Spice hat geschrieben: ↑Di 27. Jul 2021, 07:22
Bisher konnte keiner plausibel erklären, weshalb Gott den, den er liebt, züchtigt.
Ich halte meine Erklärung für plausibel. Aber es ist keine einfache, simple Erklärung und vor allem keine, die sich einem unbedingt sofort erschließt.
Ich versuche es nochmal auf eine andere Art, vielleicht ist es dann verständlicher.
Da ist ein Mensch, sagen wir ein Mann. Er wird in bestem Elternhaus geboren. Es fehlt an nichts. Er wird geliebt und mit allem versorgt und noch viel mehr. Alle Möglichkeiten stehen ihm offen. In allem wird er gefördert und unterstützt. Er erfreut sich bester Gesundheit, er sieht toll aus, wächst zu einem sehr gebildeten Menschen heran. Alles in seinem Leben gelingt, alles verläuft optimal. Er schreibt nur die besten Noten und ist bei allen beliebt. Er ist hochgebildet und eloquent. Alle lieben ihn, schätzen und respektieren ihn. Er bekommt alles, was er will. Den Titel, den Job, die Frau, das Auto, das Haus, die Firma - einfach alles. Er wird berühmt, mächtig und einflussreich. Er kann sich alles leisten und das Leben aus vollen Zügen genießen. Niemals wird er krank, niemals hat er Schmerzen oder irgendwelche körperlichen oder psychischen Leiden. Nichts und niemand kann sich ihm in den Weg stellen.
Er ist also der glücklichste und erfolgreichste Mensch der Welt. Kein Wunsch bleibt ihm unerfüllt. Für ihn gibt es keine Grenzen. Er kann alles, er weiß alles, ihm gelingt alles, was er sich vornimmt, das schafft er auch. Er weiß überhaupt nicht, wie es ist, zu versagen, Fehler zu machen, etwas nicht zu bekommen, was man will, sich nicht durchsetzen zu können gegen andere und klein beigeben zu müssen, zu scheitern, aufgeben zu müssen, geschmäht zu werden, sich als dumm, unbedeutend, krank, leidend und geschmäht und verachtet zu erleben. Er hat davon keine Ahnung. Und noch besser: Er kann alles konsumieren, was er will, er wird niemals krank davon oder hat sonstige gesundheitlichen Probleme. Er hat den perfekten Stoffwechsel, er verdaut jede beliebige Menge Nahrung, er kann noch das letzte Junk Food in rauhen Mengen in sich stopfen und er kann alle möglichen Rauschdrogen hemmungslos konsumieren ohne die Spur eines Nachteils.
Das ist also das Beispiel eines Menschen, der in keiner Weise von Gott gezüchtigt wird. Wie wird sich dieser Mensch charakterlich alles Voraussicht nach entwickeln? Was wird aus ihm werden - innerlich. Wie wird seine Seele aussehen, wenn er stirbt? Und wo geht er dann wohl hin?
Ganz einfach: Der Mann wird zu einem riesigen, hässlichen Teufel. Er wird ein gigantisches Ego haben, er wird sich für den Allergrößten halten. Er wird die ultimative Erwartungshaltung haben, alles, was er will, das muss auch geschehen. Wenn nicht, wird er stinksauer und macht alles kaputt. Er wird ein einziger Suchtbolzen sein. An tausend Annehmlichkeiten und Genüsse gewöhnt wird er danach schreien, dass diese Gier befriedigt wird. Er wird hartherzig, herzlos und verständnislos sein für das Leid oder die Defizite anderer. So wird er dann ein schreckliches Wesen sein, das in der Welt sein Unwesen treibt. Er wird zudem sehr unglücklich sein, denn seine Gier, seine Leidenschaft, sein Ego brennen unentwegt in ihm fort und treiben ihn immer weiter an. Von Gott wird er überhaupt nichts wissen oder wissen wollen. Wenn er nur in die Nähe eines gottesfürchtigen Menschen kommt, wird er extrem wütend und erträgt es nicht. Er hasst Gott. Er bekämpft ihn. Er will sich einfach nur ausleben.
Das also ist das Ergebnis, wenn ein Mensch alles bekommt und alles genießt, was so möglich ist und wovon so viele Menschen träumen. Seine Gier, seine Sucht, seine Wut, seine Lust, seine Verhaftung werden sich immer mehr steigern. Und er wird in die tiefste Finsternis stürzen.
Wenn jedoch eine Seele in diese Welt inkarniert, die eine wirklich große Sehnsucht nach Gott hat, die schon einen sehr langen Weg hinter sich hat und die nur noch nach oben will, wird Gott alle Vorkehrungen dafür treffen, dass sie nicht mehr fallen kann. Das wird mit aller Liebe und Umsicht geschehen. Vielleicht wird Gott es erstmal so einrichten, dass der Mensch einen ganz schönen und leichten Weg gehen kann. Aber sollte der Mensch scheitern, hat Gott bereits einen Plan B aufgestellt. Und der sieht vor, dass der Mensch dann leiden muss. Weil es der einzige Weg ist, sein Ego auf eine Größe zu schrumpfen und seine Süchte und Begierden und Ansprüche soweit zu stutzen, dass er sich dann in Demut Gott zuwenden und hingeben kann und will. Vielleicht aber wird er von Anfang an schon alle möglichen karmischen Ereignisse in den Lebensplan einbauen, die das Ego und die Begierden unten halten. Je nachdem, wie es Gott für das Beste hält für die Seele, wie es ihr am meisten entspricht und entgegenkommt.
Eigentlich ist es so gesehen nicht richtig, dass Gott die züchtigt, die er liebt. Gott liebt jeden Menschen genau gleich viel. Seine Liebe unterscheidet nicht. Sie ist allumfassend und sie gilt jedem Geschöpf unter seinem weiten, weiten Himmel. Aber eine Seele, die sich hier unten über unendlich lange Zeiträume ganz langsam heraus arbeitet und leidet, die hat eben eine Entwicklung zurückzulegen. Manche Seelen sind gerade erst Mensch geworden. Sie brauchen eine andere Behandlung als eine sehr weit fortgeschrittene Seele, die nicht mehr von unten sondern von weit oben in das Menschenleben hinabsteigt.
Anderseits ist es klar, je näher eine Seele Gott ist, desto größer auch die Liebe, die sie empfindet. So gesehen wird eine solche Seele mehr von Gott geliebt als eine Seele, die noch am Anfang des Menschseins steht. Das liegt aber nicht an Gott sondern an der Seele, weil sie noch so weit von ihm entfernt ist.