Hiob hat geschrieben: ↑Mo 11. Jan 2021, 16:21
Was man in geistlichen Dingen selber für "objektiv" halten mag, ist nichts anderes als das, was man selber für objektiv hält. -- Natürlich kann man subjektiv etwas vertreten, was objektiv wahr ist - aber das wissen wir nicht.
Das ist durchaus richtig, jedoch wird eine eventuelle Fehlerbehaftung einer Ansicht dadurch reduziert, wenn über Jahrhunderte hinweg immer wieder verschiedene Menschen in ihren Lebensbereichen zu denselben Ergebnissen kommen und sich diese, oft geradezu verblüffend, selbst im zeitlichen Abstand ineinanderfügen. Wahrheit erlangt hier gewissermaßen in ihrer erkennbaren Kontinuität zu ihrem Recht,
das sich in der Realität immer wieder beweist. Diese Kontinuität ist eben keineswegs einer Aneinanderreihung von Meinungen geschuldet, die auch falsch sein können, sondern lassen das Wirken des Hl. Geistes erkennen.
Man kann hoffen, dass man die Wahrheit gefunden hat, aber nicht wissen. -
Dieses defensive Verhalten der Wahrheit gegenüber ist verständlich, weil immer wieder Menschen, auch angebliche Christen, im Namen derselben Greueltaten geistiger, aber auch direkter körperlicher Art, verüben. Man muss sich jedoch vor Augen halten, dass man Wahrheit weder erzwingen kann, noch sie besitzen, sondern dass sie eine göttliche Person ist, welche gleichzeitig die Liebe. Wer also die einzige Wahrheit in Jesus meint, kann sie nicht besitzen, weiß aber, wo er sie findet, und sie muss nicht mit allen Mitteln durchgesetzt werden, denn sie hat bereits gesiegt. Was bleibt, ist die Wahrheit zu bezeugen, sie zu vertreten, wenn nötig, darauf hinzuweisen, wer sie ist, quasi sowohl Wegzeichen als auch Stachel zu sein, für jene, die suchen oder den Schmerz der Lüge noch vernehmen.
Das gilt auch innerhalb der RKK, aus der ich schon Verschiedenstes gehört habe. Natürlich: Durch Rom ist dort die Bandbreite geringer (insofern bin ich Ultramontanist), aber sie ist noch sehr groß.
Und das betrachtest du als negativ? In der Einheit die Vielfalt. Das ist doch gerade der Hl. Geist. Man kennt seine Heimat, liebt sie, kämpft um sie, spiegelt so das ganze Leben der von Gott geliebten Kinder in seiner Kirche wieder, aber findet auch die Liebe in der Wahrheit, die immer wieder zusammenhält.
Deshalb betet man auch für Christen außerhalb der Kirche und bittet Gott um Einheit, aber polemisiert nicht grundlos gegen sie, deshalb feiert man keine Spaltung, sondern bittet Gott um Vergebung der eigenen Schuld und trauert darum, dass deshalb manche Christen nicht in seine Kirche zurückfinden können und wollen.
Heilsgeschichte IST doch gerade ein Synonym dafür, dass die Welt und der Einzelne seine Erkenntnis entwickelt. - "Entwicklung" wäre nicht nötig, wenn alles schon klar verstanden wäre. Auch der Fundamental-Theologie Eugen Biser hat gesagt, dass die Kirche immer noch auf dem Weg zu sich ist.
Um auf deine Erkenntnisspur einzubiegen: Was wäre das für eine Erkenntnis, deren Möglichkeit Gott einem vorenthält? Als ob Liebe ihre Absicht verbergen müsste. Was wäre also, wenn Entwicklung bedeutet, seine Verwicklung in Egoismus und Schuld aufzugeben? Glaube bedeutet, dies auch ohne Berechnung und Erkenntnis tun zu wollen, ohne zu wissen, was dann geschehen wird. Allein im Vertrauen darauf, dass jener, der bereits alle Ent- und Verwicklung gelöst hat durch seine Erlösungtat
für einen persönlich - nur aus Liebe
zu einem persönlich.
Gerade letzteres ist in doppelter Hinsicht wichtig: zum einen wird die eigenen Meinung unwichtig, wenn man tatsächlich verstanden hat, dass Gottes Sohn für mich selbst ans Kreuz ging, wegen meiner Sünden - und nicht nur wegen der Sünden anderer. Zum anderen geschieht es aus Liebe und diese allein nimmt Liebe wahr. D.h., selbst wenn jemand hundertmal darauf pocht, die Wahrheit zu verkünden, aber darin keine Liebe zu spüren ist, dann ist es eine andere oder unvollständige Wahrheit, als jene des Herrn (Paulus: "... hätte aber die Liebe nicht"). Und diese Liebe ist es auch, dass es keinen Christen geben kann ohne eine Gemeinde in der Gemeinschaft des Herrn.