Ich unterscheide zurzeit drei Willen:
Der souveräne Wille
Der freie Wille
Der eigene Wille
Nachfolgend möchte ich diese drei unterschiedliche Willen definieren, damit überhaupt darüber diskutiert werden kann, wer über welchen Willen verfügt! Zwar spricht Luther in seinem Aufsatz auch über den eigenen Willen; aber er meinte damit wahrscheinlich den freien Willen. Meines Wissens hat er die oben genannte Unterscheidung gar nicht gemacht. Ich gehe aber davon aus, dass er in der Regel an den freien Willen dachte, da er schwergewichtig vom „unfreien Willen“ schrieb.
Der souveräne Wille
Als Souverän bezeichnet man eine Macht, die absolut und unteilbar ist (Quelle: Wikipedia). Auch wenn nach Aussage von Wikipedia der König oder der Kaiser als souverän bezeichnet wird, so sehe ich eindeutig nur beim allmächtigen Gott einen souveränen Willen! Nur Gott selbst ist in der Lage, auch alles zu tun, was Er will. Dass Könige und Kaiser längst nicht alles tun konnten, was sie wollten, hat die Geschichte schon längst gezeigt! Ausnahmslos alle Geschöpfe sind verschiedenen Gesetzen und Bestimmungen unterworfen, so dass sie nur einen beschränkten Bewegungsspielraum haben. Der souveräne Wille Gottes kommt in den folgenden Stellen ganz klar zum Ausdruck:
ELB Dan 4:32 - Und alle Bewohner der Erde sind wie nichts gerechnet, und nach seinem Willen verfährt er mit dem Heer des Himmels und den Bewohnern der Erde. Und da ist niemand, der seiner Hand wehren und zu ihm sagen könnte: Was tust du?
ELB Röm 9:19 - Du wirst nun zu mir sagen: Warum tadelt er noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden?
ELB Mt 19:26 - Jesus aber sah sie an und sprach zu ihnen: Bei Menschen ist dies unmöglich, bei Gott aber sind alle Dinge möglich.
ELB Jer 32:17 - Ach, Herr, HERR! Siehe, du hast die Himmel und die Erde gemacht durch deine große Kraft und durch deinen ausgestreckten Arm: kein Ding ist dir unmöglich;
Selbst der eigene Wille des Geschöpfes kann dem souveränen Willen Gottes auf lange Sicht nicht widerstehen:
Jes 45:23-24 - Ich habe bei mir selbst geschworen, aus meinem Mund ist Gerechtigkeit hervorgegangen, ein Wort, das nicht zurückkehrt: Ja, jedes Knie wird sich vor mir beugen, jede Zunge mir schwören 24 und sagen: Nur in dem HERRN ist Gerechtigkeit und Stärke.
Wir sehen also, dass nur Gott allein über einen absolut souveränen Willen verfügt! Selbst Satan darf nur so viel ausführen, wie Gott zulässt, er kann längst nicht alles vollführen, was er will. (Hi 1 + Hi 2). Einen souveränen Willen, bei dem die Geschöpfe machen können was sie wollen, gibt es eindeutig nicht! Einem Geschöpf ist es sogar nicht einmal möglich, aus sich selbst heraus den absoluten Gehorsam Gott gegenüber zu leisten, denn Paulus schreibt:
Röm 11:32 - Denn Gott hat alle zusammen in den Ungehorsam eingeschlossen, damit er sich aller erbarmt.
Selbst im bekehrten Zustand kann der Mensch nicht das tun, was er will:
Röm 7:19 - Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
Auch der große Apostel Paulus hat die Erfahrung gemacht, dass er über keinen souveränen Willen verfügte, er machte als Gläubiger sogar die Erfahrung, dass er nicht einmal das Gute, das er wollte, tun konnte.
Der freie Wille
Der freie Wille ist meiner Ansicht nach ein Wille, der frei wählen kann, was er will, aber nicht tun kann, was er will! Aus meiner heutigen Sicht finden wir, laut Aussage der Bibel, bei den Geschöpfen keinen freien Willen im absoluten Sinn! Trotzdem dürfen wir uns die Frage stellen: „Kann der Mensch wollen, was er will?“ Um diese Frage zu beantworten, müssen wir u. a. wissen, wie der Wille eines Menschen entsteht. Diese Frage wird jedoch erst später beleuchtet. Der Begriff „freier Wille“ lässt sich in der Bibel nicht finden. Was wir finden, sind Begriffe wie „freiwillig“ oder „Willigkeit“. Hier stellt sich aber die Frage, wie es zu dieser Willigkeit gekommen ist. Wurde ein Mensch durch den „Eigenwillen“ Gott gegenüber willig oder wurde er durch das „Einwirken Gottes“ willig gemacht? Diese Frage möchte ich anhand der Geschichte des Apostels Paulus verdeutlichen:
Saulus wollte mit seinem Leben Gott dienen und für die Sache Gottes eintreten. Wie es zu diesem Willen kam, wissen wir nicht. Seine Veranlagungen und seine Erfahrungen aus der Vergangenheit haben diesen Willen entstehen lassen. Wir können davon ausgehen, dass ihm das Schriftstudium Freude machte und dass er auch erkannte, wie er sich durch seine intellektuellen Fähigkeiten von seinen Altersgenossen abhob (Gal 1:14). Eine solche Erkenntnis hebt das Selbstwertgefühl und motiviert einen Menschen außerordentlich. Ich gehe davon aus, dass der Wille, Gott zu dienen, bei Paulus durch das gehobene Selbstwertgefühl und die große Motivation gestärkt wurde. Doch dieser Wille machte aus Paulus einen Eiferer, der die Gemeinde Gottes verfolgte! Er meinte zwar, Gott zu dienen; aber in Wirklichkeit tat er genau das Gegenteil. Erst durch das Einwirken Gottes kam es zu einem gottgemäßen Willen. Aber auch hier erklärt Paulus den Philippern:
Phil 2:13 - Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen.
Es ist eindeutig, dass das gottgemäße Wollen auf das Wirken Gottes zurückzuführen ist. Indirekt wird dies auch aus Pred 3:14 deutlich:
Ich erkannte, dass alles, was Gott tut, für ewig sein wird. Es ist ihm nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen. Und Gott hat es so gemacht, damit man sich vor ihm fürchtet.
Damit ist klar, dass kein Geschöpf aus sich selbst heraus etwas bewirken könnte, das Ewigkeitswert hätte! Aus meiner Sicht entsteht der Wille, etwas zu wollen, aus der Veranlagung (die wir ohne unseren Willen bekommen haben) und aus den Erfahrungen, die aus den Umständen resultieren, in die wir hineingeboren wurden! Somit sehe ich, wie Luther, keinen freien Willen! Trotzdem erkenne ich einen beschränkten Bewegungsspielraum, der im „eigenen Willen“ zum Ausdruck kommt!
Der eigene Wille
Das Wort Gottes spricht an einigen Stellen vom „eigenen Willen“. Laut Aussage des Apostels Paulus gibt es Menschen, die ihren eigenen Willen tun und gerade diese Menschen stellen für die Gläubigen eine ganz große Gefahr dar:
ELB Kol 2:18 - Um den Kampfpreis soll euch niemand bringen, der seinen eigenen Willen tut in scheinbarer Demut und Anbetung der Engel, der auf das eingeht, was er in Visionen gesehen hat, grundlos aufgeblasen von der Gesinnung seines Fleisches.
Menschen können also Dinge nach ihrem eigenen Willen tun, allerdings auch nur dann, wenn Gott es zulässt, wie wir später noch sehen werden! Es gibt also für Geschöpfe keinen freien Willen, mit dem sie ihr eigenes Wollen bestimmen könnten! Aber es gibt durchaus einen „eigenen Willen“! So schreibt Jesaja:
ELB Jes 30:15 - Denn so spricht der Herr, HERR, der Heilige Israels: Durch Umkehr und durch Ruhe werdet ihr gerettet. In Stillsein und in Vertrauen ist eure Stärke. Aber ihr habt nicht gewollt.
In den Sprüchen lesen wir:
ELB Spr 1:30 – Weil sie … meinen Rat nicht gewollt, verschmäht haben all meine Mahnung,
Und von den „Gesetzlichen“ des neuen Testamentes lesen wir:
DBR Lk 7:30 - aber die Pharisäer und die Gesetzischen lehnten, als von ihm nicht Getauftwordene, den Rat des Gottes ab.
Der Mensch hat also eine beschränkte Möglichkeit, etwas anzunehmen oder abzulehnen. So wie ich es sehe, lässt sich aus der Bibel erkennen, dass die Sünde in Verderben und Tod führt. Daraus ergibt sich ganz klar, dass jeder Mensch von Natur aus absolut verloren ist, weil jeder, wiederum von Natur aus, ungehorsam ist (Röm 11:32). Gott erbarmt sich aber über Seine Geschöpfe und bietet Ihnen die Vergebung der Schuld an. Zu dieser Vergebung kommt es allerdings nur, wenn der Mensch die Schuld anerkennt (das ist eine Frage der Demut des Herzens) und die Sünde nicht rechtfertigt (dies tun die Menschen oft, wenn sie weiter sündigen wollen, weil ihnen die Sünde scheinbar eine bessere Lebensqualität vermittelt). Der „natürliche Ungehorsam“, geschieht in der Regel aus der Unwissenheit heraus (1Tim 1:13) und deshalb erbarmt sich Gott über uns! Wenn ein Mensch seine Sündhaftigkeit und das Angebot der Vergebung Gottes ganz bewusst wahrgenommen hat und beides ablehnt oder verleugnet, ist er seinem Eigenwillen gefolgt. In einem solchen Fall kommt es zu einer Verhärtung des Herzens. Die Verhärtung des Herzens (weil man die Demut verachtet), entsteht also durch das bewusste und wissentliche Ablehnen der Wahrheit! Die Folge davon finden wir in:
Röm 2:5 - Nach deiner Störrigkeit und deinem unbußfertigen (w. nicht mitdenkenden) Herzen aber häufst du dir selbst Zorn auf für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes,
Der eigene Wille, der sich ganz bewusst gegen die Wahrheit Gottes stellt, kommt in der Störrigkeit und dem unbußfertigem Herzen zum Ausdruck. Die Auswirkungen davon sind: "Der Zorn wird aufgehäuft und das Gerichtsmaß somit erhöht".
Wenn die Bibel von einem eigenen Willen spricht, dann meist im Zusammenhang mit einer ganz bewussten Ablehnung der Wahrheit Gottes!