Vorstellungen der Seele

Philosophisches zum Nachdenken
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Thaddäus
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Hiob hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:06
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 10:51 Den Athenern war Paulus einfach zu doof.
Ja, weil sie die Aussagen des Paulus nach ihrer eigenen Weltanschauung gemessen haben. Wenn man sich als Dschungelbewohner von einem Eskimo anhören muss, dass der Bau von Iglus nötig ist, müssen sie das doof finden.
Nein, ein Eskimo muss nur erklären können, was ein Iglo ist, dann versteht das auch ein Dschungelbewohner. Will der Inuit allerdings Dschungelbewohnern erklären, dass Iglos für sie der Weg zum Heil sind, dann lachen die Dschungelbewohner den vertrottelten Inuit zurecht aus und bitten ihn, seinen Unsinn doch woanders zu verbreiten. :lol:
Hiob hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:06 Wer den Römerbrief kennt, weiß, wie sehr Paulus intellektuell befähigt war. Aber Paulus hat eben eine transzendente Weltanschauung vertreten, was man von der Zeus-Welt nicht behaupten kann. - Merke: Sobald man eigene Voraussetzungen bewusst oder unbewusst auf andere Systeme überträgt, besteht die Gefahr, dass die anderen Systeme "doof" sind.
Ja, - oder aber ein System ist doof, weil man derart viele Schwächen darin nachweisen kann, dass es tatsächlich doof ist. Das seine Doofheit eben eine Tatsache ist. ;)
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Thaddäus
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Sa 7. Jan 2023, 19:18 "Veritas est adaequatio rei et intellectus"[/i] ist wörtliches Zitat von Thomas von Aquin. "Wahrheit ist Übereinstimmung des Dings und des Verstands". Also kommen Überzeugungen streng genommen nicht mal vor.
Falls es bei eurer etwas merkwürdig thomistisch-antiquierten Unterhaltung irgendwie darum gehen sollte, Thomas von Aquin philosophisch modern erscheinen zu lassen, dann darf man das "rei" in "Veritas est adaequatio rei et intellectus" ohnehin nicht mehr mit "Ding" übersetzen, sondern muss es mit "Tatsache" übersetzen.
Denn ein wesentlicher Fortschritt der Philosophie im letzten Jahrhundert bestand in der epochalen Einsicht Wittgensteins im Tractatus, das:
TLP 1.1
Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.
Ich zumindest kenne keinen relevanten Philosophen, der dem nicht zustimmen würde. Diese Einsicht verhindert nebenbei jede Form des Ding-Materialismus oder plumpten Positivismus. Übersetzt man "rei" mit "Ding" und versteht man es auch als "Ding" ist die Aussage in jedem Falle falsch.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Hiob hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:14
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:03 Ich behaupte, dass deine Äußerung HzA1 (dort rot gesetzt!) ein performativer Widerspruch ist.
Im Rahmen Deiner Begriffsverwendungen mag dies so sein - aber nicht im Sinne meiner Aussage.
Und schon wieder liegst du falsch. Wenn es eine Frage der Begriffsverwendung wäre, ob eine Aussage ein perfomativer Widerspruch ist oder nicht, dann gäbe es keine performativen Widersprüche! Du triffst die Aussage (HzA1) und IN dieser Aussage sagst du aus, dass man eine solche Aussage nicht wahrheitsgemäß treffen kann. Wie das geht habe ich oben bereits verlinkt und du solltest es so oft durchlesen, bis du es begriffen hast.

Du weigerst dich zu begreifen, dass logische Wahrheit kein Standpunkt ist, den man einnehmen kann oder auch nicht. Sie ist vielmehr die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt einen ernstzunehmenden Standpunkt einnimmt.
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Hiobs performativer Widerspruch

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Sa 7. Jan 2023, 13:28 Formal gesehen sagt er, dass die Wahrheit unabhängig von unseren Überzeugungen ist. Wahr ist für ihn eine Überzeugung, wenn sie mit der Wirklichkeit übereinstimmt (Korrespondenztheorie).

Für Hiob gibt es aber fundamental gesehen keinen Zugang zur Wirklichkeit. Wir wissen schlichtweg nicht, was "ontisch" der Fall ist. [...] Also kann niemand von sich behaupten, die Wahrheit zu kennen.
Ja, sehr schön! Hiob postuliert damit eine radikal-skeptische Position, die bekanntermaßen selbstwidersprüchlich ist: wenn niemand behaupten kann, die Wahrheit (die zweifellos existiert), erkennen zu können, dann gilt das eben exakt auch für diese Behauptung selbst: Nämlich für Hiobs Behauptung, dass Wahrheit dann vorliege, wenn eine Überzeugung mit der Wirklichkeit übereinstimmt, wir aber schlichtweg nicht wissen, was ontisch der Fall ist und deshalb niemand behaupten kann, die Wahrheit zu kennen. Seine Behauptung sagt über sich selbst aus, dass man sie nicht wahrheitsgemäß treffen kann!


So, - und genau das ist ein performativer Widerspruch! Und das bedeutet, dass sich die gesamte kursiv gesetzte Ansicht Hiobs bagatellisiert und irrelevant wird, denn als performativer Widerspruch ist sie immer falsch und kann unter keinen Umständen wahr werden. Schlimmer noch: da logisch gilt: ex falso sequitur quodlibet (aus Falschem folgt Beliebiges) folgen aus dieser kontradiktorischen Hiobschen Überzeugung ungezählte weitere Widersprüche (das nennt man in der Logik "principle of explosion", da ein Widerspruch unkontrolliert neue Widersprüche erzeugt).

Ich hebe nur das aus deinem Post hervor, weil es der wichtigste Aspekt im Umgang mit Hiob und seinem performativen Grundwiderspruch ist. Dass muss man begriffen haben, wenn man mit Hiob irgendetwas diskutiert, wobei jede weitere hierauf aufbauende Diskussion völlig unnütz ist, weil sie lediglich weitere Widersprüche nach sich zieht. Solange Hiob seinen kapitalen logischen Grundirrtum nicht begreift und abstand davon nimmt, ist jede weitere Diskussion praktisch sinnlos und ohne jeden Erkenntnisgewinn.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 8. Jan 2023, 12:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Hiob »

Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:18 ein Eskimo muss nur erklären können, was ein Iglo ist, dann versteht das auch ein Dschungelbewohner.
SChön wärs - meine Erfahrungen sind da anders.
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:18 Will der Inuit allerdings Dschungelbewohnern erklären, dass Iglos für sie der Weg zum Heil sind, dann lachen die Dschungelbewohner den vertrottelten Inuit zurecht aus und bitten ihn, seinen Unsinn doch woanders zu verbreiten.
Richtig - dies gilt umgekehrt, wenn ein Athener in die Antarktis funkt, dass jeder doof sei, der nicht im Juli am Strand liegt und badet. - Warum ist dies beidseitg doof? Weil beide Seiten unterschiedliche Voraussetzungen haben.

Hätten die Athener die geistige Größe gehabt, ihr eigenes geistiges Koordinatensystem beiseite zu stellen und ins geistige Koordinatensystem des Paulus zu steigen, hätten sie ihn verstanden. - Man kann ja trotzdem der Meinung bleiben, dass einem das eigene System besser gefällt.
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:18 oder aber ein System ist doof, weil man derart viele Schwächen darin nachweisen kann, dass es tatsächlich doof ist.
Das kann man aber nicht dadurch herausfinden, dass man SEINE Voraussetzungen zum Maßstab nimmt, ob das nicht-eigene System doof ist. Genau dies geschieht aber ständig.
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:32 dann darf man das "rei" in "Veritas est adaequatio rei et intellectus" ohnehin nicht mehr mit "Ding" übersetzen, sondern muss es mit "Tatsache" übersetzen.
Denn ein wesentlicher Fortschritt der Philosophie im letzten Jahrhundert bestand in der epochalen Einsicht Wittgensteins im Tractatus, das:
TLP 1.1
Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.
Das ist EINE philosophische Meinung. Mindestens müsste man das Wort "Tatsache" definieren, damit man aus anderer weltanschaulicher Sicht überprüfen kann, was da dran ist.
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:32 Übersetzt man "rei" mit "Ding" und versteht man es auch als "Ding" ist die Aussage in jedem Falle falsch.
Im Sinne Wittgensteins. - Guckst Du nur mal bei Metzler rein:
"Ding(griech. pragma, lat. Res), in der aristotelischen Tradition meistens eine kategoriale Entität, also eine Substanz"
Was ist dann "Substanz"?
Substanz(griech. ousia). S. ist nach Aristoteles das, was im eigentlichen Sinne seiend ist (Met. VII.1) .... Descartes verschärft Aristoteles’ Merkmale dahingehend, dass eine S. von anderem Seienden unabhängig und unvergänglich ist. S. (res) im strikten Sinne ist daher nur Gott (Principia I, 51). Ausdehnung (res extensa) und Geist (res cogitans) erfüllen das Kriterium der Unvergänglichkeit, sind aber von Gott abhängig.
Ich will das gar nicht diskutieren, aber es zeigt doch, dass es andere als wittgensteinsche Vorstellungen von dem gibt, was "Ding" ist. - Würdest Du das kantsche "Ding an sich" als "Tatsache an sich" verstehen?
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:48 enn es eine Frage der Begriffsverwendung wäre, ob eine Aussage ein perfomativer Widerspruch ist oder nicht, dann gäbe es keine performativen Widersprüche!
Doch - ständig. "Ich definiere 'Frau' als eine Person, die ein x-Chromosom hat. Meine Aussage, 'Frau' könne Kinder zeugen, ist also ein performativer Widerspruch, weil dies Aussage gegen die Voraussetzungen (hier: Definition von 'Frau') verstößt".
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:48 dass logische Wahrheit kein Standpunkt ist, den man einnehmen kann oder auch nicht. Sie ist vielmehr die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt einen ernstzunehmenden Standpunkt einnimmt.
Bei Logik würde ich nie von "Wahrheit" sprechen, weil "Wahrheit" eine Substanz ausdrücken sollte und kein Verfahren.

Ja, "logische Wahrheit" ist Voraussetzung für einen anspruchsvollen Standpunkt. Notwendig, aber nicht hinreichend. Denn mit Logik kann man den größten Unsinn verzapfen: "Wenn alle Menschen 3 Ohren haben, ist es logisch, dass 80 Mio Deutsche 240 Mio Ohren haben". Mit anderen Worten und immer wieder: Das (jeweilige) Fundament, auf dem dann die Logik arbeiten darf, muss geklärt sein - und zwar in aller Tiefe.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 11:32
Claymore hat geschrieben: Sa 7. Jan 2023, 19:18 "Veritas est adaequatio rei et intellectus"[/i] ist wörtliches Zitat von Thomas von Aquin. "Wahrheit ist Übereinstimmung des Dings und des Verstands". Also kommen Überzeugungen streng genommen nicht mal vor.
Falls es bei eurer etwas merkwürdig thomistisch-antiquierten
blubb, Hiob: "Du bist 21. Jh. formatiert", Thaddäus: "merkwürdig antiquiert"

Allen Leuten recht getan... :lol:
Unterhaltung irgendwie darum gehen sollte, Thomas von Aquin philosophisch modern erscheinen zu lassen,
Nein.
dann darf man das "rei" in "Veritas est adaequatio rei et intellectus" ohnehin nicht mehr mit "Ding" übersetzen, sondern muss es mit "Tatsache" übersetzen.
Thomas hat nicht Tatsache gemeint, sondern bestenfalls, sehr salopp "Dinge und Tatsachen". Die Rückrichtung würde doch nicht funktionieren - "wahrer Freund". Außerdem meinte Thomas, dass sich der Verstand den Dingen bereits anpasst, wenn er die Essenz derselben aufnimmt.
Denn ein wesentlicher Fortschritt der Philosophie im letzten Jahrhundert bestand in der epochalen Einsicht Wittgensteins im Tractatus, das:
TLP 1.1
Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.
Ich zumindest kenne keinen relevanten Philosophen, der dem nicht zustimmen würde. Diese Einsicht verhindert nebenbei jede Form des Ding-Materialismus oder plumpten Positivismus. Übersetzt man "rei" mit "Ding" und versteht man es auch als "Ding" ist die Aussage in jedem Falle falsch.
Es bedeutet hier nach meinem Verständnis "was die Dinge sind oder wie die Dinge zueinander in Beziehung stehen". Bzgl. letzterem funktioniert die Rückrichtung nicht, so schreibt er in der Summa:
Nichtsein und Mangel haben keine Wahrheit für sich, sondern nur im Erfassen des Intellekts. Nun ist alles Erfassen des Intellekts von Gott. Daher ist die ganze Wahrheit, die in der Aussage vorhanden ist – "dass eine Person Unzucht treibt, ist wahr" – vollständig von Gott. Aber zu argumentieren, "dass diese Person Unzucht treibt, ist von Gott", ist ein Trugschluss der Akzidenz.
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 12:09 So, - und genau das ist ein performativer Widerspruch! Und das bedeutet, dass sich die gesamte kursiv gesetzte Ansicht Hiobs bagatellisiert und irrelevant wird, denn als performativer Widerspruch ist sie immer falsch und kann unter keinen Umständen wahr werden. Schlimmer noch: da logisch gilt: ex falso sequitur quodlibet (aus Falschem folgt Beliebiges) folgen aus dieser kontradiktorischen Hiobschen Überzeugung ungezählte weitere Widersprüche (das nennt man in der Logik "principle of explosion", da ein Widerspruch unkontrolliert neue Widersprüche erzeugt).

Ich hebe nur das aus deinem Post hervor, weil es der wichtigste Aspekt im Umgang mit Hiob und seinem performativen Grundwiderspruch ist. Dass muss man begriffen haben, wenn man mit Hiob irgendetwas diskutiert, wobei jede weitere hierauf aufbauende Diskussion völlig unnütz ist, weil sie lediglich weitere Widersprüche nach sich zieht. Solange Hiob seinen kapitalen logischen Grundirrtum nicht begreift und abstand davon nimmt, ist jede weitere Diskussion praktisch sinnlos und ohne jeden Erkenntnisgewinn.
Ich finde das folgende besonders schlimm:
Hiob hat geschrieben: Do 5. Jan 2023, 08:00 Ontische Wirklichkeit und Überzeugungen stimmen dann überein, wenn letztere authentisch zu ersterem stehen. Ob und wann dies so ist, ist nicht absolut zu ermitteln. Wege zu dieser Übereinstimmung sind geistiger Instinkt und/oder philosophische Hermeneutik.
Hier gibt es wirklich kein Schlupfloch mehr der Retorsion zu entkommen. Er müsste schon schreiben: "Ich glaube, Wege zu dieser Übereinstimmung sind geistiger Instinkt und/oder philosophische Hermeneutik - aber das ist nicht sicher".

Bzgl. deinem Retorsionsargument weiß ich nicht, ob es nicht doch einen Ausweg gäbe, indem man behauptet, dass es sich hierbei lediglich um eine präskriptive Definition des Wortes "Wahrheit" handelt, keine Aussage, die selbst wahr sein soll.

Egal wie, er hat das folgende zugestanden:
Hiob hat geschrieben: Sa 7. Jan 2023, 22:12
Claymore hat geschrieben: Sa 7. Jan 2023, 19:18 Was der Begriff "Wahrheit" bedeuten soll (streng zu trennen von der Frage, was wahr ist), bleibt nach der Korrespondenztheorie unverständlich.
Das liegt an den Grundlagen dieser Theorie. Sie ist so gebaut, dass sie "Wahrheit" gar nicht definieren kann.
Für mich ist die Sache damit erledigt.
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Oleander
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Oleander »

Hiob hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 10:01 Würden wir über Straßenbau, Seelsorge und Apfelkuchen sprechen, könnten wir auf diesen Unterbau verzichten.
Nicht bei der Seelsorge...und schon sind wir wieder beim Thema "Vorstellungen" der Seele.
Wenn der Christ von Seele spricht, meint er den Geist, den Gott einhauchte.
Wenn in der Altenpflege/Psychologie von Geist gesprochen wird, meint man damit kognitive Fähigkeiten.
Spricht man da von Seele, meint man die Psyche.
In dem Fall ist der Mensch eine Einheit von Körper, Geist und Seele und alles wirkt irgendwie zusammen/aufeinander (siehe Maslows Pyramide)
https://www.habitgym.de/wp-content/uplo ... rsicht.png
Die Transzendenz liegt eigentlich erst an der obersten Spitze.
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

Spice hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 10:17Nach meiner Auffassung, sind Sein und Wahrnehmung auch unterschiedliche Kategorien. Das Sein ist, unabhängig, ob es jemand wahrnimmt oder nicht. Es ist das objektiv Gegebene.
Wahrnehmung ist etwas Subjektives. Alles unterscheidet sich deshalb an der Frage, ob jemand adäquate oder inadäquate Wahrnehmungen hat. Hat jemand von etwas eine adäquate Wahrnehmung, dann erkennt er im besagten Fall, was tatsächlich ist.
Jeder denkt so, auch ich. Ich nehme eine Hausfassade wahr, ich denke da ist ein Haus. Aber tatsächlich war es eine Haus-Attrappe für einen Film. Wahrnehmung vs. Sein.

Und das ist auch völlig in Ordnung, solange das nicht haltlos verabsolutiert wird.

Hiob fängt immer mit solchen Begriffen und Überzeugungen an, die aus dem gewöhnlichen Leben entlehnt sind, und wendet sie dann ohne die nötige Vorsicht auf Transzendentes an.
Claymore
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

Hiob hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 12:28 Bei Logik würde ich nie von "Wahrheit" sprechen, weil "Wahrheit" eine Substanz ausdrücken sollte und kein Verfahren.
Was ist mit sowas wie: (P → Q) ∨ (P ∧ ¬Q) :?: :?:

Wahrheitstabelle (hier online für Faule):

Code: Alles auswählen

P	Q	((P → Q) ∨ (P ∧ ¬Q))
F	F	T
F	T	T
T	F	T
T	T	T
Taubenschach... :lol:
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Re: Hiobs performativer Widerspruch

Beitrag von Hiob »

Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 12:09 Ja, sehr schön!
Sicherlich schön, aber falsch. - Der Satz "Für Hiob gibt es aber fundamental gesehen keinen Zugang zur Wirklichkeit" (Claymore) ist falsch. - Die Aussage ist vielmehr, dass der Zugang zu dem, was man als Wirklichkeit bezeichnet, nur systemisch objektiviert werden kann.

Sätze wie "Dieser Stein hat eine Masse von 1.000 kg" ist systemisch per Wissenschaft objektivierbar und darf als authentischer Ausdruck einer Wirklichkeit verstanden werden. Innerhalb des naturwissenschaftlichen Kosmos darf man diesen Satz also als "Wahrheit" verstehen - und zwar für alle.

Sätze wie "Ich liebe meine Kinder" können genauso wahr sein, allerdings sind sie nicht objektivierbar. Dies heißt aber nicht, dass der Liebende deshalb "fundamental gesehen keinen Zugang zur Wirklichkeit" hat. Als sei die menschliche Analyse Voraussetzung für "Tatsache" oder "wahr". Die Frage ist NICHT, ob etwas Tatsache "ist" oder wahr "ist" (dazu braucht es uns nicht), sondern ob und wie wir uns an diese Frage heranrobben. "Wahrheit" ist doch kein anthropozentrischer Begriff (oder heute doch?).

Viel wichtiger: "Liebe" kann derart unterschiedlich definiert werden, dass man fragen muss, welche Definition im gegebenen Fall zugrunde liegt. Die Sätze "Gott liebt den Menschen" und "Ich liebe meine Frau" können semantisch sehr Unterschiedliches bedeuten.
Thaddäus hat geschrieben: So 8. Jan 2023, 12:09 wenn niemand behaupten kann, die Wahrheit (die zweifellos existiert), erkennen zu können, dann gilt das eben exakt auch für diese Behauptung selbst
Da bin ich doch schon viel weiter. - Erstens: Ja, man kann nicht voraussetzungsfrei nachweisen, dass die eigene Behauptung (also hier die meinige) wahr ist. Also muss der Behauptende unterlegen, unter welchen Bedingungen dieser Satz wahr ist. Umgekehrt muss sich der Kritiker vergewissern, dass er diese Bedingungen gerafft hat.

Das mag kompliziert klingen, ist es aber dann nicht, wenn Gesprächspartner in den geistigen Grundzügen in etwa auf derselben Schiene unterwegs sind. Mit anderen Worten: Wenn ich mit meinem alten Professoren oder meiner theologischen Freundin gesprochen habe, gab es keinerlei Grundsatz-Diskussionen, weil die weltanschaulichen Voraussetzungen klar waren. Und wenn ich mich nächste Woche mit meinem neuropsychologischen Kumpel unterhalte, der streng wisssenschaftlich arbeitet, aber zudem auch ein geistiger Mensch ist, werden wir mühelos die Ebenen wechseln können - weil wir eingespielt sind. Da kommen dann Fragen wie: "Meinst Du das psychologisch, neurologisch, philosophisch oder theologisch?". Jeder weiß, dass je nach Disziplin eine Frage anders zu beantworten ist.

Soweit Du literaturwissenschaftlich interessiert bist: Guck mal in der Romantik bei Friedrich Schlegel. Er hat dazu in den Lyceums-Fragmenten einige interessante Aussagen gemacht. Folgerichtig steht Schlegel in Nähe zu Friedrich Ast, der erstmals den Begriff "Hermeneutischer Zirkel" benutzt hat.

Nun gibt es natürlich Fragen (sogar die meisten im Alltag), bei denen solcher Perspektiven-Zoo nicht nötig ist. Die Frage "Hättest Du Lust auf einen Kaffee?" wird man nicht psychologisch, neurologisch, philosophisch oder theologisch durchdeklinieren. Insofern ist Dein kommunikativer Alltag vermutlich nicht viel anders als meiner. Aber bei geistigen Fragestellungen ist das ganz anders.

Nimm das Wort "Geist". Was ist die "Tatsache" des Wortes "Geist"?
Der Biologe wird sagen: "Das Gehirn entwickelt sich und kann nach x Wochen oder Monaten etwas, was nach unserer Definition als 'geistig' bezeichnet wird. Geist ist also ein Produkt des Gehirns, wie wir nachweisen können". Ist dies jetzt eine "Tatsache"?

Der Christ sagt beispielsweise: "Geist ist eine Entität metaphysischer Qualität, die sich mit der Zeugung im Menschen nach und nach inkarniert" (oder so ähnlich). Materie ist also ein Produkt des Geistes (auch vor dem Hintergrund von: "Gott ist Geist"). Ist das jetzt eine "Tatsache"?

MEINE Aussage ist nun und nach wie vor: Zu dieser Frage IST eine Tatsache, aber unabhängig von naturwissenschaftlichen oder theologischen Mutmaßungen. Diese Mutmaßungen können nah dran sein, können dies aber selber nicht entscheiden. Dies zu begreifen, nenne ich "Diskussionsgrundlagen".
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