Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Philosophisches zum Nachdenken
Hiob
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Jack Sparrow hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 21:48 Worin genau unterscheidet sich eine Person von einer Nichtperson?
Ob man geistlich bewusst zu sich "Ich" sagen kann.
Jack Sparrow hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 21:48 Wir können wissen, was Entitäten sind. Beispiel: Ich treffe meine echte Nachbarin.
Eben NICHT. - Selbst unsere Kommunikation könnte eine Einbildung von mir sein - und meine Frau plus 4 Kinder ebenfalls. - Selbstverständlich GLAUBE ich, dass das alles echt ist, aber nachweisen kann ich es nicht. - NB: Wissenschaftliche Nachweise helfen hier nichts, weil selbst meine Wahrnehmung einer Messreihe Einbildung sein könnte.

Natürlich nehme ich es wahr, wenn mich meine Frau anfasst - aber ich kann nicht nachweisen, ob mich da eine Entität anfasst oder meine eigene Vorstellung. - Solche Überlegungen dienen (auch bei Descartes) nicht ernsthaft der Frage, ob die Nachbarin "echt" ist. Sie dienen vielmehr der Erkenntnis, dass man diese "Echtheit" GLAUBEN muss, weil man sie wissenschaftlich nicht nachweisen kann - es sei denn, man GLAUBT, dass das, womit sich Wissenschaft beschäftigt "echt" ist.

Popper hat das gewusst, indem er (überm Daumen) gesagt hat, dass er seine Methodik anwendet bei dem, was wir gemeinhin als Wirklichkeit bezeichnen - er hat also ontologische (sensu traditionell) Überlegungen und fundamental-skeptizistische Überlegungen vermieden (weil er wusste, dass es in ein Unlösbares führt). Popper hat schlicht nach dem gesucht, an dem sich seine Methodik anwenden lässt - alles andere (bspw. Metaphysik) war im wurscht, weil er da mit seiner Methodik nicht rankommt.

Auch Descartes war im Grunde praktisch orientiert - er ist ganz sicher kein Mystiker. Ihm ging es darum (in heutigen Worten), die Grenzen der Wissenschaft aufzuzeigen - oder anders: zu zeigen, dass Wissenschaft nur dann Sinn macht, wenn man etwas Glaubendes voransetzt. - Das heißt: Wissenschaft klärt unendlich viel in der praktischen Welt, aber sie kann die Welt prinzipiell nicht in ihrer Gänze erfassen. Da fehlt was.
Jack Sparrow hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 21:48 Ich vermute der Unterschied zwischen geistlicher Wahrnehmung und echter Wahrnehmung gestaltet sich ähnlich wie der Unterschied zwischen vorgestellter Nachbarin und echter Nachbarin.
Ja, aber anders als Du denkst. - Auch geistliche Wahrnehmung kann sich nie ihrer selbst absolut sicher sein - so wie bei der Nachbarin auch (s.o. Descartes). - Dies hängt damit zusammen, dass der Mensch nur sein Cogito hat, welches nicht absolut ist.
Jack Sparrow hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 21:48 Philosophie überschreitet ebenfalls nicht diese Grenzen. Das kann sie gar nicht, da es sich sowohl bei Philosophen als auch bei Wissenschaftlern jeweils um Menschen handelt und alle Menschen mit vergleichbaren Sinneskanälen ausgestattet sind.
Philosophie hat (wenn man sie nicht oberflächlich betreibt) den Vorteil, dass sie in Bereiche hineindenken kann, die wissenschaftlich nicht erreichbar, da nicht modellierbar sind. Fragen wie "Wo gehen wir am Ende hin" MUSS die Wissenschaft beantworten mit "30% in den Sarg, 70% in die Urne". Die Philosophie, Theologie und übrigens auch Künstler können hier weiter gehen - allerdings ohne Gewähr. - Andererseits sollte es stutzig machen, wenn voneinander unabhängige Kulturen unterm Strich die selben Themen haben. - Mit Wieland gesagt: "Geist ist nicht beweisbar, aber er erkennt sich gegenseitig".
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Oleander
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Oleander »

Hiob hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 23:25 Ob man geistlich bewusst zu sich "Ich" sagen kann.
Ist Gott an sich Geist oder Person?
Ist die Liebe an sich eine etwas bewirkende Kraft oder eine Person?
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Oleander »

Hiob hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 23:25 Selbst unsere Kommunikation könnte eine Einbildung von mir sein
Nein, denn Oleander kann sie mitverfolgen und dir bezeugen, du bildest sie dir nicht ein

Edit: Hat Philosophie eigentlich einen pragmatischen Nutzen für den Alltag? Kann ich davon leben?
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Oleander hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 23:29 Ist Gott an sich Geist oder Person?
Beides.
Oleander hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 23:29 Ist die Liebe an sich eine etwas bewirkende Kraft oder eine Person?
Beides. --- Ich bin überzeugt, dass es Gott ist, wenn ein Mensch wahrhaft liebt ("Liebe" hier wirklich im geistlichen Sinne gemeint und nicht im modernen Sinne). - Insofern bedeutet "Liebe Deinen Nächsten" auch "Lass mich, Gott, in Dir, Mensch, wirken".
Oleander hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 23:31 Hat Philosophie eigentlich einen pragmatischen Nutzen für den Alltag? Kann ich davon leben?
Menschen, die einen guten geistlichen Instinkt haben, brauchen keine Philosophie. - Insofern ist ein einfacher Mensch, der im Alltag instinktiv weiß, was jetzt gut ist, jedem Philosophen in puncto Wahrheitsnähe überlegen. Solche Leute beneide ich immer.

Andererseits wird gute Philosophie gebraucht, damit man den schlechten Philosophien etwas entgegenhalten kann, da es oft schlechte Philosophien gibt, die Gesellschaften prägen (siehe heute). ---- Im Himmel gibt es keine Philosophie, weil es in der Wahrheit keine Diskussionen gibt.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Oleander »

Hiob hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 23:49
Oleander hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 23:29 Ist Gott an sich Geist oder Person?
Beides.
Und woher willst du das "Wissen"? :)
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Oleander hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 23:56 Und woher willst du das "Wissen"?
"Wissen" geht gar nicht, weil "wissen" nichts anderes ist als die Übereinstimmung von Beobachtungen mit einem falsifizierbaren Modell. - Wenn es tiefer geht, kann man immer nur glauben. - Begründen kann ich es natürlich - aber das wäre dann wieder Philosophie. :lol:
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Jack Sparrow »

Hiob hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 23:25
Jack Sparrow hat geschrieben: Do 6. Jan 2022, 21:48 Worin genau unterscheidet sich eine Person von einer Nichtperson?
Ob man geistlich bewusst zu sich "Ich" sagen kann.
Welchen Versuchsaufbau benutzt du um zu ermitteln, ob Pflanzen geistlich bewusst zu sich "Ich" sagen können?

Würdest du mich fragen, ob ich geistlich bewusst zu mir "Ich" sagen kann, könnte ich jedenfalls nur mit den Schultern zucken.
Eben NICHT. - Selbst unsere Kommunikation könnte eine Einbildung von mir sein - und meine Frau plus 4 Kinder ebenfalls.
Worin unterscheidet sich denn eine Einbildung von etwas, was keine Einbildung ist?
Selbstverständlich GLAUBE ich, dass das alles echt ist, aber nachweisen kann ich es nicht.
Du kannst auch nicht nachweisen dass eine Tomate rot ist. Es nur leider so, dass wir die Farbe, die Tomaten üblicherweise haben, zufälligerweise mit diesem Wort bezeichnen, und dass es geringfügige Verwirrung stiften könnte, wenn du stattdessen beispielsweise plötzlich das Wort "Kühlschrank" verwenden würdest.
Solche Überlegungen dienen (auch bei Descartes) nicht ernsthaft der Frage, ob die Nachbarin "echt" ist. Sie dienen vielmehr der Erkenntnis, dass man diese "Echtheit" GLAUBEN muss,
Man muss gar nichts. Wenn es dir Freude bereitet gegen Hauswände zu laufen, da du diese nicht für ausreichend "echt" hältst, dann wird dich niemand davon abhalten.

Nur ist mir die Sinnhaftigkeit solcher Überlegungen nicht ganz klar: Solange dir nichts zur Verfügung steht, was noch irgendwie echter wäre als Hauswände, kannst du die Hauswände für echt oder für Einbildung halten, wie auch immer es dir beliebt.
Die Philosophie, Theologie und übrigens auch Künstler können hier weiter gehen - allerdings ohne Gewähr.
Zumindest meinen sie das von sich selbst, während es für unbeteiligte Dritte so aussehen mag, als mangle es diesen Menschen lediglich an Pragmatik und Stringenz.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Hiob »

Jack Sparrow hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 21:24 Welchen Versuchsaufbau benutzt du um zu ermitteln, ob Pflanzen geistlich bewusst zu sich "Ich" sagen können?
Gar keinen. - Du fragtest nach dem definitorischen Unterschied zwischen Person und Nicht-Person. - Die Antwort darauf ist unabhängig davon, ob sie falsifizierbar ist, sondern hat grundlegenden Charakter.
Jack Sparrow hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 21:24 Würdest du mich fragen, ob ich geistlich bewusst zu mir "Ich" sagen kann, könnte ich jedenfalls nur mit den Schultern zucken.
Allein, dass Du diese Frage verstehen würdest, erfüllt den Tatbestand "Person".
Jack Sparrow hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 21:24 Worin unterscheidet sich denn eine Einbildung von etwas, was keine Einbildung ist?
Ob das Objekt Entität ist oder nur Vorstellung.
Jack Sparrow hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 21:24 Wenn es dir Freude bereitet gegen Hauswände zu laufen, da du diese nicht für ausreichend "echt" hältst, dann wird dich niemand davon abhalten.
Alter Denkfehler, an dem schon Hegel bei seinen Studenten in Jena verzweifelt ist. --- Denn das Cogito spürt doch dasselbe, ob das Objekt eine vorgestellte oder eine Entitäts-Wand ist. - Möglicherweise hast Du schon mal während Deiner Träume Panik verspürt - und das, obwohl der Traum keine Entität war.
Jack Sparrow hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 21:24 Solange dir nichts zur Verfügung steht, was noch irgendwie echter wäre als Hauswände, kannst du die Hauswände für echt oder für Einbildung halten, wie auch immer es dir beliebt.
Ich-bezogen ist das richtig. - Aber Descartes will doch die Sinnhaftigkeit von Wissenschaft, also den Umgang mit "echten" Objekten philosophisch sauber rechtfertigen. Und da kommt er eben zum Schluss, dass sie bei Setzung eines wohlwollenden Gottes (= einer, der einen nicht verarscht) "echt" sind, also wissenschafts-untersuchungswürdig sind.

Die Zuweisung "Radikal-Skeptizismus" bei Descartes ist zwar formal richtig, aber sein Bestreben ist genau umgekehrt: Er will philosophisch den Weg freimachen, dass es Sinn macht, Wissenschaft zu betreiben. - Popper macht das auf lässige Weise genauso. Er orientiert sich an der intuitiven Leitkategorie des alltäglichen Denkens. Oder anders rum: Er blendet alles aus, was mit seiner Methodik nicht fassbar ist - er stellt keine metaphysischen Fragen, weil diese per Definition nicht mit seiner Methodik fassbar sind. - Popper spart sich also das, auf das er kommen müsste, wenn er wie Descartes die Grundlagen seiner Methodik hinterfragen würde. Er tut dies programmatisch NICHT.
Jack Sparrow hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 21:24 Zumindest meinen sie das von sich selbst, während es für unbeteiligte Dritte so aussehen mag, als mangle es diesen Menschen lediglich an Pragmatik und Stringenz.
Denhkfehler. - Sie denken in Bereichen, die methodisch (im Sinne der Naturwissenschaften) nicht zugänglich ist. - Das da gelegentlich Quatsch rauskommt, soll gar nicht bestritten werden. Aber was will man tun? Bleibt man in dem, was Du "Pragmatik und Stringenz" nennst, kommt man nicht zu Antworten auf grundlegende Fragen. - Kümmert man sich um diese Fragen, verlässt man den falsifizierbaren Raum.
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:00 Das sind zwei unterschiedliche Sachen:
1) Kein klares Konzept - einverstanden.
2) Aber die Frage verstehen wir, glaube ich schon.
Glaube ich halt nicht. Die Frage nach dem “was WIRKLICH ist” ist so sinnlos und unverständlich wie die Frage “was WIRKLICH höflich ist”.

Ersteres hängt vom Kontext ab, letzteres von der Kultur / Land.

Die Menagerie der verschiedenen Seinsformen (physikalische Größen wie Energie, Felder; abstrakte Objekte, Zahlen, “geistiges Eigentum”; pure Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten; Löcher, Schatten; …) ist einfach zu vielfältig als dass da einen gemeinsamer Nenner plausibel wäre.

Falls du ein Argument kennst, dass es diesen gemeinsamen Nenner jedoch gibt – dann bitte teile es doch mit. Das wäre eine Sensation :!:

Jedoch alle verschiedenen Bedeutungen von “sein” in einen Topf zu werfen, gut umzurühren und zu “dem Sein” zu substantivieren, das passt nicht zur Philosophie, zur Liebe zur Weisheit.
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:00Das stimmt - aber um das Subjekt geht es doch nicht. - Wenn etwas schwer oder nicht exakt definierbar ist oder nicht falsifizierbar ist, heißt es doch nicht, dass es deshalb nicht konkret wäre. - Wir müssen unsere Wahrnehmungs-Verwaschenheit oder -Beschränktheit abkoppeln vom Sein. - Unsere Klarheit ist nicht Maß für die Klarheit des Seins.
Du setzt halt die ganze Zeit voraus, dass “das Sein” konkret gegeben ist. Zuallererst ist es aber bloß ein Menschenkonstrukt, eine Menschenidee. Die dazu so konstruiert ist, dass sie wirklich keinerlei Sinn ergibt. Wie “Die universelle Höflichkeit”. Du müsstest schon mal zeigen, dass deiner Menschenidee auf konkretes verweist.

Ansonsten ist das wieder ein Fall von “Splitter und Balken” (Mt 7:3–5) – sich über Anthropozentrismus der Moderne beschweren und selber in extremsten Anthropozentrismus verfallen.
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:00Das hat wahrscheinlich mit der Clockwork-Philosophie zu tun. - Ich bin in dieser Frage nicht tief genug drin, vermute aber, dass Descartes meint, dass Natur ohne Geist rein mechanistisch ist. - Denn auch Descartes wird gewusst haben, dass die Natur christlicherseits beseelt ist.
Das hat er sicher gewusst. Aber er ist in dem Punkt vom Christentum abgewichen (wenn Descartes’s Werke lupenrein christlich i. S. der damaligen Zeit gewesen wären, wären sie nicht auf dem Index gelandet).

Natur ist rein mechanistisch für Descartes, da sie unbeseelt und von Geist befreit ist. Das ist seine Vorstellung – absolut unakzeptabel für mich.
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:00 Davon abgesehen: Nicht alle Schlussfolgerungen von Descartes müssen richtig sein. - Mir geht es hier um die Basics in Form von
1) Cogito = das einzig sicher Erkennbare
:arrow: falsch, da ist nichts sicher, siehe Anatta.
2) Glaube ist die Rechtfertigung der Wissenschaft, weil die Wissenschaft selber nicht entscheiden kann, ob Extensae "echt" oder "Einbildung" sind.
:arrow: falsche Dichotomie. Wir bilden uns die res extensae nicht ein und sie sind auch nicht echt. Um sich was einzubilden müsste man es erst einmal erleben können. Und genau das ist bzgl. den res extensae eben nicht möglich: wir erleben keine von qualitativen Eigenschaften befreiten Objekte.

res extensae sind wieder ein künstliches Konstrukt, das zum absoluten erhoben wird. Und das nebenbei für die Wissenschaft auch komplett irrelevant ist.
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:00 Das ist eine Frage, die mich seit langem beschäftigt: Wie kann ein Wesen, das kein geistliches Ich hat, Schmerzen als Ich empfinden?
Lass mal das “geistlich” weg – warum hat ein Tier kein Ich?
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:00 Jedenfalls lässt sich die Frage nicht dadurch lösen, dass man Tieren eine geistliche Identität/Ich zuordnet, um Schmerz zu erklären.
Und warum kann man einem Tier kein Ich zuordnen? Warum lässt sich die Frage nicht so lösen?
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:00es läuft also wohl auf die Verbindung von Fühlen und Geistlichkeit hinaus, was hieße: "NUR Fühlen erkennt nichts".
“Fühlen” habe ich jetzt sehr viel weiter verstanden. Natürlich auch Schmerz fühlen – sicherlich eine wichtige “Erfahrung”.

Aber eben auch Emotionen. Oder Fantasie – ein von innen berührt-werden bzw. angerührt-werden (z. B. von einem Kunstwerk).

Zusammengefasst bleibt:
  • Descartes degradiert all dieses nicht-rational Geistige.
  • Descartes degradiert alle nicht-menschlichen Lebewesen.
  • Descartes degradiert die Natur zu einem Uhrwerk, die der Mensch als “Mechaniker” beherrschen kann.
Und das ist weitgehend ein Ergebnis seiner problematischen Philosophie.
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:00 Das sind die alten Sophismen. --- Natürlich hat jeder Mensch nur die eigene Wahrnehmung. Aber diese (geistliche) Wahrnehmung kann in Bezug auf Gott wahr oder unwahr sein (alias ontisch wahr oder unwahr sein). - Nur wissen wir das nicht - auch hier kann man die Grundlage nur glauben. - Dieser Glaube verfestigt sich, wenn die hermeneutische Entwicklung auf Basis dieser Glaubens-Setzung nachhaltig funktioniert. - Trotzdem wird es kein absolutes Wissen - dieses kommt erst, wenn man erkennt, wie man erkannt ist.
Ich sehe da keinen Sophismus. Manche Menschen sind von Wahnsinn geschlagen – du glaubst, dass Gott dich persönlich davor bewahrt. Du weißt, dass manchmal ganze Gesellschaften kollektiver Psychose verfallen (z. B. Nazi-Deutschland). Du weißt sogar, dass du selbst irrst, d. h. dass Gott bei dir durchaus Irrtum zulässt. Aber du glaubst, er bewahrt dich vor “zu heftigem” Irrtum. Ab wann nun Irrtum “zu heftig” ist um mit dem Wohlwollen Gottes kompatibel zu sein, hast du auch herausgefunden! Und dann weißt du noch, dass du nur irren kannst bei Grundlagen, während du bei Schlussfolgerungen unfehlbar bist (und Gott nicht brauchst).

Was du alles weißt… und diese Herangehensweise soll “nicht anthropozentrisch” sein! :roll:
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:00 Doch - immer. - Alles andere ist Handwerk.
Kein Mensch ist unfehlbar, auch du nicht.

Egal ob man das als bloßes Handwerk bezeichnet. Das ist einfach so – immer.
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:22 Da überinterpretierst Du. - Mir geht es bei "Unfehlbarkeit" um Sätze wie "Wenn alle Menschen 2 Ohren haben, haben 100 Menschen 200 Ohren", aber auch: "Wenn alle Menschen 14 Ohren haben, haben 100 Menschen 1.400 Ohren". - Beide Aussagen sind zwingend alias unfehlbar. --- Ontisch sagt dies aber eben nichts darüber aus, wie viele Ohren ein Mensch hat.
Ich denke nicht, dass ich das hier überinterpretiere.
  1. In der Wissenschaft sind die Schlussfolgerungen merklich komplexer als 14 × 100 = 1400. Und darum ging es, um dein sogenanntes “systemisches” (naturwissenschaftliches) Wissen.
  2. Man könnte Logik (oder Mathematik wie in diesem Beispiel) als eine Art Spiel betrachten. 14 × 100 = 140 wäre vergleichbar mit einem Schachspieler, der den Springer von g1 nach e3 ziehen will und damit einen Fehler im Sinne eines unerlaubten Zug macht. Warum du da Unfehlbarkeit annimmst ist mir schleierhaft. Du misst mit zweierlei Maß wenn du die Möglichkeit solcher Fehler als irrelevant beiseite schiebst, aber den cartesischen Radikalskeptizismus (täuscht mich in allem ein böser Dämon, der genius malignus?) wieder vollkommen ernst nimmst.
  3. Auch wenn gemäß 2. die Schlussregeln auf regelgerechte Weise angewendet werden, bleibt die Frage, warum diese wahrheitserhaltend sind – sei das bezogen auf physische Dinge oder auch abstrakte Objekte. Schach spielen hat mit Wahrheit überhaupt nichts zu tun und so ist wohl auch die Logik (oder Mathematik) nicht bloß ein Spiel.
2. und 3. vermengst du i. Ü. ziemlich… man könnte natürlich auch 3. zu den “Grundlagen” zählen, aber interessanterweise tust du das mit deinem Beispiel gerade nicht: “Wenn alle Menschen 14 Ohren haben, haben 100 Menschen 1.400 Ohren” – das ist so, fertig aus. Aber warum eigentlich? Warum geht unsere Schlussfolgerung “im Gleichschritt” mit physischen Objekten?
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Re: Descartes, OT von Kommt die (digitale) Technik vom Teufel?

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:22Irgendwo ist da ein Denkfehler. - Das, was ontisch ist, beinhaltet doch nicht die Bewertung, WARUM es "ist". - Meine Frau und ich haben 4 Kinder (gemacht = Einflussnahme auf auf Prozesse der Erde). Trotzdem "sind" dies Kinder.

Das Schlagwort "Anthropozän ändert nichts im Vergleich zum Universum vor 3 Milliarden Jahren, soweit ontologische (sensu traditionell) Fragen betroffen sind.
Ich habe das auch gar nicht als streng schlüssiges, philosophisches Argument gemeint. Sieh es als Bemühung an, deine Rhetorik zu entschärfen: Du versuchst die Menschen mit emotional aufgeladenen Schlagworten “anzulocken” – aber später kommt dann das böse Erwachen!

Z. B. “Anthropozentrismus”: Anthropozentrismus hat heutzutage einen ganz, ganz schlechten Ruf. Anthropozentrismus traut sich niemand mehr zu verteidigen – aus gutem Grund, würde ich sagen. Wie so ein professioneller Scharfmacher oder Polemiker gibst du nun vor gegen den Anthropozentrismus der Moderne anzukämpfen. Aber schwuppdiwupp, eh man es sich versieht, sind wir mitten drin im extremsten Anthropozentrismus wonach Tiere kein Ich haben, Menschen zu unfehlbaren Schlussfolgerungen fähig sind, und das Anthropozän nur eine “naturalistische* Angelegenheit” ist, denn “wir sind nur Schweine, die sich an der Eiche kratzen, die Eiche kriegt das nicht mal mit”.

* ich sehe mich als sehr spirituellen und nicht-naturalistischen Menschen an, gerade weil mir das Schicksal dieses Planeten am Herzen liegt – die Vernichtung der Schöpfung durch den Menschen ist nicht eine “naturalistische Angelegenheit”!

Genau das gleiche Spiel bei “Relativismus” – eine extrem negativ besetzte philosophische Richtung heutzutage. Du kämpfst vorgeblich dagegen an, gerierst dich als Kämpfer für die Rückbesinnung auf die Realität (“das Ontische”) – das kommt gut an in Zeiten wo jeder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die Gefahr von Fake-News und Post-Truth-Politik belehrt wird!

Aber schwuppdiwupp, am Ende sitzen wir im extremsten Relativismus. Denn “das Sein” entpuppt sich als eine bloße “Blackbox”, in die sich nicht hineinschauen lässt!

Oder “Aufklärung”: Allgemein ist Aufklärung immer noch größtenteils positiv besetzt (nicht durch die Bank – in Spektrum weit links sind das nur sexistische/rassistische/… Ansichten toter weißer Männer). Du gerierst dich als Verfechter der “Aufklärung”. Aber über eine radikale Um-Interpretation von Descartes und schwuppdiwupp landen wir stattdessen bei extremstem Fideismus: Glauben ist die Erkenntnisgrundlage**!

** Ich mag die Aufklärung nicht, aber auch ich gestehe zu: dieser Fideismus ist ihr völlig fremd.

Also bitte: Philosophie heißt Liebe zur Weisheit. Nehmen wir das doch mal ernst! Es ist einfach nicht angebracht in der Philosophie jeder Mode hinterherzurennen nur um einen rhetorischen Vorteil daraus zu ziehen.

Wenn du Anthropozentrismus, Relativismus und Fideismus verteidigen willst, dann sag’s doch einfach. Und gib nicht das Gegenteil vor nur um später eine 180° Wendung zu machen.

Haben wir doch so viel Respekt vor der Philosophie, dass wir das für unwürdig erachten!
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:22Dann war Kant aber ebenfalls anmaßend.
Teils, teils. Er schwankte bzgl. seiner Ansichten über das Ding-an-sich. Aber das steht ja alles in dem von dir zitierten Artikel aus dem Kant-Lexikon von Rudolf Eisler.
- Das "Ding an sich" ist für Kant ja keine gewollte Größe, sondern etwas, worum er, egal wie er es vernunftsmäßig dreht und wendet, nicht rum kommt. - Im Grunde ist das "Ding an sich" ein funktionaler Platzhalter für das, was man vorher "Gott" nannte.
Sehe ich nicht so.
Also letztlich ist Kant auf seine Weise am selben Punkt wie Descartes, der da lautet: Der Ursprung dessen, was wir wahrnehmen, lässt sich systemisch/methodisch/intellektuell nicht ermitteln, ES SEI DENN der Mensch macht sich selber zum Ursprung - genau das ist heute auf subtile Weise der Fall. --- Als ich vor einigen Jahren feststellen musste, dass die heutige Definition von Ontologie semantisch exakt das Gegenteil dessen ist, wie es traditionell gemeint ist, wurde mir dies mit einem Schlag klar.
Naja, du fokussierst dich da auf einige Philosophen der Aufklärung, nein, auf eine sinnentstellende Interpretation derselben, und nennst dann diese Ansichten “traditionell”.

Platon und Aristoteles haben Ontologie nicht so verstanden wie du.
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:22 Zustimmung. Aber es geht nicht um das "was es bedeutet", sondern "dass es bedeutet". - Das Sein ist eine Blackbox, aus der alles kommt, die sich aber nicht in sich hineinschauen lässt. - Genau dies beanspruche ich auch nicht - ich behaupte lediglich, dass es diese Blackbox gibt. - Vielleicht hat dies damit etwas zu tun, dass es auch im Geistlichen eine Energieerhaltungssatz gibt. Oder anders: Das, was wir wahrnehmen, kommt aus "was".
Wenigstens nennst du es mal beim Namen: du behauptest, dass es diese Blackbox gibt.

Ich zweifle an dieser Behauptung. Denn etwas wie Kausalität (“das Sein ist eine Blackbox, aus der alles kommt”, H. v. m.), das haben wir doch von der Welt, wie wir sie erleben erlernt. Wieso meinst du, dass du dieses Konzept über den Bereich hinaus, aus dem es entnommen wurde, anwenden kannst?
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:22 Ebenfalls Zustimmung. - Genau deshalb sind wir doch in den Kontext geworfen. Kontext heißt auch Entwicklung und Entwicklung heißt Zeit. -- Im ursprünglichen Sein gibt es keine Zeit, sondern nur Sein. - Wie sich das anfühlt, weiß ich nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass es anders nicht sein kann - aber das sind jetzt geistliche Bindungen, die man hat oder nicht.
Was du alles zu wissen meinst! Wo doch “das Sein” eben noch eine Blackbox sein sollte…
Hiob hat geschrieben: Mo 3. Jan 2022, 23:22Mit anderen Worten: Unter naturalistischen (= anthropozentrischen) Gesichtspunkten gebe ich Dir vollkommen recht. Meine Ausführungen funktionieren und dann und sind dann sogar zwingend, wenn man aus einer geistlichen Welt heraus argumentiert.
Ich sehe diese harte Dichotomie zwischen der natürlichen Welt und der geistlichen Welt nicht.

Naturalismus bedeutet, dass es nur die Natur gibt. Das glaube ich nicht (im Naturalismus, derart verstanden, gibt es keine Erlösung).

Aber die Natur ist nun mal Schöpfung, und das gibt dem ganzen die geistliche Relevanz.

Die Erkenntnis über die Zerstörung von Gaia durch den Menschen als “anthropozentrischen Gesichtspunkt” zu bezeichnen, ist eine deiner üblichen, wohl-eingeübten 180° Umkehrungen.
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