Hiob hat geschrieben: ↑Mo 6. Feb 2023, 00:30Du musst jetzt nicht verblöden. Ich achte Deine modernen Ansätze sehr wohl, teile aber nicht deren Voraus-Setzungen.

Wie kommst Du darauf, meine Ansätze wären modern?
Die "Verblödung" der Debatte kommt durch Deine Kategorisierungen rein. Wobei "anthropozentrisch" ja schon abwertend gewählt ist - und zwar ganz bewusst. "Humanistisch" klingt wieder gut, zu gut.
Grob vereinfacht ging es Sokrates um die gute Lebensführung in der Gemeinschaft. Platon um das Göttliche in den Ideen. Den Vorsokratikern um den Urgrund des Seins. Und Aristoteles um die Natur oder den Kosmos.
Du bräuchtest also schon mindestens drei Kategorien: anthropozentrisch, theozentrisch und kosmozentrisch.
Claymore hat geschrieben: ↑So 5. Feb 2023, 21:37Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten. Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik besser fortkommen, wenn wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserer Erkenntnis richten. -- Immanuel Kant
Das klingt in der Tat in Deinem Sinne.
Ganz heiß.
Meint er das auch außerhalb der Metaphysik, also in den weltlichen Dingen?
Ich denke schon. Aber dazu kommen wir noch.
Moment: Was die Ursache der Dinge "IST", ist das eine. Ob das, was wir als Ursache vermuten, damit übereinstimmt, wissen wir nicht unbedingt.
Es ging hier um Verursachung im Allgemeinen. Die kausale Ordnung ist etwas, das wir nach Kant in die Welt hineinlegen.
Das ist doch exakt der Nachweis, dass Kant NICHT anthropozentrisch ist. Denn er sagt damit, dass "sittliches Handeln" keine anthropozentrische Größe sui generis ist, sondern eine Ableitung von dem, was wirklich das Zentrum ist, welches außerhalb des Anthropos ist.
Nein!! Nach Kant erkennt und erschafft der Mensch die Moral:
Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft hat geschrieben:Hier ist nun wohl zu merken, daß diese moralische Notwendigkeit subjektiv, d.i. Bedürfnis, und nicht objektiv, d.i. selbst Pflicht sei; denn es kann gar keine Pflicht geben, die Existenz eines Dinges anzunehmen (weil dieses bloß den theoretischen Gebrauch der Vernunft angeht). Auch wird hierunter nicht verstanden, daß die Annehmung des Daseins Gottes, als eines Grundes aller Verbindlichkeit überhaupt, notwendig sei (denn dieser beruht, wie hinreichend bewiesen worden, lediglich auf der Autonomie der Vernunft selbst).
Sowohl Ursprung als auch Telos - richtig. Aber das zeigt doch, dass Ursprung und Telos gerade NICHT im Anthropozentrismus liegen. Natürlich bedarf es des Menschen, um den Weg zum Zentrum/Telos zu gehen - aber diesen Weg zum Zentrum/Telos/Gott zu gehen, ist doch nicht Anthropozentrismus. Was ist das für ein Denken?
Kant meint, dass jedes Vernunftwesen das moralische Gesetz selbst erkennen kann und auch befolgen soll. Es geht ihm hier also um eine "Perfektionierung" der Moral. Wir sollen nach der Verwirklichung des höchsten Gutes streben, wo Sittlichkeit und Glückseligkeit zusammenfällt. Weil wir danach streben sollen, sollen wir annehmen, dass es möglich ist. Möglich ist es aber nur mit Gott.
Das ist "anthropozentrisch", weil hier Moral ohne Gott möglich und erkennbar ist, aber Gott dann immer noch als Zugpferd für die Perfektionierung der Moral eingespannt wird.
Das gleiche Schema findet sich bei Descartes, nur wird da Gott zur Sicherheit der Erkenntnis eingespannt.
Beide Ansätze sind in sich zerrissen. Sie gehen von dem Menschen als Ursprung aus und setzen als Telos den Menschen und seine Bedürfnisse. Gott wird dem ganzen dann sekundär untergeordnet, als eine Art Zugpferd.
Und dann schreibst Du:
Claymore hat geschrieben: ↑So 5. Feb 2023, 21:37Kant: maximal Anthropozentrismus. Anthropozentrismus 100% konzentriert, pur. Mehr Anthropozentrismus geht nicht.
Ich rätsele immer noch, welche Voraus-Setzung Du genau hast, damit Du eine Sache so auf den Kopf stellen kannst. Gibt doch mal ein Beispiel, was NICHT anthropozentrisch ist.
Wie viel simpler soll ich es denn noch formulieren??
Ethisch gesehen waren Descartes und Kant maximale Anthropozentriker, da sie nicht-menschliche Tiere verachteten und den Menschen zum Dreh- und Angelpunkt aller ihrer ethischen Überlegungen machten.
Das frühste Beispiel im Westen für nicht-anthropozentrische Ethik wäre Pythagoras.
In der Epistemologie sind wir mit der Banalität konfrontiert, dass wir immer aus einer menschlichen Perspektive heraus erfahren und denken.
Man könnte vielleicht sagen: nicht-anthropozentrisch ist Epistemologie, wenn der Erkenntnisprozess etwas ist, von dem man annehmen darf, dass nicht allein der Mensch daran beteiligt ist. Das Sein darf nicht schwach und irrelevant sein, für jede Interpretation zugänglich, sondern muss den Menschen führen und leiten.
Das frühste Beispiel im Westen für nicht-anthropozentrische Epistemologie wäre Platon.
Hiob hat geschrieben: ↑Mo 6. Feb 2023, 00:42Sowohl Kant als auch Descartes haben gelegentlich Schlussfolgerungen gezogen, die auch ich nicht teile. Aber Du kannst doch nicht mit Korinthenkackerei-Gestüpfel den großen Bogen außer Kraft setzen, der bei beiden zwar unterschiedlich ist, aber gemeinsam hat, dass Ursprung und Zielpunkt eben NICHT der Anthropos ist, sondern Gott.
Der große Bogen bei Kant und Descartes ist: Ursprung und Zielpunkt ist der Anthropos.
Wo ist da die Korinthenkackerei?
Heute dagegen negiert man in der Regel alles, was der menschlichen Vernunft und Methodik übergeordnet ist, macht also das zum Maßstab, was man im Rahmen seiner Möglichkeiten versteht, was also der Mensch versteht. DAS ist Anthropozentrismus.
Der menschlichen Vernunft, von der man heute annimmt, dass sie auf einem verbesserten Affengehirn basiert und für die "Mittelwelt" angepasst ist, der traut man nicht allzu viel zu, was die Erkenntnis des Seins angeht. Das ist doch das zentrale Argument, warum man Philosophie im Gegensatz zur Naturwissenschaft als weitestgehend überflüssig ansieht.
Stattdessen hat man komplexe Messgeräte und Experimente. Und man philosophiert nicht mehr, sondern wirft eine Computersimulation an - kein Mensch beteiligt.
Natürlich steckt der Mensch dann doch in den Geräten wieder drin. Aber wie kann es irgendeine Philosophie geben, die dieser Trivialität entkommen kann?
Also versuch doch mal ein wenig fairer und schlüssiger zu argumentieren. Was helfen denn diese sinnlosen Wortgefechte mit ihren Parolen, Schubladen, Fallstricken etc.? Wenn es mir zu dumm wird und ich nicht mehr antworte, hast Du dann gewonnen?
Du wiederum würdest vermutlich darauf beharren, dass die modernen Philosophien NICHT anthropozentrisch sind, nicht wahr?

Nein. Natürlich nicht. Das hängt vom Philosophen ab. Unsere Zeit ist doch tief gespalten in Positivismus vs. Konstruktivismus.
I. Ü. gehört Kant auch zur Moderne... natürlich hast Du "zeitgenössisch" gemeint, ich weiß...