Hiob hat geschrieben: ↑Fr 10. Sep 2021, 11:58Richtig - ich nenne das "hermeneutische Vorannahme". Man hofft dabei, dass man zu systemischen Ergebnissen kommt, die Teilmenge der ontischen Wahrheit sind.
Ich meinte da was grundlegenderes: Wir können so etwas wie “sein” nicht einmal allgemein konzeptionalisieren. Daher ist auch ontische Wahrheit ein bedeutungsloser Begriff.
Was es BEDEUTET, wissen wir eigentlich schon: Ich schließe aus meinen hermeneutischen Vorannahmen Dir gegenüber, dass Du 2 Ohren hast. Wenn Du ontisch zwei Ohren hast, war meine hermeneutische Annahme richtig.
Dieses Beispiel bekommt seine Überzeugungskraft allein von unserer sinnlichen Vorstellung (Fantasie), in der wir uns diese zwei Ohren bildlich, evtl. haptisch vorstellen. Und diese wurde wiederum durch unser sinnliches Erleben trainiert.
Was es aber
wirklich bedeutet, ontisch zwei Ohren zu haben, ist völlig unklar. Es gibt
kein Kriterium dafür. Egal ob ich in den Spiegel schaue, mir die Ohren anfasse, mir von 100 Leuten bestätigen lasse, dass ich zwei Ohren habe, nach deiner Konzeption von “ontisch” habe ich ontisch evtl. keine zwei Ohren.
Die Bedeutung liegt in der Übereinstimmung von ontischer Wahrheit und systemischem Ergebnis.
“ontische Wahrheit” ist ein inhaltsleerer Begriff. Systemisches Ergebnis hätte eine Bedeutung, wenn es nicht, gemäß deiner Setzungen, mit “ontischer Wahrheit” verschmelzen würde.
Wir MÜSSEN das sogar, weil dies fundamental nachweisbar nötig ist. - Alternative: Wir erwählen ein bestimmtes System als ontischen Maßstab (genau das hat der Naturalismus flacherweise gemacht).
Du meinst, wir müssten es. Wir können es aber nicht. Denn universeller Zweifel ist unecht, tun-als-ob, vorgeschoben, Schein, Lüge. Er beeinflusst unser Handeln nicht. War Descartes
zu irgendeinem Zeitpunkt in einem Zustand in dem er auf seine Umwelt nicht reagierte, weil er sie bezweifelte? Z. B. wenn ein Räuber in sein Haus einbrach? Sicher nicht. Was gab es also für einen Grund, die Meditationes zu verfassen, außer sich mit scheinbarem Papierzweifel zu beschäftigen?
Und es gibt nicht den geringsten Grund dafür, dass ein Agnostiker bzgl. den großen Weltanschauungen (wie Naturalismus),
zu irgendeinem Zeitpunkt alles bezweifeln musste.
Tun wir dies aber, ist es kein ontischer Maßstab mehr, sondern ein systemischer - man überlistet also anthropozentrisch den kategorialen Unterschied zwischen Sein und Wahrnehmung.
So halte ich es für korrekt: wer von ontischen Maßstäben spricht, überlistet sich einen kategorialen Unterschied zwischen einem inkohärenten Seins-Konzept und Wahrnehmung zu sehen.
Richtig - deshalb sollen wir uns ja bewusst sein, dass unsere Systeme Folgen anthropozentrischer hermeneutischer Vorannahmen sind.
Vorurteile, nicht Vorannahmen. Man sollte sich von seinen Vorurteilen lösen,
so weit es geht, und nicht Systeme darauf aufbauen.
Das tut sie ja ständig.
Wo denn?
- Aber Du meinst wahrscheinlich was anderes: "Wahrheit muss uns für unsere Systeme ersichtlich widerlegen", nicht wahr? - Nein, muss sie nicht.
Wahrheit bewirkt Ausbrechen aus dem Regelbetrieb (und zwar nicht nur des “naturwissenschaftlichen”). Wenn du meinst, das gilt nicht, wir stoßen uns da nicht an der Wahrheit, sondern an irgendwas anderem (soziale Effekte o. ä.), dann sind die Systeme – die zu manchen Zeiten im Flux sind – bloß Modeerscheinungen.
Die Bedeutung von Wahrheit ist ihr Wahrsein und nicht, ob sie uns nach UNSEREN Systemen ersichtlich widerlegen kann. Wir sind voll drin im Buch Hiob.
Dein “wahr sein” ist bedeutungsleer, es reduziert sich auf ontologische Grundkonzepte. Die wichtige Erkenntnis ist, dass diese (aus dem Kontext gelöst) immer inkohärent sind. Vgl. “Existieren Löcher?”
Darum geht es sowieso - und dafür ist eigentlich der Hermeneutische Zirkel da. Aber das hat nichts mit Ontologie zu tun.
Für mich geht dein Hermeneutische Zirkel genau in die falsche Richtung. Soweit man überhaupt nachvollziehen kann was du damit meinst.
Da hast Du was nicht verstanden. - Ob man nach menschlichem Maßstab richtig oder falsch liegt, entscheidet sich bei den Systemen. Wenn eine Beobachtung einem Modell x widerspricht, gilt dieses Modell als falsifiziert ("Ich liege falsch") - das ist Alltag.
Die meisten folgen ja auch nicht deiner präferierten Philosophie. Aber jeder gibt zu, dass Beobachtungen irreführend sein können, d. h. eine falsche Interpretation nahelegen. Oder dass unbekannte Faktoren die Beobachtung im Einklang mit dem Modell erklären könnten. Das sind
Möglichkeiten, und Zweifel benötigt bei dir nie positive Gründe. Jeder kann sich einfach so darauf zurückziehen, dass die Beobachtungen “ontisch” nicht der naheliegenden Interpretation entsprechen.
Nein.
- Ich erkenne nur, dass alles Menschliche anthropozentrisch ist (auch Naturwissenschaft). Genau deshalb leite ich daraus nur systemische Richtigkeiten ab ("verifiziert innerhalb des Systems x"), aber nicht "Wahrheit".
Hier ging es darum, dass du res cogitans (Ich) als rein menschlich ansiehst und den Rest der Natur als res extensae herabstufst.
Je nach Definition von "Ich". - Wenn Du sagst, "Ich" ist, wenn ein Wesen logisch erkennbar reagieren kann, dann stimme ich Dir sogar zu. - Aber dann müssen wir uns klar darüber sein, dass wir "Ich" semantisch völlig unterschiedlich definieren.
Genau das ist in den heutigen gesellschaftlichen Disputen üblich - man spricht miteinander mit den selben Worten, die semantisch vollkommen unterschiedlich besetzt sein können.
Die Gefahr besteht aber auch, das nur zu behaupten, weil man sich nicht auf die Sachebene begeben will.
Entweder dein Konzept von “Ich” ist allgemein definiert – dann ist es eine Sachfrage ob ein Wesen (Außerirdischer, Tier, KI) nach deiner Definition ein Ich hat.
Oder du hast bereits im Konzept “Ich” fest verdrahtet, sodass Ich nur menschliches sein kann. Dann hast du trivialerweise Recht, aber aus so einem Konzept ist sinnlos für weitreichende Schlüsse oder ethische Begründungen.
Claymore hat geschrieben: ↑Fr 10. Sep 2021, 01:36
Und spätestens in dem Moment, wo ein smarter Kühlschrank (kommt bei der Serie Silicon Valley i. Ü. vor) denken und fühlen sollte wie ein Mensch, hat er ein Ich. Und zwar nicht bloß über die Hintertür durch Umdefinition.
Doch - NUR über Umdefinition.
Ich mein… ernsthaft? Das ist wie so die billigste Karikatur, wie Ludditen und Menschen-Suprematisten in schlechten Sci-Fis, wo ein Androide herumläuft wie Mr. DATA aber sie wissen “der hat kein Ich”. Warum? Sie schließen ihn per definitionem davon aus.