut und ich kann weite Teile des Spektrums erkennen. Im Bereich der Normaldenker bin ich schon lange nicht mehr zu Hause, aber um den Mainstream kommt man in den alternativen Medien nicht herum, denn der Kern des kritischen Denkens bezieht sich ja größtenteils auf Mainstream-Quellen. Viele Grundlagen des kritischen Denkens basieren auf exakt den gleichen, offiziellen Rohdaten und Statistiken. Sie werden nur anders verarbeitet und interpretiert.
Es wäre eine umfassende Forschungsarbeit, nur das ganze Spektrum an Strömungen in der Gesellschaft wahrheitsgetreu abzubilden. Das ist wirklich sehr schwierig und heikel, weil es so ein äußerst diverses Mischmasch ist. Es ist einfach nicht homogen und egal, was man über Menschen, Gruppierungen, Strömungen etc. sagt, je einfacher es ist, je schlichter es ist, desto unwahrer ist es vermutlich.
Wir eiern und rudern hier herum und es hat keine Methode und darum kommen wir auch nicht weiter. Wir arbeiten nicht miteinander sondern gegeneinander. Wir müssten uns mit Sympathie und Respekt zusammensetzen und ernsthaft daran arbeiten. Anders wird man der Komplexität einfach nicht gerecht. Man müsste sowas wie eine Arbeitsgruppe aufziehen, wo man sich 1-2 Mal die Woche trifft und ansonsten eng zusammenarbeitet, um das alles aufzuarbeiten. Wie gesagt, was sich da gerade abspielt, ist extrem verwirrend und komplex. Ich habe noch niemals so deutlich überall so eine krasse Negativität arbeiten gesehen. Es ist einfach überall der Wurm drin, irgendwie, auf irgendeine Art, mal mehr oder weniger subtil, mal mehr oder weniger offensichtlich.
Macht es einen Sinn, hier einen Anfang zur gründlichen Aufarbeitung zu wagen? Ich denke nicht. Grundvoraussetzung ist, dass gegensätzlich denkende Menschen gemeinsam an einem Strang ziehen und kooperieren müssen. Vom zeitlichen Aufwand und der nötigen Motivation mal abgesehen.
Um das mal sehr sehr grob zu umreißen.
Diverse Themenbereiche in der alternativen "Szene". (Das Wort Szene ist wieder irreführend.)
1) Freiheitsliebende
2) Verschwörungstheoretiker
3) Ängstliche
4) Reichsbürger
5) Spirituelle
6) Esoteriker
7) Gläubige
8) alternativ Gesundheitsbewußte
9) Rechtsorientierte (nostalgisch)
10) Vor allem herzlich
11) Philosophen
12) Psychologen
13) Mediziner
14) Weltlich-Atheistische
15) Naturverbundene
16) Veganer, Vegetarier
Die Esoterik-Szene ist stark fragmentiert und sehr divers. Spiritualiät und Glaube und Esoterik sind stark verbunden und es gibt da alle möglichen Vermischungen in den buntesten Farben. Es gibt ernste Esoterik, Wohlfühl-Esoterik, negative oder positive Esoterik, religiös oder auch spirituell mehr oder weniger geprägte Esoterik. Es gibt Esoteriker rechts, mittig und links, konservativ oder progressiv, von bodenständig oder althergebracht bis völlig abgehoben, ultramodern.
Verschwörungstheoretiker gibt es von hochgebildet, intellektuell bis extrem platt, unkritisch. Manche sind völlig materialistisch, manche esoterisch oder auch spirituell, religiös. Manche glauben an Prophezeiungen, andere werden aggressiv, wenn man sie nur erwähnt. Manche hassen Kirchen, andere schwören darauf. Es gibt Hetzer und es gibt friedliebende Beschwichtiger. Es gibt auch die derben, vulgären und die feinsinnigen, sensiblen. Die entrüsteten und die stabilen Menschen.
Das Verrückte daran ist für mich, zu erleben, wie dieses ganze Chaos, dieses Durcheinander sich vor dem Druck der Überlegenen, Dominanten irgendwie in eine Art Schmelztiegel verwandelt. Weniges vereint so, wie der gemeinsame Feind. Der Feind ist der, der das eigene Leben und das der Liebsten bedroht. Die Spritze wird als ernste Bedrohung wahrgenommen: Für Leib, Leben und sogar die lebendige Seele. Die Menschen raufen sich zusammen und das, was sie neben der gemeinsamen Bedrohung und Bedrängnis eint, ist tatsächlich die gegenseitige Toleranz. Andersdenkende haben eine unheimlich große Toleranz, denn sie sind ja selbst andersdenkend und wissen, wie es ist, deshalb ausgegrenzt, abgelehnt, missverstanden, nicht wertgeschätzt, akzeptiert zu werden.
Viele Menschen haben Angst vor der Spritze. Sie wollen sie nicht und plötzlich stehen sie im Abseits. Sie wissen nicht wie ihnen geschieht, wenn sie auf einmal alleine dastehen, beschimpft und verachtet und enttäuscht werden, von Menschen, die sie mochten und für ihre wahren Freunde, Partner oder sogar die Familie hielten und nun eines besseren belehrt wurden.
Beispiel: Die sogenannten "Reichsbürger" machen nur einen kleinen Teil der Andersdenkenden aus. Ihre Gedanken werden selten geteilt aber doch respektiert und toleriert oder akzeptiert. Man geht nicht unbedingt mit aber man lässt es auch stehen, ohne es zu verurteilen. Eine gute Freundin von mir hat wirklich die wildesten Dinge im Kopf. Sie weiß, dass ich viele ihrer Ansichten nicht teile. Ich sage ihr das auch. Aber ich mag sie trotzdem, nehme sie ernst und so, wie sie eben ist. Das ist bisweilen zumindest interessant und spannend für mich.
Ich bemerke, die Solidarität, Sympathie, Hilfsbereitschaft und Akzeptanz ist unter den bedrängten Andersdenkenden ganz besonders stark ausgeprägt. Es ist ein bißchen wie ein eigenes Volk, eine neue Nation, eine neue Identität. (Gibt ja auch noch die Identitären...) Wir sind die Ausgestoßenen, die Verachteten. Darum halten wir nun zusammen.
"Normaldenker" sind im Gegensatz dazu eine vergleichsweise hochhomogene Gruppe. Sie zeigen sich untereinander ähnlich verbunden und solidarisch, allerdings ohne dass eine annähernd große Diversität im Denken vorhanden ist. Also im Bewußtsein, in der Weltanschauung.
Viele Andersdenkende wollen eigentlich nicht mehr so wie bisher leben. Sie wollen eine andere Form des Zusammenlebens, auch wenn es darüber bislang nur verschwommene Visionen gibt. Es herrscht nur das Gefühl vor, dass man mit dem, wie es bislang war, nicht mehr leben will. Man hat sich innerlich so stark verändert, dass die Gesellschaft nicht mehr zu einem passt. Da ist ein großes Spannungsfeld zwischen dem, wie man sich fühlt, wonach einem ist, was einem entspricht und dem, was da real ist.
Ihr glaubt nicht, wie oft ich auf Telegram lese, dass Menschen zum Beten aufrufen, Gott loben, die Liebe hochhalten. Glaube, Spiritualität kommt irgendwie auf eine ganz überraschende Weise zum Vorschein. Menschen reden auf einmal über Gott, wo es sonst einfach nicht der Fall war. Letztens gab es zB einen Aufruf zum gemeinsamen Rosenkranzbeten... ist durch viele Telegram Kanäle gelaufen. Gottesglaube bricht auf einmal heraus aus in den Alltag. Das kann einem wirklich eine Gänsehaut machen.
Es ist einfach irre viel los in diesem Bereich, extrem viel Bewegung, ja fast schon eine Art euphorische Aufbruchsstimmung. Völlig fremde Menschen verabreden sich zu Treffen, einfach nur um sozial einen Halt zu finden in einer Gesellschaft, die sie abgestoßen hat. Ich finde das unglaublich und surreal. Und auf eine Art finde ich es auch schön, finde es tröstend, es macht mir Mut und Hoffnung.
Meine gute Freundin ist so unglaublich schräg und versponnen, sie ist keine Schönheit und auch sonst ist weltlich wenig Attraktives an ihr zu finden. Aber ich finde, sie ist trotzdem so ein Original, ein Mensch mit einem wahnsinnig großen Herz, ein toller Mensch, auch wenn sie alle paar Monate felsenfest davon überzeugt ist, dass das Militär nun endlich aufräumt und alles wieder gut wird.
Es gibt aber auch Leute in dieser Menge, die mich abstoßen, die extrem vulgär werden können und auch so aggressiv und herablassend und da frage ich mich schon, was solche Menschen eigentlich in so einem Umfeld machen.