lovetrail hat geschrieben: ↑Mo 15. Jun 2020, 08:35Ich bin da ja auch in einem Zwiespalt: Wie kann man Missstände ansprechen ohne einzelne Menschen zu verurteilen?
Man
muss doch niemanden verurteilen.
Wenn man gegenüber Glaubensgeschwistern Bedenken nicht äußern kann, weil sie dann beleidigt sind oder aggressiv werden, dann ist etwas faul.
Andererseits muss es ja auch "Wächter" geben, welche die Gefahren zuerst erspähen und diese dann auch mitteilen.
So habe ich meine "Rolle" damals verstanden.
Wenn Gott jemandem Infos zugänglich macht, weil Er einen Bedarf dafür sieht und / oder jemandem eine Erkenntnis zuteil wird, dann
kann er die, wenn sie Bekannte oder die Gemeinde betreffen, doch gar nicht für sich behalten.
Deiner Erzählung nach hat dieser Bruder F. ja letztendlich recht gehabt, oder sehe ich das falsch?
Man fragte sich halt, woran er sein Urteil festmachte.
Soooo ganz "von der Welt überrollt" fand ich das damals nicht. Es gab Mißstände, ja. Und Fehlentwicklungen. Damit muss man immer rechnen, wenn ein Jünger oder eine Gemeinde gesegnet ist. In welcher Gemeinde ist
alles paletti; in welcher christlichen Gemeinschaft gibt es
keine Anfechtungen?
Sagen wir: Der Bruder hat leider Recht behalten.
Aber...
seine Heimatgemeinde war auch nicht so heilig, wie sie hätte sein sollen. Einige Jahre später gab es dort erbitterte Kämpfe, die in eine Spaltung (s)einer Gemeinde mündeten.
Einige Zeit nach meinem Ausstieg aus den Diensten zogen wir um; das hatte sich aus wohntechnischen und beruflichen Gründen so ergeben. Etwa 10 Jahre später waren wir nochmals dort; kamen einer Einladung nach.
Ich war entsetzt. Echt. Da war dann überhaupt keine Power mehr. Alles irgendwie verlottert.
Es war schön, einige der Geschwister wieder zu sehen. Aber das war auch alles. Irgendwie wirkte die gesamte Szenerie total verstaubt.
Und man muss befürchten, das
viele Gemeinden diesen Weg gehen. Wenn man zu viele Kompromisse eingeht und sich vom HERRN entfernt, dann bleibt irgendwann nur noch "Programm", auf einem bescheidenen Niveau.
Da sind eine Kirche oder Gemeinde mit Liturgie- Programm besser dran. Wenn bei einer solchen Unerrettete oder Abgefallene an der Spitze stehen, bleibt doch die
Form, die auch ohne geisterfüllten Pfarrer funktioniert. Bei Evangelikalen hängt alles an der Predigt. Taugt die Predigt nichts, dann ist meist das Gebet auch ohne Kraft und der verbleibende Rest des Programms etwas kümmerlich.
Freilich soll man sich auch selber mit Liebe und Eifer dafür einsetzen, dass die Gemeinschaft nicht den Bach runter geht. Ich tue das ja auch. Also nur von der Ferne kritisieren, ohne selbst einen Finger zu rühren ist zuwenig.
Wenn man selbst involviert ist, sind da Emotionen mit im Spiel. Es ist nicht leicht, Probleme anzusprechen, wenn man damit auf Granit beißt und mit Ablehnung oder autoritär eingeschüchtert werden soll, weil diejenigen, die es betrifft, darüber nicht diskutieren wollen.
Paulus war, was Gesetzlichkeit anbetrifft, auch nicht zimperlich. Da hat er sogar den Petrus öffentlich gerügt. Es handelt sich eben um keine Kleinigkeit. Gesetzlichkeit ist eine große Gefahr und sie kommt immer wieder in neuen (gutgemeinten) Masken einher und erschwert das Atmen...
Eine individuelle Anwendung von Gesetzlichkeit- Situationsethik- ist genauso schlimm und absolut destruktiv.
Paulus nennt das Gesetz
gut. Und das ist es auch. Ein Zuchtmeister...ein Erzieher... irgendwo braucht man ja einen Maßstab, um Kriterien formulieren und im Leben umsetzen zu können.
Aber das Gesetz darf nicht zum Selbstzweck werden. Die Regeln dürfen nicht die erste Rolle spielen. Weder für den einzelnen Christen noch in der Gemeinde.
Es ist halt leichter, mit Regeln zu wirtschaften als dem Geist Gottes Raum zu geben.
LG