"Unschärfen" in Bibeltexten?

Benutzeravatar
Larson
Beiträge: 5454
Registriert: Do 30. Sep 2021, 13:49
Wohnort: CH

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Larson »

Michael hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 01:53 Geht es hier um zwei verschiedene Zehnte? D.h. alle drei Jahre sind zwei Zehnte zu entrichten?
Nein, die Verwendung in jedem 3. Jahr ist besonders, denn dieser soll nicht in Jerusalem „genossen“ werden (V23), sondern am Ort verteilt werden.
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
Benutzeravatar
Ziska
Beiträge: 5394
Registriert: Do 18. Apr 2013, 11:32

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Ziska »

5.Mose 14:22-29 (NWÜ)
Du sollst unbedingt von allem, was die Saat auf deinem Feld jedes Jahr hervorbringt, ein Zehntel abgeben.
23 Du sollst den zehnten Teil von deinem Getreide, deinem neuen Wein, deinem Öl sowie die Erstgeburt deiner Groß- und Kleinviehherde vor Jehova, deinem Gott, an dem Ort essen, den er für seinen Namen auswählt.
So lernst du, vor deinem Gott Jehova immer Ehrfurcht zu haben.
24 Falls die Reise aber zu lang für dich ist und du wegen der weiten Entfernung das alles nicht zu dem Ort bringen kannst, den Jehova, dein Gott, für seinen Namen auswählt – weil Jehova, dein Gott, dich segnen wird –,
25 dann darfst du es in Geld umsetzen und mit dem Geld in der Hand zu dem Ort reisen, den Jehova, dein Gott, auswählen wird.
26 Du kannst dann mit dem Geld kaufen, worauf immer du Lust hast: Rinder, Schafe, Ziegen, Wein und andere alkoholische Getränke oder was du sonst möchtest.
Und du sollst dort mit deiner Haus­gemeinschaft vor Jehova, deinem Gott, essen und dich freuen.
27 Vernachlässige den Levịten in deinen Städten nicht, denn er hat weder einen Anteil noch ein Erbe mit dir.
28 Am Ende von je drei Jahren sollst du den ganzen zehnten Teil deines Ertrages von jenem Jahr in deine Städte bringen und ihn dort lagern.
29 Der Levịt, der weder einen Anteil noch ein Erbe mit dir hat, der ansässige Fremde, das vaterlose Kind und die Witwe, die in deinen Städten sind, sollen dann kommen und sich satt essen, damit dein Gott Jehova dich bei allem segnet, was du tust
Diese Gesetze sind Teil des Gesetzesbundes, das Gott mit Israel schloss. Da standen sie kurz vor dem Einmarsch ins verheißene Land. Das Land war auch noch nicht unter den Stämmen aufgeteilt.
Die Leviten bekamen keine Landzuteilung, sondern widmeten sich dem Priesterdienst.

Jedes Jahr sollte also der 10. Anteil vom Ertrag, egal ob pflanzlich oder tierisch abgegeben werden.
2 Jahre in den von Gott bestimmten Ort, dann das 3. Jahr für die Leviten, den Witwen und Waisen und den Fremden.
5.Mose 14:27-29 NWÜ)
27 Vernachlässige den Levịten in deinen Städten nicht, denn er hat weder einen Anteil noch ein Erbe mit dir. 28 Am Ende von je drei Jahren sollst du den ganzen zehnten Teil deines Ertrages von jenem Jahr in deine Städte bringen und ihn dort lagern.
29 Der Levịt, der weder einen Anteil noch ein Erbe mit dir hat, der ansässige Fremde, das vaterlose Kind und die Witwe, die in deinen Städten sind, sollen dann kommen und sich satt essen, damit dein Gott Jehova dich bei allem segnet, was du tust


Hier wird es auch noch mal deutlich:
5. Mose 26:12 (NWÜ)
12Wenn du im dritten Jahr, dem Jahr des Zehnten, den ganzen Zehnten deines Ertrags vollständig entrichtet hast, sollst du ihn dem Levịten, dem ansässigen Fremden, dem vaterlosen Kind und der Witwe geben. Und sie sollen sich in deinen Städten satt essen

Im dritten Jahr bekamen die Leviten, die ansässigen Fremdlinge, die Witwen und Waisen den 10. Teil.
Jehova bekam nichts von dem 10. Teil.

Deswegen sollten die Israeliten folgendes zu ihrem Gott sagen:
5.Mose 36:13-15 (NWÜ)
Du sollst dann vor Jehova, deinem Gott, sagen:
Ich habe den heiligen Anteil aus meinem Haus weggebracht und ihn dem Levịten, dem ansässigen Fremden, dem vaterlosen Kind und der Witwe gegeben, so wie du es angeordnet hast. Ich habe deine Gebote nicht übertreten oder außer Acht gelassen.
14 Ich habe nicht davon gegessen, als ich trauerte, und nichts davon weggenommen, als ich unrein war. Auch habe ich nichts davon für einen Toten gegeben.
Ich habe auf die Stimme Jehovas, meines Gottes, gehört und alles getan, was du angeordnet hast.

15 Sieh doch von deiner heiligen Wohnung, dem Himmel, herunter, und segne dein Volk Israel und das Land, das du uns gegeben hast, wie du es unseren Vorfahren geschworen hast – das Land, wo Milch und Honig fließen.‘
LG Ziska
„Einer ist euer Führer, der Christus“
(Matthäus 23:10)
Benutzeravatar
Helmuth
Beiträge: 16011
Registriert: So 5. Jun 2016, 12:51
Wohnort: Wien

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Helmuth »

Ziska hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 07:59 Jedes Jahr sollte also der 10. Anteil vom Ertrag, egal ob pflanzlich oder tierisch abgegeben werden.
2 Jahre in den von Gott bestimmten Ort, dann das 3. Jahr für die Leviten, den Witwen und Waisen und den Fremden.
So würde ich es auch auslegen, weil ich auch nicht denke, dass Gott zwei Zehnte vorgesehen hatte, was dann der Fünfte für jedes dritte Jahr gewesen wäre. Aber nochmals, damit auch du verstehen mögest, was dieser Thread behandelt: Nicht die Auslegung, sondern die Unschärfe im Text.

Es geht aus dem dem Text nicht eindeutig hervor, dass jeder dritte Zehnte nicht derselbe Zehnte ist wie der sonst alljährliche. Der Zehnte soll jedes Jahr nach Jerusalem gebracht werden. An sich nehmen dann die diensthabenden Leviten die weitere Verteilung vor, doch hier wird dem vorgegriffen.

Zuvor erging die Bestimmung so:
5. Mo 12,11 hat geschrieben: So soll es geschehen: Der Ort, den der HERR, euer Gott, erwählen wird, um seinen Namen dort wohnen zu lassen, dahin sollt ihr alles bringen, was ich euch gebiete: eure Brandopfer und eure Schlachtopfer, eure Zehnten und das Hebopfer eurer Hand und alle Auswahl eurer Gelübde, die ihr dem HERRN geloben werdet.
Hier gibt es keine 2 Mal so und 1 x so Regel, sondern alles ist an den Wohnort Gottes (Jerusalem) zu bringen. Es wurde dazu auch angeordnet, dass in den eigenen Toren keine Gaben verwertet werden dürfen:
5. Mo 12,17 hat geschrieben:Du darfst in deinen Toren nicht den Zehnten deines Getreides und deines Mostes und deines Öls essen, noch die Erstgeborenen deines Rind- und deines Kleinviehs, noch alle deine Gelübde, die du tust, noch deine freiwilligen Gaben, noch das Hebopfer deiner Hand.
Woher also die Änderung?
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
Benutzeravatar
Larson
Beiträge: 5454
Registriert: Do 30. Sep 2021, 13:49
Wohnort: CH

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Larson »

Michael hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 08:21 Es geht aus dem dem Text nicht eindeutig hervor, dass jeder dritte Zehnte nicht derselbe Zehnte ist wie der sonst alljährliche.

Nun, eigentlich schon. Das Problem sehe ich da eher, dass man einfach verschiedenes aus dem Kontext reisst.
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
Benutzeravatar
Ziska
Beiträge: 5394
Registriert: Do 18. Apr 2013, 11:32

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Ziska »

Larson hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 09:12
Michael hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 08:21 Es geht aus dem dem Text nicht eindeutig hervor, dass jeder dritte Zehnte nicht derselbe Zehnte ist wie der sonst alljährliche.

Nun, eigentlich schon. Das Problem sehe ich da eher, dass man einfach verschiedenes aus dem Kontext reisst.
Deswegen lese ich auch meistens das ganze Kapitel. Und die Querverweise…
Dann noch alles einordnen: Wann? Wo? Was? Warum? An wen?
Wann geschrieben?
Wo geschrieben?
Was geschrieben?
Warum geschrieben?
Wer ist der Empfänger?
LG Ziska
„Einer ist euer Führer, der Christus“
(Matthäus 23:10)
Benutzeravatar
Larson
Beiträge: 5454
Registriert: Do 30. Sep 2021, 13:49
Wohnort: CH

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Larson »

Ziska hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 09:25 Deswegen lese ich auch meistens das ganze Kapitel.
Ich finde, du hast es auch ganz gut dargelegt und aufgezeigt, dass hier nicht von Unschärfe gesprochen werden kann
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
Benutzeravatar
Helmuth
Beiträge: 16011
Registriert: So 5. Jun 2016, 12:51
Wohnort: Wien

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Helmuth »

Larson hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 09:33
Ziska hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 09:25 Deswegen lese ich auch meistens das ganze Kapitel.
Ich finde, du hast es auch ganz gut dargelegt und aufgezeigt, dass hier nicht von Unschärfe gesprochen werden kann
Ihr legt eben aus. D.h. ihr eliminiert damit die Unschärfe. Diese Bestimmungen liegen kontextuell rein vom Textablauf nicht auseinander. Es ist Kap. 14 eine Fortsetzung der Regelungen von Kap 12. Es könnte aber auch eine redaktionelle Änderung sein.

Rein administrativ liegt es nahe, den Zehnten nicht zuerst nach Jerusalem zu bringen, damit ihn die Leviten dann wieder zurücktransportieren müssen. Aber das konnte Mose damals noch nicht wissen, weil er unmöglich wusste, wie sich der levitische Dienst im Land Israel organisieren wird. Der stand erst zu Davids Zeiten fest.

Ihr lest das nicht im historischen Kontext sondern seht den Text fertig so wie wir einen heutigen Gesetzestext lesen. Die Thora machte aber eine Entwicklung durch und war erst nach der Wegführung nach Babylon fertiggestellt, wie wir ihn heute lesen. Durch diese Redaktionen kommen solche Unschärfen.

Das habe ich z.B. schon anhand eine Texteinschubes gezeigt bzgl. des Todes Aarons, der kontextuell nicht dorthin gehört und zu einer falschen Datierung geführt hat. Es ist wichtig auch den historischen Ablauf zu erforschen um die Thora tiefer zu verstehen.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
Benutzeravatar
Larson
Beiträge: 5454
Registriert: Do 30. Sep 2021, 13:49
Wohnort: CH

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Larson »

Michael hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 10:32 Ihr legt eben aus.
Nee, so steht es ja geschrieben.
Sicher wurden Texte redaktionell „überarbeitet“, das ist auch teilweise recht offensichtlich (wie zB Ortsbezeichnungen).
Michael hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 10:32 Ihr lest das nicht im historischen Kontext sondern seht den Text fertig so wie wir einen heutigen Gesetzestext lesen.
Was für eine falsche Einschätzung….
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
Benutzeravatar
Helmuth
Beiträge: 16011
Registriert: So 5. Jun 2016, 12:51
Wohnort: Wien

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Helmuth »

Larson hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 10:52 Sicher wurden Texte redaktionell „überarbeitet“, das ist auch teilweise recht offensichtlich (wie zB Ortsbezeichnungen).
Ich denke, die Verse 5. Mose 14:28-29 sind eine spätere Ergänzung, denn im Kontext geht es beim 10. bislang nicht um Witwen und Waisen. Das Grundproblem, das ich angesprochen habe, sind zwei Zehnte. Ich kenne Pastoren, die das genau so auslegen, weil sie es genau so verstehen und sogar predigen. Das ist nicht meine Meinung, aber der Text erlaubt nun mal beide Denkrichtungen.

Bei späteren Redaktionen hat man das Problem, dass man Worte nicht offensichtlich in Moses Mund legt, also formuliert man allgemein. Aber das müssen wir nicht weiter diskutieren, weil es nicht bewiesen werden kann. Daher sind klare Texte eine wichtige Grundlage. Dieser ist dazu nicht klar.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
Benutzeravatar
Larson
Beiträge: 5454
Registriert: Do 30. Sep 2021, 13:49
Wohnort: CH

Re: "Unschärfen" in Bibeltexten?

Beitrag von Larson »

Weiter kommt noch das Übersetzungsproblem, das "alte" Hebräisch, 2500 Jahre ….
Michael hat geschrieben: Di 22. Feb 2022, 13:22 Ich kenne Pastoren, die das genau so auslegen, weil sie es genau so verstehen und sogar predigen.
Was predigen die so über diese Texte?
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
Antworten