Welche Gültigkeit hat das NT?

Philippus
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Re: Welche Gültigkeit hat das NT?

Beitrag von Philippus »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 02:18
Ich entwerte gar nichts. Ich nehme die Schriften wie sie sind. Einfach so kann die niemand verstehen.


So ist es :wave:
Ein weiser Mann sagte mal..... die Bibel ist so schwer zu verstehen, dass selbst der schlaueste Professor sie niemals verstehen kann............aber die Bibel ist auch so leicht zu verstehen, dass selbst das dümmste Straßenkind sie mit Leichtigkeit mühelos verstehen kann.....
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Abischai
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Re: Welche Gültigkeit hat das NT?

Beitrag von Abischai »

Philippus hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 23:34 Ein weiser Mann sagte mal...
Sir Isaak Newton sagte mal: "die Bibel ist voller Beweise Gott zu erkennen, sie ist aber auch voller Unklarheiten, daß man an Gott vorübergehen kann, wenn man das möchte."
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]
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ProfDrVonUndZu
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Re: Welche Gültigkeit hat das NT?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

SilverBullet hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 10:45 Der Charakter dieser Texte ist dann nicht Qualität sondern Risiko.
Jedenfalls ist die ernsthafte Textkritik und Überlieferungsgeschichte ein unbequemes Feld, bei dem weder Christen noch Juden besonders gut wegkommen. Kein Glaube sollte sich allein darauf gründen.

Aber vielleicht vielleicht sollten wir beim konkreten Beispiel bleiben : 1. Petrus 2,6 und Jesaja 28,16.

Problematisiert wird bei Jesaja 28,16 das Wort יָחִישׁ (#H2363], das Petrus im Einklang mit der LXX mit καταισχυνθῇ (#G2617) übersetzt, obwohl der Vers bei Petrus nicht exakt identisch mit der LXX ist. Im Passiv, wie in diesem Fall, bedeutet es sich scheuen, sich schämen oder entäuscht werden. Nun heißt #G2617 aber eilen, beeilen, sich sorgen, weichen oder fliehen. Da es aber auch in Bezug auf Gott gebraucht wird, ist weichen oder fliehen die am wenigsten naheliegende Variante. Zudem gibt es dafür andere gebräuchlichere Wörter. Dieses יָחִישׁ in Jeaja 28,16 muss sich aber auf irgendwas beziehen. Eilen in Bezug auf was ? Hin oder weg ? Ist die Person im Stress und hat dadurch Versagensängste ? Es heißt ja explizit, dass sie nicht eilen wird. Der Glaubende hat also die Ruhe weg. Ansonsten könnte man ja sagen, dass gerade der Glaubende besonderen Eifer an den Tag legt und möglichst schnell alle Pflichten und Notwendigkeiten erledigt. Es kann hier nur um Versagensängste gehen und dann sind wir dem καταισχυνθῇ nicht nur erstanlich nahe, sondern es ist genau treffend auch wenn es nicht wörtlich übersetzt ist. Die wörtliche Übersetzung ist eben nicht immer die bessere Wahl, wenn man einem Publikum einen Kontext vermitteln will. Petrus war schließlich nicht als Grammatiker oder Philologe unterwegs, sondern als Apostel und Evangelist. Ähnlich motiviert schienen die Übersetzer der LXX gewesen zu sein.
Offenbarung 1,3 Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe!
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Helmuth
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Re: Welche Gültigkeit hat das NT?

Beitrag von Helmuth »

Abischai hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 00:05
Philippus hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 23:34 Ein weiser Mann sagte mal...
Sir Isaak Newton sagte mal: "die Bibel ist voller Beweise Gott zu erkennen, sie ist aber auch voller Unklarheiten, daß man an Gott vorübergehen kann, wenn man das möchte."
Die Bibel allein bringt nur sehr wenige Menschen zu Gott. Und die sie am verbissendsten studieren, die sind meist noch weiter weg. Wenn ich einen Namen dazu nennen könnte, dann wäre es Derek Prince. Dieser gab zu, dass er schon so viele Bücher gelesen hatte und auch den Doktor in Philosophie gemacht hatte, einzig allein die Bibel hatte er nicht studert.

Er gab also zu, dass er eine wohl wichtige Literatur ausgelassen hatte und konnte das nicht seriös begründen. So fasste er den demütigen Entschluss auch dieses Werk ernsthaft zu studieren und siehe da, er fand durch sie zum Glauben und wurde später auch ein anerkannter Biblellehrer.

Aber diese Schiene ist m.E. selten, eventuell kenne ich noch Mark A. Gabriel, ein ehemaliger Moslem, der sich durch das Lesen des NT über Nacht bekehrt hatte. Dem ging aber auch eine bewegte Geschichte voraus.

Der übliche und m.E. auch wirksamste Weg ist die Verkündigung des Evangeliums. Die einfache Botschaft, dass uns Gott einen Erlöser gesandt hatte, den Messias Jesus von Nazareth, der uns aus der Knechtschaft aller Sünde erlöst, ja der sie für uns auf sich genommen uns ans Kreuz getragen hatte, das war immer noch der effizienteste Weg.

Und wer das annimmt, der beginnt auch ein klares Interesse für die Bibel zu entwickeln. Bei mir war es so, dass das NT ein Buch mit 7 Siegeln war, das AT aber eines mit 70x7 Siegeln. Doch nur kurz nach meine Bekehrung kam ein Hunger dafür, der erstaunlich war. Und dann machte es sozusagen täglich "Klick" und mir wurde die Wahrheit Tag für Tag klarer. Die meisten Siegel sind nun gebrochen.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
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Re: Welche Gültigkeit hat das NT?

Beitrag von Zippo »

Abischai hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 00:05
Philippus hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 23:34 Ein weiser Mann sagte mal...
Sir Isaak Newton sagte mal: "die Bibel ist voller Beweise Gott zu erkennen, sie ist aber auch voller Unklarheiten, daß man an Gott vorübergehen kann, wenn man das möchte."
Worin könnte die Unklarheit bestehen ?

Ist es nicht vielmehr die fehlende Annahme dessen, was der Herr Jesus getan hat ? Er fand ja schon zu Lebzeiten, daß sich bei ihm die Prophetie erfüllen wird, die in Jes 28,16 geschrieben steht und an vielen Stellen des NT zitiert wird.

Gruß Thomas
2 Kor 13,14 Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
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Re: Welche Gültigkeit hat das NT?

Beitrag von SilverBullet »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 00:51Problematisiert wird bei Jesaja 28,16 das Wort יָחִישׁ (#H2363], das Petrus im Einklang mit der LXX mit καταισχυνθῇ (#G2617) übersetzt, obwohl der Vers bei Petrus nicht exakt identisch mit der LXX ist.
Da muss ich mir erst einmal eine Vorstellung verschaffen, in welche Rahmenszenerie ich bei den Texten abtauche:
  • Der ältere Text ("Jesaja") enthält eine sehr blumige Sichtweise (anscheinend eines Propheten) über die Umstände, die für die Zukunft (von der Ich-Figur) ausgemalt sein sollen.
    Den Grad an blumiger Sichtweise würde ich für mich jetzt mal als "über das Verständliche hinaus" einordnen und ich stelle mir sofort die Frage "Wozu?" (ich kenne so eine Präsentationsstrategie von Philosophen und bei denen geht es um reine Selbstdarstellung und nirgendwo um Inhalt).
    Der Text enthält damit aus meiner Sicht zu einem guten Teil das Anhimmeln eines Menschen an das, woran er glauben will - der Text soll auf blumige Art "enthalten", dass hier ein Prophet etwas zu sagen hat.
    Die Prophetenfigur nimmt im Text (an der konkreten Stelle) eine unzufriedene Haltung ein. Irgendwie scheinen sich die elitären Religions-Strukturen (in Jerusalem) so allerlei Zeugs rund um die Religionsüberlieferungen ausgedacht zu haben, das für den Propheten falsch ist.
    Was das genau sein soll, ist eher unbekannt - irgendetwas mit "Bund mit dem Tod und Vertrag mit dem Totenreich", also sie fühlen sich irgendwie "sicher".
    Im Text stellt es die Propheten-Figur so dar, dass der Herr als Reaktion auf diesen schleierhaften Bund etwas sagt, was wohl soviel bedeuten soll, wie "Gott hat hier und jetzt folgende Haltung dazu".
    Das ist also in der literarischen Propheten-Rolle keine Zukunftsprognose, sondern der "Ist-Zustand".
    Genau hier kommt es zur kritischen Textpassage "Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, der fest gegründet ist. Wer glaubt, der flieht nicht." link)
    Danach wechselt der Text zur literarischen Zukunftsaussicht (aber immer noch als "konkrete Aussage Gottes" präsentiert):
    "Und ich will das Recht zur Richtschnur und die Gerechtigkeit zur Waage machen. So wird Hagel die Zuflucht in der Lüge zerschlagen, und Wasser sollen den Schutz wegschwemmen, 18 dass hinfalle euer Bund mit dem Tode und euer Vertrag mit dem Totenreich nicht bestehen bleibe. Wenn die brausende Flut kommt, wird sie euch zermalmen; 19 sooft sie kommt, wird sie euch erfassen. Denn Morgen für Morgen wird sie kommen, des Tags und des Nachts. Da wird man nur mit Entsetzen Offenbarung deuten. 20 Denn das Bett ist zu kurz, um sich auszustrecken, und die Decke zu schmal, um sich dreinzuschmiegen."
    Hier geht es um eine Aktivität Gottes, die nicht sonderlich freundlich gegenüber den Religionsentwürfen der elitären Strukturen ausgerichtet sein soll.
    Irgendwie sollen konkrete religiöse Ansichten ("Bund mit dem Tod und Vertrag mit dem Totenreich" ???) als falscher Unsinn entsorgt werden.
    Auf mich wirkt die "Grundstein"-Passage nicht wie eine Zukunftsaussage à la "ich werde einen Grundstein legen und damit für Reinigung sorgen", sondern à la "ich habe einen Grundstein gelegt und ihr glaubt nicht mehr, sondern verunreinigt ihn durch euer Abweichen".
  • Der jüngere Text ("Petrus") sieht aus, wie ein Werbeschreiben für die Teilnahme an einer Bewegung. Hier werden die Leser aufgefordert, mitzumachen.
    Der Text enthält quasi die Aktivität eines Missionierenden.
    In diesem Text wird die Veränderung ins Zentrum gezogen. Eine Veränderung, an der man teilnehmen soll - sozusagen eine "neue Bewegung".
    Der Verweis auf den älteren "Jesaja"-Text wird für diese Veränderung eingesetzt - Motto: "Die Veränderung, also die Bewegung bzw. der Ausgangspunkt der Bewegung, ist das Legen des Grundsteins".
    Im jüngeren Text wird die Jesaja-Passage nicht als damaliger "Ist-Zustand", sondern eine Zukunftsprognose verwendet - eine Prognose, die über die nun neue Veränderung erfüllt worden sein soll.
Weil allseits nur blumig formuliert wird, muss man halt alles "durch die Blume sehen" und hier bringt wohl jeder seinen Lieblingsstrauss mit.

Interessant ist, dass es in der "Jesaja"-Passage um nichts anderes geht, als um ein religiöses Sich-Hindrehen von Inhalten und dies als "Zuflucht in der Lüge" eingeordnet wird.
Obwohl es also um eine Auffassungsproblematik geht, ist das Ansprechen dieser Problematik ("Jesaja") in einem Grad an blumiger Sichtweise formuliert, dass es letztlich zu nichts anderem führen kann, als einem Auffassungsproblem.
Das ist doch pure Unvernunft.

Aus meiner Sicht:
Dass sich hier abweichende Sichtweisen entwickeln, ist von vornherein im Entwurf enthalten und damit wird dieses Sich-Über-Ein-Abweichen-Beschweren-Samt-Göttlicher-Ausmerzungs-Konsequenz zu einem sonderbaren Vorgehen (damals im Jesaja-Text und auch jetzt aktuell).

In Bezug auf diesen Thread hier sehe ich die Problematik also viel grundsätzlicher und nicht erst im Wort "fliehen" oder dem Zusatz "Wer glaubt, der flieht nicht".
Wenn ich mir aber nun explizit diese Fliehen-Passage anschaue, dann ist sie ja auf die unbekannten Glaubens-Ideen der damaligen elitären Strukturen bezogen. Das Entwerfen der Ideen und Festhalten an ihnen soll "das Fliehen" sein.
Wie gesagt, ist mir nicht klar, worum es dabei genau geht - vielleicht haben sie sich irgendwelche Erklärungen zusammengereimt und daraus Ansprüche aufgestellt und genau das sollten sie (laut "Jesaja"-Text) nicht machen.

In diesem Link hier "Christus in Jesaja" werden einzelne "Übersetzungen" gegenübergestellt:
https://www.bibelstudium.de/articles/27 ... esaja.html

Jes 28,16 © ELB-CSV
Darum, so spricht der Herr, HERR: Siehe, ich gründe einen Stein in Zion, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, aufs Festeste gegründet; wer glaubt, wird nicht ängstlich eilen.

Röm 9,33 © ELB-CSV
wie geschrieben steht: "Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Ärgernisses, und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden."

1. Pet 2,6 © ELB-CSV
Denn es ist in der Schrift enthalten: "Siehe, ich lege in Zion einen Eckstein, einen auserwählten, kostbaren; und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden."
Das sieht nach reichlich Kreativität aus.
Der Umstand eines problematischen Verhaltens von (uralten) elitären Strukturen kann offensichtlich durch Umformulierung vollständig entsorgt werden.

Vielleicht war die ursprüngliche Aussage einfach für Leute gedacht, die sowieso schon wissen, worum es gehen soll.
Man hat es dann aufgeschrieben und einfach ohne das Hintergrundwissen überliefert, wodurch natürlich gehörige "Freiheitsgrade" entstehen.

Wenn dann später Gläubige mit neuen Vorstellungen über "das Wirken Gottes" an den Text herangehen, versuchen sie "ihr Konzept" bestätigt zu sehen.
Wenn also Christen beim "Wirken Gottes" von einer Messias-Zentralisierung ausgehen, versuchen sie alle Bibelstellen, in denen Gott wirken soll, als Messias-Umstände zu verstehen.

Für mich interessant ist auch, dass die Messias-Zentralisierung aus dem Text und belastende Umstände rund um ROM heraus entstanden ist.
Juden haben unter den Zwangsbedingungen durch ROM und ROM-freundliche Griechenjuden (1. Jhd.) nach einem Ausweg gesucht und glaubten diesen wohl in einer Fixierung auf die alte Vorhersage eines Messias gefunden zu haben.
Welche Textstellen sie dazu "verursachend" einsetzten, ist natürlich offen.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 00:51Die wörtliche Übersetzung ist eben nicht immer die bessere Wahl, wenn man einem Publikum einen Kontext vermitteln will.
Ja, der Text hat anscheinend ein enormes Kontextproblem und ist deshalb sehr biegsam, sprich: man kann viel Kontext hineinlegen.

Wenn du dir die Jesaja-Passage (also die ganze Beschreibung rund um Jerusalem) anschaust, geht es dir dann so wie mir, dass du nicht wirklich sagen kannst, was da los war und dass dir die blumig ausgeschmückten Aussagen hierzu nichts nützen?
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ProfDrVonUndZu
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Re: Welche Gültigkeit hat das NT?

Beitrag von ProfDrVonUndZu »

SilverBullet hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 17:49 Aus meiner Sicht:
Dass sich hier abweichende Sichtweisen entwickeln, ist von vornherein im Entwurf enthalten und damit wird dieses Sich-Über-Ein-Abweichen-Beschweren-Samt-Göttlicher-Ausmerzungs-Konsequenz zu einem sonderbaren Vorgehen (damals im Jesaja-Text und auch jetzt aktuell).
Die abweichenden Sichtweisen drehen sich im Kern darum, wer oder was dieser Stein sein soll. Den Gläubigen dient er zum Heil, den beiden Häusern Israels und den Bewohnern Jerusalems aber zum Unheil. Deswegen vermischt Paulus in Römer 9,32-33 das Zitat aus Jesaja 28,16 mit Jesaja 8,14-15.
SilverBullet hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 17:49In Bezug auf diesen Thread hier sehe ich die Problematik also viel grundsätzlicher und nicht erst im Wort "fliehen" oder dem Zusatz "Wer glaubt, der flieht nicht".
Wenn ich mir aber nun explizit diese Fliehen-Passage anschaue, dann ist sie ja auf die unbekannten Glaubens-Ideen der damaligen elitären Strukturen bezogen. Das Entwerfen der Ideen und Festhalten an ihnen soll "das Fliehen" sein.
Wie gesagt, ist mir nicht klar, worum es dabei genau geht - vielleicht haben sie sich irgendwelche Erklärungen zusammengereimt und daraus Ansprüche aufgestellt und genau das sollten sie (laut "Jesaja"-Text) nicht machen.
Es geht um Verständnis und Anwendung von Recht und Gerechtigkeit. So wie später auch die Pharisäer und Schriftgelehrten das Volk mit ihrem Rechtsvertändnis beschwerten (Matthäus 23,4 und Lukas 11,46), so taten dies auch die Priester und Propheten zu Jesajas Zeiten.
SilverBullet hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 17:49 Der Umstand eines problematischen Verhaltens von (uralten) elitären Strukturen kann offensichtlich durch Umformulierung vollständig entsorgt werden.

Vielleicht war die ursprüngliche Aussage einfach für Leute gedacht, die sowieso schon wissen, worum es gehen soll.
Man hat es dann aufgeschrieben und einfach ohne das Hintergrundwissen überliefert, wodurch natürlich gehörige "Freiheitsgrade" entstehen.
Erwartest du die umfassende Übernahme ganzer Kontexte des AT in den Korpus des NT bzw. einzelner Briefe ? Natürlich setzten die Apostel die Kenntnis des AT voraus und ihre Zitate dienten vorrangig nur dazu, Passagen und Kontexte in Erinnerung zu rufen. Deswegen sind sie vielleicht manchmal ungenau, verkürzt oder paraphrasiert.
SilverBullet hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 17:49 Wenn dann später Gläubige mit neuen Vorstellungen über "das Wirken Gottes" an den Text herangehen, versuchen sie "ihr Konzept" bestätigt zu sehen.
Wenn also Christen beim "Wirken Gottes" von einer Messias-Zentralisierung ausgehen, versuchen sie alle Bibelstellen, in denen Gott wirken soll, als Messias-Umstände zu verstehen.
Damit wären wir wieder bei der Frage, wer oder was dieser Eckstein genau sein soll und auch bei der Frage, was generell ein Eckstein bedeuten soll. Ich sehe diesen Begriff im AT verbunden mit einer Art Dynastie- oder Stammesbegründer. Jesus wäre somit der Begründer der christlichen Bewegung die über alle bisherigen Standesdünkel und Exklusivitätsansprüche hinaus geht. Was aber nun auch wieder nicht heißt, dass die Teilhabe vollkommen bedingungslos oder Voraussetzungslos ist.
SilverBullet hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 17:49 Für mich interessant ist auch, dass die Messias-Zentralisierung aus dem Text und belastende Umstände rund um ROM heraus entstanden ist.
Juden haben unter den Zwangsbedingungen durch ROM und ROM-freundliche Griechenjuden (1. Jhd.) nach einem Ausweg gesucht und glaubten diesen wohl in einer Fixierung auf die alte Vorhersage eines Messias gefunden zu haben.
Welche Textstellen sie dazu "verursachend" einsetzten, ist natürlich offen.
Das dürfte zumindest für die Adressaten der Apostelbriefe nicht mehr so relevant gewesen sein. Ich denke, dass man da eine Nummer größer denken muss. Es geht da nicht um die konkrete Römische Herrschaft, sondern um sämtliche Ideologien der Welt, die treibende Faktoren aller menschlichen Herrschaften und Weltordnungen aller Zeiten sind. In der Offenbarung wird das dann die Macht des Drachen (Offenbarung 13,2) oder Hure Babylon (Offenbarung 18,24) genannt.

SilverBullet hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 17:49 Ja, der Text hat anscheinend ein enormes Kontextproblem und ist deshalb sehr biegsam, sprich: man kann viel Kontext hineinlegen.

Wenn du dir die Jesaja-Passage (also die ganze Beschreibung rund um Jerusalem) anschaust, geht es dir dann so wie mir, dass du nicht wirklich sagen kannst, was da los war und dass dir die blumig ausgeschmückten Aussagen hierzu nichts nützen?
Ich hab eigentlich kein Problem damit. Man muss halt sehen, dass der Jesajatext sich zwar natürlich auf seine Entstehungszeit bezieht, dass es aber eigentlich um Verhältnisse und Rahmenbedingungen geht. Solange die so wie damals sind, bleibt auch seine Problematisierung aktuell.
SilverBullet
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Re: Welche Gültigkeit hat das NT?

Beitrag von SilverBullet »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 21:13Die abweichenden Sichtweisen drehen sich im Kern darum, wer oder was dieser Stein sein soll.
Das ist doch genau das Problem, das ich angesprochen habe:
1.
Weil es eine blumige Präsentation ist, hat im Grunde niemand eine Ahnung, was die konkrete Aussage ist.
2.
In der Folge dreht man es sich durch neue Glaubensbehauptungen hin.
3.
Dann greift aber die Jesaja-Gesamtszene und für das Hindrehen kann es wieder mächtig eins aufs Dach geben.

Da die Gläubigen keine Ahnung haben, was die damaligen Umstände waren, also worum es genau ging, geht der heutige Christ bei "seinem Verstehen-Der-Schrift" das Risiko ein, dass er letztlich genau derjenige ist, wegen dem "sich der göttliche Jesaja-Zorn entzünden soll".

Das ist das, was ich meinte:
der Text verankert nicht Qualität, sondern er verankert Risiko.

Ich wundere mich da schon, dass sich christliche Schreiber in ihrer "Schriftgelehrten-Aktivität" ausgerechnet auf die Jesaja-Stelle berufen wollen.
Ist es am Ende sogar Religionspolitik, um die Unsicherheit aus der Jesaja-Passage (die letztlich auch die christlichen Deutungen betreffen müsste) zu verschleiern?
Es könnte ja Strategie sein, dass die christlichen Schreiber die Jesaja-Stelle für sich beanspruchen, bevor der grössere Jesaja-Rahmen gegen ihre Ansichten eingesetzt wird (vielleicht war dies sogar am Anfang der Fall).
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 21:13Damit wären wir wieder bei der Frage, wer oder was dieser Eckstein genau sein soll und auch bei der Frage, was generell ein Eckstein bedeuten soll.
Ja, ich kann es bestätigen, das Erste, das mir bei dem Text aufgefallen ist, ist die Unklarheit, die aus diesen blumigen Formulierungen entspringt.
Hier geht es um die gesamte Jesaja-Passage - das ist eine amorphe Zusammenhangswolke, die irgendwie, also vermutlich, darauf hinausläuft "wer sich in seinen Glaubensansprüchen falsch verhält, bekommt einen Schlag vor den Latz".

Der Frage "was ist der Eckstein" habe ich versucht, durch den Unterschied zwischen "Ist-Zustand" und "Prognose" zu behandeln.
Der Begriff "Eckstein" taucht bei Jesaja nicht in einem "es wird so sein"-Zusammenhang auf, sondern in einem "Siehe", also "schau jetzt hin"-Zusammenhang.
Es geht also eher nicht um "ich werde nach der Jesaja-Zeit irgendwann einen Eckstein legen", sondern um "da ist jetzt ein Eckstein".

Dass irgendetwas Späteres als "der Eckstein" ausgerufen wird, setzt (zumindest für mein Verständnis) voraus, dass man den "Ist-Zustand"-Zusammenhang aus dem Text entsorgt.
Meine Überlegung:
Wenn es heisst "Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, der fest gegründet ist.", kann es dann nicht ganz einfach so sein, dass Zion der Grund-/Eckstein sein soll?

Das sind aber nur meine Reaktionen/Überlegungen als Nicht-Gläubiger.
Grundsätzlich erkenne ich, dass die Texte eine enorme Schwammigkeit enthalten, sodass sich Freiheitsgrade für die (späteren) Gläubigen ergeben.
Irgendwoher muss es ja kommen, dass ein regelrechtes Universum an Glaubensrichtungen entstanden ist.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 21:13Es geht um Verständnis und Anwendung von Recht und Gerechtigkeit. So wie später auch die Pharisäer und Schriftgelehrten das Volk mit ihrem Rechtsvertändnis beschwerten (Matthäus 23,4 und Lukas 11,46), so taten dies auch die Priester und Propheten zu Jesajas Zeiten.
Ja genau, hier sieht man es sehr schön, die christliche Deutung versucht der Jesaja-Passage, die eigentlich auch die christliche Lesart/Glaubensrichtung ins Risiko stellt, den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem der Text als "bekanntes Werkzeug" gegen Andersgläubige eingesetzt wird.
So funktioniert wohl Religionspolitik.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 21:13Erwartest du die umfassende Übernahme ganzer Kontexte des AT in den Korpus des NT bzw. einzelner Briefe ?
Ich würde (als Gläubiger) Qualität erwarten, aber es ist natürlich klar, dass dies nicht der übliche Zugang zur Religion ist.

Für mich ist ja bereits der Jesaja-Text eine einzige Schwachstelle.
Dass dann daraus irgendwelche Schnipsel gewinnbringend eingesetzt werden sollen, sehe ich als Folgeerscheinung - das ist quasi keine sonderliche Verschlechterung mehr.
Wer beim Jesaja-Text und den Aussagen "Bund mit dem Tod und Vertrag mit dem Totenreich", "Zuflucht in der Lüge" usw. usf. nicht mit einem dicken Fragezeichen reagiert, der geht dann halt auch beim Verwenden von Text-Schnipseln ins Behauptungs-Risiko.

Ich ziele also eher auf die Schwäche im Gesamtkonzept der Texte ab und übe mich in Toleranz gegenüber "kleineren Folgeschwächen".
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 21:13Jesus wäre somit der Begründer der christlichen Bewegung die über alle bisherigen Standesdünkel und Exklusivitätsansprüche hinaus geht.
Aus meiner Sicht kannst du nicht so leicht die Jesaja-Problematik aus dem Christentum entsorgen.
Das Christentum hat zu enormen Dünkeln und Exklusivitätsansprüchen geführt.

Ich habe neulich ein Video über die "Spanische Inquisition" gesehen und da bleibt einem jegliche Spucke weg.
Wäre nicht schlecht gewesen, wenn die Jesaja-Phantasie bzgl. der "göttlichen Konsequenzen" genau dort ins Schwarze getroffen hätte.
(vermutlich ist diese Inquisition aber nur ein Beispiel aus vielen)
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 21:13Das dürfte zumindest für die Adressaten der Apostelbriefe nicht mehr so relevant gewesen sein.
Klar, du folgst hier einem Vergangenheitsentwurf aus deiner Religion heraus, aber selbst wenn ich das so stehen lasse, kannst du es nicht ausblenden, dass es im 1. Jhd. im Judentum zu einer Messias-Bewegung ("Zeloten") gekommen ist.
Historiker erkennen hier anscheinend die Auffälligkeit, dass es nach zahlreichen gescheiterten Aufstandsversuchen (mit unterschiedlichen religiösen Slogans) durch die Zeloten zum ersten Mal gelungen ist, in der damaligen Bevölkerung eine grossflächige Begeisterung zu entfachen.
Die Grundlage dieser Begeisterung war wohl die Perspektive dass "das auserwählte Volk einen Zustand erreicht, bei dem es nur noch seinem Gott untersteht" - es ging also um das Erreichen einer "umfassenden Freiheit von menschlichen Herrschern".
Das ist letztlich das Messias-Thema ("messianische Zeit") und genau hierfür wurden wohl Stellen aus den "alten Schriften" von den Zeloten (mit sehr grosser Nähe, aber auch mit Abgrenzung zu den Pharisäern) gedeutet.
Aus den Schriften wurde eine religiöse Begründung abgeleitet, durch die sich die Anhänger eine Sicherheit vorstellten, so dass sie jegliches Martyrium auf sich nahmen.
Dieses "Qualen und Leiden für eine bessere Zeit, für eine Zeitenwende, auf sich nehmen" gab es in der jüdischen Bewegung der Zeloten, die diese Funktion rein aus den "alten Schriften" ableiteten.

Du kannst dich natürlich für die Vorstellung entscheiden, dass es da einen "Jesus" und eine "Jesus"-Bewegung gab und zufällig nebenher (zeitgleich, mit Ausgangspunkt Herodes-Clan und römischer Steuererhebung) haben sich aus dem Judentum heraus neue Messias-Ideen entwickelt.
Also die Geburt von "Jesus" ist dann zufällig auch die Geburt dieser jüdischen Messias-Bewegung.
Du darfst dir vorstellen, dass die christlichen Denker dann später durch ihr Wissen in den "alten Schriften" Bezüge zu "Jesus" entdeckt haben und dies in ihren "Briefen" überlieferten.
Du bekommst es aber nicht vom Tisch, dass es zur "Jesus"-Geburtszeit im Judentum zu einer neuen Deutung der "alten Schriften" in Bezug auf Messias-Zusammenhänge gekommen ist.
Das jüdische Volk hat sozusagen zu einem nicht geringen Anteil diese neue Deutung eingesehen und ist mitgegangen.
Die Ideen der NT-Texte müssten dann früher schon in sehr grosser thematischer Nähe vom Judentum aufgestellt worden sein - in Bezug auf "Messias im 1. Jhd." wäre damit das Judentum früher dran, als das Christentum.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Sa 7. Dez 2024, 21:13Man muss halt sehen, dass der Jesajatext sich zwar natürlich auf seine Entstehungszeit bezieht, dass es aber eigentlich um Verhältnisse und Rahmenbedingungen geht. Solange die so wie damals sind, bleibt auch seine Problematisierung aktuell.
Ja, aber die Gläubigen dürften diese "Aktualität des Jesaja-Textes" auf Basis seiner Schwammigkeit nicht vom Christentum abziehen.
Der Neuanfang von religiösen Behauptungen des Christentums ist nicht der Ausstieg aus dem "Jesaja"-Risiko - dass es von den dortigen Anhängern dennoch so gehandhabt wird, ist nur Glaubenspolitik, aber genau dieser Politik wird ja im Jesaja-Text die Gefahr "göttlicher Konsequenzen" gegenübergestellt.
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Larson
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Re: Welche Gültigkeit hat das NT?

Beitrag von Larson »

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 02:18 Von vielen deiner Ansichten halte ich nichts, aber von "einfach nur abwerten" kann ja wohl keine Rede sein.
Dann formuliere deine Antworten auch so, dass sie nicht abwertend klingen.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 02:18 Es ist nie verkehrt, sich zu hinterfragen. Du hast das als im Besitz der endgültigen Wahrheit natürlich nicht nötig.
Und schon wieder: du kannst es einfach nicht lassen mit deiner üblen Nachrede, wo ich nirgends solches von mir sage.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 02:18 Ich berufe mich auf wissenschaftliche Arbeiten.
Und ich mich auf die Reden Gottes. Und es ist ebenso „wissenschaftlich“, den Text aus NT mit der Tenach zu vergleichen, und man müsste die Wissenschaft verleugnen, um die Korrektheit der Zitate aus der Tenach im NT zu bestätigen.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 02:18 Wir sind dabei alle auf Hilfsmittel angewiesen, die aber keine neutralen Werkzeuge sind.
Aha, auch deine „Wissenschaft“ ist kein neutrales Werkzeug.
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Fr 6. Dez 2024, 02:18 Du sagst einfach, Paulus oder Petrus lagen falsch. Ich sage, sie werden eher falsch gelesen. Du bist doch gar nicht an so einer Aufarbeitung interessiert.
Schon wieder so eine Behauptung aus der Luft. Weisst du wirklich, wie ich mich mit diesen Texten, den Personen und Überlieferungen auseinander gesetzt habe?

Also das ist deinerseits eine sehr „unwissenschaftliche“ Aussage.
Jes 45,9 Wehe dem, der mit seinem Bildner rechtet – ein Tongefäß unter tönernen Tongefäßen! Darf wohl der Ton zu seinem Bildner sagen: Was machst du? Und dein Werk von dir: Er hat keine Hände?
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