Hiob hat geschrieben: ↑Mi 8. Sep 2021, 14:48
Nein. - Mir geht es um die Unabhängigkeit des Seins von UNSERER Einordnung desselben.
Das als absolut zu setzen, wirkt auch wieder so dogmatisch.
Wo sind hier Widersprüche?
Du behauptest über das Sein nichts wissen zu können, aber machst ständig Aussagen darüber.
Im Alltag haben wir Systeme, die sinnvoll sind - bspw. das Rechtssystem, dessen Urteile verbindlich sind. Trotzdem sind solche Urteile ontologisch nicht bindend. Konkret: Ein als Mörder Verurteilter wird nicht dadurch zum Mörder, dass er verurteilt wird. - Mit anderen Worten: Es würde zur Aufklärung gehören, dass man systemische und ontische Verbindlichkeit nicht verwechselt.
Das klingt erst mal plausibel. Allerdings fließt in deinem Ansatz beides zusammen, weil “ontologisch” ein leerer Begriff ist. D. h. er ist nicht von “systemisch” abgrenzbar, da sich dadurch ein Maßstab ergibt nach dem man wirklich nichts ausschließen kann. Nicht einmal, dass es umgekehrte Kausalität gibt und tatsächlich ein Urteilsspruch den Angeklagten zum Mörder macht, indem er eben die Vergangenheit verändert.
Das wäre eine lustige Idee für ein Horror-Videospiel.
Claymore hat geschrieben: ↑Di 7. Sep 2021, 23:16
Da es in dem Beitrag um menschliche Kognition ging, um die menschliche Vorstellung des Jetzt, ist es nicht so verwunderlich, dass da Menschen im Fokus standen.
Dann brauchen wir aber nicht über Ontologie zu sprechen. Das sind zwei grund-unterschiedliche Bereiche.
Aber worüber wir sprechen müssen ist unser Vermögen, unsere Überzeugungen durch Fiat auszuknipsen. Damit wir vorsichtig sind, wenn wir meinen eine Ontologie von einem Standpunkt des universellen Zweifels zu entwerfen, dass wir uns nicht selbst betrügen.
Wenn zwei Photonen aus einer Quelle in verschiedene Richtungen gehen, sind sie in einem unbestimmten Zustand, der erst dann bestimmt wird, wenn EIN Photon davon beobachtet wird. Geschieht dies aber, erhält das Partnerphoton ebenfalls seine Bestimmtheit - und zwar nicht in Lichtgeschwindigkeit, sondern "instantan" (so hieß, glaube ich, das Wort) - also sofort, selbst wenn das andere Photon Lichtjahre entfernt ist.
Ja – aber so kann keine Information übertragen werden (no-cloning-Theorem).
Das meine ich mit orwellschen Zuständen, auf die wir zusteuern: Was nicht Mainstream ist, wird als Querdenker diffamiert. -
So hießen halt die Proteste: “Querdenken” – Selbstbezeichnung. Sehe darin keine Diffamierung.
Ich beobachte eine Entwicklung der Gleichschaltung, an deren Ende es wieder Bücherverbrennungen geben wird.
Diese Entwicklung beobachte ich auch. Finde sie aber eher nicht lustig.
Unser Intelligenzia “glaubt” halt (so ist das Narrativ), die Gefahr für den öffentlichen Diskurs würde nicht mehr von klassischer Informations-Zensur ausgehen, sondern von Informations-Verdrängung durch Fluten an Fehlinformationen. Das führt sie (angeblich) zu dem Schluss: Zensur schützt den öffentlichen Diskurs.
Nur: Der Ansatz von dir, der die Menschen dazu erzieht, niemals zuzugeben “Ich lag falsch”, gießt da Öl ins Feuer und ist hochgradig kontraproduktiv.
Richtig. Aber man weiß es nicht. - Man weiß es im Rahmen von Modellen ("Wenn dieses Modell wahrheits-orientiert ist, kann ich anhand von Ergebnissen nachweisen, dass ich der Wahrheit näher komme").
Wie oben angedeutet fließt systemisch und ontisch in deiner Philosophie zusammen. Du kannst nicht plötzlich innerhalb eines Systems etwas “nachweisen”, wenn du es sonst nie kannst. Wenn man sonst alles hinterfragen kann, dann auch, ob innerhalb eines Systems wirklich ein bestimmtes Ergebnis erzielt wurde.
Deine Philosophie erweckt ständig diesen Eindruck.
Leider kommst du zu dieser Einschätzung. Warum auch immer…
Mir geht es doch darum:
- Jedes erdenkliche ontologische Grundkonzept ist “menschlich kontaminiert” und aus dem Kontext gelöst (allgemein verstanden) konfus. Vgl.: “Ist ein Loch Sein oder Nicht-Sein?”.
- Wir wissen nicht was es bedeuten soll, wahr oder falsch bzgl. einem ontologischen Grundkonzept xy zu liegen. (das “Ist ‘Riesenkraken existieren wirklich’ wahr oder falsch”-Problem hoch 1000)
- Wir können nicht mit universellem Zweifel beginnen.
- Wir können nicht per Fiat unsere Vorurteile abschalten. Denn darunter sind Überzeugungen, von denen uns nicht in den Sinn kommt, dass sie überhaupt in Frage gestellt werden können.
- Wahrheit kann uns widerlegen, ansonsten ist sie bedeutungslos. Ein Unterschied ohne Unterschied. Also kann die Wahrheit nicht auf “ontologische Grundkonzepte” zurückgeführt werden.
Gnothi seauton. Es geht also um Einschränkungen von uns Menschen, Bescheidenheit und die Bereitschaft zu sagen “Ich liege falsch”.
Wenn du das anthropozentrisch nennst, ist das – für dich als Orwell-Fan – ein ‘Schwarzweiß’: Ein Begriff der genau sein eigenes Gegenteil bedeutet.
Descartes’ Philosophie basiert auf postulierten ontologischen Grundkonzepten res cogitans und res extensae (eine hochabstrakte Konzeption der Materie, von der alle konkreten Eigenschaften wie Farbe, Geruch etc. entfernt wurden). Sicher geht er darauf ein, dass die res extensae evtl. nur unserer Einbildung entspringen. Das ist allerdings nur eine Nebelkerze. Denn woher er weiß, dass genau eine dieser beiden Optionen gelten muss, bleibt unklar. Genauso wird einfach postuliert, dass die res cogitans menschlich sind. Schließlich wird “Wahrheit” komplett degradiert, zu etwas völlig machtlosem: niemals muss ein Mensch zugeben, dass er falsch liegt.
In summa ist deine Philosophie also extreeem anthropozentrisch. Der Mensch besitzt eine Substanz, res cogitans, die sonst nicht in der Natur zu finden ist. Und egal was er behauptet, keine Macht der Welt kann ihn widerlegen. Man spricht dem Menschen die Fähigkeit zu alles zu bezweifeln. Und sich
alles einzubilden (was für eine Fantasie)!
- Ob Tiere ein Ich haben und/oder Person sind, ist reine Defintionssache. - Nach christlichen Maßstäben haben sie KEIN Ich, da "ich" und "Person" dort metayphsisch definiert sind. - Heute definiert man beides so, dass auch KI oder ein Kühlschrank ein Ich haben kann oder Person sein kann.-
Wieder einmal: Sprache. Die Neusprech-Woge, die in den letzten Jahrzehnten über unsere Kultur geschwappt ist, hat mit der Semantik zuvor oft nur sehr wenig zu tun. - Im Grunde müsste man jedes benutzte Wort vorher definieren.
Ich gebe dir mit der Neusprech-Woge zwar recht, aber bei dir wirkt das leider wie eine Schutzbehauptung. Wie wenn jemand sagt “Ob der Walfisch ein Fisch ist, ist reine Definitionssache” und im nächsten Moment “Jeder Fisch hat Kiemen”.
Denn das Ich, res cogitans, war vorher
bei dir gar nicht Definitionssache, sondern Teil einer fundamentalen Dichotomie in die das Sein zerfällt.
Wenn ich sage “Tiere haben ein Ich”, dann geht es mir da nicht um einen verbalen Disput. Sondern um einen faktischen. Und spätestens in dem Moment, wo ein smarter Kühlschrank (kommt bei der Serie Silicon Valley i. Ü. vor) denken und fühlen sollte wie ein Mensch, hat er ein Ich. Und zwar nicht bloß über die Hintertür durch Umdefinition. Sondern nach jeder allgemein formulierten Definition.
PS: Wir beide kämpfen vielleicht gegen den Zeitgeist an, aber wir sollten uns nicht einbilden, dass uns das automatisch zu vernünftigen Menschen macht.