Hiob hat geschrieben: ↑So 23. Jan 2022, 00:44Die Minimal-Definition wäre: Das, was nicht NICHT ist. - Wie könnte man es nennen, dass es Dich gibt?
Wir hatten das Beispiel mit Anatta: Würde ich der Anatta-Lehre anhängen, dann würde im Alltags-Kontext zwar von “ich bin” sprechen. Aber in einem tieferen (soteriologischen) Sinne würde ich aber gemäß “ich bin nicht” leben.
Sein ist hiermit kontextabhängig – was bedeutet aber Sein losgelöst von jedem Kontext?
Natürlich gilt “das was ist” = “das was nicht nicht ist”. Aber das ist bloß eine Tautologie, ohne Erkenntnisgewinn.
Res extensae waren nie "absolutes Sein". Mit "absolut" ist nur das gemeint, was hinter dem steht, was uns als Sein erscheint.
Vielleicht können wir ja noch mal die grundlegenden Begriffe durchgehen:
- Sein (ohne Artikel)
- das Sein
- absolutes Sein
- res extensae
- Ding an Sich
- Gott
Was davon bezeichnet nun für dich identisches?
Claymore hat geschrieben: ↑Sa 22. Jan 2022, 23:18
Ich meinte damit nur, dass es nicht verschiedene Modi oder Arten gibt wie etwas existiert, sondern genau eine, vom Kontext losgelöste. Das war doch deine These, oder?
Damit ist gemeint, dass hinter jedem subjektivem wie objektivem Phänomen etwas gibt, was diese objektiven und subjektiven Phänome als Seine erscheinen lassen kann.
Dieses “etwas” ist aber sehr eigenartiger Natur. Ähnlich dem Apeiron von Anaximander:
Anfang und Ursprung der seienden Dinge ist das Apeiron. Woraus aber das Werden ist den seienden Dingen, in das hinein geschieht auch ihr Vergehen nach der Schuldigkeit; denn sie zahlen einander gerechte Strafe und Buße für ihre Ungerechtigkeit nach der Zeit Anordnung.
Warum lässt sich das nicht mit gleichem Recht als Nichts bezeichnen?
Wenn es ihn gibt und er dreht nur Däumchen, gibt es ihn deshalb nicht NICHT.
Den entscheidenden, strittigen Punkt hast du doch mit “wenn es ihn gibt” bereits vorausgesetzt. Aber wie du weißt, kann ich mit einem kontextbefreiten “sein” nichts anfangen.
Man könnte genauso sagen “Wenn es eine größte Primzahl gibt, aber diese nicht kausal wirksam ist, dann gibt es sie deshalb nicht NICHT”. Das ist korrekt, allerdings ist “sein” hier i. S. eines abstrakten Objektes verstanden.
Eine
prinzipiell mangelnde kausale Wirksamkeit ist m. M. n. aber in einem soteriologischen Kontext nur sinnvoll als “nicht sein” zu interpretieren. Ohne diese besteht kein Unterschied mehr zu einem Satan im Sinne von Anton Szandor LaVey: Satan “existiert” – als Archetyp. Wer würde das bestreiten?
Nehmen wir mal als Beispiel für diese ganze Seins-Problematik nochmal Videospiele her. Sagen wir, in einem bestimmten Fantasy-Videospiel gibt es einen speziellen Gegenstand, eine ganz besondere Rüstung. Die liegt in einem verborgenen, verschlossenen Raum. Wenn man einen unglaublichen, wirklich
unglaublichen Aufwand betreibt, dann kann man den Schlüssel für diesen Raum erlangen, den Raum aufschließen und die Rüstung mitnehmen und als Spieler-Charakter anlegen. Zuerst hielt man diese Rüstung vielleicht für ein Gerücht, aber schließlich bestätigten mehrere Spieler: “Diese gibt es
tatsächlich.”
Wenn es den Schlüssel zu dieser Tür “nicht gäbe,” diese Rüstung
fundamental unzugänglich wäre, würden Spieler dann noch davon sprechen, dass es die Rüstung “tatsächlich gibt”?
Es wäre im Spiel fundamental unmöglich, sie jemals zu besitzen. Funktional identisch, wie wenn die Spiele-Entwickler diese Rüstung bloß als reines Datenobjekt kreiert, aber nirgendwo in der Spielwelt platziert hätten (was fast an eine platonische Idee erinnert, die aber durch nichts konkretes realisiert wird).
Kontext von “sein” bezogen auf diese Rüstung war die Spiel-Welt. Und nicht die äußere, oder
äußerste Welt, die wir kennen, d. h. die Welt, in der wir jeden morgen aufwachen – oder Welten, die über diese hinausgehen. Im Kontext der äußeren Welten existiert diese Rüstung überhaupt nicht. Sie existiert nicht, egal ob man sie im Spiel besitzen kann oder nicht.
Aber in der Spiele-Welt, was bedeutet da “sein”? Und wenn wir das verstehen, was bedeutet dann “sein” in unserer Welt?
"Das Nichts ist der Ort". - Was soll man damit anfangen? - Das sicherlich irgendeine Bedeutung in seinem Denksystem - aber was soll das hier?
Dann lies doch mal den Absatz darüber.
Mit “Ort” ist offensichtlich ein abstrakter Ort gemeint: Topos, Sphäre, “Welt”. Nicht ein räumlicher Ort wie die Antarktis.
Nehmen wir erneut das Cogito. Nishida bemerkte, dass das Zusammenfallen von Subjekt und Objekt nun mal auch für gewöhnliche “materielle” Objekte möglich ist. Descartes überging also genau diese Frage:
Wo befindet sich denn diese
Relation, diese
Beziehung von etwas zu sich selbst?
Was wir als Selbstbewusstsein bezeichnen, ist mehr als bloße Selbstreferenz (vgl. Alexa). Nämlich dass unser Selbst sich in sich selbst
weiß. Dass diese Relation sich eben auch in uns befindet. Und das ist ein Beispiel für einen “Ort”, der Ort des Selbstbewusstseins.
Was nach Nishida allem zugrundeliegt ist nun der äußerste Ort/Topos, welcher alles umfasst, in dem sich alles abspielt, welcher Sein und Nichts verbindet. Und daher selbst Nichts und doch Sein sein muss. Er ist paradox, bestenfalls zu erahnen. Das nennt er das “absolute Nichts”, welches Sein hervorbringt indem es sogar das Nichts verneint.
--- Unabhängig davon: Der Ausgangspunkt ist nach wie vor (wenn ich mich recht erinnere) die Frage, ob es Existenz geben kann, ohne dass es dem Menschen möglich ist, diese zu ermitteln (Ich habe jetzt neu formuliert).
Dennoch bleibt das wohl eine ganz unverständliche Frage. Denn was mag Existenz, in allgemeinster Weise verstanden, bedeuten?
Und wenn Du partout "Sein" anzweifelst. - Wie nennst Du es, dass wir hier gerade schreiben. "Nichts" ist es wohl nicht - wie nennst Du also dieses Nicht-Nichts?
Das kommt auf den Kontext an. In einem gewissen Kontext ist es nichts, in einem anderen ist es nicht nichts.
Meine Aussage ist: WENN er existiert, ist es irrelvant, ob wir etwas für sonstwas halten, um von "Satan existiert" zu sprechen. - Mehr nicht. - Mein Begehr ist sehr bescheiden.
Aber doch meinst du, dass wir über ein absolutes Verständnis von “existieren” verfügen. Darin liegt eine Art Anmaßung.
Aber das war doch nicht marionettenartig gemeint, sondern als physikalisches/biologisches Funktionieren. - Damit war das, was man gerne "freie Entscheidungsgewalt" nennt, doch nicht ausgeschlossen.
Doch, doch. Allein der Mensch ist nach Descartes nicht marionettenhaft. Nur er kann aus dem streng determinierten Naturgeschehen-Getriebe, Stoß auf Stoß, ausbrechen – magisch, wie durch eine übernatürliche Kraft. Eine der zentralen Grotesken des Cartesianismus. So absurd, dass die Nachfolger Descartes’s wie Nicolas Malebranche sich schnell daran machten, Alternativen wie den Okkasionalismus zu ersinnen.
Die Schöpfung einschließlich der Tiere ist nach Descartes jedenfalls unbeseelt und durch rein mechanistische Gesetzmäßigkeiten in ihren Abläufen absolut determiniert.
Es wird nicht klar, ob Du dies rein naturalistisch oder auch geistlich meinst. - Meinst Du, dass "menschliche Seele" eine geistliche Größe ist? Oder ist es nur eine Art Software, die auch ein Naturalist akzeptiert?
“Geistlich” hört sich so nach Kirche und Klerisei an. Was soll das in diesem Zusammenhang bedeuten?
Ich habe immer klar und eindeutig gesagt, dass ich die “menschliche Seele” für
immateriell halte, d. h. als Substanz nicht den Gesetzen des ewigen Wandels, des Entstehens und Vergehens, unterworfen.
Aber das Wort “geistlich” empfinde ich hier als unpassend.
Claymore hat geschrieben: ↑Sa 22. Jan 2022, 23:18
Ein Hindu denkt, was wir erleben ist der Traum Brahmans (um zum x-ten Mal dieses Beispiel zu bringen), d. h. nicht res extensae und auch nicht seine Vorstellung. Also ist das “oder” falsch, eine falsche Dichotomie.
Descartes meint es aber anders. Er will doch nur sagen, dass die Person Claymore letztlich nicht entscheiden kann, ob die Finger, mit denen er in die Tasten haut, Vorstellung sind oder Res extensae. - Im ersten Fall gäbe es die Finger nicht mehr, wenn Claymore stirbt, weil dann der Vorstellungsträger futsch ist. Um diesen Unterschied geht es.
Du hast da leider
wieder genau den wesentlichen Punkt verfehlt (wie schon die letzten… Monate?). Fast unverändert wiederholst du genau das, was strittig ist.
Nochmal: nichts davon rechtfertigt deine Dichotomie, nichts rechtfertigt dein “oder”.
Denn wäre die Welt der Traum Brahmans, dann bestünden die Finger als Traumbestandteil auch nachdem der Vorstellungsträger futsch ist. Aber dennoch sind die Finger nicht res extensae. Also ist das “oder” falsch.
Da hilft es nichts zu sagen, dass Descartes das anders meint. Denn das “oder” gehört nunmal zu dem dem ganzen Gedankengang.
Du führst da eine durch
nichts gerechtfertigte Dichotomie ein.