Michael hat geschrieben: ↑Mo 20. Dez 2021, 15:25
Du setzt die Begriffe schon wieder wertend und nicht wertfrei. Das ist erst Schritt zwei, wie es ausgeübt wird. Wir hängen also.
Nein, das versuch ich doch zu erklären. Was du Schritt zwei nennst, ist die Bedingung für die Akzeptanz im Volk. Nicht weil sie eingesetzt wurden, herrschten sie als Deutungshoheit, sondern weil sie sich als Deutungshoheit gebärdeten, wurden sie akzeptiert. Durch ihre Rede, ihre Selbstsicherheit, ihren Habitus übten sie ihre Macht auf das Volk aus und hypnotisierten es. Jesus bezeichnet sie als Heuchler, Hypokriten, das sind Schauspieler, Darsteller. Es gab überhaupt keine offizielle formelle Regelung oder Struktur, in und mit der sie als Deutungshoheit hätten eingesetzt werden können. Sie waren ganz einfach Platzhirsche und Rampensäue. Das sind immer die Art von Menschen, die den common sense anführt. Das ist niemals legitim, sondern artet immer in einer Tyrannei der Mehrheit aus.
Sie waren quasi die Bildzeitung Judäas.
Michael hat geschrieben: ↑Mo 20. Dez 2021, 15:25
Jesus legitmiert somit ihr Amt und fordert auch dazu auf, ihnen zu folgen. Aber eben dem, was Mose sagt und nicht wie die Pharisäer es praktizieren. D.h. sie lesen aus Mose vor, aber sie selbst halten sich nicht daran.
Nein er legitimiert nicht ihr Amt, sondern nur ihr Wort im Sinne Moses. Sie verkünden das Richtige, tun aber selber das Falsche. Wasser predigen, Wein saufen. Durch Argumentum ad personam wird aber ihr Wort im Sinne Moses selber nicht ungültig, sondern nur die Moral der Person unglaubwürdig, die ja nicht auf dem Stuhl sitzt, um Wasser zu trinken, sondern eben um Wein zu saufen. Sie hat kein Recht, Wein zu saufen. Sie sitzt auch zu Unrecht auf dem Stuhl, denn es bedarf ihrer nicht darauf.
Michael hat geschrieben: ↑Mo 20. Dez 2021, 15:25
Es ist dennoch ihr Amt von Gott gesetzt und Jesus hatte keinen vom Stuhl heruntergeholt und gesagt: "So, und jetzt runter mit euch, ihr Schlangenbrut, denn jetzt regiere ich." Genau das ist aber, was z.B. ein rebellisches Volk tut und genau das tat er nicht. Er ließ die bestehende Obrigkeit in Kraft, weil das Amt in dem Fall eine direkte Einsetzung von Gott war.
Der einzige Grund, warum Jesus sie auf ihrem Posten ließ, weil er sonst hätte Gewalt anwenden müssen. Er hätte sie töten müssen. Denn es gab ja nichts offizielles, wogegen er sich hätte richten können. Ihre Autorität bestand darin, dass sie vom Volk geduldet und gehört wurden, nichts weiter. Es gab keine formelle Regel, auf die sie sich berufen hätten können. Jesus richtete nur Appelle an sie. Nicht das Feld zu räumen, sondern nach ihren eigenen Worten auch zu handeln.
Michael hat geschrieben: ↑Mo 20. Dez 2021, 15:25
Das erweitert Paulus nun generell auf jedes Hoheitsamt aus, dass es von Gott eingesetzt ist. Also nochmals: Was die Herrscher dabei tun ist irrelevant. Sie haben für die Dauer ihrer Amtszeit die Macht, ob es wem passt oder nicht.
Ihre Amtszeit endet dann wenn sie vorbei ist. Egal wie. Egal ob durch natürlichen Tod, Ablauf einer vorgegeben Zeit, Abwahl, Misstrauensvotum oder Sturz. Er stürzt mächtige vom Thron (Lukas 1,52). Wie auch immer sie vom Thron gestürzt werden, es geschieht immer zu Recht. So sehe ich das, und so müsstest du es konsequenterweise sogar selber sehen. Dass sowas dann auch zur anstiftenden selbsterfüllenden Propheizung werden kann, scheint zwar banal ist aber ebenso egal. Nach dir scheint man es ja nicht wollen oder sich beteiligen zu dürfen, aber wenn es denn bereits vollzogen ist, nickst du das auch ab. War die Französische Revolution deiner Meinung nach richtig ? Dann müsstest du jederlei Volksaustand legitimieren, denn noch schlimmer gehts ja kaum. War sie falsch ? Dann müsstest du jeder darauf aufbauenden demokratischen Ordnung Europas ihr Existenzrecht absprechen und in monarchische Zeiten zurück wollen. Ich könnte jetzt auch noch auf Amerika oder den Nahen Osten zu sprechen kommen, aber darauf habe ich jetzt gar keine Lust mehr.
Wenn aber der Sturz immer zu Recht geschieht, und bisher sind noch alle irgendwann gestürzt worden, folgt darauf ja keineswgs, dass auch ihre Einsetzung mit Recht geschah. Wurde Saul mit Recht eingesetzt ? Nein, es hätte keinen König geben sollen. Nicht mit Recht wurde er eingesetzt, sondern nur ordentlich, weil Gott dem Willen des Volkes nachgab. Aber auch das nur, um ihnen zu zeigen, welch destruktive Wirkung das Königtum haben würde. Das Königtum über Israel ist also nicht Recht, sondern Zweck.
Michael hat geschrieben: ↑Mo 20. Dez 2021, 15:25
Z.B. hatte Gott zur Zeit Jesu die Römer über ihn gesetzt, sodass er Jesus ohne sie gar nicht zur Verurteilung hätte bringen können. Kajaphas hatte diese Macht dazu nicht, Pontius Pilatus hingegen schon.
Pontius Pilatus wollte es aber eigentlich gar nicht. Dass er es schließlich doch tat, beruhfte auf Manipulation. Die Leichen im Keller, wie ich oben schon sinngemäß sagte. Das ist exakt die Art des Teufels. Hier sprachen die, die den Teufel zum Vater hatten, dessen Herrschaftslegitimität du ja selber absprichst.
Und was den Hohepriester betrifft : Dessen Amt und Funktion hat Jesus nicht kritisiert. Er füllte ein überliefertes Amt aus, das es ja offiziell gab. Seinen Tempeldienst wird er wohl ordentlich erfüllt haben. Ob er sich politisch beteiligte, persönlich bereicherte usw. wird im NT wirklich nur sehr eingeschränkt dargestellt. Wo beim Prozess Kritik gegen ihn angebracht gewesen wäre schwieg Jesus aber, weil sie an dieser Stelle nichts gebracht hätte.