Christen und belegte Aussagen

Rund um Bibel und Glaube
SilverBullet
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Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von SilverBullet »

jsc hat geschrieben:Ich bin eigentlich der Ansicht, dass gerade ernsthafte Christen damit eigentlich überhaupt keine Probleme haben sollten, weil gerade ja das Christentum darauf basiert, dass Aussagen durch ein oder mehrere Bibelstellen belegt werden sollen.
Im Grunde gibst du dir selbst die Antwort.
=> "das Christentum basiert darauf, dass die Bibel als Grundlage verwendet wird"

Das Christentum zeichnet sich aber nicht dadurch aus, dass die Möglichkeit eines umfassenden Widerspruchs, zwischen Bibeltexten und den tatsächlichen Begebenheiten (insbesondere im ersten Jahrhundert), berücksichtigt wird.
=> in der Folge könnte man das Christentum als eine Kultur der Nicht-Belegten-Aussagen ansehen.

Ehrlich gesagt, auf mich wirkt das Anführen von Bibelstellen auch nicht wie ein "Belegen", sondern wie die "Präsentation einer Autorität".
Macht also ein Christ eine Aussage ohne Verweis auf Bibelstellen, dann "benötigt" er wohl aktuell diesen "Autoritätsgrad" nicht (für seine Überzeugung).

Der Sprung von "Autorität" zu "Beleg" ist im Christentum eigentlich nie irgendwo vorhanden - täusche ich mich da?.
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Travis
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Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von Travis »

jsc hat geschrieben: Mi 7. Okt 2020, 11:52 Hier hast du mich vollkommen missverstanden. Es geht überhaupt nicht um Bibel vs Wissenschaft sondern die Erkenntnis, dass der biblische Auftrag zu prüfen wunderbar mit der Suche nach Belegen im außerbiblischen Bereich zusammen geht.
So formuliert muss ich eingestehen, zu einer Minderheit zu gehören. Auch in Anbetracht meines Umfeldes. Allerdings muss ich gleich ergänzen, dass es bei der fehlenden Bibelkunde nicht generell um Unwillen geht. Es gibt die verbreitete Ansicht unter Christen, dass die Kenntnis und das Für-Wahr-Halten der zentralen Erlösungshandlung durch, in und mittels des Jesus Christus ausreicht, um Gottes Willen für und mit seiner Schöpfung ausreichend zu erfassen. Auszuloten, was damit alles verbunden ist, führt in den Augen vieler Christen bereits vom normativ wichtigen Zentrum weg und sollte daher vermieden werden, um nicht den Fokus des Evangeliums aus den Augen zu verlieren. Ein Mißverständnis, welches zu beheben mühsamer ist, als ich noch vor Jahren vermutet hätte.

Nun sind Menschen jedoch naturgemäß nicht alle gleich. Jeder kennt die Grenzen seines Intellekts oder sollte sie kennen. Daher ist die Christenheit auch als "Leib" angelegt, wo jeder mit seinen Stärken unterstützen soll und mit seinen Schwächen von anderen getragen wird. Es wird immer Bereiche geben, in denen ich anderen Menschen glauben muss, da mir das entsprechende Thema schlicht "zu hoch" ist. Ich vollziehe es soweit nach, wie ich kann, überlassen den Rest dann aber den Experten.

Was speziell das Corona-Geschehen angeht, kommt für Christen die Perspektive der Endzeit hinzu. Seuchen werden als Merkmal einer sich dem Ende zuneigenden Welt identifiziert. Gepaart mit einer Art "Faszination des Bösen" sehen manche Zeitgenossen quasi überall das Böse am Werk, was aus biblischer Perspektive nicht grundsätzlich falsch ist, jedoch unter bestimmten Rahmenbedingungen anfällig für das von Dir beschriebene Verhalten macht.

Beispiele: Alle Menschen sind Sünder. Der Satan versucht (mit voller Wucht bei seiner Freilassung) alle Menschen zu verführen. Wir sind der Wiederkunft Christi heute näher als vor 2.000 Jahren. Die Welt wird bei Jesu Wiederkunft gerichtet und das Böse wird vernichtet.

Hat man also aus biblischer Perspektive Kenntnis vom weiteren Verlauf der Welt und sieht die Aussagen der Bibel als wahr an, so benötigt man im Grunde keine Belege für die Annahme niederer Machenschaften und Verschwörungen. Leider vergisst der Mensch dabei oft, dass er durch den Sündenfall in allen Bereichen seiner Existenz in Mitleidenschaft gezogen wurde. Christen wissen also, dass sie als Sünder allen Menschen alles (Schlechte) zutrauen können, vergessen dabei jedoch gleichzeitig, dass sie gerade weil sie (und alle anderen Menschen auch) Sünder sind, auch ihre eigene Wahrnehmung nicht ungeprüft als wahr anerkennen dürfen.

Da beisst sich die "Katze etwas in den Schwanz". Denn um aus einem Kreislauf durch Sünde verwischter Wahrnehmung herauszukommen, benötigt es eine externe Prüfungs-Meßlatte. Man nennt diese Messlatte "Bibel". Zusammen mit dem Heiligen Geist in einem (echten) Christen, kann die getrübte Wahrnehmung durchbrochen werden. Nutzt man die Bibel nicht (oder nur sehr eingeschränkt), übertüncht man (als Christ) den Heiligen Geist auch mal schnell mit den eigenen Gedanken. Man hat also im WorstCase ein Gefühl von Erkenntnis der Wahrheit und nicht unbedingt die Wahrheit selbst. Das kann man wie gesagt durchbrechen.
- Foren Concierge -
"Steter Trottel höhlt den Interlekt"

הִגִּ֥יד‮‬ לְךָ֛ אָדָ֖ם מַה־טֹּ֑וב וּמָֽה־יְהוָ֞ה דֹּורֵ֣שׁ מִמְּךָ֗ כִּ֣י אִם־עֲשֹׂ֤ות מִשְׁפָּט֙ וְאַ֣הֲבַת חֶ֔סֶד וְהַצְנֵ֥עַ לֶ֖כֶת עִם־אֱלֹהֶֽיךָ׃
jsc
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Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von jsc »

SilverBullet hat geschrieben: Mi 7. Okt 2020, 12:16 Im Grunde gibst du dir selbst die Antwort.
=> "das Christentum basiert darauf, dass die Bibel als Grundlage verwendet wird"
[...]
=> in der Folge könnte man das Christentum als eine Kultur der Nicht-Belegten-Aussagen ansehen.
Das sehe ich komplett anders. Das Christentum gründet sich auf die Bibel. Und jede Aussage dazu stimmt entweder mit der Bibel überein - dann ist sie wahr, oder sie stimmt eben nicht überein - damit ist sie unwahr.
Achtung! Der Post über dieser Signatur wirft Magdalena keine Lüge vor und bezichtigt sie auch nicht der Dummheit!
Rembremerding

Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von Rembremerding »

Das Christentum gründet sich auf die Gemeinde Gottes, ein Stiftung des Herrn Jesus Christus, in der die Hl. Schrift durch den Hl. Geist gefunden wurde. Deshalb bedarf es einer Auslegung durch und Prüfung der Auslegung durch die Gemeinde Gottes, die Kirche.
Denn: Zuvor war die apostolische Kirche, dann die Hl. Schrift.
SilverBullet
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Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von SilverBullet »

jsc hat geschrieben:Das sehe ich komplett anders. Das Christentum gründet sich auf die Bibel. Und jede Aussage dazu stimmt entweder mit der Bibel überein - dann ist sie wahr, oder sie stimmt eben nicht überein - damit ist sie unwahr.
Ich als Nicht-Gläubiger möchte da etwas vorsichtiger sein, denn ich muss auch Leute als Christ akzeptieren, die in der Bibel nur eine "Zirka-Angabe" verstehen wollen und mehr auf die persönliche Erfahrung setzen möchten (oder auf etwas ganz anderes - eine Person, einen Prediger - was auch immer).

Aber mal neutral gesehen, wenn ein Mensch einen Text liest, dann bringt dieser Mensch doch durch seine Alltagserfahrung mit, dass, nur weil etwas in einem Text steht ("geschrieben steht"), dies noch lange nicht richtig sein muss.
Wird er zum Christ und hätte dann die Auflage, dass alles auf diesem Text aufbaut, müsste er seine Alltagserfahrung ja eigentlich ein wenig abschalten.
Ich könnte mir vorstellen, dass der Umgang mit dem Bibeltext einfach von dieser Abschalt-Entscheidung abhängig ist.
Manche sagen "die Bibel und sonst gar nichts" und andere sagen "die Bibel ist nur ein Text" - aber dennoch nennen sich alle "Christ".

Der Textumgang kann natürlich in der Antike anders gewesen sein.
Damals war ein geschriebener Text bestimmt etwas Aufwendiges und Hochwertiges und so war vermutlich "es steht geschrieben" quasi direkt ein Argument der Form "es hätte doch niemand diesen Aufwand getrieben, wenn es nicht wahr wäre".
In unserer Zeit hat Text lange nicht mehr den Stellenrang wie damals.
Hiob
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Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von Hiob »

jsc hat geschrieben: Mi 7. Okt 2020, 10:36 Wenn Prediger A irgendeine Aussage bezüglich des Glaubensleben macht und keinerlei Bibelstellen zur Stützung seiner Aussage hat, dann erwarte ich ja, dass man dieser Ansicht erst einmal skeptisch gegenüber steht, oder?
In der Regel besteht das Problem nicht im Mangel an Textbelegen, sondern in der Unterschiedlichkeit der jeweils eigenen Interpretation eines Textbelegs. - Denn Du wirst keine der ca. 40.000 christlichen Gruppierungen finden, die sich NICHT auf die Bibel stützt - insofern sind alle gleich. - Das Problem: Die Ergebnisse können sehr unterschiedlich bis widersprüchlich sein. - Das war übrigens ein Grund, warum Jesus kein SChisma wollte.
Travis hat geschrieben: Mi 7. Okt 2020, 11:43 Es sind die Wissenschaftler die sich an der Bibel messen lassen müssen, nicht umgekehrt.
Prinzipiell ja - allerdings würde ich es allagemeiner sagen: Das Säkulare muss sich am Geistlichen messen (heute ist es exakt umgekehrt).
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Helmuth
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Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von Helmuth »

jsc hat geschrieben: Mi 7. Okt 2020, 10:36 Oder ist das gar nicht anders und Menschen die irgendwelchen Aussagen beleglos glauben, nehmen auch geistliche Aussagen ohne jeglichen Beleg in der Bibel an?
Wenn man frisch zum Glauben kommt saugt man wie ein Schwamm alles auf und glaubt so manches. Und so wird man jeweils von der Gemeinde und ihrer Lehre geformt. Man kann es gar nicht be- oder widerlegen, weil man noch zu unerfahren ist. Man ist Milchtrinker

Erst mit der Zeit zeigt es sich, ob man wirklich Jesus nachfolgt oder doch den Menschen bzw. dem eigenen Willen. Es soll ja auch so sein, dass wir den Menschen folgen, die uns in die Gemeinschaft mit Gott aufgnommen haben, doch stößt das auf seine Grenzen. Und diese Grenzen setzt Gott und nicht der Mensch.

Heute handhabe ich es so, dass ich bestimmte Dinge nicht weiter belegt brauche, weil sie sich mit meinem Glauben decken. Und den habe ich nicht über Nacht entwickelt. Macht jemand Aussagen, die mir nicht geläufig sind oder dubios erscheinen, verlange ich selbstverständlich einen Beleg.

Und die allgemeine Erfarung ist die, dass man, so man selbst mal über eine mehrjährige Erfahrung verfügt, man mich nicht über Nacht umstimmen kann. Dennoch hört das Lernen und die Selbstkorrektur nicht auf.

Dazu sind Beleg schon wichtig. Die Schrift ist der erste Beleg. Dann kommen weitere. Geht es wiederum persönliche Erlebnisse, so kann man sie kaum be- noch widerlegen. Wer z.B. behauptet, Gott habe ihm dies oder jenes gezeigt, wie soll ich als Außenstehder das beurteilen? Man erkennt erst mit der Zeit, ob jemand immer auf dieser Welle schwimmt und Gott quasi immer und überall "reden" hört oder ob es Hand und Fuß hat.

Dafür brauchen wir auch praktische Beispiele. Das Theoretisieren um "Beleg" allein bringt nicht viel. Wir sind ja keine Forensiker oder Polizeiermittler, die dazu einen Auftrag haben und das beruflich sogar machen müssen.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigartigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. - Johannes 3:16
jsc
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Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von jsc »

Ich weiß nicht, ob alle die ursprüngliche Frage des Threads verstehen... deshalb Mal ein Beispiel:

Jemand sagt, dass man als Christ mindestens einmal nach Golgatha pilgern muss.

Meine Prognose: kaum ein Christ würde das "einfach so glauben und weitertragen"
Viele Christen würden Belege aus der Bibel fordern.

Wir lassen erst einmal bewusst außer acht, dass Aussagen, die etwas näher am biblischen Zeugnis sind, vielleicht auch ohne Beleg geglaubt würden.

Besteht bis hierher Einigkeit bzw ist das Verständnis da?
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Hiob
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Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von Hiob »

jsc hat geschrieben: Mi 7. Okt 2020, 14:11 Meine Prognose: kaum ein Christ würde das "einfach so glauben und weitertragen"
Viele Christen würden Belege aus der Bibel fordern.
Das wäre ja ok. - Aber jetzt fängt es erst an. - Denn dann müsste man prüfen müssen, was mit "Golgatha" gemeint ist. - Wörtlich? Übertragen im Sinne x? --- Und dann wird es meistens bereits strittig. ---- Mit anderen Worten: "Biblischer Beleg" ist einerseits wichtig, wird aber andererseits sehr schnell zum Spiegel eigenen menschlichen Verständnisses gemacht. Und damit wird es relativ und ist nicht mehr sicher.
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lovetrail
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Re: Christen und belegte Aussagen

Beitrag von lovetrail »

Jsc: Wie gesagt, du müsstest erst mal klären, inwiefern etwas überhaupt ein Beleg sein kann. Du setzt (weltliche) "Wissenschaft" und ihre Dynamik einfach unkritisch als Wahrheitsinstanz voraus. Das finde ich ziemlich problematisch, vor allem für einen Christen.

Zur Erinnerung: Wenn weltliche Wissenschaft der absolute Maßstab wäre, dann gäbe es keine Schöpfung, keine Wunder, keine Inkarnation Gottes und auch keine Auferstehung.
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!
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