Claymore hat geschrieben: ↑Fr 2. Dez 2022, 01:04
Natürlich, wenn man zeigen wollte, dass ein Super-Wesen mit Super-Gehirn und Super-Körper für die Komplexität (oder eher: Design-Muster) in der Natur verantwortlich ist, dann ist die Erklärung kein Fortschritt zu dem was erklärt werden soll.
Aber darum geht's hier nicht. Der Designer ist kein komplexes physikalisches Wesen, sondern die Leute, die mit diesem Argument hausieren gingen (wie William Paley), haben sich hier etwas in Richtung Geist ohne Körper vorgestellt.
Und das ist meiner Ansicht nach keine willkürliche Ausnahme.
Ich würde nicht voraussetzen, dass man von einem physikalischen Wesen ausgehen muss, um auf das Problem zu stoßen. "Komplex" ist, so wie es gemeinhin verwendet wird, an sich ja schon eine recht willkürliche Einordnung, es gibt - wie so oft - keine objektive Grenze, ab wann etwas komplex ist. Worauf das Argument, das ich hier kritisiere, aufgebaut ist, ist der Unglaube darüber, dass etwas für uns derart Beeindruckendes ohne Beteiligung einer bewusst lenkenden Entität existieren kann, egal ob diese Beteiligung nun direktes Eingreifen und Erschaffen in einem (vorher erschaffenen) System ist oder z.B. Erschaffen eines Systems so, dass sich 'das Beeindruckende' dort irgendwann herausbilden wird.
Wenn man dementsprechend sagt, dass die Welt die wir beobachten
zwingend von einer schöpferischer Intelligenz geschaffen sein muss, weil jede alternative Erklärung, die keine schöpferische Intelligenz voraussetzt zu abwegig erscheint, dann stelle ich mir die Frage warum dieser Vorbehalt nicht auch mit Blick auf die schöpferische Intelligenz selbst vorgebracht wird. Warum gibt es für ein geistiges Wesen, das ist, aber nie wurde und Kraft seines Geistes eine physikalische Realität aus dem Nichts erzeugen kann plötzlich keinen vergleichbaren Erklärungsbedarf mehr? Warum wird beim Universum und den Dingen darin gesagt, never ever kann das ohne lenkende Hand entstanden sein, aber bei der lenkenden Hand, deren zugeschriebene Eigenschaften noch viel mehr mind-boggling sind, heißt es einfach, naja, isso, so etwas kann ohne Probleme einfach existieren, warum fragst du überhaupt? Dort undenkbar, hier easy. MMn eine ein bisschen willkürliche Zuordnung.
Für William Paley & Co. ist dieser letzte erkennbare Endpunkt geistig, absichtsvoll und zielgerichtet ("Gott"). Für den modernen Atheisten ist er physikalisch, absichtslos und zweckbefreit (Naturgesetze).
Wobei man hier zwei verschiedene Formen von "letzter erkennbarer Endpunkt" hat, denn Gott wird ja gerne eben nicht als lediglich der letzte erkennbare Endpunkt angeführt sondern als der ultimativ letzte, bzw anders herum als der
uncaused cause von dem alles ausgeht. Sozusagen der Ausdruck der Überheblichkeit, zu denken, wir hätten erkannt, was der ultimative Endpunkt ist. Wir verstehen ihn nicht unbedingt vollumfänglich, aber wissen zumindest was es ist.
Da sehe ich auf der anderen Seite mehr Offenheit zu sagen, okay, wir können bestimmte Dinge mit den Naturgesetzen erklären, aber wir können nicht erklären warum die Naturgesetze genau so sind, wie sie sind und wir werdens wahrscheinlich auch nie herausfinden, weil unsere Hypothesen dazu aus unserer Situation heraus nicht überprüfbar sind.
Sozusagen ein als "der tatsächlich letzte" angenommener Endpunkt auf der einen Seite und ein aufgrund von Limitationen als "der letzte erkennbare aber nicht zwangläufig ultimativ letzte" akzeptierter Endpunkt, auf der anderen.
Bzgl. deines anderen Posts:
Claymore hat geschrieben: ↑Do 1. Dez 2022, 23:56
Das bezieht sich aber aufs fertige Endergebnis und erklärt nicht wie der Altruismus sich überhaupt jemals in einer Population durchsetzen konnte.
Denn in irgendwelchen Zwischenstufen, wo die meisten Individuen in einer Population noch rational egoistisch sind, ist Altruismus definitiv ein Nachteil.
Das ist eben ein Stück weit das Rätsel an der Sache.
Wobei mein Gedankengang dazu folgender ist (ich erhebe nicht den Anspruch, dass es vollumfänglich originär meiner ist):
Es gibt Tierarten, bei denen Jungtiere von Beginn an auf sich allein gestellt sind und auch so ausreichend für diesen Umstand gerüstet sind, dass die Art nicht innerhalb kürzester Zeit ausstirbt. Der Mensch gehört nicht dazu. Menschenbabies sind, da werden mir andere Eltern hoffentlich zustimmen, in einem fast schon ärgerlichen Maß unselbstständig
. Unter Berücksichtigung dieses Abhängigkeitsverhältnis, halte ich es nicht für vollkommen abwegig, dass altruistisches Verhalten von Elterntieren gegenüber dem eigenen Nachwuchs, die Überlebenschancen des Nachwuchs erhöhen kann und dadurch auch einen positiven Effekt auf den Erhalt der Linie hat. Wenn man sich ansieht, wie viele Tierarten derartige Verhaltensmuster aufweisen, würde ich annehmen, dass sich diese Muster herausgebildet (und durchgesetzt) haben, lange bevor es den Menschen gab. Der entscheidende Schritt wäre dann eben, dass dieses altruistische Verhalten auch zunehmend auf Individuen außerhalb der eigenen Linie ausgeweitet wird und ich denke zunehmend ist hier das entscheidende Wort. Ich denke nicht, dass wir hier von einer Situation sprechen, in der sich plötzlich hauptsächlich altruistisch verhaltende Individuen gegen sich hauptsächlich egoistisch Verhaltende durchsetzen mussten und gnadenlos ausgenutzt werden konnten und denke auch nicht, dass wir hier grundsätzlich von reinem Altruismus also wirklicher Selbstlosigkeit sprechen. Für den Anfang reicht es ja schon wenns auch mal okay ist, dass jemand anderes aus einer Situation mehr Vorteil zieht als man selbst und wenn man eher die Nutznießer solcher Situationen sein lässt, mit denen es weniger Konflikt gibt, weil sie selbst ähnliche Tendenzen zeigen. Ich bin mir nicht 100%ig sicher ob solche Linien zwangsläufig knallhart von den egoistischeren outperformed werden.
Aber letztendlich wissen wir es nicht.