Zippo hat geschrieben: ↑Do 6. Jan 2022, 18:00
Es wird vielfach so verstanden, das man jeder Obrigkeit gehorchen müße.
Da geht man von Prämissen aus, die exegetisch gesehen zumindest sehr fragwürdig sind. Was in Römer 13,1 meist "
obrigkeitliche Gewalt" genannt wird lautet auf griechisch
uper-eXO ex-ousia (ich benutze hier nur die Grundformen). Wenn danach von entweder
Obrigkeit oder
Gewalt geredet wird, haben wir nur den Begriff
ex-ousia. Dieses
uper-eXO taucht in diesem Kontext nicht mehr auf. Heisst das, dies spielt keinerlei Rolle mehr ? Nein, ich glaube Paulus denkt es in diesem Kontext immer mit, also wenn er von
ex-ousia redet, muss man sich dieses
uper-eXO dazu denken. Sonst macht das wirklich keinen Sinn.
Strong's Greek 5242. ὑπερέχω (huperechó) -- to hold above, to rise above, to be superior
Uper-eXO wörtlich übersetzt heisst
über-halten/haben. Es kommt fünfmal im NT vor (Römer 13,1 ; Philipper 2,3 ; 3,8 und 4,7 ; 1. Petrus 2,13. Besonders interessant ist hier Philipper 2,3
Philipper 2,3 nichts aus Parteisucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst;
Man soll den anderen
höher achten. Unabhängig von der Leistung oder dem Stand des anderen. Denn es soll kein Ansehen der Person sein. Der Andere wird dadurch aber noch nicht zur
ex-ousia. Gemeint ist nicht, dass man sich selber verachten und ausschließlich auf den anderen konzentrieren soll. Gemeint ist die Überwindung des Egoismus und den anderen als zum Leib Christi gehörig anzuerkennen, für den man genau so sorgsam bedacht ist, wie für sich selbst auch.
Epheser 5,29 Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er nährt und pflegt es, gleichwie auch der Christus die Versammlung. 30 Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleische und von seinen Gebeinen.
Das ist Unterordnung, nicht gehorsam gegenüber Menschen aber dennoch Gehorsam gegenüber Gott. Eben jene Unterordnung meint Paulus auch in Römer 13 mit dem Begriff upo-tasso. Eltern lassen sich nicht von den Launen ihrer Kinder mit unangebrachtem Gehorsam schikanieren, aber so wie sie sich ihrem Kind unterordnen, weil es sich nicht selber versorgen kann, so sollen wir uns auch anderen unterordnen, nicht als wären sie umündig, sondern als Menschen mit Bedürfnissen die ohne den Schutz der Geschwister in der Welt nicht überleben können.
Strong's Greek 1849. ἐξουσία (exousia) -- power to act, authority
Ex-ousia wörtlich ist
aus-sein.
Ex-ousia steht in allen biblischen Kontexten für
Vollmacht, Erlaubnis, Befugnis, Recht, Berechtigung, Autorität und Gewalt (nicht zu verwechseln mit Gewalttätigkeit). Es ist selbst keine Person damit gemeint und auch nicht Synonym für eine Person und auch nicht für Staat oder gesellschaftliche Ordnung.
Wenn Paulus also sagt, dass alle ex-ousia von Gott eingesetzt ist, heisst das nicht tatsächlich alle, sondern wie gesagt, immer die
ex-ousia als
uper-eXO mit gedacht. Es sind aber nicht alle
ex-ousia und vor allem nicht alle, die sich als solche gebärden, eine
uper-eXO ex-ousia. Paulus nennt hier die Erkennungszeichen : Wenn die rechte
uper-eXO ex-ousia die Bösen straft und die guten belohnt, dann ist sie von Gott.
Das es auch falsche
ex-ousia gibt, die keinesfalls von Gott über uns gestellt sind, als dass wir ihnen dienen oder ihnen gehorchen sollten, wird aus mindestens zwei Stellen im NT wortwörtlich deutlich.
Offenbarung 13,2 Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Pardel, und seine Füße wie die eines Bären, und sein Maul wie eines Löwen Maul. Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron und große Gewalt.
Hier wird wieder eingewendet, dass auch der Satan seine Macht von Gott bekäme und so folglich auch das Tier von Gott wäre. Ja, der Satan hat seine Macht für das was er tun kann natürlich von Gott, und ebenso kann das Tier nichts tun, was Gott nicht wenigstens zulässt, aber diese Erklärung ist billig. Der Satan ist ja auch der Verführer. Er behauptet Dinge, die nicht stimmen. Dass er Lügen kann, diese Fähigkeit hat Gott zugelassen, aber dadurch werden die Inhalte der Lügen noch nicht wahr. Er behauptet Macht zu haben, die er tatsächlich aber gar nicht hat. Ihm wurden alle Reiche der Welt gegeben, so wie er nach Jesu Taufe sagt. Jesus widerspricht dem nicht. Aber sie wurden ihm nicht von Gott gegeben, sondern von Menschen. Er hat seine Macht vor allem dadurch, dass Menschen ihm dienen, wissend oder unwissend. Wozu Menschen sich selber bekennen, das ist ein Schwur oder Eid, und das gilt vor Gott, dafür haben Menschen dann selber gerade zu stehen. Deswegen die Warnung vor dem Schwören und den Eiden. Siehe Matthäus 5,33 ; Jakobus 5,12 ; Prediger 5,3-4 ; 5. Mose 23,22-23 ; Sprüche 11,15 ; Sprüche 17,18
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Michael hast du mitgelesen und verstanden ? Ist dir das biblisch genug oder zu politisch versifft ?
Epheser 6,12 Denn unser Kampf ist nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Fürstentümer, wider die Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern.
Hier geht es um die List des Teufels und die von ihm ausgehende
ex-ousia, der wir uns mit der Waffenrüstung Gottes entgegen stellen sollen. Es ist also keineswegs so, dass alle
ex-ousia von Gott ist, als dass wir ihr gar gehorchen sollten. Nichts kann biblisch falscher sein, als diese permanente Behauptung für die Römer 13 missbraucht wird. Wer aus Römer 13 ein ewiges Prinzip der Obrigkeitshörigkeit ableitet, der verkennt die unzähligen Bibelstellen, die gegen so ein Prinzip sprechen. Wer so interpretiert, aber nicht nur exegetisch unsauber, sondern überhaupt nicht exegetisch, sondern rein aus dem Bauch und aus einer gewohnten traditionellen Interpretation heraus, ohne jegliches Gespür für eine historisch kritische Betrachtung des Textes. Und nein, historisch kritisch heisst nicht die biblischen Aussagen verleugnen.
Verleugnen tut man die biblischen Aussagen dann, wenn man beispielsweise das eben genannte Zitat aus Epheser 6 aus der Sphäre des Alltags und der menschlichen Lebenswelt hinaus manövriert in eine mystische Parallelwelt. Auch oder gerade weil der Kampf nicht gegen Fleisch und Blut ist, spricht das dafür, dass es hier dennoch um einen Kampf zwischen Menschen geht, und zwar Kämpfe zwischen Gedanken, Ideologien und Schriftinterpretation.