Hiob hat geschrieben: ↑Mi 3. Apr 2019, 15:47
Vorausgesetzt, dass dieses Bewusstsein schon da ist, kann es stärker sein als dieses Bewusstsein ("der geist ist willig, aber das fleisch ist schwach"). --- Ohne in Details zu gehen: Ich kann mich sehr wohl an Situationen in meinem Leben erinnern, wo das Bedürfen so stark war, dass da kein Halten war - und wenn dann die gegenseite genauso fühlt, ist die sache gegessen.
So Situationen kennt wohl jeder. Aber man kann Bedürfnisse kontrollieren und diese Kontrolle auch kultivieren. D.h. man programmiert sich um. Es funktioniert, wird aber dann nicht selten als psychische Störung bezeichnet. Z.B. sowas wie Magersucht.
Hiob hat geschrieben:Das habe ich anders im Kopf - zumindestens de facto. - De jure versucht man Deine Version zu forcieren, indem man bspw. den "selbstverschuldeten Vollrausch" eingeführt hat, um auf diese Weise die Schuldunfähigkeit bei der Tat auszuhebeln (was man übrigens gar nicht falsch finden muss): Man spricht dabei von der "Anknüpfung der strafrechtlichen Haftung an die selbstverschuldete Herbeiführung eines Defektzustandes über die Figur der „actio libera in causa“, wenn der Täter die Ursachenreihe zu einer bestimmten Straftat, mit deren Ausführung er erst nach Eintritt derSchuldunfähigkeit beginnt, noch vollverantwortlich in Gang gesetzt hat" (J. Sigmund).
Ja, aber wo ist das Problem ? Der Gesetzgeber ist doch nicht dumm. Er weiss doch, dass Vorsatz mit Kalkül hinter Nichtwissen verschleiert werden kann. Dem wiederum muss man doch entgegen wirken. Nehmen wir mal den Eichmann Prozess. Der hat den treudoofen Bürokraten gespielt, den Hanna Ahrend ihm abnahm und ihr halbes Leben widmete. Natürlich gibts diese "Banalität des Bösen", aber ich glaube nicht, dass es sie individuell gibt. Neben dem gezielten Vorsatz spielte die Verkettung von Banalitäten aber sicher auch immer eine Rolle in destruktiven bürokratischen Strukturen. Diese Strukturelle Gewalt wäre ohne die Mitwirkung von "doofen" Lakaien nicht möglich. Eichmann war aber gewiss nicht so einer. Er täuschte ihn absichtlich vor.
Hiob hat geschrieben:Mein Eindruck ist, dass die Theologie ebenfalls gerne Schuldunfähigkeit auszuhebeln versucht, in dem sie obiges Prinzip übernimmt ("actio libera in causa").
Das kann gut sein. Die Thora unterscheidet trotzdem. Auf welche Weise genau und mit welcher Konsequenz, ist eine andere Frage.
Ausserhalb der Thora finden wir dann sowas
Hesekiel 3,18 Wenn ich zu dem Gesetzlosen spreche: Du sollst gewißlich sterben! und du warnst ihn nicht und redest nicht, um den Gesetzlosen vor seinem gesetzlosen Wege zu warnen, um ihn am Leben zu erhalten, so wird er, der Gesetzlose, wegen seiner Ungerechtigkeit sterben, aber sein Blut werde ich von deiner Hand fordern. 19 Wenn du aber den Gesetzlosen warnst, und er kehrt nicht um von seiner Gesetzlosigkeit und von seinem gesetzlosen Wege, so wird er wegen seiner Ungerechtigkeit sterben; du aber hast deine Seele errettet.
Hesekiel 33,8 Wenn ich zu dem Gesetzlosen spreche: Gesetzloser, du sollst gewißlich sterben! und du redest nicht, um den Gesetzlosen vor seinem Wege zu warnen, so wird er, der Gesetzlose, wegen seiner Ungerechtigkeit sterben; aber sein Blut werde ich von deiner Hand fordern.9 Wenn du aber den Gesetzlosen vor seinem Wege warnst, damit er von demselben umkehre, und er von seinem Wege nicht umkehrt, so wird er wegen seiner Ungerechtigkeit sterben; du aber hast deine Seele errettet.
In Kapital 34 ergeht dann eine Zornesrede über die ungerechten und Nachlässigen Hirten. Vor lauter Selbstbereicherung haben sie es versäumt, sich um die geistige und leibliche Versorgung der Herde zu kümmern.
Wenn es jetzt heißt, dass sogar der nicht gewarnte (also scheinbar wohl unwissende) Gesetzlose wegen (oder durch) seiner Ungerechtigkeit sterben muss, heißt dies, dass zu seiner Ungerechtigkeit noch Gottes Strafe hinzukommt, oder aber, dass der Gesetzlose sich in seinem verkehrten Weg selbst zu Grunde richtet ? Ich hab mal gehört, bei der Mafia oder anderen Verbrecherbanden soll es eine Schande sein, wenn jemand älter als 40 oder 45 wird.
Weiter heißt es bei Hesekiel
Hesekiel 18, 29 Aber das Haus Israel spricht: Der Weg des Herrn ist nicht recht. Sind meine Wege nicht recht, Haus Israel? Sind nicht vielmehr eure Wege nicht recht? 30Darum werde ich euch richten, Haus Israel, einen jeden nach seinen Wegen, spricht der Herr, Jehova. Kehret um, und wendet euch ab von allen euren Übertretungen, daß es euch nicht ein Anstoß zur Missetat werde; 31 werfet von euch alle eure Übertretungen, womit ihr übertreten habt, und schaffet euch ein neues Herz und einen neuen Geist! denn warum wollt ihr sterben, Haus Israel? 32 Denn ich habe kein Gefallen am Tode des Sterbenden, spricht der Herr, Jehova. So kehret um und lebet!
Hesekiel 33,10 Und du, Menschensohn, sprich zu dem Hause Israel: Also sprechet ihr und saget: Unsere Übertretungen und unsere Sünden sind auf uns, und in denselben schwinden wir dahin; wie könnten wir denn leben?
11 Sprich zu ihnen: So wahr ich lebe, spricht der Herr, Jehova, ich habe kein Gefallen am Tode des Gesetzlosen, sondern daß der Gesetzlose von seinem Wege umkehre und lebe! Kehret um, kehret um von euren bösen Wegen! denn warum wollt ihr sterben, Haus Israel?
Hiob hat geschrieben:
ProfDrVonUndZu hat geschrieben: ↑Mi 3. Apr 2019, 13:54
Grundsätzlich geht Gott davon aus, dass der Mensch über seinen Maßstab von Recht und Unrecht informiert ist. Das ist die Botschaft der Thora.
Möglich - aber was ist christlich? Was ist NT?
Jedenfalls beinhaltet das Evangelium die Botschaft oder das Angebot der Umkehr, wie es auch bei Hesekiel steht. Die Thora steht damit nicht im Widerspruch. Die Thora legt dem Volk Israel doch nahe, das Gesetz nicht zu übertreten. Man darf die Übertretung doch nicht als unüberwindliche Naturgewalt oder Zwang betrachten, worauf Gott dann nur hämisch mit Bestrafung wartet. Man kann das zwar so sehen, wenn man will, aber an keiner Stelle der Bibel geht aus ihr eine solche Eigenwahrnehmung hervor. Nach Hebräer 2,14-15 ist der Zwang zu sündigen (Knechtschaft der Sünde) eine Folge der Angst vor dem Tod. Jesus Christus als Auferstandener aus den Toten macht frei von dieser Angst. Freiheit ist nicht grenzenlose Freiheit des Einzelnen, um zu tun, was immer man will, sondern eine Freiheit in Gemeinschaft, die sowohl Freiheit als auch Grenzen und Grundbedürfnisse des anderen achtet, zur bestmöglichen Harmonie. Die Freiheit, die Grenzen und Freiheiten des anderen nicht mehr zu missachten, weil man nur dadurch meint, im Leben auf seine Kosten zu kommen.